Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds ist ein Konzept zur Umorganisation der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland, der am 1. Januar 2009 eröffnet wird. Am 2. Februar 2007 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG), dem der Bundesrat am 16. Februar 2007 zustimmte.
Nach diesem Gesetzentwurf wird des weiteren die Honorierung der Ärzte neu geregelt und die Arzneimittelversorgung geändert. Beitrags- und Steuergelder sollen zentral eingenommen und an die Krankenkassen weitergeleitet werden. Die Krankenkassen sollen die Sozialversicherungsbeiträge zunächst einziehen und an die neue Zentralbehörde übertragen. Die bisher unterschiedlichen Beitragssätze der Krankenkassen werden ab 1. Januar 2009 durch den einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent ersetzt. Wenn der Fonds die Ausgaben der Krankenkassen zwei Jahre hintereinander zu weniger als 95 Prozent abdeckt, kommt es zur Erhöhung des Beitragssatzes.
Krankenkassen, die mit den ihnen aus dem Gesundheitsfonds zugeteilten Mitteln nicht auskommen, können zusätzliche Beiträge (bis 8 € pro Monat ohne Einkommensprüfung, bei höheren Pauschalsätzen beschränkt auf 1% des Einkommens) vom Arbeitnehmer erheben.
Der Gesundheitsfonds geht ursprünglich auf einen Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen zurück, der hierin einen möglichen Kompromiss zwischen den Konzepten der Bürgerversicherung und der Gesundheitsprämie sah. Er wurde von der Koalition im Eckpunktepapier mit Zustimmung der SPD/CDU vorgeschlagen. Die Koalition aus Unionsparteien und SPD einigte sich am 3. Juli 2006 auf die Einführung des Gesundheitsfonds, wobei die ursprünglich vorgesehene Einbeziehung der privaten Krankenversicherung gestrichen und die Steuerfinanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben (wie z.B. Beiträge für Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Bedarf von rund 16 Mrd €) erst 2008 mit 1,5 Mrd € und 2009 mit 3 Mrd € einsetzen soll.
Die Kassenbeiträge der Arbeitgeber werden dabei insoweit eingefroren, wie der Beitragssatz an den Gesundheitsfonds erst erhöht werden soll, wenn der Fonds die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr zu 95 % deckt (mindestens 5 % also durch alleine von den Versicherten aufzubringende Zusatzbeiträge zu finanzieren sind). Die Mittelzuteilung an die Krankenkassen berücksichtigt die Krankheits-Wahrscheinlichkeit eines Individuums bezogen auf eine bestimmte Population (Morbidität), wodurch der Risikostrukturausgleich neu gegliedert wird. Dadurch soll jede Kasse annähernd die Finanzmittel erhalten, die sie zur Versorgung ihrer Versicherten benötigt. Beim Bundesversicherungsamt wurde ein Wissenschaftlicher Beirat zur Vorbereitung der morbiditätsorientierten Mittelzuweisung eingerichtet; dieser hat am 9. Januar 2008 ein Gutachten zur Auswahl von 80 Krankheiten vorgelegt, die bei dieser Mittelzuteilung berücksichtigt werden sollen. Das Bundesversicherungsamt hat Ende März 2008 die endgültige Liste vorgelegt, bei der es aufgrund einer stärkeren Berücksichtigung der Prävalenz zu erheblichen Abweichungen gegenüber der Liste des Wissenschaftlichen Beirates kommt.
Kritik
Der Wirtschaftsexperte Bert Rürup kritisierte, „dass der Faktor Arbeit im nächsten Jahr mit fünf Milliarden Euro belastet werden soll, um dann sukzessive im Jahre 2008 und 2009 4,5 Milliarden Euro zurückzugeben. Unter ökonomischen Aspekten ist das nicht sonderlich überzeugend“.
Umstritten sind die Auswirkungen des mit der Einführung des Fonds verbundenen Überganges zur Morbiditätsorientierung beim Risikostrukturausgleich. Nach dem Gesetz sollen 50 bis 80 schwerwiegende, chronische Erkrankungen zu besonderen Zahlungen führen. Voraussetzung ist weiterhin, dass die Versicherten, die an diesen Erkrankungen leiden, mindestens 50% überdurchschnittliche Ausgaben haben. Es wird die These vertreten, durch die Fixierung eines morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleiches würde der Wettbewerb zwischen den Krankenversicherern erlöschen. Damit träten monopolistisch agierende, vom Sozialgesetzbuch geschützte Nachfrager (Sachleistungsprinzip) qua Gesetz atomistisch orientierten Leistungserbringern gegenüber. Dies führe über Preis- und Qualitätsdumping automatisch zu Versorgungsverschlechterungen. [1] Allerdings wird auch die gegenteilige These vertreten, wonach erst eine hinreichend genaue Abbildung der Morbidität im Risikostrukturausgleich die Voraussetzungen dafür schaffe, dass die Krankenkassen sich im Wettbewerb um die Versorgung der Patienten bemühten und nicht in erster Linie darauf aus seien, gesunde Versicherten an sich zu ziehen, weil sie mit ihnen günstigere Beiträge bieten könnten.[2]
Auch Heinz Grossekettler, der als Miterfinder des Gesundheitsfonds gilt, kritisierte 2006 die Umsetzung der Großen Koalition. Die ursprüngliche Intention sei deutlich eingeschränkt worden und vor allem die Begrenzung des Zusatzbeitrages sei problematisch.[3]
Nach Berechnung der Krankenkassenverbände werden mindestens acht Kassen sofort wegen Insolvenz schließen müssen, da diese mit dem dann nach bisherigen Planungen festgesetzten Beitragssatz von 15,8% nicht auskämen und gleichzeitig keine hinreichend hohen Zusatzbeiträge von ihren Versicherten erhielten auf Grund der Beschränkung auf 1% des Einkommens.[4]
Der Zusatzbeitrag ist nur von den Versicherten und nicht von den Arbeitgebern zu zahlen. Neben dem Sonderbeitrag (0,9 Prozent des Einkommens) wird der Zusatzbeitrag (bis 1%) additiv zu einer weiteren Aufweichung des Paritätsprinzips beitragen und könnte auch als 1,9%ige gesetzlich verordnete Einkommenskürzung für die Versicherten zu Gunsten der Arbeitgeber interpretiert werden.
Der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs ist kritisiert worden, weil er aufgrund der gewählten statistischen Methode stärker auf je Patient sehr ausgabenintensive und seltenere als auf häufigere, aber nicht je Patient so ausgabenintensive Krankheiten fokussiert. Ein Alternativmodell ist von Wissenschaftlern der Universität Duisburg-Essen vorgelegt worden.
Konvergenzklausel
Im Frühjahr 2008 stand im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion um die Einführung des Gesundheitsfonds die sogenannte "Konvergenzklausel", auch "Bayern-Regelung" genannt. Der Bayerische Ministerpräsident Stoiber hatte in den Verhandlungen im Oktober 2006 diese Regelung (§ 272 SGB V) durchgesetzt. Danach sollen die Beitragseinnahmen im Jahre 2008 in einem Bundesland, bereinigt um die Ansprüche und Zahlungsverpflichtungen aus dem Risikostrukturausgleich und erhöht um die Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen verglichen werden mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds. Ist die Differenz zwischen beiden Größen größer als 100 Mio. Euro sollen die Zuweisungen an die Krankenkassen für die Versicherten im Land entsprechend erhöht werden oder gekürzt werden. Mitte April 2008 ist ein von der Bundesregierung hierzu beauftragtes Gutachten vorgelegt worden.[5] Tiefer gehende Informationen zur Konvergenzklausel finden sich unter konvergenzklausel.de. [6]
Gesundheitsfonds im internationalen Kontext
Der mit der Gesundheitsreform in das deutsche System eingeführte Gesundheitsfonds ist international kein Einzelfall. In den Niederlanden, Belgien und Israel zum Beispiel, wo ebenfalls mehrere Krankenkassen miteinander konkurrieren, zahlen die Versicherten ihren einkommensabhängigen Beitrag nicht an die individuelle Krankenkasse, sondern an einen Gesundheitsfonds, der die Mittel nach dem Risiko der Versicherten an die Kassen verteilt. Demgegenüber zahlen die Versicherten in der Schweiz - wie bis Ende 2008 in Deutschland - ihre Beiträge an die jeweilige Krankenkasse. Aber auch dort besteht ein Risikostrukturausgleich, der die Mittel zwischen den Krankenkassen nach den Risikostrukturen der Versicherten umverteilt.
Literatur
- Drabinski T: Gesundheitsfonds ante portas. Band 12. Schriftenreihe Institut für Mikrodaten-Analyse, Kiel. Januar 2008.[7]
- Goepffarth D, Greß S, Jacobs K, Wasem J: Jahrbuch Risikostrukturausgleich 2007: Gesundheitsfonds. Asgard-Verlag, St. Augustin 2007.
Fußnoten
- ↑ heute.de: Durchbruch bei Gesundheitsreform. Beiträge steigen – Einstieg in Steuerfinanzierung, 3. Juli 2006.
- ↑ (vgl. etwa Gutachten von Cassel, Jacobs, Reschke u. Wasem aus 2001 für das Bundesministerium für Gesundheit: [1] -> Lehrstuhl -> Downloads -> Forschungsberichte)
- ↑ http://de.news.yahoo.com/10082006/336/erfinder-gesundheitsfonds-kritisiert-umsetzung-koalition.html
- ↑ http://www.focus.de/finanzen/versicherung/krankenversicherung/gesundheitsfonds_nid_39012.html
- ↑ http://www.uni-due.de/medizinmanagement ->Aktuelles auf Forschung und Politikberatung -> Eintrag vom 12. April 2008
- ↑ http://www.konvergenzklausel.de Informationen zu Gesundheitsfonds und Konvergenzklausel
- ↑ http://www.ifmda.de/download/IfMDA_Band_12.pdf
Weblinks
- Fachbeitrag zum Gesundheitsfonds: Regulierung, Wirkungsmechanismen, Gefahren
- Text des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG
- Bundesversicherungsamt -> Gesundheitsfonds
- Informationen zu Gesundheitsfonds und Konvergenzklausel
- Informationen zu Gesundheitsfonds
- Bundesministerium für Gesundheit (Offizielle Seite des BmfG)
- Der Gesundheitsfonds kommt, Broschüre des BmfG