Reichssicherheitshauptamt
Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) wurde am 27. September 1939, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges von Reichsführer SS Heinrich Himmler durch Zusammenlegung von Sicherheitspolizei (SIPO) und Sicherheitsdienst (SD) gegründet. Das Amt stellte die zentrale Behörde dar, die alle Polizei- und Sicherheitsorgane in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus leitete.
Seinen Sitz hatte es in der Berliner Prinz-Albrecht-Straße 8 (heute: Niederkirchnerstraße in Berlin-Kreuzberg). Das Gelände gehört zur derzeit (2004) entstehenden Gedenkstätte Topographie des Terrors.
Geschichte
Mit der Gründung des RSHA erreichte die von Heinrich Himmler seit 1933 vorangetriebene Verselbständigung des nationalsozialistischen Gewaltapparates ihren Höhepunkt. Die Zuständigkeiten von staatlichen Organen und Gliederungen der NSDAP wurden dabei immer mehr vermischt. Chef des RSHA, das seinerseits ein Hauptamt der Schutzstaffel (SS) bildete, war SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich. Nach dessen Tod am 4. Juni 1942 führte Heinrich Himmler als Chef der Deutschen Polizei zunächst persönlich das RSHA. Am 30. Januar 1943 wurde Ernst Kaltenbrunner neuer Chef der Sicherheitspolizei und des SD, ein enger Mitarbeiter Heydrichs, Walter Schellenberg, hatte sich vergeblich bemüht, Nachfolger zu werden. Nach dem Kriege wurde Kaltenbrunner im ersten Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen die Hauptkriegsverbrecher wegen seiner Tätigkeit im RSHA zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Das RSHA sorgte im Deutschen Reich und den von ihm besetzten Gebieten für Terror, Gewalt und Vernichtung. Die dem RSHA unterstellten SS-Einsatzgruppen verübten nach dem Angriff auf Polen und später auf die Sowjetunion planmäßige Massaker an der Elite der betroffenen Länder, zumal an katholischen Priestern und kommunistischen Funktionären, an Sinti und Roma und vor allem an Juden und setzte durch gezielte Hasspropaganda Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung in Gang. Über 500.000 Menschen fielen diesen Aktionen zum Opfer. Im Referat IV B 4 des RSHA organisierte SS Obersturmbannführer Adolf Eichmann als Synonym des Schreibtischtäters den bürokratischen Teil der "Endlösung der Judenfrage". Auch innenpolitisch verfügte das RSHA über umfassende Vollmachten und nutzte vor allem die gerichtlich nicht kontrollierbare "Schutzhaft" zur Bekämpfung politischer wie "rassischer" Gegner. Die sogenannten "Meldungen aus dem Reich" lieferten detaillierte Berichte über die Stimmung der intensiv bespitzelten Bevölkerung.
Die von Hitler durchaus beabsichtigten Rivalitäten zwischen den einzelnen Ämtern, namentlich zwischen SD und SIPO, trugen zu einer Radikalisierung gerade der antijüdischen Politik bei. Es mangelte häufig an Abstimmung zwischen den einzelnen Stellen, so dass selbstverursachte, institutionalisierte soziale Dynamiken, wie die zunehmend unhaltbare Situation in den zunächst ohne exakte Zweckbestimmung, nur generell auf die "Endlösung" hin eingerichtete Ghettos, zu immer radikaleren Maßnahmen führten.
Aufbau
Der Aufbau des RSHA im Jahr 1941: (7 Ämter mit untergeordneten Stellen)
Chef Sipo und SD: Obergruppenführer Reinhard Heydrich
- Amt I (Personal): Chef Standartenführer Bruno Streckenbach
- I A (Personalabteilung): Ministerialrat Dr. Walter Blume
- Amt II (Organisation, Verwaltung, Recht): Chef Standartenführer Dr. Hans Nockemann
- II a -Org/Recht: Sturmbannführer Dr. Rudolf Bilfinger
- II a 1 (Org): Hauptsturmführer Dr. Schweder
- II a 2 (Gesetzgebung): Stubaf Dr. Neifeind
- II a 3 (Justitiar): Stubaf Suhr
- II a 4 (Reichsverteidigung): Stubaf Renken
- II a 5 (Beschlagnahme): Stubaf Richter
- II B (Passwesen): Ministerialrat Krause
- II C a (Haushalt SIPO): Staf Dr. Siegert
- II C b (Haushalt SD): OStubaf Brocke,
- II D (Tech. Fragen): OStubaf Walter Rauff (u.a. Gaswagen)
- Amt III (SD Inland): Chef Staf Otto Ohlendorf
- III A (Rechtsordnung): OStubaf Dr. Gengenbach
- III B (Volkstum): Staf Dr. Ehrlich
- III C (Kultur): Stubaf Dr. Spengler
- III D (Wirtschaft): Stubaf Seibert
- Amt IV (Gestapo) Chef Gruppenführer Heinrich Müller "Gestapo-Müller" (Vertreter: Staf Krichbaum)
- IV A (Gegnerbekämpfung): OStubaf Panzinger
- IV A 1 (Kommunismus): Stubaf Vogt
- IV A 2 (Sabotagebekämpfung): Hstuf Kopkow
- IV A 3 (Liberalismus usw.): Stubaf Litzenberg
- IV A 4 (Attentate): Stubaf Schulz
- IV B: (Sekten): Stubaf Hartl
- IV B 1 (Katholizismus): Stubaf Erich Roth
- IV B 2 (Protestantismus): Stubaf Erich Roth
- IV B 3 (Freimaurer): ohne Besetzung
- IV B 4 (Juden): OStubaf Adolf Eichmann
- IV C (Karteiwesen): OStubaf Dr. Rang
- IV D (Besetzte Gebiete): OStubaf Dr. Erwin Weinmann
- IV E (Abwehr): Stubaf Walter Schellenberg
- IV E 1 (Landesverrat): HStuf Lindow
- Amt V (Kripo) Chef Brigadeführer Arthur Nebe
- V A (Kriminalpolitik): Staf Werner
- V B (Einsatz): RR Galzow
- V C (Erkennungsdienst): ORR Berger
- V D (Kriminalinstitut): Stubaf Dr. Ing. Heeß
- Amt VI (SD Ausland) Chef Brigadeführer Heinz Jost
- VI A (Allgemeines): Ostubaf Filbert
- VI B: unbesetzt bis 1943, ab 1943 Eugen Steimle
- VI C und D: unbesetzt bis 1943
- VI E (Erkundung): Stubaf Dr. Helmut Knochen
- VI F (Techn. Hilfsmittel): Ostubaf Walter Rauff
- Amt VII (Weltanschauung) Chef Standartenführer Prof. Dr. Franz Six
siehe auch
Literatur
- Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes. Hamburger Edition 2002, ISBN 3930908751.
- Buchheim, Hans u.a. Anatomie des SS-Staates. 2 Bde. München: 1979.
- Delarue, Jacques. Geschichte der Gestapo. Königstein: Athenäum, 1979.
- Döscher, Hans-Jürgen. SS und Auswärtiges Amt im Dritten Reich. Diplomatie im Schatten der »Endlösung«. Frankfurt a.M., Berlin: Ullstein, 1991.
- Gellately, Robert. Die Gestapo und die deutsche Gesellschaft. Die Durchsetzung der Rassenpolitik 1933-1945. 2. Aufl. Paderborn: Verlag Ferdinand Schöningh, 1994.
- Gessner, Klaus. Geheime Feldpolizei. Berlin: Militärverlag der DDR, 1986.
- Graf, Christoph. Politische Polizei zwischen Demokratie und Diktatur. Die Entwicklung der preußischen politischen Polizei vom Staatsschutzkorps der Weimarer Republik zur Geheimen Staatspolizei des Dritten Reiches. Berlin: 1983.
- Höhne, Heinz. Der Orden unter dem Totenkopf. Die Geschichte der SS. Bindlach: Gondrom, 1990.
- Krausnick, Helmut und Hans-Heinrich Wilhelm. Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938-1942. Stuttgart: 1981.
- Linck, Stephan. Der Ordnung verpflichtet: Deutsche Polizei 1933-1949. Der Fall Flensburg. Paderborn: Schöningh, 1999.
- Ramme, Alwin. Der Sicherheitsdienst der SS. Zu seiner Funktion im faschistischen Machtapparat und im Besatzungsregime des sogenannten Generalgouvernements. Berlin: 1970.
- Rürup, Reinhard, Hg. Topographie des Terrors. Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt auf dem »Pinz-Albrecht-Gelände«. Eine Dokumentation. 8. Aufl. Berlin: Willmuth Arenhövel, 1991.
- Wegner, Bernd. Hitlers politische Soldaten: Die Waffen-SS 1933-1945. 6. Aufl. Paderborn: Schöningh, 1999.
- Wilhelm, Friedrich. Die Polizei im NS-Staat. Die Geschichte ihrer Organisation im Überblick. 2., durchges. u. verbesserte Aufl. Paderborn: Schöningh, 1999.
- Zipfel, Friedrich. Gestapo und Sicherheitsdienst. Berlin: 1960.
Weblinks
- Newsletter des Fritz-Bauer-Instituts zur Geschichte des RSHA
- Topographie des Terrors
- http://www.shoa.de/reichssicherheitshauptamt.html