Enzym

Klasse von Biomolekülen, die biochemische Reaktionen beschleunigen können
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 6. April 2005 um 17:52 Uhr durch 62.227.54.125 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Enzym (griechisch ένζυμο, énsimo, von εν~, en~ - in~ und ζύμη, zýme - der Sauerteig, die Hefe), auch das Ferment (lateinisch), ist ein biochemischer Katalysator, der hilft, ein Substrat (Edukt) zu spalten oder anderweitig zu verändern - und das bei Normaltemperatur und Normaldruck. Das Enzym erleichtert die dafür nötige Reaktion, indem es die Aktivierungsenergie herabsetzt, die stets überwunden werden muss, damit es überhaupt zu einer Stoffumsetzung kommt. Das Enzym nimmt an der biochemischen Reaktion teil, geht mit den umzusetzenden Stoffen sogar eine vorübergehende Verbindung (den Enzym-Substrat-Komplex) ein, wird aber durch die Reaktion nicht verändert. Es sind heute über 2.000 verschiedene Enzyme bekannt.

Die meisten Enzyme sind ihrer chemischen Natur nach Eiweiße (Proteine). Doch auch Ribonukleinsäuren (RNA) können als Ribozyme katalytisch wirksam sein. In den Frühzeiten der chemisch-biologischen Evolution waren einfach gebaute RNA-Moleküle, die den heutigen Polymerasen ähnelten, offenbar die einzigen Biokatalysatoren.

Für die katalytische Wirksamkeit eines Protein-Enzyms ist das so genannte aktive Zentrum verantwortlich, das aus besonders gefalteten Teilen der Polypeptidkette oder reaktiven Nicht-Eiweiß-Anteilen des Enzymmoleküls besteht. Eine spezielle Hohlstruktur im Enzym bewirkt, dass das aktive Zentrum mit einem passenden, strukturell komplementären Substrat in Kontakt treten kann, so wie ein Schlüssel in das zugehörige Schloss.

Allerdings kann das sogenannte Schlüssel-Schloss-Prinzip in die Irre führen, denn ein Enzym, das zu seinem Substrat vollständig komplementär ist, wäre ein sehr schlechtes Enzym. Vielmehr stabilisiert ein Enzym den Übergangszustand seines Substrates: Im Enzym-Substrat-Komplex bilden sich vorerst schwache Wechselwirkungen aus, vollständige Komplementarität wird aber erst erreicht, wenn das Substrat seinen Übergangszustand erreicht hat. Die Summe aus (ungünstiger) Aktivierungsenthalpie und (günstiger) Bindungsenthalpie, die durch die Wechselwirkungen von Enzym und Substrat im Übergangszustand frei wird, ergibt im Endeffekt eine geringere Netto-Aktivierungsenergie.

Einteilung

Man unterscheidet nach ihrer Struktur drei Typen von Enzymen:

1. Reine Protein-Enzyme

  • Das aktive Zentrum wird bei ihnen von bestimmten Aminosäure-Resten gebildet. Zu dieser Gruppe von Enzymen gehören die Hydrolasen, die ein Substrat hydrolytisch spalten.

Neben diesen reinen Protein-Enzymen gibt es noch Enzyme mit einem reaktiven Nicht-Eiweiß-Anteil (Cofaktor). Der Cofaktor eines Enzyms kann entweder ein anorganisches Ion sein (zum Beispiel ein Eisen- Selen- oder Mangan-Ion) oder ein komplexeres organisches Molekül, das man Coenzym nennt. Einige Enzyme benötigen sowohl ein Coenzym als auch ein oder mehrere Metallionen für ihre Aktivität. Der Cofaktor kann dauerhaft oder nur vorübergehend mit dem Proteinanteil des Enzyms verbunden sein. Daher unterscheidet man:

2. Enzyme mit fest und dauerhaft gebundener prosthetischer Gruppe

  • Ihr aktives Zentrum wird von einem Nicht-Protein-Molekül, der so genannten prosthetischen Gruppe, gebildet. Hierbei kann es sich etwa um einen Vitamin-Abkömmling handeln.

3. Holoenzyme, bestehend aus einem Apoenzym und einem Coenzym (Cosubstrat)

  • Das Apoenzym ist der reine Proteinanteil, das Coenzym oder Cosubstrat ein abspaltbarer Cofaktor. Das Holoenzym ist der Komplex aus Apo- und Coenzym, der nur vorübergehend gebildet wird.

Der Proteingehalt ist verantwortlich für die Substratspezifität und für die Wirkungsspezifität (Reaktionsspezifität) eines Enzyms, das heißt, er entscheidet darüber, welche Stoffe überhaupt umgesetzt werden und welche von den zahlreichen möglichen Reaktionen das Substratmolekül eingeht.

Die Enzymaktivität, einer der Parameter der Enzymkinetik, ist von äußeren Faktoren abhängig. Temperaturerhöhung vermag die Geschwindigkeit einer enzymatischen Reaktion zu steigern, jedoch nur dann, wenn durch die erhöhte Temperatur die Enzymproteine nicht denaturiert werden. Hierbei gilt die Q_10-Regel. Diese besagt, dass mit einer Temperaturerhöhung um zehn Grad eine Verdopplung der Umsatzgeschwindigkeit eines Enzyms eintritt. Neben pH-Wert-Änderungen hat auch die umgebende Milieu wie die Ionenkonzentration einen Einfluss auf die Enzymaktivität.

Ein immobilisiertes Enzym ist ein Enzym, das chemisch oder durch Adsorption an ein Trägermaterial oder durch Einschluss in Membranen oder Mikrokapseln gebunden sind. Letztere sind für das Enzym undurchlässig, aber erlauben trotzdem einen stetigen Austausch von Substrat und Produkt.

Vorteile: garantiert längere Halbwertszeit (der Enzymaktivität), einfache Abtrennung von Reaktionsprodukt, kontinuierliche Arbeitsweise

Nachteile: erhöhte Herstellungskosten, Aktivitätsverlust, Massentransfer limitiert.

Man unterscheidet grob zwischen drei verschiedenen Immobilisierungstechniken:

  • Adsorption: Bei dieser Technik adsorbieren die Enzyme am Trägermaterial mit großen Oberflächen (zum Beispiel Silicagele oder modifizierte Dextrane) oder werden über ionische Kräfte zwischen der Oberfläche und geladenen Gruppen des Enzyms gebunden.
  • Kovalente Bindung: Bei dieser Technik findet eine echte Bindung zwischen der Trägeroberfläche und dem Enzym statt. Meistens wird ein aktivierter Träger verwendet, der mit funktionellen Gruppen der Aminosäuren reagiert.
  • Immobiliserung durch Einschluss: Hier werden durch gezielte Polymerisation die Enzyme in eine kugel- oder schlauchförmige Matrix, Mikrokapseln oder Membranen eingeschlossen.


Aufbau von Enzymen

Man unterscheidet bei Protein-Enzymen zwischen einer Primär-, einer Sekundär, einer Tertiär- und gegebenfalls einer Quartärstrukur.

Die Primärstruktur entspricht der Aminosäuresequenz des Proteins und hängt direkt mit der Gensequenz des Enzyms zusammen. Diese wird im Zellkern in mRNA transkribiert, anschließend wird die entstandene mRNA gespleißt und aus dem Zellkern ins Cytosol transportiert. Hier oder an den Ribosomen des rauhen Endoplasmatischen Reticulums findet die Proteinbiosynthese und damit die Translation statt. An den Ribosomen werden die Basentripletts der mRNA nun in die Aminosäuresequenz übersetzt. Die Aminosäuresequenz der entstehenden Aminosäurekette bezeichnet man als Primärstruktur.

Die entstandende Aminosäurekette faltet sich spontan und bildet die sogenannte Sekundärstruktur aus. Ursache für die spontane Faltung ist der sogenannte hydrophobe Effekt. Es bilden sich entweder alpha-Helices oder beta-Faltblattstrukturen aus und zwar in Abhängigkeit der Primärstruktur, das heißt der Aminosäuresequenz.

Eine weitere Zusammenlagerung der verschiedenen Sekundärstrukturen, die eine Aminosäurekette aufweisen kann, bedingen letztlich die Tertiärstruktur eines Enzyms.

Besteht ein Enzym aus mehreren Untereinheiten, spricht man von einer sogenannten Quartärstruktur. Erst wenn sich alle Untereinheiten zuammengelagert haben, ist das Enzym fertig. Ein Beispiel für ein Enzym mit einer Quartärstruktur ist das Hämoglobin.

Neben einer eigenständigen spontanen Faltung gibt es auch noch Enzyme, welche die Faltung eines Enzyms durch Ausbildung von Schwefeldisulfid-Brücken innerhalb des Proteins unterstützen.

Vorkommen und Verwendung

In unserem Körper wirken Hunderte von verschiedenen Enzymen. Fehlt ein Enzym oder ist es etwa durch Vitaminmangel nicht aktiv, kann es zu schweren Stoffwechselstörungen kommen. Enzyme werden aber auch von der Industrie benötigt. Waschmitteln fügt man Lipasen (fettspaltende Enzyme), Proteasen (eiweißspaltende Enzyme) und Amylasen (stärkespaltende Enzyme) zur Erhöhung der Reinigungsleistung hinzu, weil diese Enzyme die entsprechenden Flecken zersetzen. Enzyme werden auch zur Herstellung einiger Medikamente und Insektenschutzmittel verwendet. Bei der Käseherstellung wirkt das Labferment mit, ein Enzym, das aus Kälbermägen gewonnen wurde. Viele Enzyme können heute mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden.
In der Medizin spielen Enzyme eine wichtige Rolle. Viele Arzneimittel hemmen Enzyme oder verstärken ihre Wirkung, um eine Krankheit zu heilen.
Prominentester Vertreter solcher Arzneistoffe ist wohl die Acetylsalicylsäure, die das Enzym Cyclooxigenase hemmt und somit unter anderem schmerzlindernd wirkt.
Die Diagnostik verwendet Enzyme, um Krankheiten zu entdecken. In Teststreifen für Diabetiker ist zum Beispiel ein Enzymsystem, das unter Einwirkung von Blutzucker einen Stoff produziert, dessen Gehalt gemessen werden kann. So wird indirekt der Blutzuckerspiegel gemessen.
Viele Vergiftungen sind auf die Hemmung von Enzymen zurück zu führen. Die meisten Schwermetalle wirken giftig durch ihre hemmende Wirkung auf Enzyme. Auch das wohl bekannteste Gift Cyankali wirkt, indem ein Enzymsystem gehemmt wird.

Klassifikation

Es werden nach ihrer Funktion sechs Klassen von Enzymen unterschieden:


  1. Oxidoreduktasen, die Redoxreaktionen katalysieren. Beispiele: Alkoholdehydrogenase, Pyruvatdehydrogenase, Glucose-Oxidase, GOD-Test.
  2. Transferasen, die funktionelle Gruppen von einem Substrat auf ein anderes übertragen. Beispiel: Pyruvatkinase.
  3. Hydrolasen, die Bindungen unter Einsatz von Wasser spalten. Beispiele: Amylasen, Glucosidasen, Peptidasen, Esterasen, Hemicellulasen.
  4. Synthasen, auch Lyasen genannt, die die Synthese komplexerer Produkte aus einfachen Substraten katalysieren, allerdings ohne Spaltung von ATP. Beispiel: Fumarase.
  5. Isomerasen, die die Umwandlung von chemischen Isomeren beschleunigen. Beispiel: Epimerase, Glucoseisomerase.
  6. Synthetasen oder Ligasen, die die Bildung von Substanzen katalysieren, die chemisch komplexer sind als die benutzten Substrate, allerdings im Unterschied zu den Synthasen nur unter Energieverbrauch, das heißt ATP-Spaltung, enzymatisch wirksam sind. Beispiel: Pyruvatcarboxylase.

Auch wenn ein Enzym von seiner Funktion her zu mehreren Klassen gehören könnte, wird es in der Regel nur einer dieser Klassen zugeordnet.

Nomenklatur

Die IUPAC und International Union of Biochemistry and Molecular Biology (IUBMB [1]) haben zusammen eine Nomenklatur der Enzyme erarbeitet, die diese heterogene und zahlreiche Vertreter enthaltende Gruppe der Moleküle klassifiziert. Hierzu erarbeitete die IUPAC Prinzipien der Nomenklatur:

  • Enzymnamen enden auf -ase, wenn es sich nicht um mehrere Enzyme in einem System handelt. (Beispiel: HydrolASE)
  • Der Enzymnamen soll erklärend sein, also die Reaktion, die das Enzym katalysiert, beschreiben (Beispiel: Cholinesterase: Enzym, das die Estergruppe in Cholin hydrolysiert)
  • Der Enzymnamen soll seine Klassifikation (siehe oben) enthalten. (Beispiel: CholinESTERASE)


Außerdem wurde ein Codesystem (siehe EC-Nummern) entwickelt, in dem die Enzyme unter einem bestimmten Zahlencode zu finden sind. Listen aller erfassten Enzyme gewährleisten ein schnelleres Auffinden das angegebenen Enzymcodes. Allerdings lassen die Codes nicht auf die Reaktion, die das Enzym katalysiert zurückschliessen. Dies ist mit dem Namen, wenn er nach obigen Regeln entwickelt wurde, möglich.
Probleme der Nomenklatur ergeben sich etwa bei Enzymen, die mehrere Reaktionen katalysieren. Für sie existieren deshalb manchmal mehrere Namen.
Einige Enzyme tragen Trivialnamen, die nicht erkennen lassen, dass es sich bei der genannten Substanz um Enzyme handelt. Da diese Namen aber teilweise breite Verwendung finden, wurden diese Namen übernommen. Beispiel: Trypsin, Pepsin, Verdauungsenzym des Menschen
weitere Informationen zur Nomenklatur von Enzymen: [2]



Enzymhemmung

Die Wirksamkeit eines Enzyms lässt sich auf unterschiedliche Weise unterbinden, man unterscheidet die reversible Hemmung von der irreversiblen Inaktivierung.

Man unterscheidet vier Formen der Enzymhemmung:

1. Kompetitive Hemmung:

Das Substrat konkurriert mit dem Hemmstoff (Inhibitor) um die Bindung an das Enzym. Dabei gibt es zwei verschiedene mögliche Mechanismen:
a) Substrat und Hemmstoff binden beide in das aktive Zentrum des Enzyms.
b) Substrat und Hemmstoff binden an verschiedenen Stellen im Enzym, jedoch führt die Bindung des einen zu einer Konformationsänderung, welche die Bindung des anderen verhindert.

Der Inhibitor ist nicht umsetzbar und stoppt dadurch die Enzymarbeit. Nur bei ausreichend hoher Hemmstoff-Konzentration bleibt das Enzym gehemmt. Nimmt die Konzentration des Hemmstoffes ab, und die Substratkonzentration zu, kann wieder Substrat vom Enzym gespalten werden.

2. Unkompetitive Hemmung:

Der Hemmstoff kann ausschließlich an den Enzym-Substratkomplex binden, nicht an das freie Enzym. Bindung des Hemmstoffes verhindert die katalytische Umsetzung des Substrates zum Produkt.

3. Nichtkompetitive Hemmung:

Der Hemmstoff bindet sowohl an das freie Enzym als auch an den Enzym/Substrat-Komplex. Der Enzym/Substrat/Inhibitor-Komplex ist katalytisch inaktiv.

4. Partiell-nichtkompetitive Hemmung:

Wie bei der nicht-kompetitiven Hemmung bindet auch hier der Hemmstoff sowohl an das freie Enzym als auch an den Enzym/Substrat-Komplex. Jedoch wird der Umsatz des Substrates nicht komplett verhindert, sondern nur verzögert. Dies ist der allgemeinste Fall der Enzymhemmung, die übrigen Hemmtypen sind Spezialfälle, die sich ergeben, wenn einige Werte von Reaktionskonstanten Null werden.

Regulation der Enzymaktivität im Organismus

Im einfachsten Fall wird die Enzymaktivität durch die Konzentration von Substrat und Produkt (welches als kompetitiver Hemmstoff wirkt) bestimmt.

In vielen Fällen ist jedoch eine zusätzliche Kontrolle erforderlich. Dies kann erfolgen durch die kovalente Bindung von kleinen Molekülen an das Enzym, etwa bei Phosphatgruppen. Dies führt durch Konformationsänderung zur Aktivierung oder Inaktivierung des Enzyms.

Bei der allosterischen Regulation bestehen die Enzyme aus mehreren Untereinheiten (entweder gleichen oder auch verschiedenen Proteinmolekülen). Bindung von Substrat- oder Hemmstoff-Molekülen an eine Untereinheit führt zu Konformationsänderungen im gesamten Enzym, welche die Affinität der übrigen Bindungsstellen für das Substrat verändern.

Bei allosterischen Enzymen wird die Umsatzgeschwindigkeit als Funktion der Substratkonzentration nicht durch eine Hyperbel (Michaelis-Menten-Beziehung), sondern durch eine sigmoide (S-förmige) Kurve beschrieben (Hill-Gleichung). Allosterische Effekte ändern die Steigung dieser Kurve. Dabei kann die Änderung durch Bindung des Substrates (homotroper Effekt) oder durch andere Moleküle (heterotroper Effekt) erfolgen.

Eine Feedback-Hemmung entsteht, wenn das Produkt einer Reaktionskette auf das Enzym am Anfang dieser Kette hemmend wirkt. Dadurch entsteht automatisch ein Regelkreis.

Siehe auch: Pepzym, Zymologie