Helmut Zilk
Helmut Zilk (* 9. Juni 1927 in Wien; † 24. Oktober 2008 ebenda) war ein österreichischer Journalist und Politiker (Sozialdemokratische Partei Österreichs). Er war von 1983 bis 1984 Unterrichtsminister und von 1984 bis 1994 Bürgermeister von Wien.
Leben
Kindheit und Jugend
Helmut Zilk wurde als Sohn eines böhmischen Zeitungsangestellten im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten geboren.[1] Zum liberalen Vater hatte er ein sehr gutes Verhältnis. Dieser wandte sich früh gegen den Nationalsozialismus. Er verbot seinem Sohn, bei den Werbern der Nationalsozialisten zu unterschreiben. Dies tat Helmut auch als Einziger seiner Klasse nicht. Am Ende des Krieges wurde er Mitglied der KPÖ-nahen "Freien österreichischen Jugend", und war vom 10. April 1945 an Mitglied der KPÖ[2], verließ diese allerdings bereits wieder 1946.
Lehrer, Journalist, Fernsehstar
In der Nachkriegszeit arbeitete er als „Schulhelfer“ im 2. Bezirk. 1951 wurde er promoviert,[3] im Jahr 1955 legte er die Lehramtsprüfung für Pädagogik ab und unterrichtete in der Lehrerbildungsanstalt Hegelgasse. Zuerst nebenbei, dann hauptberuflich arbeitete er ab diesem Jahr für den ORF. In den frühen 1960er Jahren gestaltete er die Fernsehsendung „Was könnte ich werden?“ mit,[4] die Schüler darüber informierte, welche Berufe sie nach der Pflichtschule erlernen konnten, und dabei jeweils Berufsbilder einer ganzen Sparte darstellte.[5]
1967 machte ihn Gerd Bacher, der erste Generalintendant des von der Regierung Klaus nach einem erfolgreichen Volksbegehren reformierten ORF, zum Fernsehdirektor. In dieser Funktion begründete er das Schulfernsehen, die Sendungen „In eigener Sache“, „Stadtgespräche“ und „Auslandsecho“ und das 2. Fernsehprogramm. Infolge seiner starken Bildschirmpräsenz und seiner enormen Schlagfertigkeit in Livesendungen war Zilk damals schon in ganz Österreich bekannt.
1974 hatte die Regierung Kreisky den ORF wieder stärker unter ihren Einfluss gebracht und den Generalintendanten ausgetauscht. Zilk wechselte zur Kronen Zeitung, wo er bis 1979 die Funktion des sogenannten Ombudsmanns bekleidete, der Kritik und Beschwerden der Leser an die Verantwortlichen weiterleitete und den Sachverhalt pointiert kommentierte. 1978 war Zilk Bruno Kreiskys Wunschkandidat für den Posten des ORF-Generalintendanten, gewählt wurde jedoch (wahrscheinlich aufgrund des entscheidenden Votums der ORF-Betriebsräte) zur allgemeinen Überraschung noch einmal Gerd Bacher.
Seit 1978 war Zilk in dritter Ehe mit der Sängerin Dagmar Koller verheiratet, aus der zweiten Ehe hatte er einen Sohn.
Politiker
1979 holte ihn SPÖ-Bürgermeister Leopold Gratz als Stadtrat für Kultur und Bürgerdienst ins Wiener Rathaus; ein Zeichen der Öffnung der Wiener Sozialdemokratie, das die Mehrheit sichern helfen sollte. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit in den Medien hatte Zilk als Politiker von Anfang an mehr Medienaufmerksamkeit als die meisten anderen Mandatsträger.
Als die SPÖ bei der Nationalratswahl 1983 die absolute Mehrheit verlor und eine neue Bundesregierung aus SPÖ und FPÖ gebildet wurde, folgte er Fred Sinowatz, der Bundeskanzler wurde, als Bundesminister für Unterricht und Kunst nach. Eine historische bedeutsame Handlung setzte Zilk in dieser Funktion, als er für Gymnasien das Fach Informatik als Pflichtgegenstand einführte; damit war Österreich eines der ersten Länder Europas. Sehr wirkungsmächtig wurde auch Zilks Entscheidung, Claus Peymann als neuen Burgtheaterdirektor in Wien zu berufen; dieser trat sein Amt 1986 an.
Nach zehn Jahren zeigte sich Bürgermeister Gratz amtsmüde. 1984 ließ sich Zilk auf Vorschlag Gratz' zum Bürgermeister der Stadt Wien und damit auch zum Landeshauptmann des Bundeslandes Wien wählen. Nun hatte er wieder eine Funktion mit vielen unmittelbaren Gestaltungsmöglichkeiten inne.
„Der Dr. Zilk“ war nun in Wien allgegenwärtig – mit gewichtiger Stimme und spektakulären Entscheidungen. Von der Verbannung der Autos vom Rathausplatz über den Einbau von Filtern in Wiens Müllverbrennungsanlagen, den Bau des Schulschiffes, das Film Festival auf dem Wiener Rathausplatz, den „Adventzauber“ und den „Silvesterpfad“ bis zur Volksbefragung über die für 1995 geplante gemeinsame Weltausstellung Wien/Budapest, die vom Volk abgelehnt wurde. 1988 entschied Zilk nach längeren Diskussionen persönlich den Aufstellungsort des 1983 von der Stadt bei Alfred Hrdlicka in Auftrag gegebenen Mahnmals gegen Krieg und Faschismus, das noch im selben Jahr (vorerst provisorisch, feierliche Fertigstellung 1991) auf dem Albertinaplatz errichtet wurde.
Zilk kümmerte sich aber auch um so genannte „Kleinigkeiten“: Selbst in der Altstadt wohnhaft, streifte er oft zu Fuß durch die Innere Stadt, neben sich einen Assistenten, der die Aufträge des Bürgermeisters sofort notierte. Dienststellen, die mit seinem Arbeitstempo nicht mitkamen, mussten damit rechnen, mit seiner Billigung in den Medien kritisiert zu werden. Infolge dessen schrieb man Zilk große Durchschlagskraft zu.
Zilks Spezifikum als Politiker war, dass er sich von „reiner Parteipolitik“ meist möglichst fern hielt. Im Unterschied zu den meisten seiner sozialdemokratischen Vorgänger fungierte er nicht als Wiener SPÖ-Vorsitzender, sondern überließ dies seinem als Parteipolitiker groß gewordenen Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Hans Mayr. Auch rhetorisch wirkte Zilk ganz anders als die gewohnten Parteifunktionäre. Telegen, gebildet, bei Bedarf laut und polemisch, dennoch von großer Sensibilität, war Zilk als Politiker auch bei Menschen beliebt, die der SPÖ nicht nahestanden.
Am 5. Dezember 1993 wurde Zilk bei einem Briefbombenattentat des Terroristen Franz Fuchs an der linken Hand schwer verletzt; der Fanatiker bekämpfte Zilk als Symbol des multikulturellen, weltoffenen Wiens. 1994 schied Zilk aus dem Amt des Bürgermeisters aus, sein Nachfolger wurde Michael Häupl. Zilk übernahm neuerlich die Ombudsmanfunktion bei der „Kronen-Zeitung“.
2003 wurde Zilk von der Regierung Schüssel zum Leiter einer Reformkommission der Bundesregierung zu Fragen der zukünftigen Organisation des Bundesheeres bestellt.
Auch seit seinem Rückzug als Bürgermeister blieb Zilk in den österreichischen Medien stets präsent. Er war bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, und pflegte seine etwas polternde Art. Geradezu legendär war in diesem Zusammenhang eine Pressekonferenz zum Thema Hundstrümmerln. Im Blickfeld der Öffentlichkeit blieb Zilk bis zuletzt als Moderator der aus dem Wiener Ringturm ausgestrahlten ORF-Talkshow „Lebenskünstler“.
Gesundheit
Bei dem Briefbombenattentat, das 1993 auf ihn verübt wurde, verlor er zwei Finger seiner linken Hand. Diese war seither in der Greiffunktion stark eingeschränkt und immer in einer Hülle verborgen, die stets passend zur Krawatte aus dem gleichen Seidentuch gefertigt wurde.
Am 14. Februar 2006 bekam Zilk im Wiener Wilhelminenspital nach Auftreten von Herzrhythmusstörungen einen Herzschrittmacher implantiert. Weiters war er Dialyse-Patient.
Tod und Begräbnis
Zilk starb in den frühen Morgenstunden des 24. Oktober 2008 im Wiener Wilhelminenspital im Zuge der Behandlung einer in seinem Urlaubsdomizil in Portugal entstandenen Infektion am Bein an Herzversagen.
Am 8. November 2008 wurde sein Sarg nach einer Trauersitzung für geladene Gäste im Wiener Rathaus und dem öffentlichen Requiem im Stephansdom in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof bestattet.
Ehrungen
Zilk erhielt 1966 die Goldene Kamera, 1994 wurde er mit dem Kulturpreis Europa und der Ehrenbürgerschaft der Stadt Prag ausgezeichnet. Außerdem war er Träger des Theodor-Körner-Preises und Ehrendoktor der Tokai-Universität in Tokio.
Die Republik Österreich ehrte ihn mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Band und die Bundesrepublik Deutschland mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern.
Einzelnachweise
- ↑ Helmut Zilk 1927 bis 2008 (ORF Wien, 24. Oktober 2008)
- ↑ Alfred Klahr Gesellschaft (Verein zur Erforschung der Geschichte der Arbeiterbewegung)
- ↑ Katalogzettel Österreichische Nationalbibliothek
- ↑ Vier Hör-Zu-Hefte aus 1964 in der Privatsammlung des Österreichischen Werbemuseums 1140 Wien, Hauptstraße 150/5.
- ↑ Z. B. die in den 1960er Jahren in Österreich stark aufstrebende Werbebranche; die Gründung der legendären Werbeagentur Demner & Merlicek, später Demner, Merlicek & Bergmann, erfolgte in diesem Jahrzehnt.
Weblinks
- „Nie durch Verhaberung etwas geworden“ – Interview mit Helmut Zilk in der Zeitschrift Datum
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Leopold Gratz | Bürgermeister von Wien 1984–1994 | Michael Häupl |
Personendaten | |
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NAME | Zilk, Helmut |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Journalist, Politiker (SPÖ) und Bürgermeister von Wien |
GEBURTSDATUM | 9. Juni 1927 |
GEBURTSORT | Wien |
STERBEDATUM | 24. Oktober 2008 |
STERBEORT | Wien |