Als apokryphe Schriften, oder Apokryphen (von griechisch απόκρυφο, Plural απόκρυφα [βιβλια] - verborgen, hier zu verbergende Bücher, nicht zum Gottesdienstgebrauch zugelassen) werden Schriften bezeichnet, die eine gewisse Ähnlichkeit mit biblischen Schriften aufweisen, die aber (für viele der betroffenen Schriften im Konsens fast aller christlichen Konfessionen) nicht dem biblischen Kanon zugerechnet werden. Es wird unterschieden zwischen Apokryphen des Alten Testaments und Apokryphen des Neuen Testaments.
Worauf man sich im Einzelnen bezieht, wenn man von "Apokryphen" ohne nähere Bestimmung spricht, hängt vom Kontext und der konfessionellen Zugehörigkeit ab.
Apokryphen des Alten Testaments
Bezogen auf das Alte Testament ist sowohl der Sprachgebrauch als auch die Liste der als kanonisch beurteilten Bücher in den verschiedenen christlichen Konfessionen unterschiedlich. Ursache hierfür ist die Orientierung der Übersetzung der Bibel durch Luther an den hebräischen Quellen-Texten der Bibel, während die katholische und die orthodoxe Kirche sich beide auf die Septuaginta beziehen.
Damit reduziert sich der Umfang der Bücher des AT für die evangelischen Kirchen auf diejenigen, die auch das Judentum als kanonisch anerkennt, die sonstigen Texte und Bücher, die nicht hebräisch verfasst sind oder deren hebräisches Original nicht erhalten blieb, gelten fortan als apokryph. Texte, die zwar einen bibelnahen Charakter haben, aber weder im hebräischen Kanon noch in der Septuaginta aufgenommen sind (z. B. Äthiopischer Henoch), werden von protestantischen Autoren als Pseudepigraphen (lügnerische Zuschreibungen) bezeichnet.
In der lateinischen, westlichen Kirche war die Diskussion um den Kanon des Alten Testaments um die Mitte des 4. Jahrhunderts im Grunde abgeschlossen und ist bis heute der in der katholischen Kirche gültige Kanon. Trotz der Lehrentscheidungen einiger regionaler Konzilien (u. a. 3. Konzil von Karthago, 397) und des Unionskonzils von Florenz (1442) wurde aber erst auf dem Konzil von Trient für die katholische Kirche der Kanon verbindlich festgelegt. Schriften der Septuaginta, die nicht im hebräischen Kanon enthalten sind, aber von der katholischen Kirche dem Kanon zugerechnet werden, bezeichnen katholische Autoren als deuterokanonische Schriften. Sie sind im katholischen Verständnis vom gleichen Rang wie alle übrigen Bücher der Bibel.
Als neutraler Ausdruck für die von der katholischen oder orthodoxen Kirche als kanonisch anerkannten Schriften der Septuaginta außerhalb des jüdischen Kanons wird z.T. Spätschriften des Alten Testaments verwendet.
Diese Spätschriften des Alten Testaments sind in vielen Bibelausgaben enthalten.
Bei den Spätschriften nach dem Kanon der Septuaginta handelt es sich im Einzelnen um:
- Buch Judit
- Tobit (nach Luther 'Tobias')
- Baruch einschließlich Brief des Jeremias
- Jesus Sirach
- Buch der Weisheit
- 1. Makkabäer
- 2. Makkabäer
- 3. Makkabäer
- 4. Makkabäer
- 3. Esra
- 4. Esra
- Gebet des Manasse
- Psalm 151
- Zusätze zum Buch Ester
- Zusätze zum Buch Daniel
3. und 4. Esra, 3. Makkabäer und 4. Makkabäer, das Gebet des Manasse und der 151. Psalm gehören nicht zum katholischen Kanon. Sie, wie weitere spätere Teile der Septuaginta (Psalmen Salomos) und allgemein alle Bücher außerhalb des Kanons, die von ihrem Charakter her biblischen Anspruch erheben und dem Alten Testament zuzurechnen wären, werden von katholischen Autoren Apokryphen des Alten Testaments genannt.
Die Ostkirche betrachtet im allgemeinen auch 3. Esra, 3. Makkabäer und den 151. Psalm als voll kanonisch; 4. Makkabäer erscheint oft als Anhang in den Bibeln, 4. Esra nur teilweise und nur in den slawischen Kirchen. Ähnlich wie es in der lateinischen Kirche vor dem Konzil von Trient der Fall war, gibt es aber in der Ostkirche bis heute keine abschließende oder allgemeinverbindliche Festlegung des Kanons. Die dem orthodoxen Kanon zugerechneten, im hebräischen Kanon nicht enthaltenen Schriften werden Anaginoskomena genannt.
Bezeichnung | Katholisch | Evangelisch | Östlich-Orthodoxe Tradition |
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Im Kanon enthalten |
deuterokanonische Schriften
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Anaginoskomena
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Apokryphen |
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Apokryphen des Neuen Testaments
Als Apokryphen des Neuen Testaments werden Schriften bezeichnet, die nach ihrem Anspruch und ihrer Anlage neutestamentlichen Büchern entsprechen wollen, meist unter dem Namen eines Apostels veröffentlicht wurden (auf dem Wege der Pseudepigraphie), jedoch keine Aufnahme in den Kanon irgendeiner Kirche gefunden haben.
Entstanden sind sie mehrheitlich wohl im 2. bis 4. Jahrhundert. Einige neutestamentarische Apokryphen jedoch könnten vergleichbar alt wie die kanonisierten Evangelien sein. So wird seit dem Religionswissenschaftler Helmut Koester vielfach angenommen, das das apokryphe Evangelium von Thomas (dem Zwilling) in Teilen schon im ersten Jahrhundert verfasst wurde.
Es gibt, im Gegensatz zu den Alttestamentlichen Apokryphen, keine formal abgeschlossene Liste. Beispiele für neutestamentliche Apokryphen sind:
- Hebräerevangelium
- Thomasevangelium
- Matthiasevangelium
- Judasevangelium
- Petrusevangelium
- Nikodemusevangelium
- Evangelium der Wahrheit
- Evangelium der Maria
- Geheimes Markus-Evangelium
- Ägypterevangelium
- Apostelgeschichte des Petrus
- Apostelgeschichte des Paulus
- Apostelgeschichte des Thomas
- Apokalypse des Petrus
- Apokalypse des Paulus
- Apokalypse der Maria
- Brief des Barnabas
- Didache (Apostellehre)
- 1. und 2. Clemensbrief
- Laodizäerbrief; dieser findet sich im Anhang mancher offizieller lateinischer Bibeln
Viele dieser Texte sind nicht vollständig im Original erhalten sondern nur in Fragmenten, teilweise ist sogar nur der Titel überliefert. Von einigen (koptischen) Texten, z.B. vom Thomas-Evangelium, wurden jedoch Abschriften bzw. Handschriften in einem großen Krug unter einem Felsbrocken in der Nähe eines Klosters bei Nag Hammadi entdeckt.
Von den Apokryphen abzugrenzen sind die Schriften der apostolischen Väter, d. h. Schriften von Schülern der Apostel ab Ende des 1. bis ungefähr Mitte des 2. Jahrhundert. Dies sind in erster Linie Briefe, deren Autorschaft und Angaben gewöhnlich als historisch zuverlässig angesehen werden und die einen Einblick in die Verhältnisse in den Gemeinden des 2. Jahrhunderts geben, wenn sie auch nicht als Teil der Bibel gelten:
- 1. Clemensbrief (an die Korinther), soweit nicht als Teil der Bibel betrachtet
- Polykarpbrief (an die Philipper)
- Ignatiusbriefe
Nicht zu den neutestamentlichen Apokryphen gezählt werden Texte, die historisch nicht in den ersten Jahrhunderten nachgewiesen sind (durch Textfunde oder Zitate bei Kirchenvätern), ungeachtet ihres Anspruchs, biblische Offenbarungen oder Texte zu sein, z.B. das Barnabasevangelium, die Offenbarungen Jakob Lorbers oder das Buch Mormon.
Viele andere Religionen haben ebenfalls nichtkanonische, aber dennoch bedeutsame Schriften, im Judentum etwa die Haggada.
Weiterführende Information
Literatur
- Schneemelcher, Wilhelm: Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 2 Bde. ISBN 3-16-147252-7 (Ausführliche Beschreibungen)
- Klaus Berger, Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. ISBN 3458169709 (Deutsche Übersetzung der Texte)
- Lührmann, Dieter: "Die apokryph gewordenen Evangelien". ISBN 9004128670 (Studien zu neuen Fragmenten)
Weblinks
- Neutestamentliche Apokryphen Homepage (Thomasevangelium, Petrusevangelium, Das Geheime Evangelium des Markus, Das Egerton Evangelium, Das Proto-Evangelium des Jakobus u.a.)
- [1] Gnostische Texte von Nag Hammadi, darin viele apokryphe Texte