Geodäsie (griechisch γη = Erde, δαιζω = ich teile), ist jene Geowissenschaft, die sich mit der Vermessung der Erdoberfläche und ihrer Objekte sowie dem Erdschwerefeld beschäftigt. Sie wird deshalb auch Vermessungskunde oder Vermessungswesen genannt.
In der wissenschaftlichen Systematik stellt die Geodäsie einerseits das Bindeglied zwischen Astronomie und Geophysik dar, andrerseits sind viele ihrer Verfahren der Technik zuzuordnen. Im englischen Sprachraum wird dem durch eine Unterscheidung zwischen Geodesy und Surveying Rechnung getragen. In der Mathematik verwendet man den Begriff "geodätisch" für lokal kürzeste Verbindungen zwischen Punkten auf gekrümmten Flächen, siehe Geodäte.
Geschichte
Ihren Ursprung hat die Geodäsie in der Notwendigkeit, Land aufzuteilen, Eigentumsgrenzen zu definieren und Landesgrenzen zu dokumentieren. Die Geschichte der Geodäsie reicht bis in das alte Ägypten zurück.
Bemerkenswert war die Erdmessung des Eratosthenes von Siene (200 v. Chr.). Dabei wurde der Erdumfang immerhin in der richtigen Grössenordnung bestimmt. Zu wichtigen Marksteinen gehören auch die Entwicklung von Messinstrumenten im Arabien des 11. Jahrhunderts und in Nürnberg, die Erfindung der Winkelfunktionen (Indien, Peuerbach) und der Triangulation (Snellius um 1615), die Einführung des Meters und in neuerer Zeit die Nutzung von Schweremessungen und von Erdsatelliten.
Grundlagen und Teilgebiete
Die Geodäsie liefert mit ihren Vermessungsergebnissen (z.B. aus Kataster- und Landesvermessung, Ingenieurgeodäsie, Fotogrammetrie und Fernerkundung) die Grundlagen für zahlreiche andere Fachgebiete und Tätigkeiten:
- im Bereich der Geowissenschaften z.B. für Geoinformatik und Kataster, für Landkarten, dabei insbesondere topografische Karten sowie thematische Karten (Geologie, Geophysik, Kartografie) und verschiedenste Dokumentationen, etwa der Archäologie.
- in der Technik vor allem für Architektur und Bauwesen, für verschiedene Ziviltechniker, den Ingenieurbau, die Geotechnik und diesbezügliche Informationssysteme.
Die so genannte Höhere Geodäsie (Erdmessung und Physikalische Geodäsie) beschäftigt sich unter anderem mit der Bestimmung von Geoid und Erdschwerefeld. Zur Geoidbestimmung werden verschiedene Messverfahren verwendet: Gravimetrie, 3-4 Methoden der Satellitengeodäsie und die Astrogeodäsie. Die Kenntnis der Schwere ist nötig, um ein genaues Höhensystem (z.B. bezüglich Normalnull NN) zu bilden. Eines der wichtigen Höhensysteme in Deutschland ist das DHHN.
Das Geoid dient auch dazu, Koordinatensysteme auf der Erdoberfläche zu definieren. Um kürzeste Linien auf dem Geoid (angenähert durch ein Referenzellipsoid) zu berechnen, benützt man die geodätische Linie, die auch in der Differentialgeometrie Anwendung findet. Das Geoid und Schwerefeld sind auch für Angewandte Geophysik und zur Berechnung von Satellitenbahnen wichtig.
Ebenfalls der Höheren Geodäsie ist der Bereich der Landesvermessung zuzuordnen, bei dem es um regionale Vermessungen und ihre Bezugssysteme geht. Diese Aufgaben wurden früher terrestrisch gelöst, nun aber zunehmend mit GPS und anderen Satellitenmethoden.
Eine interessante Anwendung von Geodäsie ist auch die Geodätische Kuppel, bei der man die Kugeloberfläche in Dreiecke unterteilt, um dadurch effiziente und stabile architekturale Kuppeln zu bauen.
Die so genannte Niedere oder Allgemeine Geodäsie widmet sich vor allem der Aufnahme von Lageplänen für Bauplanung und Dokumentation, der Aufnahme des Geländes und der Katastervermessung.
Wenn im Laufe der Zeit sich die Eigentumsverhältnisse der Grundstücke verkompliziert haben (durch Teilung beim Kauf und Verkauf oder Vererbung), dann wird eine sog. Bodenordnung notwendig. Ihr wichtigstes Instrument ist die Flurbereinigung, in Österreich Melioration genannt.
Die Ingenieurgeodäsie nimmt eine Zwischenstellung zwischen höherer und niederer Geodäsie ein. Ihre Arbeiten sind die Grundlage für das Bauwesen, für Landinformationssysteme und Leitungskataster oder für Überwachung rutschender Berghänge oder in der Geodynamik.
Bei der Erfüllung geodätischer Aufgaben im Untertage- und auch Übertage-Bergbau spricht man von Markscheidewesen oder Bergvermessung.
Zu den Spezialgebieten der Geodäsie zählen auch die Seevermessung und hydrografische Profile von Flüssen, die ozeanografische Altimetrie sowie Kooperationen im Bereich der Navigation.
Bedeutende Geodäten
- J. J. Baeyer
- Friedrich Wilhelm Bessel
- E. H. Bruns
- Lorand Eötvos
- Carl Friedrich Gauß
- Erwin Groten
- J. F. Hayford
- Weikko A. Heiskanen
- Friedrich Robert Helmert
- W. Jordan
- Pierre-Simon Laplace
- Adrien Marie Legendre
- Helmut Moritz
- H. H. Schmid
- Johann Georg von Soldner
- George Gabriel Stokes
- Friedrich Hopfner
Geodäten in der Literatur
- Franz K. (Das Schloß von Franz Kafka)
- Hauke Haien (Der Schimmelreiter von Theodor Storm)
- Der Landvermesser (Bunte Steine - Der Kalkstein von Adalbert Stifter
- Old Shatterhand (Winnetou 1. Teil von Karl May)
- Vermessungsrat a. D. Stürenburg in den Stürenburg-Geschichten von Arno Schmidt
Geodätische Referenzsysteme
- DHDN (Deutsches Hauptdreiecksnetz)
- DHHN (Deutsches Haupthöhennetz)
- DHSN (Deutsches Hauptschwerenetz)
- MGI Österr.Netz Erster Ordnung (siehe auch Hermannskogel)
- Schweregrundnetz von Österreich, Schweiz u. a.
- WGS84 (World Geodetic System) Ellipsoid (1984 definiert)
- ETRS'89 (European Terrestial Reference System 1989)
Messmethoden der Geodäsie
- Winkel- und Richtungsmessung
- Distanzmessung
- Höhenmessung
- Photogrammetrische Messung
- Satellitengeodätische Messungen
- Schweremessung (Gravimetrie)
Messverfahren im Detail
- Absteckung
- Astronomische Ortsbestimmung
- GNSS (Global Navigation Satellite System): Differential GPS (DGPS)
- Fernerkundung
- Freie Standpunktwahl oder Freie Stationierung
- relative und absolute Gravimetrie
- Gradiometrie
- Laserscanning
- Netzmessung
- Nivellement
- Polarpunktaufnahme
- Polygonierung (Polygonzug)
- Profilaufnahme
- Pseudoranging zu Satelliten
- Rückwärtsschnitt, Vorwärtsschnitt, Bogenschnitt
- SLR (Satellite Laser Ranging)
- SST (Satellite to Satellite Tracking)
- Spiegeln, Staffeln
- Triangulation, Trilateration
- VLBI (Very Long Baseline Interferometrie)
Wichtige Messinstrumente
- Theodolit
- Tachymeter
- Nivellier
- Gravimeter
- GNSS-Empfänger (GPS und GLONASS, Galileo-Empfänger)
- Messkammer (Photogrammetrie)
Spezial- und Hilfsgeräte der Geodäsie
- Basislatte
- Bussole
- Distanzer, EDM-Aufsatz
- Doppelpentagonprisma oder Doppelwinkelprisma
- Fluchtstab oder Fluchtstange
- Kombinationsempfänger für GPS und ähnliche Verfahren (GLONASS, Galileo)
- Kreiselkompass
- LaserDisto
- Laserscanner
- Lasertracker
- Lattenrichter
- optisches Lot
- Meridianrichtungskreisel
- Messband oder Maßband
- Messlatte
- Nivelliergerät
- Prisma bzw. Reflektor
- Schlagschnur
- Schlauchwaage
- Senkblei (Senkel, Schnurlot, mechanisches Lot)
- Sextant
- Stativ (Holz, Metall)
- Tachymeter (analog und digital)
- Vermarkungsmaterial
- historische Geräte der Antike:
- historische Geräte der Neuzeit:
Rechenverfahren und Hilfsmittel der Geodäsie
- Geodätisches Rechnen
- Helmert-Transformation
- Mathematische Geodäsie
- Ausgleichungsrechnung
- geodätische Software, Vermessungs-Software
- digitaler Kataster und Grundbuch
- Geoinformationssysteme (GIS) und LIS incl. Leitungskataster
- Koordinaten-Datenbanken, digitale Terrainmodelle (DTM)
- IGS (International GPS Service)
- SAPOS und andere Satellitenpositionierungs-Dienste
Ergebnisse Geodätischer Arbeiten
- Festpunktfelder für Lage, Höhe und Schwere
- Lage- und Höhenkoordinaten von Objektpunkten und Vermessungspunkten
- Dimensionen und Ausrichtung von Objekten
- Deformationen von Objekten (siehe Geodynamik und Geotechnik)
- Karten und Pläne
- unmaßstäbliche Darstellungen, z.B. Perspektive Ansichten
- Orthofotos
- Daten für Geo-Informationssysteme
- Digitale Geländemodelle
- Visualisierung technischer Objekte.
Amtliche Vermessung
- Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (Deutschland)
- Landesvermessungsämter (Deutschland)
- Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen BEV Wien (für Österreich)
- Bundesamt für Landestopografie (swisstopo)
- Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure (Deutschland außer Bayern)
Literatur
- Vermessungskunde und Grundlagen der Statistik für das Bauwesen / Bertold Witte u. Hubert Schmidt / Wichmann, Heidelberg 2004 5. Aufl. / Erstaufl. 1989 / ISBN 3-87907-418-6
- Lehrbuch Vermessung-Grundwissen / Bettina Schütze, Andreas Engler, Harald Weber ISBN 3-936203-00-8
- Auswertung geodätischer Überwachungsmessungen / Walther Welsch, Otto Heunecke u. Heiner Kuhlmann / In Handbuch Ingenieurgeodäsie / Michael Möser, Gerhard Müller, Harald Schlemmer und Hans Werner (Hrsg.) Wichmann, 2000 / ISBN 3-87907-295-7
Weblinks
- http://www.dgfi.badw.de/ Deutsches Geodätisches Forschungsinstitut (DGFI) in München
- WBVK e.V. - Forum des Vereins zur Förderung der Weiterbildung im Vermessungswesen und der Kartographie
- http://www.adv-online.de/ Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV)
- http://www.bev.gv.at/ BEV-Wien
- Übersicht: Messverfahren (Uni Hannover)
- http://www.vermessungsseiten.de Vermessungsseiten der JOBELMANN-SCHULE, stellen u.a. Messverfahren und Messinstrumente vor
- http://www.xdesy.de Informationen zum terrestrischen 3D-Laserscanning (Marktübersicht), Freeware Xdesy (Ausgleichungsprogramm)
- http://www.agua-nrw.de Austauschplattform der Arbeitsgemeinschaft der Geschäftsstellen der Umlegungsausschüsse in Nordrhein-Westfalen (AGUA-NRW)
- http://www.profivermessung.com Web-Verzeichnis für alle, die mit der Geodäsie-Branche zu tun haben. Verschiedene Themen rund um Vermessungssysteme und Zubehör.
- http://www.mapref.org The Collection of Map Projections and Reference Systems for Europe - Zusammenstellung Europäischer Referenzsysteme und Kartenprojektionen
Geodätische Institute im deutschsprachigen Raum:
- Aachen: Das Geodätische Institut der RWTH Aachen
- Berlin: Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik der TU Berlin
- Bonn: Geodätisches Institut der Universität Bonn
- Braunschweig: Institut für Geodäsie und Photogrammetrie der TU Braunschweig
- Darmstadt: Geodätisches Institut der TU Darmstadt
- Dresden: Geodätischen Institut der TU Dresden
- Graz: Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der Technische Universität Graz
- Hannover: Geodätisches Institut der Universität Hannover
- Karlsruhe: Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe (TH)
- München: Lehrstuhl Geodäsie der TU München
- München: Geodätisches Institut der UniBw
- Stuttgart: Institut für Anwendungen der Geodäsie im Bauwesen der Universität Stuttgart
- Wien: Institut für Geodäsie und Geophysik der TU Wien
- Zürich: Geodetic Metrology and Engineering Geodesy an der ETH Zürich
Institute für Markscheidewesen (Geodäsie im Bergbau) im deutschsprachigen Raum:
- Freiberg: Institut für Markscheidewesen und Geodäsie an der Technische Universität Bergakademie Freiberg
- Clausthal-Zellerfeld: Institut für Geotechnik und Markscheidewesen an der Technischen Universität Clausthal
- Aachen: Institut für Markscheidewesen,Bergschadenkunde und Geophysik im Bergbau an der RWTH Aachen
- Leoben: Institut für Markscheide- und Bergschadenkunde an der Montanuniversität Leoben