Weimarer Republik

Bezeichnung für Deutschland in der Periode 1918/1919 bis 1933
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Als Weimarer Republik wird die von 1919 bis 1933 dauernde Ära der deutschen Geschichte bezeichnet. Sie wurde nach Weimar, dem ersten Tagungsort der Nationalversammlung benannt, die 1919 dem Deutschen Reich eine republikanische, d. h. parlamentarisch-demokratische Verfassung gab. Sie trat am 11. August 1919 in Kraft, nachdem sie mit 262 zu 75 Stimmen von der Nationalversammlung verabschiedet worden war. Weimar wurde als Tagungsort gewählt, da Berlin damals immer wieder von revolutionären Unruhen erschüttert wurde.

Die Weimarer Republik war der erste Versuch eine liberale Demokratie nach westlichem Muster in Deutschland zu etablieren. Dieser Versuch scheiterte letztlich mit der Machtübername durch die NSDAP, die zum Dritten Reich führte. Die schon unter Zeitgenossen verbreitete These, der Staat von Weimar sei eine "Republik ohne Republikaner" gewesen, ist nur bedingt richtig, weist aber auf ein wesentliches Strukturproblem hin: Es gab keinen tragfähigen Verfassungskonsens, der alle Teile des politischen Spektrums von rechts bis links eingebunden hätte.

Die Parteien der "Weimarer Koalition" (SPD, Zentrum und DDP) - so genannt, weil sie in sich in der Weimarer Nationalversammlung zu einem Regierungsbündnis vereinigt hatten - verloren die absolute Mehrheit bereits mit der ersten Reichstagswahl von 1920, um sie nie mehr wieder zu erlangen: dies war ein böses Omen. In 14 Jahren gab es 20 Kabinettswechsel; 11 Minderheitenkabinette regierten abhängig von der Gnade des Reichspräsidenten und mit Hilfe des Artikels 48 der Verfassung; meistens bevölkerten den Reichstag bis zu 17 verschiedene Parteien - selten sind waren weniger als 11.

Die junge Demokratie trat ein schweres Erbe an:

  • Verwaltung und Justiz rekrutierten sich aus dem Personal der Kaiserzeit, auf eine grundlegende Demokratisierung des Beamtenapparats wurde verzichtet - nur das größte Land Preußen bildete eine Ausnahme. Viele Richter urteilten politisch voreingenommen: rechte Straftäter konnten mit wesentlich milderen Urteilen rechnen als linke - was bereits der zeitgenössische Statistiker Emil Julius Gumbel nachwies.
  • Im Ebert-Groener-Pakt unterstellte sich die Heeresführung der neuen Regierung und sicherte ihr gleichzeitig militärische Unterstützung gegen linksradikale Revolutionäre zu. Die spätere Reichswehr entzog sich jedoch unter dem Kommando des Generals Hans von Seeckt weitgehend der demokratischen Kontrolle und führte eine abgesonderte Parallelexistenz als "Staat im Staate".

Die Weimarer Geschichte lässt sich in drei Phasen gliedern:

  • Erste Phase von 1918/1919 bis 1923: Die Krisenjahre
  • Zweite Phase von 1924 bis 1929: Das beste Jahrfünft
  • Dritte Phase von 1930 bis 1933: Agonie und Ende

Die Krisenjahre

Von Anfang an stand die junge Republik unter dem Trommelfeuer der Angriffe der extremen Rechten und Linken. Die Linke warf den Sozialdemokraten wegen ihres Zusammengehens mit den alten Eliten Verrat an den Idealen der Arbeiterbewegung vor; die Rechte machte die Anhänger der Republik für die Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich und verunglimpfte sie als "Novemberverbrecher" (s. auch Dolchstoßlegende , Novemberrevolution.

Der Kapp-Putsch vom März 1920 stellte die Republik auf eine erste Belastungsprobe. Freikorps unter General von Lüttwitz besetzten das Berliner Regierungsviertel und ernannten den ehemaligen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp zum Reichskanzler. Die legale Regierung zog sich nach Dresden zurück und rief von dort aus zum Generalstreik gegen die Putschisten auf. Damit war der Putsch gescheitert; entscheidend für die Niederlage war die Weigerung der Ministerialbürokratie, den Anordnungen Kapps Folge zu leisten - die Reichswehr hatte sich abwartend verhalten (Seekt: "Truppe schießt nicht auf Truppe").

Nahezu gleichzeitig mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch erschütterte ein kommunistischer Aufstandsversuch das Ruhrgebiet; er wurde von Reichswehr und Freikorps blutig niedergeschlagen. Weitere Aufstände in Sachsen, Thüringen und Hamburg wurden genauso blutig unterdrückt.

Einen geringfügigen Verzug bei den Reparationslieferungen nahmen die französische und belgische Regierung zum Anlass, das Ruhrgebiet zu besetzen (Politik der "produktiven Pfänder"). Dies löste einen Aufschrei nationaler Empörung im Deutschen Reich aus; die Reichsregierung unter dem parteilosen Kanzler Wilhelm Cuno rief die Bevölkerung zum "passiven Widerstand" auf: Betriebe und Behörden sollten den Anordnungen der Besatzer keine Folge leisten. Streiks und Vergeltungsmaßnahmen der Besatzungsmächte lähmten die Wirtschaft, die Transferzahlungen heizten die Inflation weiter an, so dass der neue Reichskanzler Gustav Stresemann den passiven Widerstand abbrechen musste. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden der Ruhrbesetzung belief sich auf 3,5 bis vier Milliarden Goldmark. Der Wert der Papier-Mark fiel immer schneller. Am 3. September stand der Wechselkurs für einen amerikanischen Dollar noch bei knapp zehn Millionen Mark, Ende des Monats waren es dann schon 160 Millionen Mark, wenig später kostete ein Dollar Milliarden- und Billionenbeträge. Aus der Inflation wurde eine Hyperinflation. Erst die Einführung der "Rentenmark" (1 Rentenmark = 1 Billion Papiermark bei 4,20 Rentenmark für den Dollar) beendete den Spuk. Zu den Geschädigten der Inflation gehörten vor allem die kleinen Sparer und Rentenbezieher; Sachwertbesitzer und Industrielle (wie Hugo Stinnes), die Kredite mit fast wertlosem Geld zurückzahlen konnten, profitierten.

Mittlerweile hatte sich Bayern als Sammelbecken aller rechtskonservativen und -radikalen Kräfte im Deutschen Reich etabliert; von dieser "Ordnungszelle" aus strebten sie an, Deutschland vom "marxistischen Chaos" zu befreien. Der von der bayerischen Regierung zum Generalstaatskommissar (mit diktatorischen Vollmachten) ernannte Gustav Ritter von Kahr und der bayerische Wehrkreiskommandeur Otto von Lossow spielten eine zweideutige Rolle im von Adolf Hitler nach italienischem Vorbild geplanten "Marsch auf Berlin" (s. auch Hitlerputsch).

Das beste Jahrfünft (die "goldenen Jahre")

Die Neuordnung der Währung und die im Gefolge des Dawes-Plans ins Land strömenden amerikanischen Kredite leiteten eine Phase relativer wirtschaftlicher und politischer Stabilisierung ein. Dazu trug bei, dass Stresemann unter wechselnden Regierungen Außenminister blieb und mit seinem französischen Kollegen Aristide Briand eine erste noch vorsichtige Politik der Annäherung einleitete. Gleichzeitig versuchte er, eine schrittweise Revision des Versailler Vertrages zu erreichen und Deutschland wieder als gleichberechtigten Partner in die internationale Gemeinschaft zurück zu führen. Die Aufnahme in den Völkerbund und die Verträge von Locarno sind als erste Erfolge auf diesem Wege anzusehen. Mit dem Berliner Vertrag, der ein deutsch-sowjetisches Freundschafts- und Neutralitätsbündnis darstellte, versuchte der Reichsaußenminister sowjetischen Befürchtungen über eine einseitige deutsche Westbindung und deutscher, in dieselbe Richtung zielender Kritik, entgegenzuwirken.

Weitere Stationen auf dem Weg der Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern bildeten die Unterzeichnung des Briand-Kellogg-Pakts, der die Ächtung des Kriegs als Instrument der Politik zum Inhalt hatte und - trotz erheblicher Widerstände von rechter Seite - die Annahme des Young-Plans, der eine endgültige Regelung des Reparationsfrage darstellte und Voraussetzung für die vorzeitige Räumung des Rheinlands von alliierter Besatzung war.

Innenpolitisch gelang es die republikfeindliche Deutschnationale Volkspartei (DNVP) in die Regierungsverantwortung einzubinden. Auch die Wahl des greisen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg 1925 zum Reichspräsidenten wirkte sich eher stabilisierend für die Demokratie aus. Der Nachfolger des Sozialdemokraten Friedrich Ebert füllte sein Amt gemäß den Grundsätzen der Verfassung aus und dachte nicht daran, eine Restauration der Monarchie einzuleiten.

Agonie und Ende

Dennoch waren alle Hoffnungen auf eine langfristige Stabilisierung der ersten deutschen Demokratie auf Sand gebaut. Der Tod Gustav Stresemanns im Oktober 1929 markiert den Anfang vom Ende der Weimarer Republik.

In der DNVP hatten sich die stramm antirepublikanischen Kräfte um den Medienzaren Alfred Hugenberg durchgesetzt, der zusammen mit Hitler und Franz Seldte vom Stahlhelm 1929 den Volksentscheid gegen den Young-Plan initiierte. Der Volksentscheid scheiterte zwar, machte aber die Nationalsozialisten in weiten Kreisen des konservativen Bürgertums salonfähig.

Von entscheidender Bedeutung für die Radikalisierung der Politik, war schließlich die Weltwirtschaftskrise, die Deutschland sehr viel härter traf als andere europäische Staaten. Nach dem Börsenkrach an der Wall Street wurden kurzfristige Auslandskredite aus Deutschland abgerufen. Daraufhin brach die ohnehin schon schwache deutsche Wirtschaft völlig zusammen; es kam zu Massenarbeitslosigkeit. Die von dem Sozialdemokraten Hermann Müller geführte Große Koalition zerbrach über der Frage einer Beitragserhöhung für die Arbeitslosenversicherung. Da es keine Mehrheit für eine arbeitsfähige Regierung gab, beauftragte Reichspräsident Hindenburg den Zentrumspolitiker Heinrich Brüning mit der Bildung einer Minderheitsregierung, die nur gestützt auf das Vertrauen des Präsidenten und dessen Recht zum Erlass von Notverordnungen und zur Auflösung des Reichstags regieren konnte. Die Wahlen vom September 1930 brachten den Nationalsozialisten einen erdrutschartigen Zulauf: sie konnten ihre Stimmenzahl auf 18,3 % steigern und wurden damit zur zweitstärksten Partei. Jetzt gab es nicht einmal mehr eine Mehrheit für eine Große Koalition im Reichstag, der zunehmend zum Forum für die Agitation rechter und linker Gegner der Republik wurde. Deutschland drohte in Bürgerkrieg und Chaos zu versinken: Straßen- und Saalschlachten zwischen der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA), dem kommunistischen Roten Frontkämpferbund (RFB) und den Verteidigern der parlamentarischen Demokratie, die sich im sozialdemokratisch dominierten Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold sammelten, gehörten von jetzt an zum täglichen Erscheinungsbild in Deutschland. Um eine weitere Stärkung der radikalen Flügelparteien zu verhindern, tolerierte die SPD im Reichstag weitgehend die auf Kürzung der Sozialausgaben basierende Spar- und Deflationspolitik Brünings. Kurz nach seiner Wiederwahl zum Reichspräsidenten, diesmal auch mit Unterstützung der SPD gegen seinen Gegenkandidaten Hitler, entließ Hindenburg Brüning als Reichskanzler. Der Kanzler wurde nach eigenem Bekunden "hundert Meter vor dem Ziel" gestürzt, wobei er sein Ziel in der Gleichberechtigung Deutschlands und der endgültigen Aufhebung der Reparationen sah - innenpolitisch war er gescheitert. Sein Nachfolger Franz von Papen ersuchte Hindenburg sofort um Auflösung des Parlaments. Im sechsten Reichstag, der im Juli 1932 gewählt wurde, hatten die Nationalsozialisten 230 und die Kommunisten 89 von 608 Mandaten. Die beiden extremen Flügelparteien hatten damit eine negative Mehrheit erreicht, die jede parlamentarische Arbeit unmöglich machte. Papen löste den gerade erst gewählten Reichstag gestützt auf eine Order Hindenburgs wieder auf. Die Neuwahlen vom November des gleichen Jahres brachten zwar einen Rückgang der Stimmen für die NSDAP, aber wiederum keine regierungsfähige Mehrheit. Papen trat darauf hin zurück und wurde von General Kurt von Schleicher - der bis dahin im Hintergrund die Fäden gezogen hatte - als Reichskanzler abgelöst. Dessen ehrgeiziger Plan, eine breite Regierungsmehrheit von den Gewerkschaften bis zum linken Flügel der NSDAP um Gregor Strasser zu finden, scheiterte. Das letzte Bollwerk der Republik, die sozialdemokratisch geführte Regierung Preußens, war bereits im Juli 1932 durch den so genannten Preußenschlag zerschlagen worden.

Am 4. Januar 1933 traf sich Hitler zu Geheimverhandlungen mit Papen im Privathaus des Kölner Bankiers Kurt von Schröder. Sie vereinbarten eine Koalitionsregierung, der außer Hitler nur zwei weitere Nationalsozialisten, nämlich Wilhelm Frick als Innenminister und Hermann Göring als als Minister ohne Geschäftsbereich und Reichskommissar für Preußen, angehören sollten. Papen selbst war als Vizekanzler vorgesehen.

Hindenburg, der sich bis zuletzt gegen eine Kanzlerschaft des "böhmischen Gefreiten" Hitler gesträubt hatte, konnte mit dem Hinweis dass ein von einer konservativen Kabinettsmehrheit "eingerahmter" NSDAP-Führer nur eine geringe Gefahr bedeute, beruhigt werden. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 besiegelte das Ende der Weimarer Republik.

Verwaltungsgliederung

Länder der "Weimarer Republik" siehe Deutschland-Statistik (1925).


viele Texte und Bilder, teilweise auch Ton- und Videodokumente beim LeMO

Wichtige Persönlichkeiten

Parteien der Weimarer Republik

Literatur

Winkler, Heinrich August: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. C.H. Beck Verlag (1994) ISBN 3406376460.

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