Pierre Teilhard de Chardin

französischer Jesuit, Theologe, Philosoph, Anthropologe, Geologe und Paläontologe
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Marie-Joseph Pierre Teilhard de Chardin (* 1. Mai 1881 in Sarcenat; † 10. April 1955 in New York) war französischer Jesuit, Philosoph, Anthropologe, Geologe und Paläontologe.

Leben

Teilhard de Chardin trat mit 18 Jahren (1899) in den Jesuitenorden ein und studierte Geologie, Physik und Chemie. Am Jesuitenkolleg in Kairo lehrte er Physik und Chemie und unternahm geologische Exkursionen. Von 1908 bis 1912 studierte er in Ore Place bei Hastings (Sussex) Theologie und wurde am 24. August 1911 zum Priester geweiht. Daran schloss sich ein paläontologisches Studium in Paris an. Der Erste Weltkrieg unterbrach seinen wissenschaftlichen Werdegang, hinterließ jedoch tiefe Spuren. Nach dem Krieg lehrte und forschte er im Ordensauftrag weltweit und entwickelte in Büchern und Briefen sein Denken. Dabei geriet er in Konflikt mit dem kirchlichen Lehramt (Sanctum Officium). Seinen Lehrstuhl am Institut catholique hatte er schon 1926 verloren und verbrachte die folgenden zwanzig Jahre, unermüdlich forschend, größtenteils in China. Sein Interesse wendete sich mehr und mehr der Evolution und dem Werden des Menschen zu. Die Veröffentlichung seines 1940 fertiggestellten Hauptwerkes Le phénomène humain (dt. Der Mensch im Kosmos, München 1959) sollte er nicht mehr erleben, da Rom noch zehn Jahre danach das Imprimatur verweigerte, er selbst aber nicht als freier Philosoph außerhalb von Kirche und Orden publizieren wollte. Er sollte überhaupt keine theologischen und philosophischen Werke mehr veröffentlichen. 1951 wurde er - infolge der Enzyklika "Humani generis" ("Über einige falsche Ansichten, die die Grundlage der katholischen Lehre zu untergraben drohen") - zum zweiten Mal vom Orden aus Frankreich verbannt. Auch diesmal gehorchte er der Ordensdisziplin. Seine letzten Jahre verbrachte er als Research Associate bei der Wenner Gren Foundation for Anthropological Research im amerikanischen Bundesstaat New York. Als er am Ostersonntag 1955 starb, folgte niemand seinem Sarg.

Denken

Die Bedeutung Teilhard de Chardins liegt in seinem Versuch, den christlichen Glauben mit der damals neuen evolutiven Sicht von Kosmos und Leben zusammenzudenken. Er stieß dabei bis an die Toleranzgrenzen der kirchlichen Lehre vor, wurde jedoch bahnbrechend für das nachfolgende theologische Denken.

Teilhard sieht Leben und Kosmos in einer von Gott bewirkten kreativen Bewegung, die noch nicht an ihr Ziel gelangt ist. Kennzeichen dieser Bewegung ist die ständige Zunahme von Organisiertheit und organischer Einheit. Das Streben in diese Richtung, also der Motor der Evolution, ist für Teilhard die Liebe. Diese Liebe, die das letzte Ziel, die organische Einheit alles Seienden, bereits handelnd und leidend vorwegnimmt, war für Teilhard im Herzen eines Menschen vollkommen verwirklicht: in Jesus Christus. So nennt er Christus mit einem biblischen Hoheitstitel (Offb. 21,6) das Omega oder den "Punkt Omega", d.h. Ziel, Richtung und Motor der Evolution.

Teilhards Schau ist geprägt von großer naturwissenschaftlicher Kenntnis und zugleich von tiefer Frömmigkeit, vor allem von der Herz-Jesu-Spiritualität. Bahnbrechend (und zu seiner Zeit anstößig) ist er darin, die Schöpfung nicht als etwas "einst" Abgeschlossenes und seither Fertiges anzusehen (wie es die biblischen Schöpfungserzählungen nahe zu legen scheinen), sondern als einen bis ans Ende der Zeit fortdauernden Prozess mit noch ungeahnten Ergebnissen. Neu gedacht hat er auch das Verhältnis von "notwendiger" Entwicklung und menschlicher Freiheit. Theologischer Anknüpfungspunkt ist ihm dabei die Lehre vom Heiligen Geist (Spiritus Creator), dessen Wirken kein bloß vergangenes ist und der mit der geschöpflichen Freiheit zusammenwirkt.

Werke

  • Le phénomène humain, Paris 1955 (dt. Der Mensch im Kosmos, München 1959)
  • L'Apparition de l'Homme, Paris 1956 (dt. Das Auftreten des Menschen, Olten/Freiburg i. Br. 1964)
  • La Vision du Passé, Paris 1957 (dt. Die Schau in die Vergangenheit, Olten/Freiburg i. Br. 1965)
  • Le Milieu Divin, Paris 1957 (dt. Das göttliche Milieu. Ein Entwurf des inneren Lebens, Olten/Freiburg i. Br. 1962)
  • L'Avenir de l'Homme, Paris 1959 (dt. Die Zukunft des Menschen, Olten/Freiburg i. Br. 1963)
  • L'Energie humaine, Paris 1962 (dt. Die menschliche Energie, Olten/Freiburg i. Br. 1966)
  • L'Activation de l'energie, Paris 1963 (dt. Die Aktivierung der Energie)
  • Le groupe zoologique (dt. Die Entstehung des Menschen, München 1961)