Die Läuteordnung beschreibt das Glockengeläut der Kirchen, also welche Kirchenglocken zu welchem Anlass gemeinsam oder einzeln erklingen dürfen. Zum Erstellen der Läuteordnung werden verschiedene Aspekte herangezogen.
Raster nach liturgischen Gesichtspunkten
Die folgende Tabelle zeigt eine differenzierte Aufstellung der verschiedenen Läutekategorien:
Katholisch | Evangelisch |
---|---|
A. Hochfeste
B. Feste und Sonntage C. Feste an Werktagen D. Gedenk- und Werktage |
A. Festtage
B. Sonn- und Feiertage C. Wochentage |
Konfessionsunterschied
Wenn die Glocken nach den Vorgaben des liturgischen Kirchenjahres geläutet werden, ist dies in Bezug auf die jeweilige Konfessionen von Läuteordnung zu Läuteordnung unterschiedlich; so wird es z. B. bei evangelischen Läuteordnungen keine Kategorie für „Hochfeste der Heiligen und der Gottesmutter“ geben. Besonders das Läuten zum Karfreitagsgottesdienst/Karfreitagsliturgie unterscheidet sich zwischen den Konfessionen. Bei den Katholiken schweigen die Glocken ab dem Gloria am Gründonnerstag, bei dem (meist) noch einmal alle Glocken erklingen, und ertönen erst wieder zum Gloria bei der Feier der Osternacht (Karsamstagabend oder Ostersonntagmorgen). Von den Türmen evangelischer Kirchen erschallt am Karfreitag häufig nur die größte Glocke; allerdings wird teilweise noch mit allen Glocken geläutet, woran manche Katholiken Anstoß nehmen. Auch im Hinblick auf die Ökumene unterlassen jedoch einige Gemeinden jegliches Läuten.
Uhrschlag
Der Uhrschlag, der früher ein profanes Zeichen war, wird heutzutage immer öfters über Kirchenglocken angeschlagen. Interpretiert kann dieser unter der Vorstellung, dass „unsere Zeit in Gottes Händen“ steht. Aufgrund von Klagen wegen Lärmbelästigung, kann der Uhrschlag bei den neuen elektrischen Uhrwerken in der Nacht abgestellt werden.
Hauptartikel: Uhrschlag
Gebetsläuten zu den Tageszeiten
Das Gebetsläuten zu den Tageszeiten ist auf die Stundengebete der Mönche zurückzuführen. Heute wird nur dreimal am Tag geläutet; am Morgen (Laudes), am Mittag (Sext/Mittagshore) und am Abend (Vesper). Am Abend wurde der Angelus gebetet.
Das Läuten zu den Tageszeiten gibt es sowohl bei den Katholiken als auch bei den Protestanten. Allerdings mit dem Unterschied, dass bei Ersteren das Gebet auf den Engel des Herrn (Angelus Domini) fixiert ist.
Angelus Domini
Hauptartikel: Angelusläuten
Das Angelusläuten (auch Aveläuten) ist ein Gebetsläuten der katholischen Kirchen, das morgens, mittags und abends ausgeführt wird. Zwischen dem Gloria am Gründonnerstag und dem der Osternacht unterbleibt jegliches (Angelus-)Läuten.
Das allabendliche kurze Nachläuten an den Angelus, Vaterunserläuten genannt, mahnt zum Vaterunser für die Verstorbenen des Tages oder der Woche richtet. Dieser katholische Brauch ist häufig in Pfarreien der Schweiz, Österreichs und Süddeutschlands anzutreffen, so z. B. am Münchner Dom.
Betläuten
Die evangelischen Kirchen üben das Betläuten (Vaterunserläuten) aus. Die sogenannte Betglocke (oder Vaterunserglocke) kann dabei geläutet oder durch einen Schlaghammer angeschlagen werden. Im letzteren Falle kann dies durch sieben (vgl. sieben Bitten des Vaterunser) oder neun (sieben Bitten inklusive Anfang und Ende) Schläge geschehen. Die Ausführung des Betläutens ist ebenso wie die Uhrzeiten, zu denen geläutet wird, regional sehr verschieden. Mancherorts ist es üblich, für die einzelnen Betzeiten unterschiedliche Glocken zu wählen. An Samstagen wird das Abendläuten häufig durch das Einläuten des Sonntags ersetzt. In manchen Gemeinden entfällt das Betläuten am Karfreitag und am Karsamstag oder jeden Sonntag.
Läutezyklus der Heiligen Woche
Der Läutezyklus der Heiligen Woche beinhaltet das Läuten zum Gedächtnis an das Österliche Triduum, wobei der Schwerpunkt auf dem Geläut am Donnerstagabend und am Freitag liegt, da dieses als reines Gedächtnisgeläut ausgeführt wird und nicht mit einer gottesdienstlichen Feier verbunden ist.
Donnerstag
Am Donnerstagabend erfolgt mancherorts das Gedächtnisläuten (auch: Angstläuten, Ölbergläuten, Golgotaläuten, Gethsemaniläuten) zur Erinnerung an das Gebet und an die Todesangst Christi am Ölberg. Dieser Brauch findet sich hauptsächlich in ländlichen Regionen und traditionellen Gemeinden sowie im süddeutschen Raum sowie in der Schweiz und Auch heute finden sich ein Österreich wieder.
Das Läuten geschieht entweder
- direkt nach dem Abendläuten,
- anstelle des Abendläutens oder
- um 21 Uhr.
- in Mellingen wird um 17 Uhr geläutet
Hierbei versieht eine große, tontiefe Glocke, die Totenglocke oder – sofern vorhanden – die Dominica oder Herrenglocke das Läuten.
Im Stift St. Florian läutet die eigens dafür vorgesehene, über achteinhalb Tonnen schwere Angstglocke.
Die Evangelische Landeskirche in Württemberg schlägt folgendes vor:
- „Das Donnerstagabend-Läuten zur Erinnerung an Jesu Gebetskampf in Gethsemane [erfolgt durch] die Kreuzglocke, die unmittelbar nach der Betglocke bei Einbruch der Nacht geläutet wird. An die Stelle der Kreuzglocke kann auch die Dominka treten.“[1]
Freitag
Je nach Region und Vorgabe der Landeskirche oder des Erzbistums/der Diözese ertönen jeden Freitag maximal dreimal die Glocken zum Gedenken des Leidens und Sterbens Jesu. Vielerorts hat sich in Deutschland, Österreich und der Schweiz das 15-Uhr-Läuten bis heute gehalten. Das 11-Uhr-Läuten, insbesondere das 16-Uhr-Läuten ist heute nur sehr selten anzutreffen. Hier finden die Glocken mit den Bezeichnungen Christusglocke oder Dominica, Kreuzglocke oder Schiedglocke Verwendung. In Tirol gilt es um 15 Uhr mit der größten vorhandenen Glocke zu läuten.
In einigen evangelischen Gemeinden wird auch am Karfreitag zur Sterbestunde geläutet. Oftmals fällt danach sämtliches Läuten bis zum Ostersonntag weg (z. B. aus Rücksicht auf eine katholische Gemeinde).
- 9 Uhr: Kreuzigung (Kreuzigungsläuten)
- 11 Uhr: Leiden Jesu (Herz-Jesu-Läuten)
- 15 Uhr: Kreuzestod (Schiedläuten, Scheideläuten, Scheidungsläuten)
- Das 11-Uhr- oder das 15-Uhr-Läuten kann als „Freitagsläuten“ zur Erinnerung an das Heilsgeschehen des Karfreitags geschehen. Hierbei ertönt bei kleineren Geläuten (bis vier Glocken) das Vollgeläut, bei größeren Geläuten ein Teilmotiv. Diese Art des Läutens ist eher im süddeutschen Raum sowie in Österreich und in der Schweiz verbreitet.
- 16 Uhr: Kreuzabnahme
Läutezeichen zu liturgischen Handlungen
Wandlung/Einsetzungsworte
In jeder katholischen Pfarrkirche gibt es die Altarschellen oder den Altargong, die während der Einsetzungsworte von Messdienern geläutet oder mit einem Schlägel angeschlagen werden.
Regional unterschiedlich ist jedoch die Einbeziehung einer bestimmten Glocke aus dem Geläut. Hierbei kann die jeweilige Glocke entweder schwingend geläutet oder per Schlagwerk angeschlagen werden. Im letzteren Falle geschieht dies meist durch zwei Schlagfolgen mit jeweils drei kurz aufeinander folgenden Schlägen (jeweils nach den Worten „tut dies zu meinem Gedächtnis“). Eine Differenzierung innerhalb einer Läuteordnung zwischen Anschlagen der Glocke und schwingendem Läuten kann z. B. Sonntage von Festtagen unterscheiden, wobei das schwingende Läutem Letzterem zuzuordnen wäre.
In evangelischen Gemeinden kann es auch ein Läuten zu den Einsetzungsworten geben, das meist bis in das darauffolgende Vaterunser hineinreicht. Die Betätigung eines Schlagwerkes ist eher unüblich.
In Österreich sind viele Glocken mit Klöppelfängern ausgestattet. Auch hier wird während des Sanctus die Glocke eingeschaltet, wenn nicht schon früher geschehen, da die Glocken oft sehr hoch gezogen werden (der Klöppel wird währenddessen vom Klöppelfänger gehalten). Jeweils nach den Worten „tut dies zu meinem Gedächtnis“ wird der Klöppel aus der Verankerung gelöst und nach wenigen Schlägen wieder eingefangen; nach dem zweiten Einfangen wird die Glocke wieder abgeschaltet. Diese Läuteweise ermöglicht ein zeitgenaues Läuten der Glocke, was ohne Klöppelfänger nicht möglich wäre.
Taufhandlung
Während des Taufaktes kann mit der speziellen Taufglocke geläutet werden. Der Vorsitzende des Deutschen Glockenwesens, Kurt Kramer, sagt über den Sinn des Taufläutens:
„Ich [finde] es sehr schade, dass in vielen Gemeinden das früher übliche Taufgeläut – es hängt ja fast auf jedem Turm eine Taufglocke – in Vergessenheit geraten ist. Wenn ein Mensch in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen wird, ist das allemal ein Willkommengeläute und ein Gebet wert.“
Einsegnungen
Zur Einsegnung der Konfirmanden wird in evangelischen Kirchen gewöhnlich mit allen Glocken geläutet.
In beiden Konfessionen ist es üblich bei Trauungen zur Einsegnung des Brautpaares zu läuten, sofern eine dafür vorgesehene Trauglocke vorhanden ist.
In katholischen Kirchen kann zur Primiz der neuen Priester das Vollgeläut erklingen.
Beisetzung
Zum Geleit und/oder zur Beisetzung auf dem Friedhof – bei weit entferntem Friedhof kann zur festen Zeit ein Gedächtnisläuten erfolgen – wird in den meisten Fällen mit der vorhandenen Sterbe-/Totenglocke oder der tontiefsten/größten Glocke für wenige Minuten geläutet.
Verlesung der Verstorbenen
In evangelischen Kirchen gibt es das Läuten mit der Toten- oder der tontiefsten Glocke währen der Verlesung der Verstorbenen am Ewigkeitssonntag. Dies kann zudem am Buß- und Bettag oder im Jahresschlussgottesdienst am Altjahrsabend erfolgen.
Sonn- und Feiertage
Einläuten
Das Einläuten (Vesperläuten, Feierabendläuten) eines Hochfestes oder Sonntags am Vortag geht vermutlich auf das Läuten zur ersten Vesper zurück; die Vesper wird erst bei Einbruch der Dunkelheit gesungen. Daher sollte das Einläuten üblicherweise erst am frühen Abend stattfinden, und dieselben Glocken wie zum Hauptgottesdienst/Amt am Sonn- oder Feiertag zur Anwendung kommen. Jedoch kann diese Regelung von Pfarrei zu Pfarrei variieren. So wird beispielsweise in der Schweiz und in Österreich mit dem Vollgeläute der Sonntag eingeläutet.
In der Schweiz ist es auch verbreitet, nach Jahreszeit zur vollen Stunde zum Sonnenuntergang einzuläuten (zwischen 15 Uhr im Winter und 21 Uhr im Sommer).
Das Einläuten kann zwischen 3 und 15 Minuten dauern. In der Regel orientiert sich die Länge nach der Länge des Zusammenläutens beim sonntäglichen Hauptgottesdienst. Besonders in der Schweiz und an hohen Domkirchen wird meist eine Viertelstunde oder länger geläutet.
Varianten des Einläutens sind das Pulsläuten, bei dem das gleiche Geläut zwei- oder drei mal wiederholt wird, und das Classicum-Läuten. Letztgenanntes zeichnet sich dadurch aus, dass zunächst alle beteiligten Glocken, von der kleinsten bis zur größten, solistisch erklingen. Bei der größten Glocke angelangt, baut sich das Geläut nach oben hin wieder auf und erklingt für 5–10 Minuten; so in Ampfing praktiziert. Dieses Geläut kann entweder regelmäßig oder nur vor hohen Feiertagen erfolgen.
Eine Möglichkeit, die regionale Ökumene zu unterstreichen, ist das gemeinsame, ökumenische Einläuten, das vielerorts als Stadtgeläut ausgeführt wird. Das Bekannteste darunter ist das Frankfurter Stadtgeläut, dass nur bei besonderen Anlässen stattfindet.
Vorläuten
Vor den Hauptgottesdiensten können besondere Glockenzeichen (Vorläuten) gegeben werden. Unterschieden wird zwischen einmaligem Vorläuten (60, 30 oder 15 Minuten vor Beginn) und dem doppelten Vorläuten (2 und 1 Stunde, 60 und 30 Minuten oder 30 und 15 Minuten vor Beginn). Das Vorläuten muss sich nicht nach Gottesdienstbeginn, sondern kann sich nach Beginn des Hauptläutens richten. Hierfür gibt es Beispiele in der Schweiz. Das einmalige Vorläuten geschieht meist mit einer Glocke, nur selten auch mit zwei Glocken oder gar einem Teilgeläut, und das doppelte Vorläuten entweder mit der gleichen Glocke oder mit zwei unterschiedlichen oder zuerst mit einer und danach mit zwei Glocken. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, bei denen in einem oder gar in beiden Fällen immer das Vollgeläut ertönt.
Signieren
Beim Signieren (auch: Vorspann) geht dem Hauptläuten das Läuten einer einzelnen Glocke voran. Zwischen beidem liegt eine Pause von 5 bis 10 Sekunden. Der Vorspann zeigt Besonderheiten eines Gottesdienstes an: Festtag, Abendmahl (falls es nicht regelmäßig gefeiert wird), Taufen.
Haupt-/Zusammenläuten
Das Hauptläuten, auch als Zusammenläuten bekannt, besteht aus mindestens zwei Glocken (sofern vorhanden) und kündigt den unmittelbar bevorstehenden Beginn des Gottesdienstes an.
An katholischen Kirchen – je nach Größe und Bedeutung des Gotteshauses – wird 5 bis 10 Minuten, bisweilen auch 15 Minuten (so z. B. in weiten Teilen des Bistums Eichstätt) vor Gottesdienstbeginn mit einer kurzen Pause bis zu selbigem, an evangelischen Kirchen vor dem Gottesdienst bis zu seinem Beginn mit einer Länge von meist 5 Minuten geläutet. Zu besonderen Festtagen kann sich dieses Läuten bei beiden Konfessionen aber auch erheblich ausdehnen und erstreckt sich oft bis zu 20 Minuten oder länger – je nach Glockenreichtum und Bedeutung des Gotteshauses.
Mancherorts wird aus statischen Gründen auf ein ausgedehntes Hauptläuten verzichtet, wobei die Glocken für gerade einmal 2 bis 3 Minuten erklingen. Hauptaugenmerk wird dort dann auf ein deutlich langes, solistisches Vorläuten gelegt.
Eine gute Läuteordnung enthält ein Hauptläuten, dass sowohl die liturgische Rangordnung des Tages (Hochfest/Fest/Sonntag/ggf. Werktag) als auch die Kirchenjahreszeit berücksichtigt.
Allerdings ist dies bei kleinen Geläuten bis zu vier Glocken selten anzutreffen. In diesem Falle entscheidet es sich zwischen den Kirchenjahreszeiten oder der liturgischen Rangordnung des Tages. Bei größeren Geläuten (ab fünf Glocken) gibt es eine Dominika (Sonntagsglocke), die für den Tag des Herrn reserviert ist. Bei Domgeläuten (in der Regel ab sieben Glocken) gibt es auch eine Gloriosa (Festtagsglocke), die nur den Festen vorbehalten ist.
In Teilen der Schweiz ist es üblich, alle Sonntagsgottesdienste mit dem Vollgeläut zu begleiten.
Nachschlag
Der Nachschlag ist ein Nachläuten der größten beteiligten Glocke nach dem Hauptläuten, etwa eine halbe Minute lang und von jenem durch eine Pause von 5 bis 10 Sekunden getrennt. Statt des Nachläutens kann diese Glocke 3 × 3 Mal angeschlagen werden, beispielsweise an Karfreitag, Bußtag oder bei Passionsandachten.
Ausläuten
Das Ausläuten kann entweder direkt im Anschluss an den Gottesdienst oder zur Zeit des Einläutens (am Vorabend) stattfinden. Die Wahl der Glocken ist jedoch unterschiedlich; einerseits wird das Motiv des Einläutens oder nur die jew. größte Glocke verwendet.
Vielerorts wird das Ausläuten des alten Jahres praktiziert. Hierbei wird um 23:45 Uhr mit dem Vollgeläut oder mit der größten Glocke für etwa 10–15 Minuten geläutet.
Weitere Läutetechniken und -anlässe
Durch die Vernichtung der Glocken im Zweiten Weltkrieg und aufgrund der Automatisierung durch Läutemotoren sind viele historische Läutebräuche verloren gegangen. Im Folgenden werden die wichtigsten Läutetraditionen und -techniken vorgestellt:
Beiern
siehe Hauptartikel: Beiern
Das Beiern ist eigentliches Sonntags- und Festgeläute in drei verschiedenen Techniken, die kombiniert/abwechselnd verwendet wurden:
- Anschlagen mehrerer Glocken, gleich bleibend in Melodie und Rhythmus, u. U. variabel im Tempo.
- rasches Anschlagen mehrerer Glocken in kunstvollen, häufig wechselnden Rhythmen, Melodien, Tempi, z. T. mit Triolen und Dopplungen (Beiern im engerem Sinne)
- Durchziehen einer Glocke (die das Tempo bestimmt und je nach Anlass wechselt), zu der die übrige[n] Glocke[n] in verschiedenen Rhythmen eingestoßen, das heißt angeschlagen werden; feierlichste Form [3]
Fastenläuten
In einigen Regionen der Schweiz ist es üblich, am Aschermittwoch um Mitternacht die Fastenzeit einzuläuten. Hierzu findet die größte vorhandene Glocke Verwendung.
Kleppen
Das Kleppen (auch: Glemmen, Halbzugläuten, Zinken) Schlagen einer kleinen Glocke einseitig gegen ihren Klöppel (nur per Seilzug möglich); besondere Signalwirkung je nach Zahl der Schläge.
„Bey einer großen Leiche wird der Tod angekündigt, mit der größten geklept und mit allen dreyen nachgeläutet. Dieses geschieht bey Erwachsenen sowohl als Kindern durch die Nachbarn, daher der Küster nichts zu ziehen hat.“ [4]
Cluniazenserläuten
Zu den Hochfesten im Kirchenjahr ist es möglich, dass ein Cluniazenserläuten erfolgt. Diese Art des Läutens, bei der die Glocken nicht nur miteinander, sondern nacheinander ertönen, wurde nach dem mittelalterlichen Kloster von Cluny in Burgund benannt. Sie entspringt den Läuteordnungen der großen mittelalterlichen Kirchen und Klöstern. Da es den Glockengießern nicht immer gelang, eine vielstimmige Harmonie aus mehreren Glocken zu erreichen, wurden die Glocken nacheinander einzeln geläutet, um Dissonanzen zu vermeiden. Das heutige Modell dieser Läuteart sieht eine Kombination von Einzel- und Plenumsläuten vor: Zunächst erklingt das Plenum, welches mit der kleinsten Glocke beginnend angeläutet wird. Beim Abschalten des Plenums bleibt zum Schluss die größte Glocke des Geläutes stehen und läutet einzeln. Danach läuten die übrigen Glocken einzeln, von der zweitgrößten zur kleinsten Glocke aufsteigend. Am Ende läutet die kleinste Glocke des Geläutes einzeln. Von ihr aus baut sich das Plenum wieder nach unten auf und läutet wiederum. Das erste Plenumsgeläut sollte kürzer als das Zweite sein.
Pulsläuten
Läuten in mehreren gleichlangen Abständen („Pulsen“) mit den gleichen Glocken (oder mit nur einer Glocke). Dabei kann die Dauer eines Pulses zwischen 5 und 10 Minuten schwanken. Dazwischen liegen Pausen von 1 bis 10 Minuten. Dieses Geläut wird häufig zum Einläuten der Hochfeste (auch Sonntage) verwendet.
Schiedläuten
Das Schiedläuten (auch: Scheideläuten, Scheidungsläuten, Sterbeläuten) bedeutet, dass beim Bekanntwerden eines Todesfalles mit der Schiedglocke – in der Schweiz/in Österreich auch mit der Zügenglocke (vgl. „in den letzten Zügen liegen“) – geläutet wird. Dies kann entweder bei Eintreffen der Todesnachricht, nach dem nächsten Betläuten/Angelus oder zu einer anderen festen Zeit erfolgen.
Taktläuten
Durchziehen aller Glocken in gleicher Pendelfrequenz, sodass die Anschlagfolge stets gleich bleibt; die größte Glocke gibt das Tempo vor. In Deutschland ist diese Läuteart nur in Billerbeck nachzuweisen.
Im italienischen Friaul werden sämtliche Geläute (meist dreistimmig und melodisch) auf diese Art geläutet; so beispielsweise in Colle di Arba.[5]
Totenläuten
Kompliziertes System langsamer Anschlagfolgen, z. T. mit mehreren angeschlagenen und einer durchgezogenen Glocke; daraus waren sozialer Status, Alter und Geschlecht des Toten zu erkennen; erste „Pause“ unmittelbar nach dem Ableben oder nach dem nächsten Betläuten/Angelus.
Profanes/bürgerliches Geläut
Armeseelen-/Verirrtenläuten
Die Armeseelenglocke läutet eine Stunde nach Sonnenuntergang. Seit 1609 aus Rom verbreitet. Dieses Geläut diente zur Orientierung für diejenigen, die sich zu weit von der Stadt (Stadttore) entfernt und sich verirrt haben.
Armesünderläuten
Dieser Brauch ist abgeschafft. Die Armesünderglocke läutete von Beginn der Führung des Angeklagten zur Hinrichtungsstätte bis kurz vor dessen Hinrichtung.
Feuer-, Sturm- und Alarmläuten
Rasches Anschlagen des Klöppels an eine Seite der Feuer- oder Alarmglocke. Im Berner Münster werden die beiden „Feuerglocken“ mit steigendem Tempo abwechselnd angeschlagen.
Marktläuten
Eine bestimmte Glocke läutet zum Wochenmarkt. Dies geschieht beispielsweise an der Stiftskirche Herrenberg.
Neujahrsläuten/Läuten zum Jahreswechsel
Das Neujahrsläuten ist von großer Popularität und Beliebtheit. Im Ursprung ein heidnischer Brauch, sollte dieses Läuten die bösen Dämonen vertreiben. In der Regel beginnt das Läuten um 24 Uhr und dauert zwischen 10 Minuten und 1 Stunde. Gerade in der Schweiz ist es üblich, das alte Jahr noch kurz vor Mitternacht auszuläuten (gegen 23:45 Uhr).
Für das Ein- und Ausläuten erklingen meistens alle vorhandenen Glocken, jedoch weniger der Festlichkeit wegen, sondern um eine möglichst hohe Lautstärke zu erzeugen (vgl. Silvesterraketen). Das Ausläuten des alten Jahres kann mit der größten Glocke erfolgen.
Sechseläuten in Zürich
Hauptartikel: Sechseläuten
Ruhestörung
Mit Glockengeläut kann Ruhestörung einhergehen. Dieses Phänomen tritt besonders seit der Elektrifizierung der kirchlichen Glockengeläute auf. Die reichhaltigen Läuteordnungen die vor der Vernichtung vieler Geläute in beiden Weltkriegen existierten, sind mit den Glocken verschwunden. In der Nachkriegszeit wurden neue Läuteordnungen verfasst, die inhaltlich wesentlich verkürzt sind und eine gewisse Willkürlichkeit aufweisen. Diese wird dadurch verstärkt, dass das einfache Betätigen der Schalter für das elektrische Läuten der Glocken zum zu langen Läuten führt, sei dies durch Vergessen des Ausschaltens durch die Zuständigen oder durch das verlorengegangene Handläuten, das immer mit Körpereinsatz verbunden war. Die vielerorts vorhandenen Läutecomputer schränken die Läuteordnung zusätzlich ein und ebenso den Bezug zur Glocke an sich.
Seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts bereits wurden oftmals Glockentürme mit ungünstigen resonanten Eigenschaften (Beton) errichtet. Teilweise wurde durch fehlende Schalldämmungen sowie durch mancherorts überproportionaler Geläute eine regelrechte Läutegegnerwelle ausgelöst. Durch das Schlagen der Turmuhr, oder das Morgenläuten fühlen sich häufig die (neu hinzugezogenen) turmnahen Anwohner gestört, was in einigen Fällen zum gänzlichen Abschaffen von Uhrschlägen oder Gebetsläuten geführt hat. Glockensachverständige der Kirchen beraten kirchliche Gremien in Konfliktfällen.
Quellen
- ↑ Wilhelm Schildge: Der Dienst der Glocken. In: Württembergische Evangelische Landeskirche (Hrsg.): Beiblatt Nr. 3 zum Amtsblatt Bd. 37. Beiser, Stuttgart 1956, S. 23–34.
- ↑ Deutschlands Glocken sind in Gefahr, Interview der Berliner Morgenpost mit Kramer vom 3. April 2007; abgerufen am 16. Februar 2008
- ↑ Ausschnitt aus dem Gütersloher Nachtsanggeläut.
- ↑ Döring (1988), S. 185
- ↑ Glockenläuten nach friulanischem System in der Pfarrkirche zu Colle di Arba (Stand: 23. Januar 2008 22:30)
Literatur
- Christoph Albrecht: Einführung in die Liturgik. 5. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995, ISBN 3-525-57194-1.
- Otto Bayer: Kleine Campanologie für Uneingeweihte. In: Dorothy L. Sayers: The Nine Tailors, 1934 (dt. Der Glocken Schlag, übersetzt von Otto Bayer, 1978; Neuausgabe Rowohlt, Reinbek 1998, S. 291–293, ISBN 3-499-14547-2).
- Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen (Hrsg.): Zum Lobe seines Namens – Liturgie und Glocken. Butzon & Bercker, Kevelaer 2008, ISBN 978-3-7666-0974-8.
- Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen (Hrsg.): Beiträge zur Glockenkunde. 1986 bis 1992. Karlsruhe 1992.
- Konrad Bund: Glocken und Musik. Mit einem Funktionsschema der Glocken der Geläute mittelalterlicher und nachmittelalterlicher deutscher Dom- und Stiftskirchen und einem Tonstrukturvergleich fünfzehn romanischer Glocken. In: Konrad Bund (u. a.): Jahrbuch für Glockenkunde. Bd. 9/10, MRV, Brühl 1998, S. 121–156, ISSN 0938-6998.
- Alois Döring: Glockenbeiern im Rheinland. In: Amt für rheinische Landeskunde Bonn (Hrsg.): Beiträge zur rheinischen Volkskunde. Bd. 4, Rheinland-Verlag, Köln u. a., ISBN 3-7927-0905-8.
- Andreas Heinz: Die Bedeutung der Glocke im Licht des mittelalterlichen Ritus der Glockenweihe. In: Alfred Haverkamp (Hrsg.): Information, Kommunikation und Selbstdarstellung in Mittelalterlichen Gemeinden. Oldenbourg, München 1998, S. 41–69, ISBN 3-4865-6260-6
- Kurt Kramer: Die Glocke. Eine Kulturgeschichte. Verlags-Gemeinschaft Topos plus, Kevelaer 2007, ISBN 978-3-7867-8597-2.
- Wolfram Menschick: Liturgische und musikalische Grundlagen für die Läuteordnung und die Geläutedisposition. In: Kurt Kramer: Glocken in Geschichte und Gegenwart. Bd. 2, Badenia, Karlsruhe 1997, S. 555–568, ISBN 3-7617-0341-4.
- Volker Müller: Ratschläge zur Läuteordnung in evangelischen Kirchen. In: Kurt Kramer: Glocken in Geschichte und Gegenwart. Bd. 1, Badenia, Karlsruhe 1986, S. 40–47, ISBN 3-7617-0238-8.
- Urs Naef-Jakob: Reformiertes Glockenläuten: Botschaft – Entwicklung – Bedeutung. In: Bundesamt für Kultur BAK Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege (Hrsg.): Glocken – Lebendige Klangzeugen. Des témoins vivants et sonnants. Heft 5, UD Print AG, Luzern 2008, S. 66–70, ISSN 1660-6523.
- Karl-Ludwig Nies: Die Glocken des Münchner Frauendoms. Sankt Michaelsbund, München 2004, ISBN 3-920-82148-3.
- Claus Peter: Die Deutschen Glockenlandschaften. Westfalen. Deutscher Kunstverlag, München 1989, ISBN 3-422-06048-0.
- Ido Radakovich: Glocken, Geläute und Läutesitten in Südtirol. In: Konrad Bund (u. a.): Jahrbuch für Glockenkunde. Bd. 15/16, MRV, Brühl 2004, S. 489–496, ISSN 0938-6998.
- Hans Rolli: Liturgie und Läuteordnung nach dem Zweiten Vaticanum. In: Kurt Kramer: Glocken in Geschichte und Gegenwart. Bd. 1, Badenia, Karlsruhe 1986, S. 35–39, ISBN 3-422-06048-0.
- Jan Hendrik Stens: Die liturgische Läuteordnung – dogmatische Konzeption oder Beliebigkeit der Willkür? In: Konrad Bund (u. a.): Jahrbuch für Glockenkunde. Bd. 17/18, MRV, Brühl 2006, S. 283–294, ISSN 0938-6998.
- Constanze Treuber (u. a.): Gegossene Vielfalt. Glocken in Sachsen-Anhalt. Hinstorff, Rostock 2007, ISBN 978-3-356-01180-7.
- Werner H. Walter: Tessiner Glocken – Ambrosianisches Läuten. In: Bundesamt für Kultur BAK Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege (Hrsg.): Glocken – Lebendige Klangzeugen. Des témoins vivants et sonnants. Heft 5, UD Print AG, Luzern 2008, S. 76–82, ISSN 1660-6523.
- Jörg Wernisch: Glockenkunde von Österreich. Journal, Lienz ohne Jahr [2006], ISBN 3-902128-10-0.