Eine Stadt der Traurigkeit

Taiwanischer Spielfilm von Hou Hsiao-Hsien (1989)
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Film
Titel Eine Stadt der Traurigkeit
Originaltitel Bei qing cheng shi
Produktionsland Taiwan
Originalsprache diverse
Erscheinungsjahre 1989
Länge 158 Minuten
Stab
Regie Hou Hsiao-Hsien
Drehbuch T'ien-wen Chu,
Nien-Jen Wu
Produktion Fu-Sheng Chiu
Musik Tachikawa Naoki,
Zhang Hongzyi u. a.
Kamera Huai-en Chen
Schnitt Liao Qingsong
Besetzung

Eine Stadt der Traurigkeit (auch Die Stadt der Traurigkeit; chinesisch 悲情城市, Pinyin bēiqíng chéngshì) ist ein taiwanischer Spielfilm von Hou Hsiao-Hsien aus dem Jahr 1989.

Die Saga zeigt einen Abschnitt in der Familiengeschichte einer (fiktiven) einfachen Familie im ländlichen Taiwan ab 1945, deren Mitglieder zugleich Zeitzeugen einer bewegten Epoche waren. Der Zwischenfall vom 28. Februar war in Taiwan lange ein Tabuthema. Bei den Filmfestspielen von Venedig 1989 wurde Eine Stadt der Traurigkeit mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

Handlung

Der Film beginnt mit der Radioansprache „Gyokuon-hōsō“ von Kaiser Hirohito zur Kapitulation Japans am 15. August 1945 und der Geburt des Sohnes von Wen-heung Lin während eines Stromausfalls in Jioufen. Er wird den Namen Kang-ming (‚Licht‘) bekommen. Taiwan war die vergangenen 50 Jahre unter japanischer Herrschaft, bis die Kuomintang die Insel nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm.

Wen-heung Lin als ältester der vier Brüder der Lin-Familie tauft sein vormals im japanischen Stil gehaltenes Lokal auf „Klein Shanghai“, um vom Aufschwung nach dem Krieg zu profitieren. Charakterlich lautstark und der angehende Patriarch, aber er ist auch der einzige, der das Grab der Mutter regelmäßig besucht. Bei einem Umtrunk sinnieren sie über die überholten Flaggen, die jetzt nur noch als Unterwäsche taugen, und sie singen zum Fenster hinaus. Der zweite Bruder der Lins gilt seit dem Krieg als in den Philippinen vermisst. Der dritte Bruder, zurückgekehrt aus Shanghai und von einem Nervenzusammenbruch genesen, lässt sich mit Shanghaier Zigarettenschmugglern ein. Als der älteste der Brüder davon Wind bekommt, nimmt er die meiste Ware zu sich, und verbietet ihm die unsauberen Geschäfte. Die Kriminellen spielen ihre militärischen Verbindungen gegen den dritten Bruder aus, der als japanischer Kollaborateur angeklagt und eingekerkert wird. Als der älteste Bruder die Streitigkeiten mit den Shanghaiern beilegt, kann der dritte Bruder entlassen werden, kehrt aber als körperliches und psychisches Wrack zurück. Der jüngste Bruder, Wen-ching Lin, ist taubstumm und fotografiert gelegentlich, und hofft auf ein Fotostudio. Im Unterschied zu seinen Brüdern ist er kein Analphabet.

Wen-ching und seine jungen Kameraden sind überzeugt, der Sozialismus könnte für die Taiwaner ein optimales Werkzeug sein, Kolonialisten zurückzudrängen. Das Blutvergießen des Zwischenfalls vom 28. Februar, der Umschwung in der allgemeinen sozialen Lage und die Teuerung prägen das Leben der Familie. Der taubstumme Wen-ching wird mit Freunden verhaftet. Die Schüsse der Exekution eines Zellengenossen hört er nicht. Er überbringt den Hinterbliebenen später seinen letzten Willen. Sein bester Freund Hinoe musste aufgrund seiner oppositionellen Verbindungen in die Berge flüchten und sich den Guerillas anschliessen. Wen-ching folgt ihm und möchte partizipieren, lässt sich aber überzeugen, in der Heimat zu bleiben und für Hinoes Schwester, die Krankenschwester Hinomi, zu sorgen.

Später stirbt der älteste Bruder in einem Kampf mit einem Gast. Kurz nach dessen Beerdigung heiraten Wen-ching und Hinomi zeremoniell, indem sie sich voreinander und vor den Vorfahren verbeugen, und bald bekommen sie einen Sohn. Sie erhalten einen Brief sehr traurigen Inhalts: wohl, dass Hinoes Kommune aufgeflogen ist, und alle verhaftet worden sind. Der technische Fortschritt und die entstehenden Infrastrukturen im neuen Land zeigen sich an der Eisenbahn. Der Film schliesst 1949 mit einem pessimistischen Blick auf die kläglichen Überreste der Lin-Familie, deren Kampf um den einfachsten Lebensunterhalt weitergehen wird. Der Großvater speist mit den Kindern.

Die nationalchinesische Regierung geht nach Taipeh. Das Kriegsrecht bleibt in Kraft bis zum 15. Juli 1987.

Kritiken

„Ein ebenso behutsam wie souverän entwickelter, facettenreicher ‚Heimatfilm‘, der weniger daran interessiert ist, die historischen Zusammenhänge zu rekonstruieren, als auf einfühlsame Weise deren Auswirkungen auf die Menschen und ihre Empfindungen bis in die Gegenwart darzustellen.“

„vielleicht Hous schwierigster Film […] Ich war zu beeindruckt und zu furchtsam, ausführlich darüber zu schreiben […]“

Jonathan Rosenbaum: Movies as politics [2]

„nicht leicht verständlich beim ersten Anschauen. […] nur zum Teil, weil er so spezifisch taiwanische Angelegenheiten behandelt […] Amerikanischen Drehbuchautoren bringt man bei, das Ergebnis jeder Szene zu bringen, und dann weiterzugehen. […] Man muss nur seinen Metabolismus herunterkühlen, sich der Geschwindigkeit und den Bildern ergeben, und dem, was an Information auf der Leinwand ist. […Hou] erlaubt es dem Moment, aufzublühen“

Phillip Lopate: The New York Times [3]

„es gibt keine Höhepunkte […] Die Kamera zeichnet einfach auf […] Alles ist relevant“

www.talkingpix.co.uk [4]

„Eine fast hypnotische Präzision geht von Hou Hsiao-hsiens Filmen aus. […] das genaue Gegenteil von verfilmter Historie. Geschichte fließt bei ihm als Summe von privaten Momenten und Stimmungen in die Bilder ein.“

Anke Leweke: taz [5]

„Die Narration dieser Filme ist sehr stark de-dramatisiert […] eine höchst eigentümliche Mischung des Epischen und des Intimen […] Hous Fokus liegt immer auf den Menschen vor und über der Politik […] diese Leute sind im Herz der Geschichte und in dem des Films“

Adam Bingham: Cinetext [6]

Hintergründe

Die Produktion und vor allem der Erfolg des Films belebte die zeitweise nahezu vergessene Goldstadt Jioufen als Touristenattraktion wieder. [7]

Durchschnittliche Einstellungslänge (ASL): 43 Sekunden. [7]

Welturaufführung war am 4. September 1989 auf den Filmfestspielen Venedig. [7] Erstaufführung in der Bundesrepublik Deutschland war am 26. März 1992, die Erstausstrahlung im Fernsehen fand am 17. Oktober 1995 auf 3sat statt. [1]

Der taz sagte der Filmemacher: „Man trifft überall auf eine melancholische Grundstimmung, ob in den Familien oder auf den Straßen. Ohne dass man es merkt, hat man diesen traurigen Grundton einfach in den Knochen, wenn man in Taiwan aufgewachsen ist.“ [5]

Auszeichnungen und Nominierungen

Internationale Filmfestspiele von Venedig 1989

Independent Spirit Awards 1991

  • Nominierung Independent Spirit Award in der Kategorie Best Foreign Film für Hou Hsiao-Hsien

Kinema Junpo Awards 1991

  • Kinema Junpo Award in der Kategorie Best Foreign Language Film für Hou Hsiao-Hsien

Mainichi Film Concours 1999

  • Mainichi Film Concours in der Kategorie Best Foreign Language Film für Hou Hsiao-Hsien

Political Film Society 1990

Fünftbester chinesischer Film aller Zeiten bei den 24. Hong Kong Film Awards 2005.

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Filmdienst: Eine Stadt der Traurigkeit. In: Kabeleins Filmlexikon. SevenOne Intermedia GmbH
  2. Jonathan Rosenbaum: Movies as politics. University of California Press, Berkeley 1997, ISBN 0-520-20615-0 (google.com). S. 270: „It's propably Hou's most difficult film […] I was too intimidated by it and too fearful of misdescribing it to write about it at any length.“
  3. Phillip Lopate: FILM; A Master Everywhere Else Is Ready to Try America. In: The New York Times. 10. Oktober 1999, abgerufen am 26. September 2008 (englisch): „not easy to grasp in one viewing. […] only partly because he dwells so specifically on Taiwanese matters. […] American scriptwriters are taught to make one point per scene and move on. […] you need only slow down your metabolism and submit to the pace, the images, the information on screen. […] Mr. Hou […] allow the moment to flower“
  4. Howard Schumann: A City of Sadness. In: Talking Pictures. Abgerufen am 27. September 2008 (englisch): „there are no peak moments […] The camera simply records […] Everything is relevant“
  5. a b Anke Leweke: Meister der totalitären Totalen. In: taz. 10. August 2007, abgerufen am 26. September 2008.
  6. Adam Bingham: Cinema of Sadness: Hou Hsiao-hsien and 'New Taiwanese Film'. In: Cinetext. 1. November 2003, abgerufen am 26. September 2008 (englisch): „The narratives of these films are very much de-dramatized […] a highly idiosyncratic blend of the epic and the intimate […] Hou’s focus […] is always on the people over and above the politics. […] these people are at the heart of history as well as the film“
  7. a b c IMDb, siehe Weblinks.