António R. Damásio

portugiesischer Neurowissenschaftler
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Antonio R. Damasio (* 1945 in Lissabon), Neurowissenschaftler und Leiter der größten Neurologie-Station der Welt in Iowa City, wurde vor allem durch seine Arbeiten zur Bewusstseinsforschung bekannt.

Eines seiner Hauptarbeitsgebiete ist die direkte Korrelation von morphologischen Ausfällen im CT und NMR mit den funktionellen neurologischen Ausfällen bei dem betroffenen Patienten. Insbesondere beim Schlaganfall ist diese Methode sehr erfolgreich, um lokalisierte Hirnprozesse zu erkennen, da sich der Funktionsverlust innerhalb kürzester Zeit einstellt und damit klarer erkennbar ist.

Descartes' Irrtum

In seinen Abhandlungen Descartes' Irrtum (im Original: Descartes' Error: Emotion, Reason, and the Human Brain), Ich fühle, also bin ich (The Feeling of What Happens: Body and Emotion in the Making of Consciousness) und Der Spinoza-Effekt (Looking for Spinoza) untersucht er vor allem die Wechselwirkungen zwischen Körper und Bewusstsein und kommt - durch zahlreiche empirische Belege - zu dem Schluss, dass die jahrhundertlang angenommene, vor allem von Descartes postulierte, Trennung zwischen Körper und Geist ein Irrtum sei. Stattdessen konstatiert er einen unauflösbaren Zusammenhang zwischen Körper und Geist, die sich ständig gegenseitig beeinflussen. Kritik Nach C.G.Jung ist das Unbewusste, das er als das Totenland, ja als Gott bezeichnet, autonom. Jung war in der Lage, mit Jahrzehnten schon Verstorbene über Jahre Dialoge zu führen, diese Verstorbenen gaben Weisheiten von sich und waren nach Jung autonom und real existierende Teile des Unbewussten. Die Telepathie ist auch nach Jung ein Gebiet, dass noch erforscht werden muss. Jung war auch in der Lage, durch Träume, sogenannte Wahrträume vorhersagen zu machen.

Fallbeispiele

Seine These der Untrennbarkeit zwischen Geist und Materie, untermauert Damasio u.a. durch zwei Fallbeispiele:

Phineas Gage

1848 wird Phineas Gage, damals 25jähriger Vorarbeiter bei einer Eisenbahngesellschaft, Opfer eines schweren Unfalls. Bei einer Sprengung im Rahmen der Verlegung von Schienen durch den US-Bundesstaat Vermont, bohrt sich eine 6 kg schwere, 1,98 m lange und 3 cm dicke Eisenstange mit einer Spitze von 6 mm von unterhalb des linken Wangenknochens bis zu den vorderen Schädelknochen durch Gages Schädel und fliegt danach noch 30 m weiter. Es entsteht eine ca. 4-5 cm große, kraterförmige Wunde.

Trotz des offensichtlich schweren Unfalls ist Gages während der gesamten Zeit bei Bewusstsein. Er ist in der Lage, über den gesamten Hergang des Unfalls zu berichten und überlebt ihn. Seine Verletzung heilt innerhalb von zwei Monaten, nur der Verlust des linken Auges ist körperlich irreversibel. Die Ärzte stellen keine Beeinträchtigung von Wahrnehmung, Gedächtnisleistung, Intelligenz, Sprachfähigkeit oder Motorik fest.

Trotzdem kommt es in der Zeit nach dem Unfall zu auffälligen Persönlichkeitveränderungen Gages': War er zuvor verantwortungsbewusst, besonnen, ausgeglichen und freundlich, erscheint er seiner Umgebung nun zunehmend ungeduldig, launisch, wankelmütig und respektlos. Darüber hinaus kommt es zu einer Störung seiner Entscheidungsfähigkeit: Er trifft Entscheidungen, die seinen Interessen offensichtlich zuwiderlaufen, er kann seine Zukunft nicht mehr vernüftig planen und erleidet als Folge einen beruflichen und sozialen Abstieg.

Elliot

Als einen "modernen Phineas Gage" beschreibt Damasio einen Patienten von ihm, dem aufgrund eines Tumors ein Teil des präfontalen Cortex entfernt wurde. Nach dem operativen Eingriff, veränderte sich auch Elliots Persönlichkeit radikal. Zwar kommt es auch bei ihm weder zur Einschränkung von kognitiven, motorischen oder sensorischen Fähigkeiten, jedoch weist er eine empfindliche Störung seiner Entscheidungsfähigkeit und einen Mangel an Gefühlen auf. Bilder von Situationen, die ihn einst erregten, lösen nun bei ihm keinerlei Reaktionen aus. Die Korrelation zwischen Gefühlarmut und Entscheidungsunfähigkeit, führt Damasio zur Theorie der somatischen Marker.

Die Theorie der somatischen Marker

Damasio vermutet, dass Elliots Gefühlslosigkeit ihn daran hindert, verschiedenen Handlungsalternativen einen emotionalen Wert beizumessen, die anderen Menschen bei der Entscheidungsfindung helfen.

Damasio stellt die Theorie auf, dass alle Erfahrungen des Menschen im Laufe seines Aufwachsens in einem emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert werden. Dieses Erfahrungsgedächtnis teilt sich laut Damasio über ein körperliches Signalsystem mit, das dem Menschen bei der Entscheidungsfindung hilft und das Damasio als somatische Marker beschreibt. Bei der Vorstellung verschiedener Handlungsalternativen geben die somatischen Marker also eine, durch bisherige Erfahrungen bestimmte, Rückmeldung, die dem im Entscheidungsprozess befindlichen Menschen helfen, indem sie zunächst alle emotional nicht tragbaren Handlungsmöglichkeiten ausschließen.

Die somatischen Marker sind also ein automatisches körpereigenes System zur Bewertung von Vorhersagen. Sie wirken oft unbewusst als "Alarmlocke" oder Startsignal, nehmen einem aber prinzipiell nicht das Denken ab, sondern helfen beim Denken, indem sie als - aufgrund individueller Erfahrung - günstig oder gefährlich zu bewertende Alternativen als solche erscheinen lassen.

Als neuronales System, das den Erwerb der somatischen Marker erlaubt, glaubt Damasio die präfontalen Rindenfelder im Gehirn lokalisiert zu haben. Seine Theorie von den somatischen Markern erklärt den Zusammenhang zwischen Phineas Gages und Elliots Gefühlsstörungen und ihrer Unfähigkeit sich zu entscheiden und stellt den offenbar unauflösbaren Zusammenhang zwischen rationalen Entscheidungsprozessen und Gefühlen auf.

Empirische Belege

Um die Theorie der somatischen Marker zu beweisen, führte Damasio mehrere Experimente durch. Eines davon ist das so genannten "Glückspielexperiment":

Bei diesem Versuch, der mit gesunden Patienten und Patienten mit Schädigung des präfontalen Cortex durchgeführt wurde, erhielten diese jeweils ein Darlehen von 2000 US-Dollar und sollten dieses mittels eines Kartenspiels, dessen Regeln sie nicht kannten, so weit wie möglch vergrößern.

Zur Auswahl standen den Probanden vier Stapel mit Spielkarten, im Folgenden A, B, C und D genannt. Nahmen sie eine Karte von Stapel A oder B gewannen sie 100 Dollar, während das Aufnehmen einer Karte von Stapel C oder D nur 50 Dollar Gewinn einbrachte. Nach einer zufällig bestimmten Anzahl von Karten, brachte ihnen das Aufnehmen einer Karte der Stapel A und B allerdings einen Verlust, der bis zu 1250 Dollar betragen konnte. Auch die Aufnahme von Karten der Stapel C und D kam es in ähnlichen Abständen zu Verlusten. Hier betrug dieser aber maximal 100 Dollar, sodass die Stapel C und D sich langfristig als gewinnbringend herausstellten, während Stapel A und B langfristig zu Verlusten führten.

Nicht geschädigte wie geschädigte Probanden zeigten zunächst eine Vorliebe für die Stapel A und B, bei denen man mehr gewann. Während auf Grund der hohen Verluste, die nicht geschädigten Personen nach ca. 30 Karten zu C und D wechselten, blieben die Patienten mit Schädigung des Stirnhirns bei ihrer Vorliebe für die Stapel A und B, obwohl ihnen vollkommen bewusst war, dass diese auch zu viel höheren Strafen führten. Nach der halben vorher festgelegten Spieldauer waren diese Probanden bankrott und mussten ein zusätzliches Darlehen aufnehmen.

Damasio leitete von diesem Experiment her, dass die Bestrafung bzw. Belohnung der Stirnhirngeschädigten - also Probanden ohne somatische Marker - bei diesen nicht zur "Markierung" schlechter Handlungsalternativen mit emotionalen Reaktionen führt, sodass bei diesen immer die unmittelbar belohnende Wahlmöglichkeit vorgezogen wird. Damasios Frau untermauerte diese Erkenntnisse, indem sie die Hautleitungsreaktionen der Probanden während eines solchen Experiments untersuchte. Während die nicht geschädigte Versuchspersonen vor Auswahl der Karten mit zunehmender Spieldauer mit wachsender Intensität reagierten, zeigten die präfonatal geschädigten Patienten keinerlei Reaktion. Damasio schloss daraus, dass die Gehirne der präfontal geschädigten Probanden nicht lernten, schlechte Ergebnisse vorherzusagen, der automatische Sichtungsprozess, durch den die wahrscheinliche Qualität des Stapels Eingang in das Denken findet, ist also gestört.

"Basale Regelsysteme des Körpers schaffen [...] die Voraussetzung für bewusste kognitive Prozesse."
Atonio Damasio

Gefühle und Emotionen

Damasio trennt zwischen Emotionen ("emotions"), die er als die durch somatische Marker verursachete Körperzustände beschreibt und Gefühlen ("feelings"), die das bewusste Wahrnehmen der emotionalen Körperzustände darstellen. So lernt der Mensch im Laufe seiner Entwicklung beispielsweise, den Körperzustand, der mit der reflexartigen Flucht vor einer Gefahr verbunden ist, als Angst, also ein bewusstes Gefühl, wahrzunehmen. Während die Emotionen angeboren sind und ein von außen beobachtbares körperliches Verhalten produzieren, beruhen die Gefühle auf Erfahrungen und ermöglichen somit weitere Schutzstrategien gegen Gefahren von außen.

Literatur