Hans Grimm

deutscher Schriftsteller und nationalistischer Publizist
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Hans Grimm (* 22. März 1875 in Wiesbaden; † 27. September 1959 in Lippoldsberg an der Weser) war ein deutscher Schriftsteller und Publizist.

Leben

Kindheit und Jugend

Sein Vater, der Jurist Prof. Julius Grimm, war Landtagsabgeordneter der Nationalliberalen Partei und 1882 an der Gründung des Deutschen Kolonialvereins beteiligt.

Als Kind war Grimm scheu und träumerisch. Er lebte zurückgezogen, da er durch einen Unfall stark sehbehindert war und außerdem unter Allergien litt. Bereits früh zeigte er schriftstellerisches Talent: So verfasste er im Alter von zwölf Jahren ein Drama über Robin Hood. Nach dem Abitur 1894 begann er in Lausanne Literaturwissenschaft zu studieren, brach das Studium jedoch auf Druck seines Vaters bereits nach einem Jahr wieder ab.

Ab 1895 durchlief er in London eine Ausbildung zum Außenhandelskaufmann. Nach deren Abschluss 1897 wurde Grimm von einem deutschen Handelsunternehmen in Port Elizabeth (Südafrika) eingestellt. Ab 1901 war er selbständiger Kaufmann und Hafenagent in East London und bewirtschaftete zusätzlich eine Farm. 1908 kam er für kurze Zeit nach Deutschland.

Karriere als Publizist und Schriftsteller

1910 kehrte er nach Afrika zurück und verfasste Presseberichte aus der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. In seinen Texten aus dieser Zeit taucht erstmals das Schlagwort der „Lebensraumpolitik“ auf, mit dem er später in weiten Kreisen bekannt werden sollte.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland begann er 1911 ein Studium der Staatswissenschaften in München (1914–1915) und in Hamburg. Daneben betätigte er sich als freier Schriftsteller. 1913 erscheinen die Südafrikanischen Novellen, in denen er seine Eindrücke aus Deutsch-Südwestafrika verarbeitet und eine rassistische Einstellung gegenüber den afrikanischen Einwohnern artikuliert.

Im Ersten Weltkrieg diente Grimm zunächst als Frontsoldat, später als Dolmetscher. 1917 wurde er vom Reichskolonialamt beauftragt, eine propagandistische Darstellung über die deutschen Kolonisten in Afrika zu verfassen, die 1918 unter dem Titel Der Ölsucher von Duala erscheint. Im Anschluss daran diente Grimm als wissenschaftliche Hilfskraft in der Auslandsabteilung der Obersten Heeresleitung.

Nach Kriegsende erwarb Grimm ein Gebäude eines aufgelösten Klosters in Lippoldsberg an der Weser und ließ sich hier als Schriftsteller nieder. Der Klosterhausverlag in Lippoldsberg wurde von ihm 1951 gegründet.

Wie viele konservative Politiker und Intellektuelle empfindet er die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg – und insbesondere den damit verbundenen Verlust der deutschen Kolonien – als nationale Schmach und steht der konstituierten Weimarer Republik ablehnend gegenüber.

Durchbruch mit Volk ohne Raum

Ab 1920 arbeitete Grimm an dem Roman Volk ohne Raum, der ihn bei seinem Erscheinen 1926 schlagartig prominent machen sollte. Darin propagiert er den Erwerb von Lebensraum als Lösungsstrategie für die wirtschaftlichen und politischen Probleme der deutschen Republik. Der Roman entwickelt sich zu einem der meistverkauften Bücher der Weimarer Republik, sein Titel wird rasch zu einem geflügelten Wort. Der Slogan Volk ohne Raum bot sich als griffige Formel an, mit der alle sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Republik kausal auf einen vermeintlichen Raummangel zurückgeführt wurden. Grimms Roman und seine Rezeption wirkten als Resonanzverstärker einer Stimmung, die als "kollektive Klaustrophobie" bezeichnet werden könnte, die wenig später von den Nationalsozialisten in ihren Vorstellungen vom "Lebensraum im Osten" aufgegriffen wurde und schließlich im sog. Generalplan Ost umgesetzt wurde. Grimm war einer der Lieblingsautoren Adolf Hitlers.[1]

Hinzuzufügen ist jedoch, dass Grimm selbst nicht von Lebensraum im Osten träumte, sondern vielmehr vom klassischen Kolonialismus der Kaiserzeit („Der deutsche Mensch [braucht] Raum um sich und Sonne über sich“).

Grimms Verhältnis zum Nationalsozialismus

Er wurde nach der Machtergreifung wie eine Reihe weiterer bei den Nazis angesehener Autoren (wie z.B. Börries von Münchhausen, Ernst Jünger, Erwin Guido Kolbenheyer oder Hans Friedrich Blunck) zum Senator der Deutschen Akademie für Dichtung ernannt. Als einziger lehnte Jünger seine Berufung ab.[2] Grimm gehört zumindest 1935 zum Präsidialrat der Reichsschrifttumskammer.[3] Er war auch zu keinem Zeitpunkt Mitglied der NSDAP. Nachdem ihm Propagandaminister Joseph Goebbels 1938 mit Inhaftierung drohte, weil Grimm „Auswüchse“ des NS-Staates kritisiert hatte, zog er sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Obwohl er weder der NSDAP beitrat noch vollständig mit der NS-Ideologie übereinstimmte, sah er im Dritten Reich die einzige Möglichkeit, seine kolonialen, sozialen und nationalistischen Ideen zu verwirklichen.

Seine Differenzen hinderten ihn nicht daran, nach 1945 als Beschöniger des Nationalsozialismus in Erscheinung zu treten. In dem Pamphlet Die Erzbischofsschrift. Antwort eines Deutschen, eine Reaktion auf eine Botschaft des Erzbischofs von Canterbury an die deutsche Bevölkerung, bezeichnet er den deutschen Angriffskrieg als eine Maßnahme zur Verteidigung der „europäischen Kultur“ gegen den Kommunismus und gibt Großbritannien die eigentliche Schuld für die Eskalation des Kriegs.

Bei der Bundestagswahl 1953 kandidierte Grimm auf der Liste der rechtsextremen Deutschen Reichspartei. 1954 veröffentlichte Grimm unter dem Titel Warum, woher, aber wohin? erneut eine umfassende Verteidigung des Nationalsozialismus. Zudem publizierte er in der rechtsextremen Monatszeitschrift Nation und Europa.[4]

In der restaurativen Ära Adenauer weitgehend gesellschaftlich isoliert, starb Grimm 1959 im Alter von 84 Jahren in seinem Haus in Lippoldsberg.

Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach hat 2008 die Bibliothek von Hans Grimm übernommen. Sie war zunächst in Familienbesitz geblieben und wurde dem Archiv zu Forschungszwecken als Stiftung übergeben.

Lippoldsberger Dichtertage

Die inoffiziellen „Lippoldsberger Dichtertreffen“ – jährliche Lesungen nationalkonservativer Autoren, die Grimm von 1934 an in seinem Haus veranstaltete – musste er 1939 auf Druck von Goebbels hin abbrechen, da sie in Konkurrenz zu den offiziellen nationalsozialistischen Dichtertagen standen. Später nutzte Goebbels allerdings selbst den Begriff „Dichtertreffen“ für seine Veranstaltungen.

Die seit 1949 wieder von Hans Grimm veranstalteten Dichtertreffen wurden nach seinem Tod von seiner Tochter Holle Grimm bis 1981 fortgeführt. An den ersten Treffen nach 1949 nahmen 2000 bis 3000 Menschen teil, nach seinem Tod sank die Teilnehmerzahl rapide. Bei den letzten Dichtertagen 1981 waren es noch 200 Teilnehmer.[5]

Es trafen sich seit den 1930ern dort unter anderem:

Siehe auch

Werke

  • Südafrikanische Novellen. Frankfurt am Main: Langen/Müller, 1913
  • Der Ölsucher von Duala. Ein Tagebuch. Berlin: Ullstein, 1918
  • Volk ohne Raum. München: Albert Langen, 1926
  • Die dreizehn Briefe aus Deutsch-Südwest-Afrika. München: Albert Langen, 1928
  • Der Schriftsteller und die Zeit. Bekenntnis. München: Albert Langen, 1931
  • Was wir suchen, ist alles. Drei Novellen. (Berlin), 1933
  • Lüderitzland. Sieben Begebenheiten. (München) 1933
  • Englische Rede. Wie ich den Engländer sehe. Gütersloh: C. Bertelsmann, 1938
  • Rußlanddeutsche und Donaudeutsche als Volksgruppen unterschiedlicher Fruchtbarkeit. In: DArchLandesVolksforschung 4, 1940
  • Die Erzbischofschrift. Antwort eines Deutschen. Göttingen: Plesse Verlag, 1950
  • Leben in Erwartung. Meine Jugend. Lippoldsberg: Klosterhausverlag, 1954
  • Warum, woher, aber wohin? Lippoldsberg: Klosterhausverlag, 1954
  • Suchen und Hoffen. Lippoldsberg: Klosterhausverlag, 1960

Literatur

  • Klaus van Delft: Kritische Apologie des Nationalsozialismus: Hans Grimms Konservative Revolution? In: Leid der Worte. Panorama des literarischen Nationalsozialismus, hrsg. v. Jörg Thunecke. (= Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft; 367). Bouvier, Bonn 1987, ISBN 3-416-01930-X
  • Klaus van Delft: Der verkannte Hans Grimm. Klosterhaus-Verlag, Lippoldberg 1975, ISBN 3-87418-150-2
  • Gudrun Eiselen: Südafrikanische Lebensform in Hans Grimms Dichtung. o.O. 1951
  • Edgar Kirsch: Hans Grimm als Wegbereiter nordischer Gedankenschau. Dissertation Leipzig 1937 [6]
  • Dieter Lattmann: Raum als Traum. Hans Grimm und seine Saga von der Volkheit. In: Propheten des Nationalismus, hsrg. v. Karl Schwedhelm. List, München 1969
  • Baboucar Ndiaye: Beschreibung Afrikas in der neueren deutschsprachigen Literatur. Am Beispiel von Hans Grimms afrikanischen Dramen und Novellen und Uwe Timms Roman „Morenga“. Magisterarbeit, Universität Konstanz 2006 (Volltext)
  • Hans Sarkowicz: Zwischen Sympathie und Apologie: Der Schriftsteller Hans Grimm und sein Verhältnis zum Nationalsozialismus. In: Intellektuelle im Bann des Nationalsozialismus, hrsg. v. Karl Corino. (= Bücher zur Sache). Hoffmann und Campe, Hamburg 1980, ISBN 3-455-01020-2
  • Heike Wolter: Volk ohne Raum. Lebensraumvorstellungen im geopolitischen, literarischen und politischen Diskurs der Weimarer Republik. Eine Untersuchung auf der Basis von Fallstudien zu Leben und Werk Karl Haushofers, Hans Grimms und Adolf Hitlers. (= Sozial- und Wirtschaftsgeschichte; 7) LIT, Münster u.a. 2003, ISBN 3-8258-6790-0
  • Peter Zimmermann: Kampf um den Lebensraum. Ein Mythos der Kolonial- und Blut-und-Boden-Literatur. In: Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Themen - Traditionen - Wirkungen, hrsg. v. Horst Denkler u. Karl Prümm. Reclam, Stuttgart 1976, ISBN 3-15-010260-X
  • Steve Hoegener: Koloniale Identitätskonstruktionen in der Literatur zwischen den Kriegen. München: Grin 2008, ISBN 978-3-638-94530-1.

Einzelnachweise

  1. Wertung nach dieser Quelle: http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/GrimmHans/index.html
  2. Josef Wulf: Kultur im Dritten Reich. Literatur und Dichtung. Berlin/Frankfurt a. M. 1989, S. 36–38
  3. Josef Wulf: Kultur im Dritten Reich. Literatur und Dichtung. Berlin/Frankfurt a. M. 1989, S. 197
  4. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 198.
  5. Martin Wellmann, 2004 http://www.polunbi.de/pers/grimm-01.html
  6. Nach: Josef Wulf: Kultur im Dritten Reich. Literatur und Dichtung. Berlin/Frankfurt a. M. 1989, S. 337