Titus

römischer Kaiser
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Titus (* 30. Dezember 39 in Rom; † 13. September 81 in Aquae Cutiliae) war als Nachfolger seines Vaters Vespasian der zweite römische Kaiser der flavischen Dynastie. Er regierte vom 24. Juni 79 bis zu seinem Tod im Jahr 81. Sein vollständiger Geburtsname war – wie der seines Vaters – Titus Flavius Vespasianus; als Kaiser führte er den Namen Imperator Titus Caesar divi Vespasiani filius Vespasianus Augustus.

Kolossalkopf des Titus
Münchner Glyptothek (Inv. 338)

Nach dem Herrschaftsantritt seines Vaters beendete Titus als militärischer Oberbefehlshaber den Jüdischen Krieg, bei dem Jerusalem und sein weltberühmter Tempel zerstört wurden. Für seinen Sieg wurde er mit einem Trumphzug und dem Titusbogen geehrt. Aus der Kriegsbeute finanzierten die Flavier ihre kostspielige Baupolitik in Rom, Titus selbst vollendete das Kolosseum. Obwohl er während seiner zweijährigen Regierungszeit keine eigenständige Politik entfalten konnte, wurde Titus von der antiken Geschichtsschreibung als idealer Herrscher gerühmt. Nachdem im Jahr 79 der Vesuv ausgebrochen war, leitete er die Hilfsmaßnahmen ein, ebenso im darauf folgenden Jahr nach einem Brand in der Stadt Rom. Die moderne Forschung diskutiert insbesondere seine Rolle bei der Zerstörung des Jerusalemer Tempels.

Leben bis zum Herrschaftsantritt

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Vespasian, der Vater des Titus

Herkunft und Jugend

Titus wurde am 30. Dezember 39[1] in Rom als ältester Sohn des Vespasian und der Flavia Domitilla geboren. Titus hatte mit Flavia Domitilla noch eine Schwester und einen jüngeren Bruder, Domitian, seinen späteren Nachfolger als Kaiser. Die Familie seines Vaters stammte aus dem Sabinerland und war zunächst wenig bedeutend.[2] Dies änderte sich unter Kaiser Claudius, der neben Freigelassenen auch den Ritterstand begünstigte. Unter ihm durchlief Vespasian in schneller Folge die Ämter des Cursus honorum und legte so den Grundstein für den späteren Aufstieg der Flavier zur Kaiserdynastie.[3] Titus Flavius Sabinus, sein älterer Bruder, erreichte bald das Amt des Stadtpräfekten von Rom und sollte in dieser Funktion später in der Hauptstadt gemeinsam mit dem jungen Domitian die Machtübernahme Vespasians vorbereiten.[4] Als Triebfeder des sozialen Aufstiegs der Flavier gilt Vespasia Polla, die Großmutter des Titus, die ihre Söhne Sabinus und Vespasian drängte, die senatorische Ämterlaufbahn einzuschlagen.[5]

Vespasians Aufstieg ermöglichte Titus eine Erziehung am Hof des Kaisers Claudius gemeinsam mit dessen eigenem Sohn Britannicus, die beide von Sosibius unterrichtet wurden.[6] Mit Britannicus war Titus freundschaftlich verbunden, bis dieser 55 überraschend auf einem Gelage verstarb, möglicherweise hatte der neue Kaiser Nero die Vergifung des potenziellen Thronrivalen anordnen lassen. Titus selbst schadete der Tod des Britannicus keineswegs; auch dank seiner fundierten Kenntnis griechischer und römischer Autoren, seiner Redebegabung und nicht zuletzt der hohen Stellung seines Vaters, der mittlerweile ein Suffektkonsulat bekleidet hatte, durfte Titus vielmehr auf eine glänzende politische Laufbahn hoffen.

Aufstieg unter Nero und Vespasian

 
Kaiser Nero

Nach ersten politischen Tätigkeiten in niedrigeren Ämtern, von denen nichts Genaues bekannt ist, diente Titus von 61 an als Militärtribun in Obergermanien und Britannien. In diesen Provinzen hatte sein Vater zwanzig Jahre zuvor als Legat römische Truppen kommandiert. Titus selbst wurde dort laut Sueton[7] durch zahlreiche Statuen geehrt. In Britannien teilte er ein Quartier mit dem älteren Plinius. Während dieser Zeit soll Titus Vespasian einmal das Leben gerettet haben. Dies berichtet zumindest Cassius Dio.[8] Diese Nachricht scheint jedoch nicht auf Fakten, sondern auf der bei späteren Autoren immer deutlicher hervortretenden Tendenz zur Idealisierung des Titus zu beruhen.

Titus kehrte 64 aus Britannien nach Rom zurück. Dort arbeitete er als Anwalt und übernahm die üblichen Ämter eines jungen Senators. Noch in diesem Jahr, in das auch der mit den ersten Christen in Verbindung gebrachte Brand Roms fiel, heiratete er Arrecina Tertulla. Über die Herkunft und die Familie seiner ersten Gattin ist nur wenig bekannt. Tertulla starb bereits wenige Monate nach der Hochzeit, vielleicht nach der Geburt der Tochter Julia. Julia könnte jedoch auch die Tochter der zweiten Ehefrau des Titus sein, der Marcia Furnilla, die aus der reichen Familie eines früheren Prokonsuls von Africa stammte. Die flavische Familie konnte jedoch kein Kapital aus dieser auf den ersten Blick politisch äußerst vorteilhaften Verbindung schlagen. Marcias Familie fiel bei Kaiser Nero in Ungnade, die Ehe wurde bald darauf geschieden.

Der Jüdische Krieg

Die erdrückenden Steuern, die Erpressungen der römischen Statthalter, Provokationen verschiedener Art gegenüber der jüdischen Religion sowie die Einschränkung des jüdischen Monotheismus führten in Judäa im Jahr 66 zur Eskalation und zum Ausbruch des Jüdischen Krieges. Als römische Reaktion wurde im Herbst 66 der syrische Legat Cestius Gallus mit 12.000 Legionären und zahlreichen Hilfstruppen nach Jerusalem geschickt,[9] der sich jedoch unter starken Verlusten zurückziehen musste. Der lokale Aufstand hatte sich somit zu einem Krieg entwickelt. Mit der Beendigung des Krieges beauftragte der in Griechenland weilende Nero Vespasian, obwohl dieser zeitweise in Ungnade gefallen war. Als Gründe für seine Berufung nennt Sueton Vespasians Tüchtigkeit und Erfahrung und vor allem, dass er wegen seiner einfachen Herkunft in den Augen Neros keine Gefahr darstellte.[10] Der sechsundzwanzigjährige Titus begleitete seinen Vater.

Vespasians Heer war erheblich größer als das des Cestius. Es bestand neben drei Legionen noch aus 23 Auxiliarkohorten, Reiterabteilungen sowie 15.000 Mann Hilfstruppen der befreundeten orientalischen Fürsten. Titus befehligte als Legat die legio XV Apollinaris. Insgesamt verfügte Vespasian inklusive Hilfstruppen über ein Heer von etwa 60.000 Mann.[11] Die Größe des Heeres und die wichtige Position des noch recht unerfahrenen Titus, der bisher noch nicht einmal Prätor gewesen war, zeigen das Vertrauen, das der Kaiser immer noch in die beiden Flavier setzte.

Das Vierkaiserjahr

Als der jüdische Krieg ausbrach, stürzte das römische Reich in seine schwerste Krise seit der Begründung des Prinzipats. Diese Krise und der Sturz Neros sind hauptsächlich auf die katastrophale Lage der römischen Finanzen zurückzuführen. Nach dem großen Brand Roms und infolge seiner Verschwendungssucht war es Nero nicht mehr gelungen, seine Truppen zu bezahlen. Überall im Reich brachen zu dieser Zeit Unzufriedenheit und Aufruhr aus. Als Sulpicius Galba, der Statthalter der größten Provinz Tarraconensis, am 4. April 68 in Carthago Nova seinen Abfall von Nero erklärte und Neros erzwungener Suizid wenig später das Ende der julisch-claudischen Dynastie herbeiführte, war ein Präzedenzfall im Römischen Reich geschaffen: Fortan konnte das Heer den Kaiser „machen“. Als er von der Ermordung des Kaisers erfuhr, brach Titus seine Reise zu Galba ab, dem er die Loyalitätserklärung der in Judäa stationierten Truppen übergeben wollte. Während der kurzen Prinzipate Othos (15. Januar bis 16. April 69) und des Vitellius (2. Januar bis 20. Dezember 69) hielt Titus sich im Hintergrund. Durch Verhandlungen mit dem syrischen Präfekten Gaius Licinius Mucianus über eine Revolte gegen Vitellius unterstützte er seinen Vater, den bereits im Juli 69 die Legionen Syriens, Ägyptens und Judäas zum Kaiser ausgerufen hatten. Im Herbst sprachen sich auch die Truppen an der Donau für Vespasian aus, der nun in Italien einfallen konnte und Vitellius in der Schlacht von Bedriacum am 24. Oktober 69 besiegte. Am 21. Dezember, einen Tag nach der Hinrichtung des Kurzzeitkaisers Vitellius, legte der römische Senat alle Macht in die Hände Vespasians. Titus war damit vom Sohn eines wenig bedeutenden Italikers zum Thronfolger des römischen Kaisers aufgestiegen.

Die Belagerung von Jerusalem

 
Der von Titus zerstörte Tempel von Jerusalem im Modell

Während sein Vater von Rom aus das Reich nach den Wirren des Vierkaiserjahres wieder ordnete, blieb Titus im Osten. Mit vier Legionen unter seinem Kommando begann er im Frühling 70 die Belagerung Jerusalems, das sich bis zu diesem Zeitpunkt allen Eroberungsversuchen widersetzt hatte. In weniger als vier Wochen durchbrachen die römischen Truppen mit Hilfe aufwendiger Belagerungstechnik die Mauer der Neustadt. Die innere Stadt und der Tempel hielten bis Anfang August der Belagerung stand. Nachdem die Soldaten des Titus den äußeren Hof des Tempels erreicht hatten, brannten sie das Bauwerk selbst nieder und töteten alle, die nicht schon vorher aus Nahrungsmangel oder durch Selbstmord ihr Leben beendet hatten.

Der jüdische Tempel wurde dabei zerstört, ob mit Absicht oder aus Zufall ist aufgrund der Überlieferungssituation nicht zu entscheiden. Lediglich die von Herodes errichtete Grundmauer des Tempels, die heutige Klagemauer, blieb bestehen. Der Tempelschatz, zu dem unter anderem die Menora zählte, wurde nach Rom transportiert. Die Überlebenden, etwa 100.000 Menschen, wurden in die Sklaverei verkauft oder in Zirkusspielen umgebracht, das jüdische Land und seine Einkünfte zugunsten der kaiserlichen Kasse konfisziert. Die Juden wurden gezwungen, die Kopfsteuer, die sie jährlich an den Tempel von Jerusalem entrichtet hatten, zukünftig an den kapitolinischen Jupiter zu zahlen. Durch diese Maßnahmen und insbesondere durch die Zerstörung des Tempels änderte sich der Charakter der jüdischen Religionsausübung grundlegend, für die vormals der Besuch des Tempels zentral war und die nunnmehr wesentlich in der Auslegung der religiösen Schriften bestand.

Politische Rolle unter Vespasian

Titus verbrachte den Winter 70/71 mit Gladiatorenspielen und der Bestrafung überlebender Gefangener und stützte mit dieser öffentlichen Präsenz die Macht des flavischen Kaisertums im Osten. Im Juni 71 kehrte er nach Rom zurück. Ein knappes Jahr nach Titus’ Rückkehr in die Hauptstadt bewilligte der Senat sowohl Vespasian als auch ihm einen Triumph, der den Krieg trotz der anhaltenden Kämpfe um Masada staats- und sakralrechtlich für beendet erklärte. Vespasian begann, Titus systematisch als seinen Nachfolger aufzubauen. Während der folgenden Jahre teilte er fast jede Ehrung mit seinem Sohn, der bereits vor seinem Herrschaftsantritt so oft zum Konsul gewählt worden war wie vor ihm nur Augustus und der Heeresreformer Marius. Zudem trug er schon seit 69 den Titel Caesar. In den Jahren 70 bis 79 war Titus sieben Mal Konsul. Neben seinem Vater war er im Jahr 73 Zensor und kommandierte ab 71 als Prätorianerpräfekt dessen 4.500 Mann umfassende Leibgarde, was ihm die unmittelbare militärische Gewalt in Rom einbrachte. Diese Personalie war ein kluger Schachzug Vespasians, da die Prätorianerpräfekten seit Sejan, der dieses Amt unter Tiberius innehatte, immer wieder versucht hatten, gegen den Kaiser Politik zu machen oder diesen sogar zu stürzen.

Vespasian setzte Titus auch bei der Aburteilung von Verbrechern und Aufrührern ein, wobei er offenbar so erbarmungslos vorging, dass er den Ruf eines „Schlächters“ erwarb. Sueton berichtet, dass er nicht nur selbst Prozesse führte, sondern diese auch durch Volkes Stimme im Theater entscheiden ließ.[12] Wegen angeblichen Hochverrats ließ er einige hochangesehende Senatoren hinrichten. Darüber hinaus zeigte sich Titus als fähiger Verwalter, der Senatssitzungen beiwohnte, den Rat erfahrener Politiker schätzte und mit allen wichtigen Fraktionen und Gruppierungen gut auskam. Einige betrachteten ihn sogar als Mitregenten seines Vaters. Beim Tod Vespasians am 23. Juni 79 konnte er die Macht ohne große Probleme übernehmen.

Während seiner Herrschaft vermehrte Vespasian durch verschiedene Maßnahmen die Einkünfte des Fiskus. Er erhöhte überall die Gebühren und die Steuern, verdoppelte gar die Abgaben einiger Provinzen. Vespasian scheute keine Mittel zur Geldbeschaffung. Als ihm sein Sohn Titus vorwarf, eine Gebühr auf die Latrinen eingeführt zu haben, soll er geantwortet haben: Pecunia non olet („Geld stinkt nicht“).[13] Die Maßnahmen waren wirksam: Als Titus die Herrschaft übernahm, waren die Finanzen des römischen Stattes wieder gesund und die Kassen voll.

Der Prinzipat des Titus

Verhältnis zum Senat

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Titus-Büste im Louvre

Da Titus als Prätorianerpräfekt rücksichtslos seine politischen Gegner ermorden oder misshandeln ließ und weil Gerüchte über sexuelle Ausschweifungen nicht nur mit der judäischen Prinzessin Berenike kursierten, soll man in ihm sogar einen zweiten Nero erwartet haben. Doch der nunmehr Titus Caesar Vespasianus Augustus genannte neue Kaiser soll sein Verhalten wesentlich verändert haben: Willkürlichkeiten werden ebenso wenig überliefert wie Majestätsprozesse. Titus gab sich betont milde und großmütig. Ebenso wie sein Vater war er um ein gutes Verhältnis zum Senat und zum römischen Volk bemüht. Völlig unerwartet schwor er, niemals einen Senator zu töten, womit er den Senat für sich gewann.

Titus setzte sich damit öffentlichkeitswirksam von denjenigen Kaisern des 1. Jahrhunderts n. Chr. ab, unter denen Senatoren in Hochverratsprozessen exekutiert wurden. Noch in der hohen Kaiserzeit wiederholten einzelne Kaiser den für Titus erstmals überlieferten Eid zu Beginn ihrer Amtszeit.[14] Somit folgt die antike Historiographie in der Zweiteilung der Charakterzeichnung nicht nur einem typischen Erzählmuster, sondern verstand die für den Senat unverfängliche Person des Titus auch als Gegenbild zu seinen Vorgängern und Nachfolgern sowie als Spiegel der Gegenwartskaiser.

Administrative Maßnahmen

In seiner kurzen Regierungszeit führte Titus die Politik seines Vaters fort. Außer in den von beiden errichteten Großbauten zeigt sich diese Kontinuität in den Maßnahmen zur Verstärkung und Sicherung der Reichsgrenzen und der Fortführung der Offensive in Britannien. Domitian brach diese Offensive später ab und bündelte die römischen Kräfte in Germanien. Ob er dabei auf Pläne seines Vorgängers zurückgreifen konnte, bleibt unklar. Die Quellenlage, die bei beiden Brüdern durch persönliche Wertungen der antiken Autoren beeinträchtigt ist, lässt hier kein abschließendes Urteil zu.

Titus’ knapp zweijährige Regierungszeit wurde von zwei Katastrophen überschattet. Wenige Monate nach seinem Regierungsantritt ereignete sich am 24. August 79 n. Chr. der Ausbruch des Vesuv, der Herculaneum, Pompeji und Stabiae unter Asche und Schlamm begrub und für weite Teile Kampaniens bitterste Not brachte. Im nächsten Jahr verheerte ein dreitägiges Großfeuer Rom und den Kapitolstempel. Beide Male leitete Titus umgehend die Hilfsmaßnahmen ein, was einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Nicht zuletzt deshalb verlief der Machtwechsel vom Vater zum Sohn weitgehend reibungslos.

Titus umgab sich als Kaiser wie schon in Judäa mit fähigen Beratern und konnte sich mit deren Hilfe in der Öffentlichkeit noch deutlicher als weiser, auf sozialen Ausgleich bedachter Herrscher zeigen. Seine Gesetzgebung beschränkt sich so auch weitgehend auf populäre soziale Wohltaten, von denen neben der Armee auch die ärmeren Römer und Provinzbewohner profitierten. So regelte Titus Landbesitz, Hochzeit und Testamentsfreiheit in ihrem Sinne neu. In den Provinzen, die er nach seinem Amtsantritt nicht mehr besuchen konnte, manifestierte sich seine Politik vor allem im verstärkten Straßenbau und der Grenzsicherung entlang von Donau und Euphrat. Möglicherweise hängt die relative Ruhe, die in den nächsten Jahren an diesen Grenzen herrschte, auch mit diesen Maßnahmen des Titus zusammen.

Legitimitätspolitik

Wie für seinen Vater Verspasian bestand für Titus noch das Problem, dass die von Augustus dynastisch geregelte Nachfolgefrage erstmals von einer neuen Dynastie übernommen worden war. Außerdem mussten die Flavier das Manko fehlender Ahnenbilder ausgleichen. Der Erfolg im Jüdischen Krieg war von grundlegender Bedeutung für die neue Dynastie. Nur im Jüdischen Krieg waren sowohl Vespasian als auch Titus als Feldherrn tätig gewesen. Ihren sichtbarsten Ausdruck fand die Eroberung Jerusalems in den Siegesmünzen, die im gesamten Römischen Reich verbreitet wurden. Die Legenden der Münzen lauten in den meisten Fällen IVDAEA CAPTA (S C), IVD CAP (S C) oder IVDEA CAPTA, andere Legenden heißen IVDEA DEVICTA, DEVICTA IVDAEA S C, DE IVDAEIS oder nur IVDAE. Die Formel IVDEA CAPTA wurde als außenpolitisch-miltärischer Erfolg der Flavier propagiert. Analog zu Münzen, welche die Eroberung einer neuen Provinz suggerieren, ist auch der von Vespasian und Titus abgehaltene Triumphzug über Judaea zu verstehen. Der kultisch gebundene und durch Rituale geprägte Triumph wurde nur für einen Sieg in einem gerechten Krieg, einem bellum iustum, gewährt. Die Niederschlagung des jüdischen Aufstandes berechtigte nach römischer Tradition nicht zu einem Triumph. De jure war Judaea bereits seit 63 v. Chr. unter römischer Oberhoheit und und hatte seit 6 n. Chr. den Status einer prokuratorischen Provinz. Den Triumph nutzten die Flavier, um ihre Sieghaftigkeit zu inszenieren. Dieser wurde jedoch nicht nur als vergangener Sieg über Feinde gefeiert, sondern darüber hinaus als „Ende der Bürgerkriegswirren und als Anfang der Hoffnungen auf eine glückliche Zukunft“.[15] Für römische Eroberer war es ehrenvoll bei einem Triumph auch einen Beinamen wie Africanus, Germanicius oder Balearicus verliehen zu bekommen. Doch einen Titel Iudaicus lehnte Titus ab, denn dies hätte als Annahme jüdischer Bräuche und Relgion aufgefasst werden können.

Die Legitimität des flavischen Herrscherhauses versuchte Titus durch die Anknüpfung an das julisch-claudische zu untermauern. Unter anderem prägte er Gedenkmünzen für beliebte Vorgänger im Kaiseramt wie Augustus und Claudius, die zur julisch-claudischen Dynastie gehörten. Während sich die Flavier in der zeitgenössischen Wahrnehmung einerseits entschieden von ihrem letzten legitimen Vorgänger Nero abgrenzten, versuchten sie andererseits die Pläne des ersten Princeps Augustus zu realisieren sowie dessen Handlungen zu imitieren. Nach Sueton plante schon Augustus das Amphitheater zu errichten.[16].

Daneben pflegte Titus aber auch den Herrscherkult für seinen verstorbenen Vater Vespasian, dem er einen Tempel errichten ließ. Nach dem Tod des Titus wurde dieser Familientempel von Domitian vollendet. Zur Legitimitätspolitik der Flavier gehörten auch wirtschaftliche Maßnahmen, für die Titus auf den von Vespasian stark vergrößerten Staatsschatz zurückgreifen konnte. Insbesondere finanzierte er zahlreiche Baumaßnahmen.

Bautätigkeit

 
Das Amphitheatrum Flavium, heute bekannt als Kolosseum

Titus vollendete das von seinem Vater begonnene Flavische Amphitheater, das wegen einer ursprünglich dort stehenden Kolossalstatue Neros als Kolosseum bezeichnet wird. Eingeweiht wurde es mit vom Kaiser bezahlten hunderttägigen Spielen. Neben Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen und nachgestellten Infanteriegefechten wurden auch Seeschlachten gezeigt. Eigens dafür konnte die Arena des Kolosseums mit Wasser geflutet werden. Erst in jüngerer Zeit konnte Géza Alföldy durch eine Lesung der sogenannten Dübellochfunde im Amphitheater eine Bauinschrift nachweisen, die zeigt, dass Vespasian und Titus das Amphitheater aus der Kriegsbeute finanziert hatten. Sie hatte den Text: I[mp(erator)] Vespasi[anus Aug(ustus]/ amphitheatru[m novum?]/ [ex] manubis (vac.)[fieri iussit(?)].[17] („Kaiser Vespasian Augustus ließ das neue Amphitheater aus der Beute [des jüdischen Krieges] errichten“). Zuvor war dies lediglich vermutet worden.

Außerdem verbesserte Titus die stadtrömische Wasserversorgung durch den Ausbau der Aquädukte Aqua Marcia, Curtia und Caerulea und ließ südöstlich des neuen Amphitheaters Thermen errichten. Die Errichtung solcher Bäder gehörte in der Folgezeit sozusagen zum Pflichtprogramm eines römischen Kaisers.

Daneben verbesserte Titus wie Vespasian die Infrastruktur in Italien und den Provinzen. Vor allem forcierte er den Straßenbau. Große Summen flossen aber auch in den Wiederaufbau der vom Ausbruch des Vesuvs am 24. August 79 zerstörten Städte in Kampanien. An Ort und Stelle leitete der Kaiser die Hilfsmaßnahmen, musste jedoch bald wieder in die Hauptstadt zurückkehren. Diese wurde im Jahr 80 von einem dreitägigen Großfeuer heimgesucht. Weite Teile des Kapitols und des Marsfeldes wurden dabei zerstört, zudem brach in Rom eine Seuche aus. Titus finanzierte auch hier den Wiederaufbau weitgehend aus eigener Tasche. Neben anderen betont Cassius Dio[18] die finanzielle Großzügigkeit des Kaisers.

Titus und Berenike

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Denarius des Titus

Seit Ende der 60er Jahre weilte Berenike, die Schwester Herodes Agrippas II. und Urenkelin Herodes des Großen, an Titus’ Seite. Reich, mächtig und mit der politischen Lage im Osten des Reiches vertraut, hätte die einige Jahre ältere Berenike eine vorzügliche Ehefrau für Titus abgegeben. Auch der immer nach neuen Geldquellen suchende Vespasian, den sie während des Vierkaiserjahres großzügig finanziell unterstützt hatte, hätte sie wohl gerne zur Schwiegertochter gehabt. Titus und Berenike nahmen aber von einer Heirat Abstand, als ihnen die Parallelen zu der in einer Katastrophe endenden Partnerschaft von Kleopatra VII. und Marcus Antonius hundert Jahre zuvor bewusst wurden. Eine Ehe zwischen einer östlichen Königin und einem römischen Feldherrn bedrohte in den Augen der Römer die politische Stabilität und war deshalb unmöglich für einen Kaisersohn wie Titus. Er blieb Berenike jedoch ein Leben lang verbunden und lud sie 75 mit ihrem Bruder nach Rom ein.

Dort nahm er sie gleich in den kaiserlichen Palast auf und lebte offenbar zunächst auch mit ihr zusammen. Angeblich soll er sie leidenschaftlich geliebt und ihr sogar die Ehe versprochen haben. Gesichert ist, dass Berenike sich erfolgreich für ihre nach dem von ihrem Lebensgefährten und dessen Vater geführten Jüdischen Krieg darniederliegende Heimat einsetzte und in Rom eine große gesellschaftliche Rolle spielte. Einen Senator, der Berenike verführen wollte, ließ Titus noch vor seinem Regierungsantritt hinrichten. Quintilian, zu dieser Zeit ein bedeutender Anwalt, der erste vom Kaiser bezahlte Rhetorikprofessor und später Prinzenerzieher unter Domitian, berichtet von einem Verfahren vor dem Kronrat (consilium principis) Vespasians, dessen Gegenstand Berenike betraf. Quintilian zufolge gehörte sie dem Gremium an und war so selbst an der Entscheidung beteiligt, während er als Anwalt vor diesem plädierte. Aus seinem Bericht in der Ausbildung des Redners[19] geht nicht hervor, worum es in diesem Verfahren ging.

Der Historiker Helmut Castritius geht davon aus, dass eine Vermögensangelegenheit verhandelt wurde, da Berenike sehr reich war und in Palästina wertvolle Ländereien besaß, wo die Römer nach dem Jüdischen Aufstand in großem Umfang Grundbesitzer enteignet hatten. Er vertritt zudem die Auffassung, dass Berenike nach 75 eine ähnlich einflussreiche Stellung erreicht hatte wie die kaiserlichen Frauen unter Caligula und Claudius. Allerdings kam es mit dem Herrschaftsantritt des Titus im Juni 79 zu einem auf den ersten Blick erstaunlich erscheinenden Bruch in der engen Beziehung der beiden. Der neue Kaiser verwies seine Geliebte der Stadt, allerdings dem Kaiserbiografen Sueton zufolge nur widerwillig und verständlicherweise auch zum Unwillen der Betroffenen.[20] Berenike blieb allerdings in Italien. Sie kam offenbar kurz vor dem frühen Tod des Titus im Jahr 81 noch einmal nach Rom und verließ danach Italien, um in ihre Heimat zurückzukehren.

Die Gründe für die Zurückweisung Berenikes sind nicht vollständig geklärt. Einige Forscher meinen, dass Vespasian sie noch kurz vor seinem Tod vom Hof entfernen ließ, andere machen einen Richtungsstreit in der flavischen Klientel dafür verantwortlich. Auch die allgemein feindselige Stimmung gegenüber orientalischen Königinnen, die eine Heirat der beiden verhindert haben soll, wurde als Grund in Betracht gezogen. Rechtliche Hindernisse für eine eheliche Verbindung gab es jedenfalls keine, Berenike war von Geburt an römische Bürgerin, da Gaius Iulius Caesar ihrer Familie in den 40er Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. für ihre Verdienste im Bürgerkrieg das römische Bürgerrecht verliehen hatte. Möglicherweise wurde sie jedoch dadurch verhindert, dass sie Jüdin war und damit etwaige Kinder ebenfalls Juden gewesen wären. Damit konnten sich Senat und Volk von Rom offenbar so kurz nach dem Jüdischen Aufstand und dem Stadtbrand des Jahres 64, der mit den Christen, nach römischer Auffassung einer jüdischen Sekte, in Verbindung gebracht wurde, nicht anfreunden. Die plebs urbana zeigte, von zwei kynischen Philosophen im Theater aufgehetzt, offen ihre Ablehnung und beeinflusste so nicht zum ersten Mal die Entscheidungen im Kaiserhaus. Wegen der öffentlichen Proteste und aus Gründen der Staatsräson unterließ es Titus, seine Verbindung mit Berenike zu legalisieren, und entfernte sie zudem aus seinem persönlichen Umfeld.[21]

Tod und Nachfolge

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Domitian wurde verdächtigt, am Tod seines Bruders Titus mitschuldig zu sein.

Im Sommer 81 zog sich Titus weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück, möglicherweise litt er an Depressionen. Er starb nach nur 26 Monaten der Herrschaft im September jenes Jahres. Sueton zufolge erkrankte er auf dem Weg ins Sabinerland, die Heimat seiner Vorfahren, an einem Fieber und starb in derselben Villa wie sein Vater Vespasian zwei Jahre zuvor. Antike Autoren hielten es für möglich, dass Domitian den Tod seines Bruders Titus am 13. September 81 herbeigeführt hatte, doch erlauben die widersprüchlichen Quellen keine eindeutige Beurteilung. Ungeklärte Todesfälle von Herrschern zogen oft unbestätigte Mordgerüchte nach sich. Plutarch dagegen berichtet von einer ganz anderen Todesursache. Ihm zufolge hatte Titus gegen den Rat der Ärzte trotz einer schweren Erkrankung die Thermen besucht und starb an der dadurch verschlimmerten Krankheit.

Der neue Kaiser Domitian hielt nicht nur die Trauerrede auf Titus, er ließ ihn auch umgehend vergöttlichen (divinisieren). Zudem baute er eine Reihe von Monumenten, die Titus ehren sollten, und vollendete den von Titus begonnenen Familientempel. Er änderte dessen Namen in Tempel des Vespasian und des Titus und errichtete dort eine Kultstatue seines Bruders. Er prägte auch Gedenkmünzen für Titus und andere verstorbene Familienmitglieder.

Wirkung

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Der Titusbogen in Rom

Für seinen militärischen Erfolg über Judäa wurde Titus nach seinem Tod im Jahr 81 auf dem höchsten Punkt der Via Sacra am östlichen Rand des Forum Romanum ein Triumphbogen errichtet, der als Titusbogen bezeichnet wird. Die Inschrift des Bogens lautet: Senatus / populusque romanus / divo Tito divi Vespasiani f(ilio) / Verspasiano Augusto („Der Senat und das römische Volk dem vergöttlichten Titus, dem Sohn des vergöttlichten Vespasian, Kaiser Vespasian“). Noch heute erinnert an der Innenseite des errichteten Titus-Bogens ein Relief an die demütigenden Ereignisse. Es heißt, dass kein frommer Jude je unter dem Titus-Bogen hindurchgegangen ist.

Antike Meinungen

Die antiken Schriftsteller Tacitus, Cassius Dio und Sueton verfassten ihre Werke erst nach dem Tod des letzten Flaviers. Alle drei waren Senatoren oder Ritter. Die antiken Historiker übernahmen in den Konflikten zwischen dem Senat und dem Princeps oftmals die Position des Senats. Da Titus angeblich in völliger Harmonie mit dem Senat lebte, prägt dies auch das Urteil der antiken Geschichtsschreibung.

Folglich gilt Titus nach der Überlieferung als ein regelrechtes Universalgenie, sowohl körperlich als auch geistig außergewöhnlich begabt und zumindest als junger Mann auch allseits beliebt. Zudem soll er in allen Sportarten erfolgreich und als Redner ebenso wie als Dichter und Sänger fähig gewesen sein. Bewundert wurde auch, dass er aus dem Stegreif dichten, fremde Handschriften täuschend echt nachahmen und außergewöhnlich schnell stenografieren konnte.[22] Plinius der Ältere, der beim Ausbruch des Vesuv starb, widmete seinem Freund Titus gar sein Werk Naturalis historia. Als Beweis für sein humanes Wesen dient der antiken Überlieferung der Ausspruch, er habe einen Tag verloren, weil er niemanden Gutes getan habe.[23] Dabei ist jedoch nicht zu übersehen, dass die Darstellung auch als Gegenbild seines Bruders diente.

Der römische Historiograf Sueton feierte Titus als „Liebling des Menschengeschlechts“ (amor ac deliciae generis humani).[24] Hingegen hält er die Zerstörung des Jerusalemer Tempels nicht einmal für erwähnenswert. In Anbetracht des Amphitheaters betont Martial, dass Titus Rom sich selbst wiedergegeben habe und das Volk unter ihm jetzt genießen könne, was zuvor allein der Tyrann genoss – war das Amphitheater doch da entstanden, wo Neros Goldenes Haus, seine künstlichen Teiche und protzigen Gärten lagen.[25] Aber auch an nüchternen Stimmen hat es freilich in der Antike schon nicht gefehlt. Ausonius bezeichnete Titus als „glücklich durch die Kürze seines Regiments“ (felix brevitate regendi).[26]

Der römisch-jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus, der den Jüdischen Krieg persönlich miterlebte, betont mit Nachdruck, dass die Juden an ihrem Untergang selbst Schuld seien. Immer wieder versucht Josephus seinen Helden Titus zu glorifizieren, nicht zuletzt deshalb, da dieser maßgeblich an der Rettung seines Lebens beteiligt gewesen war. Nur die Belagerung durch Titus soll diesem mörderischen und unverständlichen Treiben ein Ende gemacht haben, so dass der römische Feldherr als der Wohltäter und Retter des jüdischen Volkes erscheint.[27] Die Zerstörung des Tempels versuchte er dabei angeblich zu verhindern.[28]

Jedoch folgten nicht alle antiken Geschichtsschreiber dem Bericht des jüdischen Gelehrten. Im ausgehenden 4. Jahrhundert schrieb Sulpicius Severus, Titus habe in seinem Krisenstab in Wahrheit jene unterstützt, die für die Zerstörung des Tempels plädierten.[29] Die christliche Überlieferung rühmte die Zerstörung der Stadt als ein Vergeltungswerk an den Juden dafür, da sie Christus umgebracht hatten. Hingegen betrachteten die Verfasser der Talmud den frühen Tod des Titus als gerechte Strafe des Himmels. Denn er hatte nicht nur Jerusalem eingenommen, sondern sich auch den Scharen seiner jüdischen Gefangenen äußerst grausam gezeigt.

Rezeption

 
Wilhelm von Kaulbachs Monumentalgemälde Zerstörung Jerusalems durch Titus

Insbesondere Titus’ Eroberung des Tempels von Jerusalem, die Liebesbeziehung zu Berenike und die ihm zugewiesene Milde haben bildende Künstler zu Werken angeregt. Schon im frühen 7. Jahrhundert nutzte die Eroberung Jersualems ein angelsächsischer Runenmeister als Motiv. Auf dem Runenkästchen von Auzon – vermutlich ein königliches Schatzkästchen – soll diese Darstellung[30] in Verbindung mit der runischen Inschrift das Kampfesglück und somit den Ruhm des anglischen Kriegerkönigs sichern.

Nicolas Poussin schuf 1625 in Rom zu diesem Thema ein repräsentatives Gemälde für Kardinal Francesco Barberini, das seinen Ruf als Historienmaler bestärkte. Er stellt Titus beritten mit einer an das Reiterstandbild Mark Aurels auf dem Kapitol erinnernden Geste dar, mit der er die Plünderung des Tempels durch seine Soldaten noch verhindern will.

Das Monumentalgemälde Zerstörung Jerusalems durch Titus hingegen, das Wilhelm von Kaulbach 1841–1846 im Auftrag König Ludwigs I. von Bayern schuf, erhöht Titus, der in ähnlicher Pose zu Pferd dargestellt ist, zum göttlichen Werkzeug, indem Propheten und Engel die Zerstörung des Tempels als göttliches Strafgericht erscheinen lassen. Das Werk, das in seiner Anlage und in vielen Details zahlreiche antisemitische Klischees der abendländischen Kunst vereint, gehört heute zur Sammlung der Neuen Pinakothek in München. Weitere Gemälde über die Zerstörung des Jerusalemer Tempels schufen die Maler David Roberts (1850) und Francesco Hayez (1867). Der Triumphzug über Judää inspirierte die Maler Giulio Romano (1540) und Lawrence Alma-Tadema (1885).

Titus taucht schon früh als Figur der Oper auf: Antonio Cestis Oper Il Tito nach einem Libretto von Nicolò Beregan wurde 1666 in Venedig uraufgeführt. Die Oper spielt zur Zeit der Eroberung Jerusalems.

Aber auch seine Milde (clementia) wurde in Kunst und Kultur oft behandelt. Pietro Metastasios Opernlibretto La clemenza di Tito (1734) wurde von mehr als 40 Opernkomponisten des Barocks und der Klassik vertont. Am bekanntesten ist bis heute die Vertonung von Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito. Auch andere bekannte Komponisten wie Antonio Caldara, Baldassare Galuppi, Johann Adolph Hasse, Niccolò Jommelli, Ignaz Holzbauer und Christoph Willibald von Gluck komponierten Opern zu diesem Text. Titus wird von Metastasio als tugendhafter, der Milde verpflichteter Herrscher dargestellt, der den Fürsten des Absolutismus zum Vorbild dienen sollte. Mit dem historischen Titus hat Metastasios Darstellung allerdings wenig zu tun, vielmehr ist sein Libretto von Pierre Corneilles Drama Cinna beeinflusst, das die Milde des Kaisers Augustus gegenüber dem Verschwörer Gnaeus Cornelius Cinna Magnus darstellte.

Die Liebesbeziehung zwischen Berenike und Titus inspirierte Jean Racine (1670) und Pierre Corneille (1670) zu ihren Werken.

Titus in der Forschung

Titus’ Rolle bei der Zerstörung des Jerusalemer Tempels und seine angebliche Absicht, den Tempel zu erhalten, hat in der Geschichtswissenschaft die unterschiedlichsten Spekulationen ausgelöst. Mary Smallwood schreibt Titus’ Motiv dafür, Stadt und Tempel zu erhalten, einer übergroßen und für einen Römer geradezu unwahrscheinlichen Milde zu.[31] Heinrich Graetz meint, Titus wollte angeblich aus Rücksicht auf Berenike Jerusalem vor der Zerstörung retten, da er wusste, wie sehr das Herz seiner Geliebten an der heiligen Stadt hing.[32] Adalberto Giovannini schlussfolgert in seiner Studie über die Tempelzerstörung: Die Ereignisse „lassen nicht den geringsten Zweifel, daran, daß er nicht nur Jerusalem und seinen Tempel erobern und zerstören, sondern zugleich möglichst viele Juden vernichten wollte.“[33] Und: „Das Staatsinteresse erforderte die Zerstörung Jerusalems und seines weltberühmten Tempels.“[34]

Literatur

Quellen

Die wichtigsten antiken Quellen zu Titus sind die Titusbiografie des Sueton (Suet. Tit., vgl. Weblinks), Cassius Dio 66, 17–26 und der Jüdische Krieg des Flavius Josephus (BJ). Auch wenn sich daraus ein recht zuverlässiges Bild seines Lebens rekonstruieren lässt, so gibt es doch einige Lücken, etwa seine Tätigkeit in Britannien betreffend. Insbesondere wird sein Geburtsdatum nicht einheitlich überliefert. Der Chronograph von 354 bezeugt den 30. Dezember 39, Sueton dagegen nennt auch das Jahr 41[35], widerspricht sich damit aber selbst. Cassius Dio ist in diesem Punkt genauer; er berichtet, Titus sei bei seinem Amtsantritt am 24. Juni 79 39 Jahre, fünf Monate und 25 Tage alt gewesen.[1]

  • Cassius Dio: Römische Geschichte. Übersetzt von Otto Veh, Epitome der Bücher 61–80.
  • Flavius Josephus: De bello Iudaico, griechisch/deutsch, hrsg. und mit einer Einleitung sowie mit Anmerkungen versehen von Otto Michel und Otto Bauernfeind, 3 Bde., 1959-1969.
  • Sueton: Titus. Ausführlichste antike Biographie aus der Sammlung der Kaiserbiographien von Caesar bis Domitian. Zahlreiche Ausgaben, beispielsweise mit deutscher Übersetzung in: Gaius Suetonius Tranquillus: Sämtliche erhaltene Werke. Magnus, Essen 2004, ISBN 3-88400-071-3

Sekundärliteratur

Überblickswerke
  • Hermann Bengtson: Die Flavier. Vespasian, Titus und Domitian. Geschichte eines römischen Kaiserhauses. C. H. Beck, München 1979, ISBN 3-406-04018-7 (Darstellung die in Inhalt und Quellenkritik sehr umstritten ist.[36]).
  • Helmut Castritius: Die flavische Familie. Frauen neben Vespasian, Titus und Domitian. In: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms. C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-49513-3, S. 164–186, besonders S. 166–169 (Überblick über die Rolle der kaiserlichen Frauen in der Zeit der Flavier mit Diskussion der Beziehung zwischen Titus und Berenike).
  • Karl Christ: Geschichte der römischen Kaiserzeit. 4. Auflage. C. H. Beck, München 2002, ISBN 3-406-36316-4, S. 261 ff. (komprimierter Überblick mit Quellenauszügen, Standardwerk für die römische Kaiserzeit).
  • Miriam Griffin: The Flavians. In: Alan K. Bowman, Peter Garnsey, Dominic Rathbone (Hrsg.): The Cambridge Ancient History. Band 11. Cambridge University Press, Cambridge 2000, ISBN 0-521-26335-2, S. 1–83.
Darstellungen
  • Brian W. Jones: The Emperor Titus. Croom Helm, London 1984, ISBN 0-7099-1430-X (grundlegend für die Beschäftigung mit der Regierungszeit des Titus).
  • Adalberto Giovannini: Die Zerstörung Jerusalems durch Titus: Eine Strafe Gottes oder eine historische Notwendigkeit, in: Pedro Barceló (Hrsg.), Contra quis ferat arma deos? Vier Augsburger Vorträge zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit. Zum 60. Geburtstag von Gunther Gottlieb, München 1996, S.11–34.
  • Sabine Panzram: Der Jerusalemer Tempel und das Rom der Flavier, in: Johannes Hahn (Hrsg.), Zerstörungen des Jerusalemer Tempels: Geschehen - Wahrnehmung - Bewältigung, Tübingen 2002, S.166–182.
  • Perry M. Rogers: Titus, Berenice and Mucianus. In: Historia. Band 29, 1980, ISSN 0018-2311, S. 86–95.
  • Helmut Schwier: Tempel und Tempelzerstörung. Untersuchungen zu den theologischen und ideologischen Faktoren im ersten jüdisch-römischen Krieg (66 - 74 n. Chr.), Freiburg/Schweiz 1989, ISBN 3-525-53912-6.
  • Ines Stahlmann: Titus. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian. 2. Auflage. C. H. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47288-5, S. 95–98 (knapper, aber gut lesbarer und die wichtigsten Fakten enthaltender Überblick).
Commons: Titus – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. a b Cassius Dio 66,18,4.
  2. Zu Vespasians Vorfahren Sueton, Vespasian 1,2–4.
  3. Zu Vespasians Karriere Sueton, Vespasian 2,3; 4,1–4,4.
  4. Sueton, Vespasian 1,3; Domitian 1,2.
  5. Vgl. Sueton, Vespasian 2,2.
  6. Sueton, Titus 2; Tacitus, Annalen 11,1,4.
  7. Sueton, Titus 4,1.
  8. Cassius Dio 61,30.
  9. Josephus, Jüdischer Krieg 2,499–555.
  10. Sueton, Vespasian 4.
  11. Josephus, Jüdischer Krieg 3,69.
  12. Sueton, Titus 6.
  13. Sueton, Vespasian 23,3.
  14. Siehe A. R. Birley: The Oath not to Put a Senator to Death. In: The Classical Review 76 (1962), S. 197–199.
  15. Josephus, Jüdischer Krieg 7,157.
  16. Sueton, Vespasian 9,1.
  17. Géza Alföldy, Eine Bauinschrift aus dem Colosseum, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 109 (1995), S.195–226 (online, PDF 2 MB).
  18. Cassius Dio 66,19,3.
  19. Ausbildung des Redners 4,1,19.
  20. invitus invitam (Sueton, Titus 7,2).
  21. Zu Berenike und den Gründen für die Trennung vgl. Helmut Castritius, Die flavische Familie, S. 166–169.
  22. Sueton, Titus 3.
  23. Sueton, Titus 8.
  24. Sueton, Titus 1,1.
  25. Martial, Epigramme 2.
  26. Ausonius, Caesares 2,12.
  27. Josephus, Jüdischer Krieg 1,27; 5,257.
  28. Josephus, Jüdischer Krieg 6,236.
  29. Sulpicius Severus, Chronica 2,30,7: alii et Titus ipse evertendum in primis templum censebant.
  30. Abbildung bei Franks-Casket.de.
  31. Mary Smallwood, The Jews under Roman rule. From Pompey to Diocletian, Leiden 1976, S.325.
  32. Heinrich Graetz, Volkstümliche Geschichte der Juden, Bd. 2, München 1985, S. 288.
  33. Adalberto Giovannini, Die Zerstörung Jerusalems durch Titus: Eine Strafe Gottes oder eine historische Notwendigkeit, in: Contra quis ferat arma deos? Vier Augsburger Vorträge zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit. Zum 60. Geburtstag von Gunther Gottlieb, S. 11–34, S. 17.
  34. Adalberto Giovannini, Die Zerstörung Jerusalems durch Titus: Eine Strafe Gottes oder eine historische Notwendigkeit, in: Contra quis ferat arma deos? Vier Augsburger Vorträge zur Religionsgeschichte der römischen Kaiserzeit. Zum 60. Geburtstag von Gunther Gottlieb, S. 11–34, S. 24.
  35. Sueton, Titus 1.
  36. Werner Eck: Rezension über Hermann Bengtson. Die Flavier. Vespasian, Titus und Domitian. In: Gnomon 53, 1981, S.343–347

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