Mutterkorn

längliche, kornähnliche Dauerform des Mutterkornpilzes
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Mutterkorn (Secale cornutum) ist ein Pilz (Claviceps purpurea), der auf den Ähren von Roggen und einigen anderen Getreidearten wie Triticale, Weizen, seltener auf Gerste oder Hafer und Gräsern wächst. Er produziert giftige Alkaloide (zum Beispiel Ergotamin), die zu Darmkrämpfen, zum Absterben von Fingern und Zehen aufgrund von Durchblutungsstörungen und zu Halluzinationen führen können. 5 bis 10 Gramm Mutterkorn können für einen Erwachsenen tödlich sein. Der Name weist auf die Beziehung zur Gebärmutter hin, denn die Inhaltsstoffe (insbesondere Ergometrin) regen die Wehen an. Aus diesem Grund wurde der Pilz auch für Abtreibungen verwendet. Die Alkaloide können aber auch medizinisch eingesetzt werden, beispielsweise zum Blutstillen nach der Geburt, Bluthochdruck oder Migräne. Aus dem Pilz kann Lysergsäure gewonnen werden, aus der die Droge LSD hergestellt werden kann. Andere gebräuchliche Namen sind Purpurroter Hahnenpilz und Ergot oder auch Krähenkorn und Hahnensporn, die sich auf die äußere Form beziehen. Namen wie Hunger- oder Tollkorn lassen ahnen, dass vor allem in Notzeiten Erkrankungen an den Giften des Mutterkorns grassierten und den Menschen Schmerzen und Krämpfe bereiteten.

Mutterkorn
Weizenähre mit Mutterkorn
Datei:Roggen mit Mutterkorn1.jpg
Roggen mit Mutterkorn verunreinigt
Vorlage:Taxonomy
Vorlage:Classis: Schlauchpilze (Ascomycetes)
Vorlage:Subclassis: Sordariomycetidae (Sordariomycetidae)
Vorlage:Ordo: Hypocreales (Hypocreales)
Vorlage:Familia: Clavicipitaceae ( Clavicipitaceae)
Vorlage:Genus: Claviceps (Claviceps)
Vorlage:Species: Mutterkorn (Claviceps purpurea)
Variationen
  • Var. agropyri
  • Var. purpurea
  • Var. spartinae
  • Var. wilsonii


Kurzinfo
Giftpilz

Hauptsächlich im Mittelalter führte mit Mutterkorn verseuchtes Getreide immer wieder zu massenhaften Vergiftungen ganzer Dörfer und Städte. Die damals als Antoniusfeuer bezeichnete Krankheit wurde, dem damaligen Aberglauben folgend, Hexen zugeschrieben, was wiederum Hexenverfolgungen auslöste. Erst 1676 sah man einen Zusammenhang zwischen den Vergiftungen und dem Pilz.

Pieter Brueghel der Ältere hat in seinem berühmten Bild »Der Kampf zwischen Karneval und Fasten« (Kunsthistorisches Museum Wien) an Ergotismus erkrankte Personen dargestellt. Auch im Isenheimer Altar ist im Ausschnitt: "Versuchung des Antonius" eine Person mit dem Krankheitsbild des »Heiligen Feuers« zu sehen.

Im 19. Jahrhundert gehörten Mutterkornvergiftungen größtenteils der Vergangenheit an, doch ab und zu gab es auch noch im 20. Jahrhundert Fälle, der letzte trat 1951 in Frankreich auf und forderte etwa 300 Opfer.

Die Wirkungsweisen der Mutterkorn-Alkaloide im Stoffwechsel von Mensch und Tier sind hochkomplex. Im Folgenden werden Werte genannt, die nach dem Stand der Wissenschaft gelten (bei Getreide in Gewichts-%, bei Lebensmitteln in µg Gesamtalkaloide/kg). Es werden verschiedene Sicherheitsniveaus genannt:

  • No-toxic-effect-level: Für den Menschen werden nach einer Risikoabschätzung von Toxikologen bis zu 0,1 mg/kg Körpergewicht als zuträgliche tägliche Maximal-Dosis genannt. Das entspricht 0,5-1,5% (bei 25–75 kg Körpergewicht) beziehungsweise 10 000 bis 30 000 µg Gesamtalkaloid/kg.
  • No-problem-level: 0,1% beziehungsweise 2 000 µg/kg. Dieser Wert wird in der wissenschaftlichen Literatur weitgehend übereinstimmend angegeben und ist so auch als Grenzwert in der Futtermittel-Verordnung festgelegt.
  • No-intervention-level (Orientierungs- beziehungsweise Eingriffswert, aber nicht: Höchstwert): In der EU-Verordnung für den Ankauf von Interventionsgetreide wird als Qualitätskriterium ein Wert von maximal 0,05% beziehungsweise 1 000 µg/kg genannt.

(Quelle: GMF, Bonn)

In der Landwirtschaft kann bereits einem Mutterkornbefall vorgebeugt werden:

  • Wahl widerstandsfähiger Sorten
  • Beimischung von Populationsroggen zu Hybridroggen
  • nur geringer Einsatz von Wachstumsregulatoren
  • früher Aussaattermin
  • größere Saatdichte
  • regelmäßiges Mähen der Feldränder

Da der Verzehr von ungereinigtem, rohem Getreide die größten Risiken birgt, wird dringend empfohlen, nur gereinigtes Getreide zu verzehren. Mutterkorn kann in der Mühle nach Form, Größe, spezifischem Gewicht und neuerdings durch Farbausleser (zum Beispiel Sortex) entfernt werden. Letztere Methode ist die zuverlässigste Methode, die jedoch mit hohen Investitionskosten für die Farbauslesegeräte verbunden ist. Daher besitzten in der Regel nur große Mühlen eine solche Ausstattung. Generell verursacht ein hoher Mutterkornbefall meist hohe Kosten in Form des sogenannten "Reinigungsabganges". Bei hohem Mutterkornbefall können Abgänge von bis zu 30% entstehen.