Bronisław Malinowski

polnischer Anthropologe
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Bronislaw Malinowski (*1884 in Krakau, † 1942) war ein britischer Sozial-Anthropologe. Aus einer polnischen Adelsfamilie stammend git er heute als einer der Begründer des "britischen Funktionalismus". Sein britischer Gegenspieler war Radcliff-Brown. Malinowski war ein sehr extrovertierter Mensch und liebte den Rummel, der um seine Person gemacht wurde. Er schaffte es, seine Wissenschaft populär zu machen, sein Werk über die "Argonauten des westlichen Pazifik" wurde weit ausserhalb der Grenzen der Anthropologie zum Bestseller.

Der junge Malinowski war im wesentlichen beeinflusst von Ernst Mach, einem naturwissenschaftlichen Philosophen und von der Linguistik. 1908 machte er seinen Abschluss in Mathematik, Physik und Philosophie und studierte dann Anthropologie in der London School of Economics (LSE). Er war ein Schüler von C. G. Seligman. Von 1922 bis 1938 lehrte er an der LSE, seine wichtigsten Schüler waren Sir Raymond Firth, Phyllis Kaberry, Issac Schapera, Hilda Kuper, Monica Wilson.

Malinowski gilt als "Vater der Feldforschung", wie sie heute zum Kernstück der empirischen Arbeit der Anthropologie geworden ist. Er propagierte lange Feldforschungsaufenthalte mit engem Kontakt zu den Informanten über einen langen Zeitraum hinweg. Feldforschung heisst: Teilnehmende Beobachtung. Es geht also darum, für längere Zeit an einem Ort am Alltag der Menschen so gut es geht teilzunehmen und sie zu beobachten. Malinowskis lange teilnehmende Beobachtung ergab sich eigentlich aus einem Zufall, indem er aus einer Not eine Tugend machte. Er hatte sich 1914 auf zu den Trobriand-Inseln in der Südsee gemacht, doch der erste Weltkrieg brach aus. Malinowski hatte einen Pass der kaiserlich-königlichen Monarchie Osterreich und wurde so als Kriegsgegner interniert, doch genau dort, wo er ohnehin seine Feldforschung betreiben wollte. Er musste sich nur von Zeit zu Zeit bei einem britischen Kolonialbeamten melden und konnte sonst unbehelligt seinen Forschungen nachgehen. Daraus wurden dreieinhalb Jahre und wahrscheinlich die längste antropologische Feldforschung, die jemals betrieben wurde.

Die theoretische Grundthese von Malinowski wird anschaulicher, wenn man seine Herkunft und Zeit genauer betrachtet: Er wuchs als Krakauer in der Donaumonarchie auf und bemerkte, dass die nach Unabhängigkeit strebenden nicht-deutschsprachigen Nationalisten immer eines für ihre Anliegen missbrauchten: die Geschichte. Die Instrumentalisierung der Geschichte für nationalistische Zwecke in der untergehenden Habsburgmonarchie missfiel ihm sehr. Er meinte, die Sozialanthropologie und die Geschichte seien zwei verschiedene Paar Schuhe. Ein kulturelles Phänomen in der Gegenwart könne man nicht aus der Geschichte erklären. Ein kulturelles Phänomen könne nur aus sich in seiner heutigen Funktion erklärbar sein.

Malinowski setzte sich auch mit der damals sehr populären Psychoanalyse, also mit Sigmund Freud, auseinander. Er wies die Euphorie für die Psychoanalyse ein wenig in die Schranken und meinte, Freud habe die Unterschiede der Kulturen zuwenig beachtet. Vieles was in der Psychoanalyse über Sexualität, Vater, Mutter, Kind, etc. gesagt werde, gelte so nur für Europa und nicht für andere Kulturen.

Er erfur dies bei den Trobriandern, bei denen z. B. die Sexualität nicht so organisiert ("verdrängt") wird wie in Mitteleuropa. Die Jugendlichen der Südsee haben mit einem so genannten Jugendhaus einen geschützten Raum zur Verfügung, um Sexualität spielerisch auszuprobieren. Diese Phase des Ausprobierens wird dort von der gesamten Gesellschaft unterstützt, gefördert und als wichtiger Übergang forciert. Indem er die zentralen Lehren von Sigmund Freud testete, schrieb er auch über die Eltern-Kind-Beziehung. Laut Malinowski ignorierten die Trobriander die physische Vaterschaft.

Malinowski entdeckte bei den gartenbauenden Trobriandern ein heute mittlerweile berühmtes Phänomen, den Kula-Handel, ein Gegenstück zu dem, was der amerikanische Kulturrelativist Franz Boas bei den indianischen Jäger- und Sammlerkulturen der Nord und Nordwestküste Amerikas entdeckte- den Potlach. Der Kula-Handel ist ein zeremonieller Austauschhandel zwischen den Inseln der Südsee. Kula bedeutet ein rituelles Tausch- und Prestigeobjekt ohne unmittelbaren Nutzen, für den, der es bekommt. Einher geht die Verpflichtung innerhalb eines bestimmten Zeitraums etwas ähnlich "Nutzloses" zurück zu geben. Es handelt sich um einen sehr komplexen, nicht profit-orientierten, Austauschhandel, bei dem die sozialen Bande zwischen den Inseln geknüpft und verstärkt werden. (Marcel Mauss, der Neffe von Emilie Durkheim, hat sich in seinem Werk "Die Gabe" ausführlich mit dieser komplexen Thematik befasst.) Diese Einsicht von Malinowski und auch Boas, dass es auch Wirtschaften ohne Profit gibt, durchflutete fortan die gesamte Wirtschaftsethnologie und das westliche ökonomische Denken.

Als Hauptwerk Malinowskis gilt das Buch "Argonauten des westlichen Pazifik". Es beginnt mit einer Einleitung über die Methode der Feldforschung, dann folgt eine geographische Beschreibung der Trobriand-Inseln und eine Erzählung über seine Ankunft auf der Insel. Später geht es um den Kula-Tausch. Malinowski beendet sein Buch mit einem reflexiven Kapitel über den Sinn von Kula. Hier lehnt er es explizit ab, sich an theoretische Spekulationen zu wagen. Er geht eher auf die Bedeutung ein, die in der Ethnologie die Toleranz für fremde Bräuche einnehmen sollte. Dafür wird er bis heute von seinen Studenten bewundert.

Werke

  • 1922: "Argonauten des westlichen Pazifik"
  • 1927: "The father in the primitive psychology"
  • 1929: "Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien"
  • "A Scientific Theory of Culture"

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