Die lateinische Sprache ist eine der wichtigsten, umgangssprachlich sog. „toten“ Sprachen, die noch heute gelehrt und gelernt wird. Sie hatte Einfluss auf einen Großteil der modernen indo-europäischen Sprachen und bietet eine wichtige Grundlage, um sowohl die muttersprachliche Grammatik besser zu verstehen, als auch um eine der modernen romanischen Sprachen wie z.B. Spanisch oder Französisch leichter zu erlernen. Die lateinische Grammatik wird allgemein als komplex bezeichnet, gilt aber vor allem als logisch aufgebaut.
Natürlich kann man nicht von der Grammatik einer Sprache sprechen, die sich über viele Jahrhunderte weiterentwickelt hat, von räumlichen und sozialen Faktoren ganz zu schweigen. Das hier vorgestellte System bezieht sich auf das "klassische" Latein, eine normierte literarische Kunstsprache, die so im wesentlichen nur im ersten Jahrhundert vor Christus von einigen wenigen Autoren gebraucht wurde.
Die Substantive
Substantive werden im Lateinischen in Kasus (Fall), Numerus (Anzahl) und Genus (Geschlecht) unterschieden. Adjektive sind mit dem zugehörigen Substantiv in allen diesen Punkten übereinstimmend (KNG-Kongruenz). Das lateinische kennt sechs Kasus: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Vokativ und Ablativ, wobei der Vokativ meistens mit dem Nominativ übereinstimmt. Singular und Plural (die zur Kategorie Numerus gehören) sind bereits aus dem Deutschen bekannt. Auch die Geschlechter (Genera) existieren im Deutschen: Maskulinum, Femininum und Neutrum.
Die a-Deklination (1. Deklination)
Die a-Deklination umfasst feminine Substantive, die auf den Buchstaben -a enden, z.B. fēmina (Frau).
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | fēmina | fēminae |
Genitiv | fēminae | fēminarum |
Dativ | fēminae | fēminis |
Akkusativ | fēminam | fēminās |
Vokativ | fēmina | fēminae |
Ablativ | fēminā | fēminīs |
Der Vokativ entspricht in der 1. Deklination dem Nominativ.
Die o-Deklination (2. Deklination)
Die o-Deklination umfasst maskuline und neutrale Substantive, die auf -us (maskulin) oder -um (neutral) enden, z.B. dominus "Herr" oder forum "Marktplatz, Forum".
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | dominus | dominī |
Genitiv | dominī | dominōrum |
Dativ | dominō | dominīs |
Akkusativ | dominum | dominōs |
Vokativ | domine | dominī |
Ablativ | dominō | dominīs |
Die maskulinen Formen der o-Deklination unterscheiden sich auch nur im Vokativ Singular von ihrer Nominativform.
Zur o-Deklination können auch Substantive mit dem Nominativ sing. auf -(e)r gehören, wie z.B. puer "Junge" oder ager "Land, Acker". Sie weichen nur im Nominativ und Vokativ Singular vom Normalschema ab. Einige Substantive können bei der Deklination ihr -e- verlieren, so z.B. ager, welches im Akk. Sg. nur noch agrum heißt.
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | forum | fora |
Genitiv | forī | forōrum |
Dativ | forō | forīs |
Akkusativ | forum | fora |
Ablativ | forō | forīs |
Die konsonantische Deklination (3. Deklination, auch Mischdeklination genannt)
Die 3. Deklination ist eine sehr umfangreiche Deklination. Sie umfasst Substantive aller Genera. Im Gegensatz zur a- und o-Deklination ist es fast nicht möglich, das Genus eines Wortes aus dessen Nominativform abzuleiten. Da zu den häufig zu lesenden "Regeln" die Zahl der Ausnahmen beträchtlich ist, bleibt nichts anderes übrig, als das Genus zu jedem Substantiv eigens zu lernen.
Wichtig ist weiter, dass bei sehr vielen Wörtern der Stamm des Nominativ Singular ganz anders aussieht als derjenige der restlichen Kasus. Sehr oft kann man also vom Nominativ Singular aus den Stamm der anderen Kasus nicht erraten (und umgekehrt). Die zahlreichen hierfür als "hilfreich" angegebenen Regeln stimmen jeweils nur für so kleine Gruppen von Wörtern, dass es sich auch in diesem Falle dringend empfiehlt, Nominativ Singular und Genitiv Singular zu jedem Wort zu lernen.
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | mercātor | mercātōrēs |
Genitiv | mercātōris | mercātōrum |
Dativ | mercātōrī | mercātōribus |
Akkusativ | mercātōrem | mercātorēs |
Ablativ | mercātōre | mercātōribus |
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | corpus | corpora |
Genitiv | corporis | corporum |
Dativ | corporī | corporibus |
Akkusativ | corpus | corpora |
Ablativ | corpore | corporibus |
Wie üblich sind bei den Neutra Nominativ und Akkusativ identisch.
Bei bestimmten Wörtern wie z.B. bei navis (Schiff) verändert sich im Genitiv Plural die Form. Statt -um wird -ium benutzt. Eine Reihe weiterer Wörter benutzt diesen Genitiv Plural ebenfalls.
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | navis | naves |
Genitiv | navis | navium |
Dativ | navī | navibus |
Akkusativ | navem | naves |
Ablativ | nave | navibus |
Dies passiert auch bei Neutra wie z.B. mare (Meer), wo der Nominativ/Akkusativ Plural auf -ia endet und auch der Genitiv Plural auf -ium. Der Ablativ Singular endet bei diesen Fällen auf -i. Diese Substantive gehören trotzdem zur erweiterten 3. Deklination.
Der i-Deklination gehören nur wenige Substantive an, darunter sind die meisten entweder feminin oder neutral. Ein bekannter Vertreter der i-Deklination ist das Wort turris (Turm, feminin).
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | turris | turres |
Genitiv | turris | turrium |
Dativ | turrī | turribus |
Akkusativ | turrim | turres |
Ablativ | turrī | turribus |
Die auf -e endenden Neutra wie z.B. mare (Meer) werden auf Grund ihrer Übereinstimmung mit den Adjektiven normalerweise zur 3. Deklination gezählt, obwohl auch hier das charakteristische i mehrmals auftaucht.
Die u-Deklination (4. Deklination)
Die meisten Substantive der 4. Deklination sind maskulin, z.B. casus "Fall".
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | casus | casūs |
Genitiv | casūs | casuum |
Dativ | casuī | casibus |
Akkusativ | casum | casūs |
Ablativ | casū | casibus |
Die e-Deklination (5. Deklination)
So gut wie alle Substantive der 5. Deklination sind feminin, z.B. rēs (Sache, Angelegenheit).
Kasus | Singular | Plural |
Nominativ | rēs | rēs |
Genitiv | reī | rērum |
Dativ | reī | rēbus |
Akkusativ | rem | rēs |
Ablativ | rē | rēbus |
Die Adjektive
Adjektive werden im Lateinischen ebenfalls wie Substantive in Kasus, Numerus und Genus unterschieden. Sie passen sich in allen drei Eigenschaften an das Substantiv an, auf welches sie sich beziehen. Sie werden ebenfalls in allen Fällen, nach Numerus und Genus dekliniert.
Adjektive der a- und o-Deklination
Die Adjektive auf -us (maskulin), -a (feminin) und -um (neutral) entsprechen in ihrer Deklinationsweise jeweils den Substantiven der a und o-Deklinationen.
Kasus | Singular | Singular | Singular | Plural | Plural | Plural |
Nominativ | magnus | magna | magnum | magnī | magnae | magna |
Genitiv | magnī | magnae | magnī | magnōrum | magnārum | magnōrum |
Dativ | magnō | magnae | magnō | magnīs | magnīs | magnīs |
Akkusativ | magnum | magnam | magnum | magnōs | magnās | magna |
Vokativ | magne | magna | - | magnī | magnae | - |
Ablativ | magnō | magnā | magnō | magnīs | magnīs | magnīs |
Die Adjektive auf -(e)r verhalten sich wie die Substantive auf -(e)r.
Zweiendige Adjektive der 3. Deklination
Bei den zweiendigen Adjektiven in der 3. Deklination gibt es nur zwei Formen, da maskuline und feminine Formen identisch sind. Die Endung -is steht für maskulin und feminin, die Endung -e für neutral.
Kasus | Singular | Singular | Plural | Plural |
Nominativ | hilaris | hilare | hilarēs | hilaria |
Genitiv | hilaris | hilaris | hilarium | hilarium |
Dativ | hilarī | hilarī | hilaribus | hilaribus |
Akkusativ | hilarem | hilare | hilarēs | hilaria |
Akkusativ | hilarī | hilarī | hilaribus | hilaribus |
Dreiendige Adjektive der 3. Deklination
Es gibt auch dreiendige Adjektive der 3. Deklination. Sie entsprechen in allen Formen den zweiendigen Adjektiven der 3. Deklination, außer im Nominativ Singular. Hier gibt es für jedes Geschlecht eine eigene Form, wie z.B. bei acer, acris, acre (scharf).
Einendige Adjektive der 3. Deklination
Zudem gibt es auch noch einendige Adjektive der 3. Deklination, diese haben im Nominativ Singular nur eine Form, wie z.B. felix (glücklich). Auch hier entspricht die Deklination der der zweiendigen Adjektive. Bei der neutralen Form im Nominativ und Akkusativ Plural tritt eine Stammveränderung auf, so heißen diese felicia.
Die Steigerung der Adjektive
Der Komparativ
Der Komparativ ist die erste Steigerungsform nach der Grundform (genannt: Positiv). Um den Komparativ zu bilden, müssen die Komparativendungen an den Wortstamm des Adjektivs angefügt werden. Für die maskulinen und femininen Formen wird -ior angehängt, für die neutralen Formen -ius. Wie z.B. beim Adjektiv dūrus (hart). Aus dem Positiv dūrus, dūra, dūrum folgt der Komparativ dūrior, dūrius (härter). Die Komparativformen werden wie die Substantive der 3. Deklination dekliniert.
Kasus | Singular | Singular | Plural | Plural |
Nominativ | dūrior | dūrius | dūriōrēs | dūriōra |
Genitiv | dūriōris | dūriōris | dūriōrum | dūriōrum |
Dativ | dūriōrī | dūriōrī | dūriōribus | dūriōribus |
Akkusativ | dūriōrem | dūrius | dūriōrēs | dūriōra |
Ablativ | dūriōre | dūriōre | dūriōribus | dūriōribus |
Der Superlativ
Der Superlativ ist die höchste Steigerungsform. Um den Superlativ zu bilden, müssen die Superlativendungen an den Wortstamm des Adjektivs angefügt werden: -issimus, issima, issimum. Sie entsprechen in ihren Endungen den Adjektiven der a- und o-Deklination und werden auch genauso dekliniert: dūrissimus im Nom. Sg. m., dūrissimum im Akk. Sg. m. etc.
Bei den Adjektiven auf -er muss man beachten, dass sich die Superlativendungen unterscheiden. Hier wird -rimus, -rima, -rimum an den Wortstamm des Adjektivs angefügt.
Unregelmäßige Steigerungsformen von Adjektiven
Wie im Deutschen kennt auch das lateinische unregelmäßige Steigerungsformen von Adjektiven. Dazu gehören u.a. Formen wie bonus, melior, optimus (gut, besser, am besten); malus, peior, pessismus (schlecht, schlechter, am schlechtesten).
Die Adverbien
Ein Adverb kann auf drei verschiedene Arten, abhängig vom Adjektiv von dem es abgeleitet wird, gebildet werden. Handelt es sich beim Adjektiv um eines der a- und o-Deklination, wie z.B. dūrus (hart), so wird das Adverb auf -ē gebildet: dūrē. Handelt es sich bei dem Adjektiv um eines der 3. Deklination, z.B. hilaris (fröhlich), so wird das Adverb auf -iter gebildet: hilariter. Und wenn der Wortstamm des Adjektivs auf -nt lautet, wie z.B. vehemens (wild; Gen. Sg. vehementis), dann wird -er verwendet: vehementer.
Adverbien können nicht flektiert werden. Sie ändern ihre Form daher nicht.
Die Steigerung der Adverbien
Der Komparativ
Der Komparativ der Adverbien wird mit der Endung -ius gebildet, die an den Wortstamm angefügt wird: dūrē (hart), dūrius (härter) oder hilariter (fröhlich), hilarius (fröhlicher).
Der Superlativ
Der Superlativ der Adverbien wird mit der Endung -ē gebildet, welche an den Superlativstamm des Adjektivs angefügt wird: dūrissimus (am härtesten, Adjektiv im Nom. Sg. m.) wird zu dūrissimē (am härtesten, Adverb). Dies geschieht bei den anderen Adjektivformen genauso.
Unregelmäßige Steigerungsformen von Adverbien
Auch bei den Adverbien gibt es unregelmäßige Steigerungsformen, wie z.B. multum, plus, plurimum (viel, mehr, am meisten). Es existieren auch Steigerungsformen von Adverbien, die es als Adjektive nicht gibt: saepe, saepius, saepissimē (regelmäßige Bildung; oft).
Die Verben
Beim Verb unterscheidet man finite und infinite Verbformen.
Finite Verbformen
Sie sind nach Person, Numerus, Modus, Tempus und Diathese markiert. Wie im Deutschen gibt es drei Personen, zwei Numeri (Singular und Plural), drei Modi (Indikativ, Konjunktiv und Imperativ), sechs Tempora (Präsens, Imperfekt, Futur, Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II) und zwei Diathesen (Aktiv und Passiv). Tempus- und Modusgebrauch weichen vom Deutschen ab; die unten gegebenen Übersetzungen haben daher nur Beispielscharakter.
Gebildet werden die finiten Verbformen nach drei Schemata:
1. Präsens, Imperfekt und Futur nach dem Schema
- Stamm – Tempus- oder Moduszeichen – Personalendung (Aktiv/Passiv);
- z.B. dele- -t „er zerstört“, dele-ba-t „er zerstörte“, dele-ba-tur „er wurde zerstört“, dele-a-tur „er möge zerstört werden“, dele-re-t „er würde zerstören“. Beim Imperativ signalisiert die Personalendung den Modus: dele-te „zerstört!“, dele-tote „ihr sollt zerstören“ (Imperativ II).
2. Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II Aktiv nach dem Schema
- Perfektstamm (regelmäßig oder unregelmäßig aus dem Grundstamm hergeleitet) – Tempus-/Modus-/Personalendung;
- z.B. delev-it „er zerstörte“, delev-isset „er hätte zerstört“, delev-erit „er wird zerstört haben“.
3. Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II Passiv nach dem Schema
- Partizip Perfekt Passiv und Präsens-, Imperfekt- oder Futur-Form von esse (sein);
- z.B. deletus est „er wurde zerstört“, deletus erit „er wird zerstört worden sein“, deletus esset „er wäre zerstört worden“.
Nach dem Auslaut des Stammes unterscheidet man fünf Konjugationsklassen (a-, e- konsonantische, ĭ- (gemischte) und ī-Konjugation).
Tempus- und Moduszeichen sowie nach bestimmten Regeln auftretende Gleitvokale sind bei Schema (1) zwischen den Konjugationsklassen verschieden, z.B. duc-e-t „er wird führen“, lauda-bi-t „er wird loben“. Ferner gibt es einige unregelmäßige Verben, z.B. es-t „er ist“, s-u-nt „sie sind“.
In seltenen syntaktischen Kontexten reichen die nach Schema gebildeten Verbformen nicht zur Bedeutungsklärung aus; hier treten dann umschreibende Formen (die sogenannte coniugatio periphrastica) ein.
Infinite Verbformen
Das sind im Lateinischen der Infinitiv, das Partizip, das Verbalsubstantiv ("Gerundium"), das Verbaladjektiv ("Gerundivum") und das Supinum.
Der Infinitiv tritt auf als Infinitiv der Gleichzeitigkeit (Infinitiv Präsens), der Vorzeitigkeit (Infinitiv Perfekt) und der Nachzeitigkeit (Infinitiv Futur), im Aktiv und im Passiv, z.B. delere „zerstören“, deleri „zerstört werden“, delevisse „zerstört haben“, deletum esse „zerstört worden sein“, deleturum esse „künftig zerstören“, deletum iri „künftig zerstört werden“.
Das Partizip gibt es in den Varianten Gleichzeitigkeit/Aktiv (Signal -nt-), Vorzeitigkeit/Passiv (Signal meist -t-) und Nachzeitigkeit/Aktiv (Signal meist -tur-), z.B. delens (aus *delent-s) „zerstörend“, deletus „zerstört“, deleturus „künftig zerstörend“.
Das Verbalsubstantiv entspricht dem substantivierten Infinitiv im Nominativ und Akkusativ (ohne Präposition); ansonsten hat es das Signal -nd-; z.B. in delendo „beim Zerstören“.
Das Verbaladjektiv hat im Deutschen kein Pendant und wird wie das Verbalsubstantiv gebildet; z.B. in delenda Carthagine „bei der Zerstörung Karthagos“.
Das Supinum hat ebenfalls keine Entsprechung im Deutschen. Es wird gebildet wie das Partizip Perfekt Passiv und hat die Endung -um (Supinum I) bzw. -ū (Supinum II); z.B. deletum venio „ich komme um zu zerstören", horribile dictū „schrecklich zu sagen".