Jacques Callot [1592 in Nancy; † 14. März 1635 ebenda) war ein berühmter französischer Zeichner, Graphiker, Kupferstecher und Radierer des 17. Jahrhunderts.
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Leben
Jugend
Sein Geburtsdatum, das sehr wahrscheinlich zwischen dem 25. März und dem 21. August 1592 liegt, ist nur indirekt über zwei weitaus später entstandene Dokumente zu erschließen. Als Junge soll er so sehr gewünscht haben, als Künstler in Rom zu leben, dass er zweimal von zu Hause ausgerissen sein soll. Sicher ist allerdings nur, dass er seine künstlerische Laufbahn als Goldschmied bei einem Demange Croqu oder Crocx am 16. Januar 1607 in Nancy begann. Dort hielt es ihn nicht sonderlich lang, denn schon 1608 ging er nach Rom, wo er bei dem ebenfalls aus Lothringen stammenden Verleger Philippe Thomassin [1] als Reproduktionsstecher in die Lehre ging, wie seine Biographen André Félibien und Filippo Baldinucci Ende des 17. Jahrhunderts berichteten. Weitere Quellen zu seinem Leben gibt es aus dieser Zeit allerdings kaum und so bleibt seine Zeit in Rom weitgehend im Dunkeln. Besser ist sein Aufenthalt in Florenz dokumentiert.
Florenz
In der Werkstatt Antonio Tempestas machte er sich schnell einen Namen als Radierer und er konnte, neben seinem Meister, einige Blätter zur Buchbebilderung der Trauerzeremonie Margarethes von Österreich, der kurz zuvor verstorbenen Regentin von Spanien, anfertigen. Diese durch das Buch fest datierten Werke Callots sichern, noch vor den schriftlichen Dokumenten des Jahres 1614, seine Anwesenheit in Florenz im Jahr 1612. Spätestens im Jahr 1614 war er in der Werkstatt des für die Medici tätigen Künstlers und Festintendanten Giulio Parigi beschäftigt, wie Zahlungen an Callot aus einem Rechnungsbuch der Florentiner Adelsfamilie bestätigen. Nun begann eine lange und sowohl künstlerisch wie auch finanziell fruchtbare Tätigkeit für Cosimo II. de Medici. Nach der Art der Manieristen bevorzugte er groteske Motive, die er mit Witz und Detailtreue behandelte. Das Theater und die Feste in Florenz und am Hof der Medici, die er mit großer Akkuratesse wiedergab – ein wesentliches Charakteristikum seiner späteren Werke in Nancy – wurden sein Metier. Hier erprobte er seine neu erworbenen künstlerischen Fähigkeiten und führte sie zur Vollendung. Neben Festaufzügen und Typen aus der Commedia dell'Arte brachte er auch eine bunte Mischung aus Bettlern, Hofleuten und Krüppeln zu Papier. Von seiner Entwicklung zeugen vor allem diverse Landschafts- und Figurenstudien, von denen die von ihm „Capricci“ genannte Serie wahrscheinlich die bekannteste ist, und nicht zuletzt sein Jahrmarkt von Impruneta, den er seinem Gönner widmete. Mit dem Tod Cosimos II. 1621 endete auch die Zeit Callots in Florenz.
Nancy
Spätestens im August 1621 wohnte er wieder in Nancy, denn aus dieser Zeit datieren zwei Briefe, die er von ebendort aus an florentiner Stadtoffizielle schickte. Künstlerisch brachten die ersten Jahre in der Hauptstadt Lothringens nichts sonderlich Neues hervor. Sowohl den Jahrmarkt von Impruneta als auch die Folge der Capricci fertigte er nochmals in fast unveränderter Form. Auch finanziell ging es ihm nicht gut. Im Mai 1623 musste ihn der lothringische Herzog Heinrich II. von Lothringen mit Gütern unterstützen. Doch schon bald konnte er sich am Hof in Nancy etablieren. In diesen späteren Arbeiten ist eine wesentliche Entwicklung seiner Technik, besonders beim Einsatz der Radiernadel und häufigere Verwendung zusammen mit dem Grabstichel zu erkennen. Auch änderte sich die Auswahl seiner Motive: er wurde ernster und brachte seltener groteske Figuren. Er fertigte Porträts lothringischer Adliger, darunter auch ein Bildnis des 1621 in den Adelsstand erhobenen lothringischen Hofmalers Claude Deruet, dokumentierte die Feste am Hofe und bewahrte sich seinen Blick für die Gesamtheit des Welttheaters in seinen Serien der Bettler und der Zigeuner. Gegen Ende der 1620er Jahre besuchte er Paris und die Niederlande und erhielt Aufträge der Höfe von Frankreich, Spanien und Lothringen. 1633 produzierte er – angeregt von seinen Erlebnissen bei der Invasion Lothringens durch Kardinal Richelieus Truppen – eine Serie von 18 Radierungen unter dem Titel Les misères de la guerre (Die Kriegsgreuel).
Am 25. März 1635 starb Jacques Callot in Nancy, gerade einmal dreiundvierzigjährig.
Werk
Callots Abzüge waren in ganz Europa beliebt und gesucht; Rembrandt – selbst ein Meister der Radierung – war ein kundiger Sammler seiner Werke. Einer der Gründe hierfür war seine exzellente Technik; diese wurde durch einige von ihm eingeführte Neuerungen unterstützt. Dazu gehört die "Échoppe" (frz. für Bude, Kiosk etc.) genannte Radiernadel mit ovalem Ende und scharfer Kante, mit der an- und abschwellende Linien erzeugt werden können, vergleichbar mit einer Kaligraphiefeder, die diverse Strichbreiten liefert. Auch das wiederholte Stoppen entwickelte er zur Meisterschaft; es erlaubt äußerst differenziert Hell-Dunkel-Abstufungen. Schließlich wird ihm eine Rezeptur für einen verbesserten Abdecklack zugeschrieben, die klarere Abzüge möglich machte. Die Mehrzahl seiner Platten waren vergleichsweise klein. Sie sind durch ausgefeilte Perspektive und meisterliche Lichtführung gekennzeichnet und wurden zum Vorbild für Generationen von Graphikern der Folgezeit.
Am bekanntesten wurden seine Serien Les Petites Miseres und Les Grandes Miseres, die die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges schildern. Callot zeigte hier nicht nur die schlichte Bevölkerung als Opfer, sondern auch die Täter: die Soldaten, die später eingesperrt oder gelyncht wurden oder als verkrüppelte Bettler endeten - infolge Hungertodes, Krankheit oder Galgen. Am "Galgenbaum" (L'arbre aux pendus - Der Baum mit Gehängten) wurden Menschen erhängt (s. Bild) - Soldaten wie Zivilbevölkerung, die, als Parasiten angesehen, nur noch durch "unredliche Manier" wie Plündern, Stehlen und zuweilen auch forciertes Betteln überleben konnten. Diese vernichtende Fixierung menschlicher Narrheit und Grausamkeit wurden – nahezu zwei Jahrhunderte später – zum Vorbild für Francisco de Goyas berühmte Serie Los Desastres de la Guerra - Die Schrecken des Krieges. Callot leistete auch Vorbildliches in seinen Landschaftszeichnungen (auch in Aquatinta) und seinen rasch hingeworfenen Figurstudien in Kreide.
Der Dichter E.T.A. Hoffmann sah Anfang 1813 in Bamberg Blätter Callots und glaubte in dessen phantastischem Realismus eine tiefe Seelenverwandtschaft zu spüren, die ihn zu einem Aufsatz über den Graphiker anregte. Einer Sammlung von Aufsätzen, Erzählungen und Märchen gab er dann den Untertitel „in Callots Manier“. 1820 bekam Hoffmann den Balli di Sfessania Callots vom Serapions-Bruder David Ferdinand Koreff geschenkt. Auf der Basis von acht Radierungen dieser Bilderfolge entwickelte der Dichter seine Erzählung Prinzessin Brambilla.
Literatur
(überw. französisch und englisch)
- Esther Averill: Eyes on the World: The Story of Jacques Callot. Funk & Wagnalls, New York 1969
- Edwin DeTurck Bechtel: Jacques Callot. George Braziller Publisher, New York 1955
- Ann Brothers: Worlds in Miniature: The Etchings of Jacques Callot and Wencheslaus Hollar. National Gallery of Victory, Sydney 1998.
- Antony Griffiths et. al.:. Disasters of War: Callot, Goya, Dix. The South Bank Centre, London 1998
- Hans-Christian Huf: Mit Gottes Segen in die Hölle: Der Dreißigjährige Krieg. List Taschenbücher, Berlin 2004; ISBN 3-548-60500-1 (auch als dreiteiliges Historiendokumentation des ZDF verfilmt)
- Jules Lieure: Jacques Callot. Editions de la Gazette des Beaux-Arts, Paris 1929.
- Jules Lieure: Catalogue de l'oeuvre gravée de Jacques Callot. in 4 Bänden; Paris, 1925.
- Pierre Marot: Peintres et graveurs lorrains du XVIIe siècle: Jacques Callot. Le pays lorrain. Nr. 3, 1953.
- Édouard Meaume: Recherches sur la vie et les œuvres de Callot. Nancy, 1854/1860.
- Georges Sadoul: Jacques Callot, miroir de son temps (Jacques Callot, Spiegel seiner Zeit). Éditions Gallimard, Paris 1969 (Nachdruck 1990); ISBN 2-07-10625-X
- Eckhard Leuschner: The Printing Privilege in Tuscany: Florimi, the Falcinis and Callot, Print Quarterly 25, 2008, S. 243-254.
Weblinks
Werke von Jacques Callot bei Zeno.org Vorlage:PND
Einzelnachweise, Anmerkungen
- ↑ siehe gleichnamigen Artikel in der französischsprachigen WP
Personendaten | |
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NAME | Callot, Jacques |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Zeichner, Graphiker, Kupferstecher und Radierer |
GEBURTSDATUM | unsicher: zwischen 25. März 1592 und 21. August 1592 |
GEBURTSORT | Nancy |
STERBEDATUM | 14. März 1635 |
STERBEORT | Nancy |