Melamin

cyclische organische Stickstoffverbindung
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Strukturformel
Melamin
Allgemeines
Name Melamin
Andere Namen
  • Cyanursäuretriamid
  • 2,4,6-Triamino-1,3,5-triazin
Summenformel C3H6N6
Kurzbeschreibung

weißes Pulver

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 108-78-1
PubChem 7955
Wikidata Q212553
Eigenschaften
Molare Masse 126,12 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte

1,574 g·cm−3 (20 °C) [1]

Schmelzpunkt

350 °C unter Zersetzung [1]

Dampfdruck

< 0,001 mbar (20 °C) [1]

Löslichkeit

in Wasser 3,2 g·l−1 [1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung{{{GHS-Piktogramme}}}

H- und P-Sätze H: {{{H}}}
EUH: {{{EUH}}}
P: {{{P}}}
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Melamin (2,4,6-Triamino-s-triazin), ein weißes Pulver, ist eine heterocyclische aromatische Verbindung. Im Handel und alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff auch für einen Kunststoff aus der Gruppe der Duroplaste, ein Aminoplast verwendet.

Gewinnung und Darstellung

Justus von Liebig stellte 1834 Melamin aus Kaliumthiocyanat und Ammoniumchlorid erstmals dar. Die erste kommerzielle Herstellung fand 1930 statt, worauf Bedeutung und Menge des jährlich hergestellten Melamins stark anstiegen. Früher spielte die Trimerisierung von Cyanoguanidin eine Rolle.

Melamin wird heute technisch durch Trimerisierung von Harnstoff gewonnen. Es existieren Hochdruck- (> 8 MPa) und Niederdruckverfahren (ca. 1 MPa). Bedeutende Hersteller sind unter anderem BASF, DSM Melamin, Agrolinz Melamine International GmbH (AMI) und Zakłady Azotowe Puławy (ZAP). Für den europäischen Markt werden auch Importe aus Asien, insbesondere aus der Volksrepublik China, immer bedeutender.

Anlagen zur Herstellung von Melamin sind meist direkt an solche zur Harnstoffherstellung angebunden.

Als Nebenprodukte entstehen polycyclische Verbindungen wie Melam und Melem wie auch Verbindungen mit Hydroxygruppen statt Aminogruppen wie Ammelin mit einer OH-Gruppe, Ammelid mit zwei OH-Gruppen und Cyanursäure mit drei OH-Gruppen, die allerdings im fertigen technischen Produkt meist nur mehr zu < 0,1 % vorkommen.

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Melamin beginnt sich beim Schmelzen (ab etwa 350 °C) zu zersetzen. Es ist in kaltem Wasser wenig, in heißem gut löslich.

Chemische Eigenschaften

Die drei reaktiven Amin-Gruppen ermöglichen eine Vielzahl chemischer Reaktionen, von denen die Reaktion mit Formaldehyd zu sogenannten Methylol-Melaminen die wirtschaftlich bedeutendste ist (siehe Abbildung).

Durch die Reaktionsbedingungen und das molare Verhältnis von Melamin zu Formaldehyd lässt sich das Gleichgewicht von Melamin über Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta- bis zu Hexamethylolmelamin beeinflussen.

 
Wenn Melamin (1) mit Methanal reagiert, entstehen Methylol-Melamine unterschiedlichen Grades. So entsteht nach sechsfacher Reaktion das Hexamethylolmelamin (2).


Bei der Tränkharz-Herstellung (sowie auch anderen sogenannten MF-Harzen) wird das Reaktionsprodukt weiter kondensiert, wobei höhermolekulare Verbindungen entstehen.

Darüber hinaus bildet Melamin wasserlösliche Salze mit vielen Mineralsäuren und organischen Säuren.

Analytik

Die qualitative und quantitative Bestimmung von Melamin bzw. Melamin-Metaboliten in komplexen Matrices wie z.B. Lebensmitteln erfolgt zuverlässig mit hoher Spezifität und Sensitivität mit den Methoden der HPLC und der Kopplung der HPLC mit der Massenspektrometrie.

Toxikologie

Die letale orale Dosis LD50 bei Ratten ist > 3000 mg/kg. Die orale Aufnahme hoher Mengen führt bei verschiedenen Tierarten zur Bildung von Kristallen im Urin und Harnblasensteinen. Bei männlichen Ratten wurde eine erhöhte Inzidenz von Harnblasentumoren beobachtet. Es kann bei langfristiger hochdosierter Einnahme zum Tod durch Nierenversagen kommen.

Die Anreicherung in der Nahrungskette gilt als hochgradig unwahrscheinlich.[2]

Verwendung

Industrie

Der überwiegende Teil wird zu Kunstharzen verarbeitet:

  • Holzwerkstoffleime: Für Standardprodukte (etwa Spanplatten im Möbelbau) werden aus preislichen Gründen reine Harnstoffharze verwendet, für Anwendungen, die erhöhte Anforderungen bezüglich Feuchtebeständigkeit haben, wird jedoch Melamin als Bestandteil in hochwertigen Harzklebesystemen verwendet (etwa Melamin-Harnstoff-Formaldehyd-Harze = MUF).
  • Tränkharze: Als MF-Tränkharz dient es auch zur Verklebung von Dekorpapieren auf Trägerplatten (wie beispielsweise Spanplatten). Die meist bedruckten oder gefärbten Papiere werden mit Melaminharz getränkt, getrocknet und später unter Druck und erhöhter Temperatur mit dem Trägermaterial verbunden. Die dabei entstehenden Oberflächen erhalten dadurch auch noch eine gute Haltbarkeit und können so beispielsweise als Arbeitsplatten in Küchen verwendet werden.

Des Weiteren existieren noch eine Vielzahl anderer, mengenmäßig weniger bedeutende Anwendungen:

  • Putzmittel: Nach Angaben auf der eigenen Homepage wird offenporiger Melaminschaum auch als „Schmutzradierer“ der Handelsmarke „Mr. Proper“ genutzt. Die Reinigungswirkung beruht auf den abrasiven Melaminpartikeln, die beim Reiben entstehen. Die Partikel werden, zusammen mit den Schmutzpartikeln, vom Schwamm aufgenommen. Der Schwamm verbraucht sich somit beim Reinigen.
  • Unter dem Handelsnamen Basotect (BASF) wird Melaminschaum als nichtbrennbares Polstermaterial in Flugzeug- und Kinositzen, als akustischer Absorber für (Heim-)Kinos, Tonstudios und schalltote Räume verwendet. Auch in der Bautechnik findet es in Form von Blöcken Verwendung, wie etwa in Gaststätten, wo es die Sprachverständlichkeit verbessern kann und für eine akustisch „wärmere“, behagliche Atmosphäre sorgt. Zudem ist hier auch die thermische und akustische Dämmwirkung (Discos) erwünscht.
  • Flammschutzmittel

Missbrauch in Tierfutter und Lebensmitteln

In China wurde Melamin 2006 dazu verwendet, eine für die USA bestimmte Lieferung von Weizengluten – ein Bestandteil von Haustierfutter – zu strecken, um einen höheren Proteingehalt vorzutäuschen. Die Einnahme führte zum Tod von Haustieren durch Nierenversagen, was 2007 schließlich zu einem landesweiten Rückruf von Futter führte.[3][4] Zur Pathophysiologie von Melamin bei Hauskatzen wurde inzwischen eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung vorgelegt.[5]

Um die illegale Streckung von Milchpulver und anderen Milchprodukten durch bislang noch unbekannte Stoffe, aber auch Wasser, zu verdecken, wurde von chinesischen Molkereien und Babynahrungsherstellern dem Milchpulver Melamin zugesetzt. Dieses Verfahren ließ den Stickstoffgehalt als normal erscheinen. Die Bestimmung des Stickstoffgehalts nach Kjeldahl (Kjeldahlsche Stickstoffbestimmung) wird in der Lebensmittelanalytik als einfache, aber unspezifische Methode zur Ermittlung des Proteingehalts verwendet. Die für Nieren giftige Wirkung von Melamin führte im September 2008 in China zum Tod von vier Säuglingen und durch Nierenstein-Bildung zur Erkrankung von fast 53.000 Kindern.[6] Melamin wurde außerdem in Milchfertigprodukten und gewöhnlicher Flüssigmilch nachgewiesen.[7]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Eintrag zu Melamin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA (JavaScript erforderlich)
  2. Interim Melamine and Analogues Safety/Risk Assessment, U.S. Food and Drug Administration, 25.05.2007
  3. MSNBC: Human, pet food makers checked for melamine 3. Mai 2007
  4. Science Daily: Pet Food Recall: How Melamine Impairs Kidney Function
  5. pubmed im September 2008: Toxikologie-Untersuchung an 70 Katzen (englisch)
  6. Saarbrücker Zeitung 22.09.2008: [1] 21. September 2008
  7. „Melamin in Milchprodukten in China und Hongkong entdeckt“ (AFP-Meldung vom 18. September 2008)