Benutzer:Dr.Zeiger/Ligandenfeldtheorie

Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. Oktober 2008 um 09:12 Uhr durch Dr.Zeiger (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Kristallfeldtheorie ist eine semi-klassische Methode zum Verständnis der Eigenschaften von Übergangsmetallsalzen oder -komplexen. wie z.B. deren Struktur, Farbe und Magnetismus. Untersucht wird die Wirkung des klassischen elektrostatischen Feldes (Kristallfeld) der punktförmig angenommen Komplexliganden auf das quantenmechanische Komplexzentrum. Komplementär dazu ist die Vorgehensweise der Ligandenfeldtheorie, ein semi-empirisches Modell, das über das Kepler-Coulomb-Potential des Ligandensystems (Ligandenfeld) im Rahmen der Quantenmechanik Voraussagen über die Komplex-Eigenschaften ableitet. Beide Theorien entstanden unabhängig von einander, befruchteten sich aber seit den 1950er Jahren zunehmend, so dass in vielen Darstellungen beide Theorien schwer zu unterscheiden sind.


Einordnung der Kristallfeld- und Ligandenfeldtheorie

Historische Entwicklung:

Die zwischen 1930 - 1940 von John H. van Vleck entwickelte Kristallfeldtheorie ist eine in Richtung Quantenmechanik erweiterte klassische, elektrostatische Behandlung der Komplexverbindungen und steht somit zwischen der rein klassischen elektrostatischen Komplex-Theorie von Werner Kossel und Albert Magnus, die zwischen 1915 und 1922 entstand, und dem überwiegend quantenmechanischen kovalenten Modell , das vor allem von Linus Pauling zwischen 1927 und 1930 entwickelt wurde (VB-Theorie) bzw. der rein quantenmechanischen Molekülorbital (MO) -Theorie von Friedrich Hund, R.S. Mullikan und G. Herzberg, die ab 1930 entstand. Die Ligandenfeldtheorie, die unmittelbar von der Quantenmechanik ausgeht und diese durch einsemi-empirisches Modell ergänzt, wurde von Hermann Hartmann und Friedrich E. Ilse um 1945 entwickelt und 1951 publiziert. Sie nimmt ebenfalls eine Zwischenstellung zwischen klassischer und quantenmechanischer Theorie ein, aber im Unterschied zur Kristallfeldtheorie benutzt die Ligandenfeldtheorie einen quantenmechanisch begründeten Ansatz, der es erlaubt die Parameter des effektiven Hamilton-Operators mithilfe empirischer Grössen wie Ladung, Dipolmoment, Polarisierbarkeit abzuschätzen.

Systematische Einordnung:

Alle genannten zwischen 1915 und 1950 entstandenen Ansätze zum Verständnis der Komplexverbindungen gehen vom elektrostatischen Coulomb-Potential aus, das wegen seiner mathematischen Übereinstimmung mit dem Kepler-Potentials der Himmelsmechanik auch als Kepler-Coulomb-Potential bezeichnet wird. Dieses Potential dominiert das Verhalten im atomaren und molekularen Bereich, erlaubt eine systematische Erweiterung durch andere Aspekte des elektromagnetischen Feldes. und hat prinzipiell eine klassische, Punktteilchen-bezogene Seite und eine quantenmechanische, Feld-bezogene Seite. Die klassische und auch die quantenmechanische Wirklichkeit des molekularen Verhaltens kann wiederum sowohl klassisch als auch quantenmechanisch gesehen werden. Damit ergeben sich insgesamt 4 Betrachtungsweisen (Sprachebenen), die letztlich für den gesamten Bereich molekularen Verhaltens gelten. Unter Berücksichtigung der besonderen Struktur der Komplexverbindungen lassen sich die verschiedenen Komplex-Theorien folgendermassen einordnen:

  • klassische Realität klassisch gesehen: klassisches elektrostatisches Modell;
  • quantenmechanische Realität quantenmechanisch gesehen: VB- und MO-Theorie;
  • klassische Realität quantenmechanisch gesehen: Kristallfeldtheorie;
  • quantenmechanische Realität klassisch gesehen: Ligandenfeldtheorie.

Demnach ist die Kristallfeldtheorie eine induktive semi-klassische Vorgehensweise, die die Wirkung eines klassische elektrostatisches Feld auf das quantenmechanische Komplexzentrum beschreibt, während die Ligandenfeldtheorie eine semi-empirische Methode ist, die das beobachtete Komplex-Verhalten z.B. bei spektroskopischen Untersuchungen durch quantenmechanisch begründete Vereinfachungen formal-deduktiv ableitet.

Alle genannten Betrachtungsweisen haben ihre Berechtigung, abhängig von der Ausgangssituation und der Aufgabenstellung.

Beziehung zwischen Struktur und Beschreibungsweise:

Die grosse Faszination der Komplexchemie beruht darauf, dass an Komplexverbindungen sowohl empirisch als auch theoretisch die ganze Bandbreite des molekularen Verhaltens studiert werden kann. Das liegt an der besonderen Struktur dieser Verbindungen. Geometrisch haben Komplexverbindungen folgende Drei-Komponenten-Struktur:

  • ein zentrales Atom oder Ion der Übergangsmetalle,
  • die Ligandensphäre aus neutralen Molekülen oder Säureresten in der unmittelbaren Umgebung des zentralen Teilchens, die zusammen mit dem Zentrum einen Komplex bilden (1.Koordinationssphäre), und
  • an diesen Komplex variabel gebundenen Ionen oder Molekülgruppen, die die äussere Sphäre des Komplexes bilden (2. Koordinationssphäre).

Aufgrund ihrer grössen Variabilität kann die Bindung in der äusseren Sphäre klar von der eigentlichen Komplexbindung in der inneren Sphäre unterschieden werden. Für die Komplexbindung in der ersten Koordinationssphäre gibt es folgende vier Beschreibungsweisen:

  • Zentralatom und Liganden werden alle als punktförmige Teilchen angesehen, die in klassischer elektrostatischer Wechselwirkung stehen (A Magnus).
  • Zentralatom und Liganden bilden durch das gemeinsames Elektronensystem eine quantenmechanische Einheit (L. Pauling).
  • Alle Liganden werden als klassisch-elektrostatische Punktladungen aufgefasst, die mit den quantemechanischen Elektronenzuständen des Zentralatoms in Wechselwirkung treten. (J. H. van Vleck)
  • Die quantenmechanischen Zustände des gesamten Komplexes werden als Zustände des Zentralatoms behandelt, während das Elektronensystem der Liganden Teil des elektrostatischen Ligandenfeldes ist. ( H. Hartmann).

Die Kristallfeldtheorie als semi-klassische Näherung stellt also dem klassischen elektrostatische Feld der Liganden die quantenmechanische Natur des Zentralatoms gegenüber. Die Ligandenfeldtheorie als semi-empirische Methode geht von der quantenmechanischen Behandlung des gesamten Komplexes aus und vereinfacht sie durch eine elektrostatisches Ligandenfeld mit empirischen Parametern.

Rolle der innere Koordinationssphäre:

Für das vollständige Verständnis der Komplexverbindungen spielt der Übergangsbereich, kurz die „Lücke“, zwischen Teilchen und Feld-Verhalten eine wichtige Rolle. Das ist der Bereich, wo die Koordination zwischen Zentralteilchen und Liganden stattfindet. Räumlich gesehen ist es die innere Sphäre eines Komplexes oder die erste Koordinationssphäre . Alfred Werner, der um 1900 die Bezeichnung Koordinationsverbindung für Komplexe prägte, erkannte bereits, dass die koordinative Bindung eng mit den Raumverhältnissen in unmittelbarer Umgebung das Zentralteilchen verknüpft ist. Die Natur dieses Koordinationsbereiches kann eigenständig aber auch klassisch bzw. quantenmechanisch beschrieben werden. Für die erste Koordinationssphäre gibt es also drei Beschreibungsweisen:

  • eigenständige Betrachtung der Koordinationssphäre, mittels der räumlich-geometrisch bedingten Koordinationszahl (häufigste Koordinationszahl 6 , maximale Koordinationszahl 8).
  • klassische Sicht der Koordinationsphäre, was die Systematik allen möglichen stabilen Komplex-Strukturen bedeutet (Gruppentheorie der Kristallsymmetrie).
  • quantenmechanische Sicht der Koordinationssphäre, die zur Systematik der Bindungsdynamik führt z.B. zum Nephelauxetischen Effekt (cloud expanding series) oder zum Angular Orbital Modell.

Insgesamt bringt die explizite Berücksichtigung der Lücke zwischen klassischer und quantenmechanischer Realität den Raum als vereinheitlichendes dynamisches Element in Spiel und damit die Beziehung zwischen elektromagnetischem Verhalten und der Raum-Zeit-Struktur der Relativitätstheorie (z.B. im relativistischen Nephelauxetischen Effekt). Ein wichtiger Schritt in Richtung eines Einheitlichen Feldes der chemischen Bindung.


Einzeldarstellung und Vergleich beider Theorien

Wegen der Vielschichtigkeit der Komplexstruktur und der Beteiligung mehrerer unterschiedlicher Bindungstypen, werden zum vollständigen Verständnis der Komplexverbindungen verschiedene theoretische Ansätze benötigt. Dabei gilt das Prinzip, dass die quantenmechanische Vorgehensweise immer die klassische integriert, aber umgekehrt die klassische Theorie immer der prinzipiellen Erweiterung bedarf, um quantenmechanisches Verhalten angemessen zu erfassen. Wissenschaftstheoretisch ist also die Kristallfeldtheorie eine reduktionistisch-induktive und die Ligandenfeldtheorie eine holistisch-deduktive Theorie.

Kristallfeldtheorie:

1930 – 1940 war für J.M. Van Vleck die Ausgangsituation bei der Formulierung seiner Theorie zum Verständnis der magnetischen Eigenschaften von Komplexverbindungen einerseits der Erfolg der elektrostatischen Betrachtungsweise beim Verständnis der Eigenschaften ionischer Festkörper und anderseits eine richtungweisende Arbeit von H. Bethe (1929), die den Einfluss der Symmetrie und Stärke eines effektiven elektrostischen Feldes auf die Elektronenstrutur eines Metallions untersucht. Typisch für die klassische elektrostatische Theorie der Ionenkristalle ist, dass nicht das Kristall als Ganzes betrachtet wird, sondern ein elektrisch positives Ion (Kation) herausgegriffen und nur der Einfluss der nächsten Nachbarn untersucht wird. Dieses Konzept hat Van Vleck auf die Komplexstruktur übertragen und führte zum für seine Theorie grundlegenden Konzept des Kristallfeldes (crystal field = CF), in das die empirische Kenntnis über die Komplextrukturen eingeht. Das Kristallfeld ist das gemittelte elektrostatische Feld, dem ein Komplexzentrum durch die umgebenden Atome, Ionenen oder Moleküle ausgesetzt ist. Das quantenmechanische Komplexzentrum „sieht“ das elektrostatische Feld der umgebenden Atome. Die weitere Vorgehensweise der Kristallfeldtheorie besteht im Wesentlichen darin mittels einer Störungstheorie den Einfluss des Kristallfeldes auf die Elektronenstruktur des Komplexzentrums abzuschätzen. Die Elektronenstruktur des Komplexzentrums wird dabei quantenmechanisch beschrieben. Das Ergebnis ist eine Theorie, die eine sehr anschauliche Vorstellung davon vermittelt wie sich die klassisch beobachten Eigenschaft als Antwort des quantenmechanischen Zentralatoms auf die Anwesenheit eines klassischen elektrostatischen Feldes der Liganden verstehen lassen. Die häufig in den Lehrbüchern zu findenden schematischen Darstellungen der Aufspaltung entarteter Elektronenzustände des Zentralatoms durch ein Kristallfeld und die daraus sich ergebene Begründung der Komplexeigenschaften gehören zu den Erfolgen der Kristallfeldtheorie. Ein weiteres typisches Beispiel ist Van Vleck´s Begründung der Verzerrung der Komplexgeometrie mit Hilfe des Jahn-Teller Theorems.

Ligandenfeldtheorie:

1944 war die Ausgangssituation von H. Hartmann und F.E. Ilse bei der Formulierung der Ligandenfeldtheorie zum einen die auf N.V. Sidgwick und L. Pauling zurückgehende Überzeugung, dass Komplexverbindungen eine quantenmechanische Beschreibung erfordern, und zum anderen die allgemeine Verfügbarkeit quantenmechanischer Methoden wie Variationssprinzip, Störungstheorie und Darstellungstheorie von Symmetriegruppen. Der erste Schritte der Ligandenfeldtheorie besteht in der Aufstellung eines einfachen Modells, das letztlich durch das Variationsprinzip der Quantenmechanik begründet ist. Dazu wurde die Pauling`schen Annahme einer kovalenten Komplexbindung (Hybridisierungsnäherung) aufgegeben und stattdessen ein Ansatz benutzt, der zur Trennung von Zentralatom und Liganden im Kepler-Coulomb Potentials führt. Das Ligandenfeld ist das elektrostatische Kepler-Coulomb-Potential der Liganden einschliesslich der Ligandenelektronen. Alle weiteren Schritte ergeben sich dann aus dem Formalismus der Quantenmechanik insbesondere aus der Anwendung der für die Quantenmechanisch charakteristischen gruppentheoretische Methode bzw. Darstellungstheorie. Das Resultat war eine in ihrer mathematischen Struktur einfache und durchsichtige Theorie, aber detailliert genug, um eine qualitative und halb-quantitative Ordnung der empirischen Tatsachen zu ermöglichen. Typisch für die Ligandenfeldtheorie ist die Erkenntnis, dass die Aufspaltung der Zustände, die man z.B. bei einem oktaetrischen Komplex beobachtet, nicht von den Einzelheiten des elektrostatischen Potentialfeldes abhängen, sondern allein eine Konsequenz der Symmetrie ist. Dies hat zur Folge, dass bei einer quantitativen Änderung der empirischen Parameter, wie es bei der Annäherung an die jeweilige reale Situation geschieht, die zugehörige symmetriebedingte Darstellung unbeeinflusst bleibt.

Vergleich beider Theorien:

Gemeinsam ist beiden Theorien die elektrostatische Beschreibung der Wechselbeziehungen zwischen den Komplexbestandteilen Diese Beschreibung wird in der Ligandenfeldtheorie über das elementare Kepler-Coulomb-Potential in den quantenmechanischen Formalismus integriert, weshalb man von einem quantenmechanisches Modell spricht. Demgegenüber benutzt die Kristallfeldtheorie das mittlere elektrostatische Feld der Liganden als ein eignes klassisches System, das im quantenmechanische Zentralatom charakteristische Veränderungen hervorruft. Der unterschiedliche Ansatz beider Theorien kann auch so ausgedrückt werden:

  • In der Kristallfeldtheorie ist das Klassische die Umgebung für das Quantenmechanische, d.h. das klassische elektrostatische Feld der Liganden als Punktladungen ist die Umgebung für das quantenmechanische Zentralatom, während
  • in der Ligandenfeldtheorie das Quantenmechanische die Umgebung für das Klassische ist, d.h. die klassische Geometrie der Liganden wird in das quantenmchanische Elektronensystem des Zentralatoms integriert.

Da die Kristallfeldtheorie sich auf ein klassisches elektrostatisches Ligandenfeld beschränkt , versagt sie bei „nicht klassischen“ Komplexeigenschaften, liefert jedoch für die klassischen Eigenschaften zuverlässige Aussagen. Sie macht aber keine Aussage über kovalente Verhaltensmuster wie Liganden mit π-Rückbindung, wie sie z. B. in Carbonyl-Komplexen auftritt. Die Ligandenfeldtheorie schliesst als quantenmechanische Theorie kovalente Verhaltensmuster zum gewissen Grad mit ein, was detaillierte Untersuchungen und Anwendung der Theorie zwischen 1950 und 1970 bestätigten. Die Ligandenfeldtheorie ist aber keine MO-Theorie, denn diese basiert auf einem gemeinsamen Elektronensystem von Zentralatom und Liganden.


Rolle der Übergangsmetalle als Komplexzentrum

Struktur des zentralen Übergangsmetalls

Aufspaltungen der Elektronenzustände des Zentralatoms

Deutung der Komplex-Eigenschaften

Kovalenz in der Ligandenfeldtheorie

Vereinheitlichung in der Theorie der Komplexverbindungen

Literatur

Hartmann,H.: Neue Ansätze in der Theorie der Komplexverbindungen (1964)

Hartmann.H.: Vorwort zu H.L. Schläfer, G. Gliemann: Einführung in die Ligandenfeldtheorie. Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt (1967)

Hartmann,H.: 25 years of ligand-field-theory. Pure & Applied Chem. 49, 827 - 837 (1977)

Van Vleck, J.M: Nobel-Preis Vortrag (1977)