Die 1857 gegründete Stettiner Maschinenbau Actien Gesellschaft Vulcan in Stettin-Bredow war ein Pionier neuzeitlichen eisernen Schiffsbaus und lange Jahre sowohl im zivilen als auch im militärischen Schiffbau eine der führenden Werften in Deutschland, auf der die seinerzeit größten und schnellsten Passagierschiffe der Welt gebaut wurden. Es wurden außerdem über 4000 Lokomotiven gebaut.

Augusta Victoria, ca. 1890

1912 bei AG Vulcan Stettin gebaut
1905 wurde der Hamburger Vulcan als Tochterunternehmen gegründet.
Beide Vulcan-Standorte wurden 1926 von der Deutschen Schiff- und Maschinenbau Aktiengesellschaft (Deschimag) übernommen. Der Stettiner Betrieb wurde 1928 von der Deschimag geschlossen und die Hamburger Werft 1929 an die Kieler Howaldtswerke AG verkauft.
Geschichte
Im Jahr 1851 wurde von den Hamburger Ingenieuren Früchtenicht und Brock in dem kleinen Ort Bredow bei Stettin die Schiffswerft und Maschinenfabrik Früchtenicht & Brock gegründet. Das erste Schiff war ein unter primitiven Bedingungen am Oderstrand gebauter 35 Meter langer eiserner Raddampfer mit Namen Die Dievenow für die Stettiner Reederei J.F. Braeunlich, der in der Haff-Schiffahrt zwischen Stettin und Swinemünde eingesetzt wurde. Es folgten eine Reihe kleinere Schiffseinheiten, währenddessen das Werksgelände kontinuierlich erweitert und ausgebaut wurde.
1856 geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Eine Gruppe von Investoren, Unternehmern und Politikern aus Stettin und Berlin stiegen daraufhin in das Unternehmen ein und gründeten 1857 die Stettiner Maschinenbau Actien Gesellschaft Vulcan.
Bald darauf geriet auch dieses Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Als Ausweg sah man den Einstieg in den Lokomotiv-Bau, und so wurde im Jahr 1859 die erste Lokomotive ausgeliefert. Zur Unterscheidung zum Werftbetrieb diente fortan der Zusatz Abteilung Locomotivbau in Bredow bei Stettin.
Das gut laufende Geschäft erlaubte die Erweiterung und den Ausbau des Werksgeländes. In der Folgezeit bildete sich eine Teilung des Geländes in „Unterhof" und „Oberhof" heraus. Der Unterhof an der Oder war für den Schiffbau zuständig, während im Oberhof die Motoren und Lokomotiven gefertigt wurden.
1867 begannen die militärischen Aktivitäten. 1876 wurde die Panzerkorvette Preussen erbaut und etwa drei Jahre später entstand auf der Werft unter der Leitung des damaligen Direktors Rudolph Haack das erste auf einer deutschen Werft gebaute ausschließlich motorbetriebene Panzerschiff, die Sachsen.
1880 erhielt die Werft das erste Schwimmdock, doch bereits 1883 wurde ein Teil der Werftanlagen durch ein Großfeuer zerstört. Anlass genug, die Werft zu modernisieren und durch Zukauf von Gelände zu erweitern, zusätzlich zu drei existierenden Helgen wurden vier weitere größere erstellt.
Mit über 7.000 Mitarbeitern war es zu dieser Zeit es eines der größten privaten Unternehmen in Deutschland. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden immer größere Docks auf dem Gelände des Unterhofs. Schließlich wurden in Stettin Schiffe mit solch großem Tiefgang gebaut, die nur mühsam die flache Oder bis zur Ostsee hinunter kamen oder mit Hilfe von Schwimmpontons, die an den Seiten der Schiffe angebracht wurden, auf die offene See bei Swinemünde überführt werden mußten. Dieses Verfahren war kompliziert und risikoreich, passierten doch trotz größter Vorsichtsmaßnahmen gelegentlich immer wieder Grundberührungen. Mit der 24.581 BRT großen Kaiserin Auguste Victoria für die HAPAG und der 25.570 BRT großen George Washington für den Norddeutschen Lloyd wurden 1906 die größten Schiffe der Stettiner Werft erbaut. Damit war die Grenze der Schiffsgröße in Stettin erreicht.
Um weiter im Großschiffbau tätig sein zu können, wurde 1905 beschlossen, in Hamburg ein Tochterunternehmen zu gründen. Die Arbeiten dort begannen 1907 und im Juni 1909 wurde die Werft in Hamburg-Ross von Kaiser Wilhelm II. persönlich eingeweiht. Zu Beginn existierten zwei Helgen, auf denen 1910 mit dem Passagierschiff Imperator und dem Linienschiff Friedrich der Grosse die ersten Neubauten begonnen wurden. Weiterhin gab es bereits zwei Schwimmdocks.
Im Jahre 1911 wurde Hamburg zum Hauptsitz des Unternehmens, was auch eine Änderung des Namens in Vulcan Werke Hamburg und Stettin Actiengesellschaft zur Folge hatte; ab ca. 1913 wurde die Schreibweise Vulkan verwendet.
Die Zahl der Arbeiter und Angestellten stieg im Laufe der Zeit stark an. 1870 hatte der Vulcan eine Belegschaft von 1.800 Mitarbeitern, 1909 waren es bereits 8.000 und Ende des ersten Weltkrieges dann etwa 20.000 zusammen an beiden Standorten.
Zwischen 1871 und 1911 sind insgesamt 110 Kriegsschiffe gebaut worden, darunter eine große Anzahl für die chinesische, japanische, russische und griechische Marine. Während des Ersten Weltkriegs waren die Vulcan-Werften weitgehend mit Rüstungsaufträgen für die Kaiserliche Marine beschäftigt, die Hamburger Werft ausschließlich mit militärischen Arbeiten.
In der Nachkriegszeit konnte beide Vulcan-Standorte nicht mehr an die Vorkriegserfolge anknüpfen, weil der Bau von Kriegsschiffen durch den Versailler Vertrag untersagt war. 1926 bis 1928 wurden die Vulcan-Werke Teil der Deutschen Schiff- und Maschinenbau AG (Deschimag). Die Sparte Lokomotivbau wurde gänzlich abgetrennt und ging 1928 an Borsig in Berlin. Insgesamt wurden bei Vulcan 4.002 Lokomotiven gebaut.
Die Stettiner Werft wurde 1928 geschlossen, der schiffbauliche Teil des Hamburger Betriebes wurde Ende 1929 an die Kieler Howaldtswerke AG verkauft. Mit dem Stettiner- und Hamburger Vulcan verschwanden damit große Namen der deutschen Schiffbaugeschichte.
Im Jahre 1939 wurde der Versuch gemacht, durch eine Neugründung auf dem alten Vulcan-Gelände in Stettin-Bredow den Schiffbau wieder aufzunehmen. Bis 1945 wurden insgesamt 34 Schiffe, hauptsächlich U-Boote, gebaut. Diese aber nur teilweise fertiggestellt.
Schiffe der Vulcan-Werft Stettin (Auswahl)
(Jahreszahlen beziehen sich auf Stapellauf/Indienststellung)
- 1872-74, Spierentorpedodampfer Notus, Zephir und Rival für die Kaiserlich-Deutsche Marine
- 1876, Bau Nr. 66, Panzerkorvette Preussen
- 1877/1878, Bau Nr. 77, Kreuzerkorvette Stosch der Bismarck-Klasse für die Kaiserliche Marine, 1907 abgewrackt. Hierbei handelte es sich um als Vollschiffe getakelte Korvetten mit zusätzlicher Expansionsmaschine, bewaffnet mit 10x15-cm-Ringkanonen und 2x8,8-cm-Schnellfeuerkanonen
- 1877/1878, Bau Nr. 74, Panzerschiff Sachsen der Sachsen-Klasse (insgesamt 4 Schiffe) für die Kaiserliche Marine, nach dem Ersten Weltkrieg abgewrackt; Diese Schiffe waren ausgerüstet mit 2 Einfach-Expansionsmaschinen, 2 Schrauben und 4 im Quadrat angeordnete Schornsteine, die Hauptbewaffnung bestand aus 6x26-cm-Geschützen und 3 Torpedorohren
- 1880, Bau Nr. 88, Glattdeckskorvette Olga für die Kaiserliche Marine
- 1882, Bau Nr. 114, Passagierdampfer Rugia für HAPAG, 1905 abgewrackt
- 1883, Bau Nr. 100, Panzerschiff Ting Yuen für die Kaiserlich-Chinesische Marine, 1895 im Chinesisch-Japanischen Krieg von japanischen Torpedobooten versenkt
- 1884/1885, Bau Nr. 132, Panzerschiff Oldenburg für die Kaiserliche Marine, 1919 abgewrackt
- 1891/1892, Linienschiffe Brandenburg und Weißenburg der Brandenburg-Klasse für die Kaiserliche Marine, Weißenburg wurde 1910 an die türkische Marine verkauft
- 1895, Bau Nr. 217, Passagierdampfer Palatia für die HAPAG, 1920 als russische Norodovoletz in Petrograd gekentert, 1925 abgewrackt
- 1896/1898, Bau Nr. 235, Großer Kreuzer Hansa für die Kaiserliche Marine
- 1896/1896, Bau Nr. 231, Passagierdampfer Friedrich der Grosse für den Norddeutschen Lloyd Bremen (NDL) war das erste über 10.00 BRT grosse Passagierschiff Deutschlands, 1917 von USA beschlagnahmt, 1922 vor Los Angeles in Brand geraten, danach Wrack versenkt
- 1895/1897, Bau Nr. 234, Schnelldampfer Kaiser Wilhelm der Grosse für den NDL, mit 14.349 BRT das damals weltweit größte Schiff. Die Schiffstaufe erfolgte in Anwesenheit des Taufpaten Kaiser Wilhelms und etwa 30.000 Zuschauern, die Kaiser Wilhelm der Grosse gewann 1898 als erstes deutsches Schiff das Blaue Band, ab 1914 Hilfskreuzer der Kaiserlichen Marine, noch im selben Jahr vor Spanisch-Westafrika vom britischen Kreuzer Highflyer gestellt und versenkt
- 1899, Bau Nr. 241, Passagierdampfer Patricia für die Hapag, ab 1919 US-Truppentransporter,1921 in England abgewrackt
- 1900/1900, Bau Nr. 244, Schnelldampfer Deutschland für die HAPAG, gewann auf seiner Jungfernfahrt das Blaue Band; 1909 umfangreiche Umbauarbeiten und aus Wirtschaftlichkeitsgründen Reduzierung der Antriebsleistung von 37.800 PSi auf 15.000 PSi; Umbenennung in Victoria Louise später in Hansa; 1914 Umrüstung zum Hilfskreuzer, wegen zu geringer Antriebsleistung jedoch nicht eingesetzt
- 1901, Bau Nr. 248, Linienschiff Mecklenburg der Wittelsbach-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1902/1903, Bau Nr. 250, Schnelldampfer Kaiser Wilhelm II für den NDL; 1917 von USA beschlagnahmt, 1940 in Boston abgewrackt.
- 1903, Bau Nr. 257, Kanonenboot Eber der Iltis-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1903- 1904, Kleine Kreuzer Hamburg und Lübeck der Bremen-Klasse für die Kaiserliche Marine, die Hamburg wurde 1944 durch Fliegerbomben versenkt und 1956 abgewrackt; die Lübeck wurde 1920 an England ausgeliefert und 1922/23 abgewrackt
- 1905, Linienschiff Pommern der Deutschland-Klasse für die Kaiserliche Marine, 1916 in der Skagerrakschlacht durch Torpedotreffer eines englischen Zerstörers versenkt, 839 Tote
- 1905/1906, Bau Nr. 264, Passagierdampfer Kaiserin Auguste Victoria für die HAPAG
- 1907, Leichter Kreuzer Stettin der Stettin-Klasse für die Kaiserliche Marine, 1920 an England ausgeliefert und dort verschrottet
- 1908/10, Linienschiff Rheinland der Nassau-Klasse für die Kaiserliche Marine, 1921 in Holland abgewrackt
- 1922/1923, Bau Nr. 669, Passagierdampfer München für den NDL, ab 1935 als General von Steuben (ab 1938 nur noch Steuben) ausschließlich für Kreuzfahrten eingesetzt, 1945 als Lazarettschiff von sowjetischem U-Boot versenkt, ca. 3.000 Tote
Schiffe der Vulcan-Werft Hamburg (Auswahl)
- 1911/1912, Bau Nr. 310, Linienschiff Friedrich der Grosse der Kaiser-Klasse für die Kaiserliche Marine, von 1912 bis 1916 Flottenflagschiff, 1916 Teilnahme an der Skagerrak Schlacht, 1919 in Scapa Flow selbstversenkt, 1936 gehoben und verschrottet
- 1912/1913, Bau Nr. 314, Schnelldampfer Imperator für die HAPAG, die Imperator war mit 52.117 BRT seinerzeit das größte Schiff der Welt, 1914 in Hamburg aufgelegt, 1919 als Transporter an die US-Navy ausgeliefert, 1938 in New York teilweise ausgebrannt und danach abgewrackt
- 1913/1914, Bau Nr. 334, Passagierdampfer Cap Trafalgar für die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrts-Gesellschaft (Hamburg-Süd), 1914 zum Hilfskreuzer umgerüstet, noch im selben Jahr vor Trinidad vom britischen Hilfskreuzer Carmania versenkt
- 1915 bis 1918, Bau von insgesamt 68 U-Booten der Typen UC,UB und UE
- 1915, Bau von 25 Torpedobooten für die Kaiserliche Marine
- 1915 – 1916, Bau von 9 Zerstörern für die Kaiserliche Marine
- 1917, Bau Nr. 386, Linienschiff (Schlachtschiff) Württemberg, nicht mehr fertiggestellt
- 1922, Kombischiff Cap Norte für die Hamburg-Süd
Literatur
Armin Wulle, Der Stettiner Vulcan, Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Herford 1989, ISBN 3-7822-0475-1
Dieter Grusenick, Lokomotivbau bei der Stettiner Maschinenbau AG Vulcan, Verlag B. Neddermeyer VBN, Berlin 2006
Arnold Kludas, Die Geschichte der Deutschen Passagierschiffahrt 1850 - 1990 , Ernst Kabel Verlag GmbH, Hamburg 1986
Einzelnachweise