Hamas
Die Hamas, (Arabisch حماس hamās – "Begeisterung, Eifer", Abk. für Harakat al-muqāwama al-islāmiyya, verwandt auch mit Hebräisch חמס "Gewalttat, Raub") ist eine islamistisch geprägte palästinensische Widerstandsgruppe. Bis in die 1980er engagierte sie sich überwiegend im Sozialbereich. Der militante Flügel der Hamas (die Izz-ad-dīn-al-Qassām-Brigaden) wird vom Bundesverfassungsschutz als terroristisch eingestuft.
Ziele
Das erklärte Ziel der Hamas ist es, den Staat Israel zu zerstören und durch einen islamischen Gottesstaat zu ersetzen und zudem Jordanien zu erobern. Darin unterscheidet sie sich von der PLO, die ein gleichberechtigtes Nebeneinander von Israel und Palästina anstrebt.
Das US-Außenministerium stufte sie als terroristische Organisation ein. Am 6. September 2003 folgten die EU-Außenminister dem amerikanischen Beispiel, dabei wurden auch die Unterorganisationen der Hamas mit einbezogen.
Die Hamas bildete sich Ende 1987 als militanter Ableger der palästinensischen Muslimbruderschaft. Verschiedene Hamas-Organisationen haben sowohl politische als auch Mittel der Gewalt, einschließlich des Terrors, angewandt, um ihr Ziel zu erreichen. Lose strukturiert, mit Organisationen, die sowohl im geheimen als auch öffentlich in Moscheen und sozialen Hilfseinrichtungen arbeiten, um Mitglieder zu werben und Gelder zu sammeln, Aktivitäten zu organisieren und Propagandamaterial zu verteilen, ist die Hamas im Gazastreifen und in einigen Bereichen des Westjordanlandes vertreten. Die Hamas engagiert sich auch im zivilen und politischen Bereich, wie z. B. mit eigenen Kandidaten für die Wahlen in die Handelskammer des Westjordanlandes.
Der Name
Hamas ist eine Abkürzung für Harakat al-muqāwama al-islāmiyya (arab.: حركة المقاومة الإسلامية "Die islamische Widerstandsbewegung") und der Name selbst ist das gebräuchliche arabische Wort für "Begeisterung". Im militärischen Flügel sind verschiedene Gruppierungen vertreten:
- die Studenten Ayyash, die Studenteneinheiten des Ingenieurs Yahya Ayyash (in Gedenken an Yahya Ayash, den Bombeningenieur, verantwortlich für den Tod von mehr als 50 Israelis und selber getötet 1996) und
- Izz-ad-Dīn-al-Qassām-Brigaden, Izz-ad-Dīn-al-Qassām-Kräfte, Izz-ad-Dīn-al-Qassām-Bataillone, (in Gedenken an Scheich Izz ad-Dīn al-Qassām, den "Vater des modernen arabischen Terrorismus", getötet von den Briten 1935).
Die Ideologie
Die Gründungscharta der Hamas von 1988 erklärt zum Ziel, "die Fahne Allahs über jedem Zoll von Palästina aufzuziehen". Das hätte eine Auflösung des Staates Israel sowie jeder weltlich orientierten palästinensischen Institution zur Folge.
Die Charta basiert auf einer Anzahl von antisemitischen Verschwörungstheorien; sie behauptet die Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion und dass die Freimaurer, der Lions-Club und die Rotarier des Rotary-Club insgeheim "im Interesse der Zionisten" arbeiteten. Die Hamasmitglieder sehen in den Juden die Verantwortlichen für die Französische Revolution, den "westlichen Kolonialismus", den Kommunismus und die Weltkriege.
Hamasführer leugnen den Holocaust. Der von Israel inzwischen getötete Abd al-Aziz al-Rantisi – Hamas-Führer nach der Tötung Ahmad Jassins – behauptete, dass der Holocaust nie geschehen sei, dass Zionisten hinter den Nazis stünden und sie finanzierten.
Geschichte
Die Hamas, damals noch unter dem Namen der Muslimbruderschaft agierend, wurde während der siebziger und achtziger Jahre direkt und indirekt durch verschiedene Staaten, einschließlich Saudi Arabien und Syrien, finanziert. Der politisch-karitative Arm der Hamas wurde in dieser Zeit von Israel anerkannt. Die meisten Experten stimmen darin überein, dass Israel die Hamas unangetastet ließ, ohne sie direkt zu unterstützen, um sie der weltlichen Fatah-Bewegung Jassir Arafats entgegenzusetzen. Die Gruppe enthielt sich während der siebziger Jahre und den frühen achtziger Jahren der Politik und konzentrierte sich auf moralische und soziale Hilfe, wie etwa Angriffe auf die Korruption, versuchte Vertrauen aufzubauen und organisierte Gemeinschaftsprojekte. Mitte der 1980er Jahre wandelte sich die Bewegung unter Scheich Ahmad Jassin. Er predigte Gewalt, wurde vom israelischen Staat 1989 verhaftet und 1997 in einem Gefangenenaustausch gegen zwei Mossad-Agenten in jordanischer Haft entlassen.
Die Abkürzung "Hamas" erschien erstmalig 1987 in einem Flugblatt, das die israelischen Geheimdienste beschuldigte, die Moral der palästinensischen Jugend zu unterwandern und sie als Kollaborateure anzuwerben. Die Gewaltanwendung durch die Hamas begann zeitgleich mit der ersten Intifada. Sie fing mit "Bestrafungen gegen Kollaborateure" an und entwickelte sich über Angriffe gegen das israelische Militär schließlich zu gezielten terroristischen Anschlägen gegen Zivilisten. Wie ihre Methoden hat sich auch ihre Rhetorik in den letzten dreißig Jahren geändert und besagt nun, israelische Zivilisten seien - aufgrund des Militärstaates und der Wehrpflicht - "militärische Ziele".
Entsprechend der halboffiziellen Hamas-Biographie Wahrheit und Bestehen, durchlief die Hamas vier Hauptstadien:
- 1967-1976: Aufbau der Muslimbruderschaft im Gazastreifen angesichts der unterdrückenden israelischen Gesetze.
- 1976-1981: geografische Expansion durch Teilnahme an erfahrenen Gruppierungen im Gazastreifen und im Westjordanland und Gründung von Einrichtungen, z. B. al-Mudschamma' al-islāmi, al-Dscham'iyya al-islāmiyya und der islamischen Universität in Gaza.
- 1981-1987: politischer Einfluss durch Einführung von Handlungsmechanismen und der Vorbereitung auf den bewaffneten Kampf.
- 1987: Gründung der Hamas als kämpfender Arm der Muslimbruderschaft in Palästina und der Ankündigung des „fortwährenden Dschihad“.
Viele Experten meinen, die Geschichte der Hamas beginne erst mit der Wandlung in den 80er Jahren, nach der ihr politische Einfluss wuchs.
Die Hamas im Westjordanland entwickelte sich erkennbar anders, u. a. da sie anfänglich kaum Aufsehen durch die Bildung oder Steuerung von öffentlichen Institutionen erregte. Die Muslimbruderschaft im Westjordanland bildete einen wesentlichen Bestandteil der Jordanischen Islamischen Bewegung, die sich einige Jahre mit dem Haschemitenregime verbündete. Zudem stellte die Muslimbruderschaft im Westjordanland eine höhere soziale Schicht - Kaufleute, Grundbesitzer und Beamte. Bis Mitte der 80er Jahre nahm die Muslimbruderschaft wesentliche Positionen in den religiösen Institutionen des Westjordanlandes ein.
Aktivitäten
Die Hamas treibt seit Anfang der 90er Jahre die allgemeine Islamisierung Gazas voran, indem sie sich beispielsweise am Moscheebau beteiligt oder die Verschleierung der Frauen wieder eingeführt hat.
Des Weiteren finanziert die Hamas verschiedene soziale Einrichtungen und ersetzt so teilweise die fehlende Infrastruktur im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich in Gaza. Dabei konzentrieren sich diese Aktivitäten, die als Propaganda- und Rekrutierungsmaßnahmen angesehen werden, auf die ärmeren Schichten der Bevölkerung. Dies begründet den starken Rückhalt, den die Hamas in der palästinensischen Bevölkerung genießt und hier werden auch die sogenannten Märtyrer für Selbstmordanschläge geworben. Daneben wirbt die Hamas ständig um Mitglieder über Moscheen, Universitäten usw.. Eine Schätzung geht von 80.000 Mitgliedern aus. Der harte Kern der Hamas wird auf 300 bis 3000 Mitglieder geschätzt.
Finanzielle Mittel kommen von ausgebürgerten Palästinensern, vom Iran und von privaten Unterstützern aus Saudi-Arabien und anderen gemäßigten arabischen Staaten. Finanzierungs- und Propagandatätigkeiten finden in Westeuropa und Nordamerika statt.
Neben den sozialen und religiösen Bestrebungen stechen vor allem die terroristischen Aktivitäten der Hamas in Israel hervor. Zwischen September 2000 und Mai 2003 wurden 1400 israelische Zivilisten Opfer von 27 Selbstmordanschlägen; 200 kamen dabei ums Leben. Weitere 12 Selbstmordanschläge schlugen fehl. Die Bomben explodierten in Einkaufspassagen, Restaurants, Hotels und an sonstigen öffentlichen Plätzen. Anschlagziel war stets die Zivilbevölkerung. Weitere Anschläge wurden auf Einrichtungen der israelischen Armee verübt.
Über das Internet rief die Hamas-Führung anlässlich des Irakkrieges alle Muslime dazu auf, gegen die "tyrannische und kreuzzüglerische Aggression" der USA und Großbritanniens zu protestieren und die Produkte dieser Staaten zu boykottieren. Ein Hamas-Sprecher appellierte an die Bevölkerung des Irak, zehntausende Märtyrer bereitzustellen, um sich inmitten der „amerikanischen Tyrannen“ in die Luft zu sprengen.
Die im Rahmen eines Friedensplans für den Nahen Osten ausgehandelte Waffenruhe zwischen Israel, der PA und militanten islamistischen Gruppen fand schon nach zwei Monaten durch ein Attentat in Jerusalem ihr Ende, zu dem sich die Hamas bekannte.
Die Hamas wurde von den USA, Großbritannien als terroristische Organisation eingestuft. Die jordanischen Behörden schlossen 1999 das Hamas-Büros in Jordanien. Die Mitglieder des Politbüros wurden festgenommen und ausgewiesen. Die Außenminister der EU setzten 2003 den politischen Arm der Hamas auf die Liste terroristischer Vereinigungen. Hamas-Anhänger können seitdem verfolgt und deren Konten eingefroren werden.
Führung der Hamas
Am 22. März 2004 wurde der Mitbegründer und geistige Führer, Scheich Ahmad Jassin, bei einem gezielten Raketenangriff durch die israelische Luftwaffe im Rahmen der so genannten Operation Stabwechsel getötet, worauf die Hamas mit Vergeltungsschlägen drohte.
Wenige Tage später wurde Jassins Stellvertreter, der Kinderarzt Abd al-Aziz al-Rantisi, in Gaza zum neuen "Generalkommandanten" proklamiert. Kurz darauf tauchte er in den Untergrund ab. Er vertrat - ebenso wie Jassin - die Ansicht, dass Terroranschläge ein legitimes Mittel im Befreiungskampf gegen Israel sind. Knapp einen Monat nach seinem Aufstieg zum Hamasführer am 17. April 2004 wurde Rantisi ebenso wie Jassin von der israelischen Armee gezielt getötet.
Innerhalb der Hamas-Führung, zu der v.a. Khaled Meschal und Mahmud as-Sahar zählen, stand Rantisi für den radikalen Flügel und hat im Sommer 2003 den befristeten Waffenstillstand („Hudna“) abgelehnt. Bekannt wurde er als Sprecher von 400 nach dem Libanon deportierten Kämpfern und durch seine Kontakte zur Hisbollah und zum Iran. Nach einigen Zeiten im Gefängnis war er seit der zweiten Intifada (Sept.2000) dauerhaft auf freiem Fuß.
Kritische Literatur
- Gerrit Hoekmann : Zwischen Ölzweig und Kalaschnikow. Geschichte und Politik der palästinensischen Linken. ISBN 3-928300-88-1
Siehe auch: Israelisch-palästinensischer Konflikt (Chronologie), Nahostkonflikt, Dschihad, Arabischer Antisemitismus, Fundamentalismus, Extremismus