Volksentscheid

Instrument der direkten Demokratie in Deutschland
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Bei einem Volksentscheid entscheidet die Mehrheit der Stimmbürger in einer Abstimmung (lat. "Plebiszit" - Abstimmung durch eine Volksbefragung) endgültig über eine Verfassungsänderung oder einen Gesetzesentwurf.

Kurzstatus auf: Volksgesetzgebung(enthält auch Information über Österreich)

Argumentation

Pro Volksentscheid

  • Zufriedenheit: Plebiszite dienen der Autonomie der Bürger.
  • Parteienabsolutismus lösen: Die Demokratie ist zur Zuschauerdemokratie geworden. Das Volk ist auf Akklamation bei Wahlen reduziert.
  • Volksmeinung ungleich Politikermeinung: Viele Bürger fühlen sich von den Parteien unzulänglich vertreten.
  • Festigung der Demokratie: Durch mehr Teilnahmemöglichkeiten wird die Demokratie gefestigt.
  • Gute Beispiele: Plebiszite werden in vielen Staaten erfolgreich praktiziert (z. B. Schweiz).
  • Rechtskonformität: Plebiszite widersprechen nicht der Aussage des Grundgesetzes.
  • Erzwingen von Themen: Das Volk kann durch eine Volksinitiative Themen erzwingen, die Politiker zu meiden suchen.
  • Förderung von Interessenverbänden: Interessenverbände werden durch Plebiszite gefördert.
  • Wechselhaftigkeit parlamentarischer Meinungen: Die Meinung des Volkes ist nicht so wechselhaft, wie wechselnde parlamentarische Mehrheiten.
  • Bildung: Das politische Interesse und damit die politische Bildung wachsen, da sich die Bürger mit bestimmten Themen auseinandersetzen müssen.
  • Politische Reife: Das Volk hat bewiesen (z. B. friedliche Revolution in der DDR), dass es reif ist, sinnvoll politisch zu agieren.

Contra Volksentscheid

  • Populismus: Das Volk ist unfähig, sinnvolle politische Entscheidungen zu treffen (emotionalisierter Unverstand, Populismus).
  • Unwissenheit: Das Wissen für Entscheidungen fehlt vielen.
  • Unmündigkeit: Der unmündige Bürger braucht einen Vormund.
  • Egoismus: Das Volk ist nicht kompetent, sinnvolle politische Entscheidungen zu treffen.
  • Aufgabe des Volks: Der Souverän, das Volk, hat nur die Aufgabe, seinen Herrscher zu bestimmen.
  • Medienbeeinflussung: Entscheidungen werden durch Medien beeinflusst.
  • Dauerauseinandersetzungen: Ständige politische Auseinandersetzungen werden hervorgerufen.
  • Unnötige Veränderungen: Das bisherige System in Deutschland hat sich bewährt.
  • Verantwortung: Dem Parlament gelingt eine Flucht aus der Verantwortung („Ihr habt es doch so gewollt!“). Gesetze werden über den plebiszitären Umweg gemacht, um die Verantwortung abzugeben.
  • Pluralismus nicht repräsentiert: Plebiszite widersprechen der pluralistischen Gesellschaft (nur schwarz-weiß, ja-nein etc.)
  • Abhängigkeit: Die Bürger sind auf Vereine bei der Durchführung von Plebisziten angewiesen und würden gerade durch demokratisch nicht legitimierte bevormundet.
  • Minderheiten nicht berücksichtigt: Minderheitenmeinungen lassen sich im Volksentscheid nicht berücksichtigen
  • Stimmungsdemokratie: Der Ausgang der Plebiszite ist abhängig vom momentanen Volkswillen.
  • Fehlende Beteiligung: Die Beteiligung an Volksabstimmungen, etwa in der Schweiz, ist bei unwichtigeren Fragen gering.

Diskussion in Deutschland

In Deutschland ist der Volksentscheid auf Bundesebene, außer bei einer Neugliederung des Bundesgebietes, z. Zt. nicht vorgesehen und auf Landesebene nicht in allen Bundesländern. Im kommunalen Bereich sind direkte Bürgerentscheide regelmäßig zulässig. Hintergrund hierfür ist Artikel 20 der deutschen Verfassung; dieser ermöglicht Volksabstimmungen auf Landes- und Bundesebene und stellt Abstimmungen durch das Volk grundsätzlich auf die gleiche Stufe wie Wahlen. Die deutschen Parteien haben sich auf Bundesebene jedoch bislang nicht auf die Durchführung von Volksentscheiden einigen können.

Diskussion in den USA

In den Vereinigten Staaten spielen Volksentscheide in einzelnen Bundesstaaten, z.B. Kalifornien, eine große Rolle, leiden hierbei jedoch unter sehr geringer Beteiligung des Staatsvolkes an den Abstimmungen.

Diskussion in der Schweiz

Die Schweiz, als eine in stärkeren Maße direkte Demokratie mit repräsentativen und plebiszitären Merkmalen, verfügt über eine ausgesprochene Kultur von Volksentscheiden:

  • Volksinitiative: Eine Anzahl Bürger verlangt mit ihrer Unterschrift eine Änderung der Verfassung oder eines Gesetzes, über die obligatorisch abgestimmt werden muss.
  • Referendum: Eine obligatorische oder fakultative Volksabstimmung über ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz oder eine Verfassungsänderung.
  • Petition: Eine Petition stellt einen Wunsch oder eine Anregung an die Behörden dar. Die Behörden sind lediglich dazu verpflichtet, die Begehren zur Kenntnis zu nehmen, sie sind jedoch weder verpflichtet die Petition zu behandeln noch dazu Stellung zu nehmen (was aber Praxis ist).

Siehe auch: Politisches System der Schweiz.

Diskussion in anderen Staaten

In den meisten europäischen Ländern werden Volksentscheide mit Volksinitiative und Volksbegehren eingeleitet. Die zur Durchführung notwendigen Mindestbeteiligungen (so genannte Quoren) sind recht unterschiedlich geregelt, i. d. R. restriktiv, um den Missbrauch von Volksabstimmungen z. B. für Kampagnenpolitik zu verhindern. Prinzipiell möglich, wenngleich in den meisten Verfassungen nicht vorgesehen, wäre es auch, dass Parlamente dem Staatsvolk Einzelfragen zur Abstimmung geben (parlamentarisches Quorum).

Siehe auch