Revolution (v.frz.: révolution Umwälzung; aus lat.: revolvere zurückwälzen) wird in unterschiedlichen Wissenschaften behandelt.
Revolution (Soziologie)
Allgemein
Eine Revolution bezeichnet in der Soziologie einen meist gewalttätigen und immer radikalen Umsturz (-versuch) der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, der von einer organisierten (nicht notwendig geheimen) Gruppierung von Neueren getragen wird und die Unterstützung größerer Bevölkerungsteile findet (vergleiche: Elite, Masse (Soziologie), Massenbewegung).
Wenn ohne radikalen sozialen Wandel nur eine Organisation oder ein eng verknüpftes soziales Netzwerk (gegebenenfalls mit relativ geringfügiger Massenbasis) die Revolution unternimmt, bezeichnet man dies als Staatsstreich oder, insbesondere unter Beteiligung des Militärs, als Putsch. Hier wird der »Revolutions«-Begriff oft anschließend als Rechtfertigung genutzt.
Der Begriff »Revolution« wird auch verwandt, wenn dem sozialen Wandel die Schnelligkeit (Rapidität) abgeht, etwa für die global mehrere tausend Jahre dauernde »Neolithische Revolution« (vgl. Steinzeit), für den Siegeszug des Kapitalismus oder für die Industrielle Revolution (s. a. Industrialisierung).
Soziologische Theoretiker/innen der »Revolution«
- Vilfredo Pareto (Revolution als eine besondere Form der Elitenablösung),
- Max Weber (in Europa / Nordamerika bedurfte der Kapitalismus anfangs einer radikalen nichtwirtschaftlichen – religiösen – Mentalitätsänderung, und zwar in Gestalt des Protestantismus),
- Eugen Rosenstock-Huessy (die europäischen Revolutionen als Abfolge von Ständerevolutionen, beginnend mit der »papalen Revolution« des Papsttums gegen das mittelalterliche Kaisertum und endend mit der »proletarischen Revolution«),
- Ralf Dahrendorf (»Revolution« als radikaler und rapider sozialer Wandel, bedingt durch intensive beziehungsweise gewaltsame soziale Konflikte),
- Theda Skocpol (nachhaltige Revolutionen sind vor Allem Bauernrevolutionen)
und andere mehr.
Theoretisch innovativ argumentierende Revolutionär/inn/e/n
- Karl Marx (jede Gesellschaft, in der eine Form des »Besitzes an Produktionsmitteln« es erlaubt, sich menschliche Arbeit zu unterwerfen, endet zwangsläufig durch Revolution oder Untergang; zu unterscheiden sind »Revolutionen der Produktivkräfte« von den durch sie ausgelösten »Revolutionen der Produktionsverhältnisse«),
- Friedrich Engels (Arbeit und deren Beherrschung durch Eigentum löste die erste Revolution aus, die die »Wildheit« (menschliche Urzeit) beendete und die der Beginn der Geschichte war, und werden durch die letzte Revolution optimal disponiert werden, in der das Ende der Geschichte – das Ende »des Reiches der Notwendigkeit« – und der Beginn des »Reiches der Freiheit« möglich werden wird),
- Rosa Luxemburg (der Imperialismus ist dabei die letzte Verteidigungsmöglichkeit des Kapitalismus – im Bündnis mit dem Proletariat der Kolonialmächte – vor der abschließenden weltweiten proletarischen Revolution),
- Lenin (die letzte Revolution kann durch den Aufbau einer Kaderpartei der proletarischen Revolutionäre vorverlegt werden),
- Anton Pannekoek (Parteien und Gewerkschaften – einschließlich der leninistischen – sind untaugliche Formen für den Kampf der Arbeiterklasse um ihre Emanzipation, alles kommt auf die Selbstorganisation der Arbeiterinnen und Arbeiter an)
sowie Danton, Marat, Saint-Just, Robespierre, Símon Bolívar, Bakunin, Mahatma Gandhi, Leo Trotzki, Mao Zedong, Camilo Torres, Kwame Nkrumah, Ho Chi Minh, Che Guevara, Ali Schariati, Guy Debord und andere Revolutionäre des 18. bis 20. Jahrhunderts.
Soziologisch begabte Praktiker der Revolution
Radikaler und rapider sozialer Wandel (»Revolutionen«) knüpfte sich auch an erfolgreiche politische Persönlichkeiten, deren soziologische Urteilskraft sich eher nur implizit erschließt, deren soziale Wirkung jedoch bewusst und gewollt revolutionär war, wie bereits in der Antike zum Beispiel Solon oder Cäsar, in der Neuzeit zum Beispiel Pombal, Bolivar oder Atatürk.
Soziale Revolutionen im weiteren Sinne
Politische Revolutionen
- Der erste als »Revolution« bezeichnete Umsturz war 1688 die Glorious Revolution in England.
- Französische Revolution 1789
- Julirevolution (Frankreich 1830)
- Februarrevolution und Juniaufstand (Frankreich 1848)
- Polnischer »Insurrektionskrieg« 1831 und Folgejahre
- Revolutionen in Ungarn, Italien, Deutschland (Märzrevolution) 1848
- Pariser Kommune
- Russische Revolution 1905
- Mexikanische Revolution 1910 und Folgejahre
- Russische Revolutionen 1917: (Februarrevolution und Oktoberrevolution)
- Novemberrevolution in Deutschland 1918/1919, zumal in Bayern und Bremen
- Nelkenrevolution in Portugal 1974
- Nicaraguanische Revolution 1979
- Islamische Revolution im Iran 1979
- Die spontane und gewaltlose Revolution in der DDR 1989/1990
- Die Orangene Revolution in der Ukraine 2004
Geistige Revolutionen
- Die »Kopernikanische Revolution« (Ersetzung des geozentrischen durch das heliozentrische Weltbild anfangs der Neuzeit – der Heliozentrismus selbst war bereits in der Antike von Aristarchos von Samos erfolgert worden)
- Die Darwinsche Revolution, in der der Mensch seine Sonderstellung in der Natur verlor
- Die »sexuelle Revolution«, oft mit der Entdeckung des Unbewussten durch Sigmund Freud gleichgesetzt
- Die »Kulturrevolution« 1967 und Folgejahre in China, Deutschland, aber auch in Frankreich, den USA und anderen westlichen Ländern
Inflationierte »Revolutions«-Begriffe im Feld der öffentlichen Meinung bezeichnen oft nur einen Stilwandel (Moderevolutionen).
Technische Revolutionen (marxistisch: »Revolutionen der Produktivkräfte«)
- Neolithische Revolution (Übergang vom Wildbeutertum zu Ackerbau und Viehzucht ca. 15.000 v. Chr. – der Übergang zur Jungsteinzeit)
- Industrielle Revolution im 18./19. Jahrhundert (siehe auch Industrialisierung)
- Elektronische Revolution oder Zweite industrielle Revolution (siehe auch Digitale Revolution) ab etwa 1980
Siehe auch: Bürgerkrieg, Dialektik, Evolution, Katastrophe, Reform, Revolution (Jugendorganisation), Sozialer Wandel, Staatsstreich
Revolution (Politologie)
Beispiel eines Ansatzes: Die heutige Revolutionstheorie stellt fünf Hauptfaktoren besonders heraus, die wesentliche Voraussetzungen zur Entstehung einer Revolution darzustellen scheinen. Dabei ist vom Sonderfall der Entwicklungsländer abzusehen. [!] Erstens eine plötzliche Rezession nach einer Zeit wirtschaftlicher Blüte, steigenden Wohlstands und steigender Erwartungen in die Zukunft. Zweitens ein Bewusstsein, das die bestehenden Institutionen in Frage stellt. Drittens die Solidarisierung verschiedener Gruppen der Gesellschaft, die unterschiedliche Motive haben, mit dem bestehenden Zustand unzufrieden zu sein, und die sich zum Umsturz der alten Ordnung vorübergehend verbünden. Eine einzelne Gruppe, Schicht oder Klasse der Gesellschaft bringt keine Revolution zustande. Viertens eine Ideologie. Fünftens Schwäche, Uneinigkeit und Ineffektivität auf Seiten der Gegenkräfte, das Staates. (Weis, Der Durchbruch des Bürgertums, 1982, 96 f.)
Siehe auch: Revolution (Politik)
Revolution (Astronomie)
In der Astronomie (veraltet) ist eine Revolution die Umlaufbewegung der Planeten um die Sonne – von hier wurde der Ausdruck Revolution generell übernommen.
Revolution (Spiel)
- beim Skatspiel die Variante »Null ouvert Hand«, bei dem die gegnerischen Spieler die Karten austauschen dürfen. Nur bei Hobbyrunden, nicht in den offiziellen Skatregeln (da es sowieso nur angesagt wird, wenn es nicht verloren werden kann).
- Alternative zu bekannten Quizsendungen: Wer wird Revolutionär?
Siehe auch
Anarchismus,Generalstreik, Klassenkampf, Rätekommunismus, Sabotage, Situationistische Internationale, Subversion