Hamiltonkreisproblem

Berechnungsproblem in der Graphentheorie
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Das Hamiltonkreisproblem ist ein fundamentales, NP-vollständiges Problem der Graphentheorie. Es fragt, ob in einem gegebenen Graph ein sogenannter Hamiltonkreis existiert. Ein Hamiltonkreis ist dabei ein Kreis, der alle Knoten des Graphen enthält (und keinen Knoten zweimal durchläuft oder überschreitet).

Man unterscheidet das Gerichtete Hamiltonkreisproblem in gerichteten Graphen und das Ungerichtete Hamiltonkreisproblem in ungerichteten Graphen. Ein bekannter Spezialfall des Hamiltonkreisproblems ist das Problem des Handlungsreisenden, bei welchem nach einem kürzesten Hamiltonkreis in einem gerichteten Graphen mit Kantengewichten gefragt wird.

Geschichte

 
Das Dodekaeder, wie alle platonischen Körper, ist hamiltonsch.

Namensgeber des Problems ist der irische Astronom und Mathematiker Sir William Rowan Hamilton, der 1857 das Spiel "The Icosian Game" erfand (und später verbesserte zum "Traveller's Dodecahedron or A Voyage Round The World").

Der "Traveller's Dodecahedron" besteht aus einem hölzernen, regulären Dodekaeder, wobei die 20 Knoten mit Namen bekannter Städte assoziiert sind. Ziel ist es, eine Reiseroute entlang der Kanten des Dodekaeders zu finden, die jede Stadt genau einmal besucht und dort aufhört, wo sie beginnt.

Zunächst erscheint die Aufgabenstellung ähnlich dem 1736 von L. Euler (verneinend) gelösten Königsberger Brückenproblem, einem Spezialfall des Eulerkreisproblems und Grundsteinlegung der Graphentheorie. Während für das Eulerkreisproblem aber besonders effiziente Lösungs-Algorithmen existieren, ist bekannt, dass beide Varianten des Hamiltonkreisproblems besonders schwer algorithmisch lösbare Probleme sind. Sowohl die gerichtete als auch die ungerichtete Variante des Hamiltonkreisproblems gehört zur Liste der 21 klassischen NP-vollständigen Probleme, für die Richard Karp 1972 in seinem berühmten Artikel die Zugehörigkeit zu dieser Klasse von Problemen nachgewiesen hat.

Definitionen

Sei   ein Graph mit   Knoten (oder Ecken) und   Kanten.

  ist hamiltonsch, wenn er einen Hamiltonkreis zulässt, d.h., wenn es einen Kreis in   gibt, der alle Knoten aus   enthält. Ein Hamiltonpfad ist ein Pfad in  , der alle Knoten aus   enthält. Hat   Hamiltonpfade, jedoch keinen Hamiltonkreis, so ist   semihamiltonsch.

Zur Potenz eines Graphen: Für einen Graphen   und   bezeichnet   den Graphen auf  , bei dem zwei Knoten genau dann benachbart sind, wenn sie in   einen Abstand (oder Distanz)   haben. Offenbar gilt  .

Ist   ein Graph mit   Knoten und Knotengraden  , so nennt man das Tupel   die Gradsequenz (oder Valenzfolge) von  , welche eindeutig bestimmt ist. Ein beliebiges Tupel   natürlicher Zahlen heißt hamiltonsch, wenn jeder Graph mit   Knoten und punktweise größerer Gradsequenz hamiltonsch ist. (Eine Gradsequenz   ist punktweise größer als  , wenn   gilt für alle  .)

Wichtige Aussagen und Sätze

Welche Bedingungen an einen Graphen   mit   haben die Existenz eines Hamiltonkreises zur Folge? Besonders wichtige Theoreme sind folgend chronologisch aufgelistet:

G. A. Dirac (1952), der historische Ausgangspunkt der Entdeckung einer ganzen Reihe von Bedingungen:

Jeder Graph   mit mindestens Minimalgrad   hat einen Hamiltonkreis.

W. T. Tutte (1956):

Jeder 4-zusammenhängende planare (oder plättbare) Graph hat einen Hamiltonkreis.

Ø. Ore (1960):

Ist die Summe des Grades (oder Valenz) zweier nicht-adjazenter Knoten mindestens  , so ist   hamiltonsch.

Ø. Ore (1960):

Ist die Summe der Grade zweier nicht-adjazenter Knoten   mindestens  , so gilt:   hamiltonsch   hamiltonsch.

L. Pósa (1962) mit einer Verallgemeinerung früherer Ergebnisse von G. A. Dirac und Ø. Ore:

Wenn für jedes  ,  , die Anzahl der Knoten von Grad   kleiner als   und für ungerade  , die Anzahl der Knoten von Grad   nicht größer als   gilt, so ist   hamiltonsch.

V. Chvátal (1972):

Ein Tupel   natürlicher Zahlen mit   ist genau dann hamiltonsch, wenn für jedes   gilt:  .

V. Chvátal & P. Erdős (1972):

Ist   k-zusammenhängend und die Mächtigkeit jeder Menge unabhängiger Knoten aus    , so ist   hamiltonsch.

H. Fleischner (1974):

Ist   2-zusammenhängend, so hat   einen Hamiltonkreis.

J. A. Bondy & V. Chvátal (1976):

  ist genau dann hamiltonsch, wenn sein Hamiltonabschluss hamiltonsch ist.

Weitere hinreichende Eigenschaften

  • Jeder vollständige Graph mit   ist hamiltonsch.
  •   ist hamiltonsch, falls   Kantengraph eines Eulerschen oder hamiltonschen Graphen ist.
  •   ist genau dann hamiltonsch, wenn   einen Teilgraphen (oder Subgraph) - bei dem nur Kanten entfernt wurden - besitzt, der Kantengraph eines Eulerschen oder hamiltonschen Graphen ist.
  • Die Knotenzusammenhangszahl von   ist mindestens so groß wie die Stabilitätszahl (oder Unabhängigkeitszahl) von  .
  • Jeder panzyklische Graph ist hamiltonsch.

Notwendige Kriterien

Nach der Vorstellung hinreichender Bedingungen nun eine Auswahl notwendiger Kriterien für die Existenz von Hamiltonkreisen. Besitzt   einen Hamiltonkreis, so gilt:

  •   besitzt keinen Schnittknoten,
  •   besitzt keine Brücke,
  • der Blockgraph von   ist ein isolierter Knoten,
  •   besitzt einen 2-Faktor,
  •   ist 2-zusammenhängend,
  • der Minimalgrad ist mindestens 2 und
  • der Durchmesser von   ist höchstens  .

Vermutungen

In diesem Zusammenhang wurden diese wichtigen - nicht allgemein gelösten - Vermutungen geäußert:

D. W. Barnette (1969):

Jeder 3-zusammenhängende bipartite kubische planare Graph ist hamiltonsch.

P. Seymour (1974):

Ist der Minimalgrad von    , so hat   einen Hamiltonkreis   mit  .
Für   entspricht dies dem Satz von G. A. Dirac, 1952, (siehe oben).
Die Aussage für   war bereits 1963 von L. Pósa vermutet worden und wurde 1996 für hinreichend große   von J. Komlós, G. N. Sárközy & E. Szemerédi bewiesen.

Siehe auch

  • Eulerkreisproblem - ähnliches Problem, bei dem alle Kanten statt Knoten durchlaufen werden müssen