Diskos von Phaistos

Tonscheibe aus der Bronzezeit
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Der Diskos von Phaistos (Diskos von Phaestos, Diskos von Festos) ist eines der bedeutendsten Fundstücke aus der Bronzezeit. Da der Diskos mit Hilfe von Stempeln beschrieben wurde und bislang kein weiteres Fundstück seiner Art entdeckt werden konnte, zählt er zu den großen archäologischen Rätseln der Menschheit.

Nahezu alle den Diskos betreffenden Fragen, wie die nach seinem Zweck, seiner kulturellen und geographischen Herkunft, der Leserichtung und der Vorderseite sind umstritten. Selbst seine Echtheit und ob es sich bei den Zeichen überhaupt um Schriftzeichen handelt wurde schon angezweifelt.

Datei:PhaistosDiskus.jpg
Diskos von Phaistos (schematische Darstellung)

Entdeckung und Fundort

Der Diskos wurde in einem Raum der minoischen Palastanlage von Phaistós auf Kreta am 3. Juli 1908 unter der Leitung des Italieners Luigi Pernier ausgegraben.

Das einmalige Objekt findet sich heute im archäologischen Museum (vgl. [1]) in Heraklion auf Kreta in Griechenland.

Datierung

Der Diskos wurde von Pernier auf das 17. Jahrhundert v. Chr. datiert, ist also vermutlich mehr als 3.500 Jahre alt. In demselben Raum wie der Diskos wurde auch eine Tontafel mit Zeichen der ebenfalls noch nicht vollständig entzifferten Linearschrift A gefunden.

Beschreibung

Aufbau und Gliederung

Die im Durchmesser 16 cm messende Tonscheibe ist mit spiralförmig angeordneten Menschen-, Tier- und Pflanzenmotiven bestempelt. Insgesamt ist der Diskos mit 242 Stempeleindrücken beschriftet, die durch Trennlinien (sog. Feldtrenner) zu 61 Zeichengruppen zusammengefasst sind. Seine beiden Seiten werden mit A und B benannt, da bislang unbekannt ist, welches die Vorderseite ist.

 
Seite A (Original)
 
Seite B (Original)

Die Seite A enthält 123 Stempeleindrücke und 31 Zeichengruppen. Auf Seite B finden sich 119 Eindrücke zusammengefasst in 30 Zeichengruppen. Die Numerierung wird unterschiedlich angegeben, z.B. bezeichnet Arthur Evans die Zeichengruppe mit der Rosette im Zentrum als A 1, Louis Godart dagegen als A XXXI.

Zeichen, Symbole und Piktogramme

Der Diskos enthält insgesamt 45 distinkte Stempelmotive, die teilweise klar als Menschen, Tiere oder Objekte identifiziert werden können; andere Motive konnten bisher nicht eindeutig identifiziert werden.

 
Details: u.a. Tierhaut sowie Männerkopf mit Crest und im Zentrum eine achtblättrige Rosette
 
Details: u.a. ein fliegender Vogel, ein Tischlerhobel sowie ein Zweig
 
Details: u.a. ein Kreis mit sieben Verzierungspunkten, ein Fisch sowie ein Horn
 
Details: u.a. eine Art Winkel oder Pfeilsymbol, eine Keule mit noppenartigen Auswölbungen oder eine Pflanze
Einige Details des Diskos: ausgewählte Zeichen.

Herstellung

Die präzise Methode der Herstellung ist umstritten; H. Th,. Bossert bezeichnete den Diskos in einer 1931 erschienenen Schrift beispielsweise als "das älteste, mit beweglichen Lettern hergestellte Druckwerk der Welt". Leon Pomerance widersprach dieser Zuordnung und stellte 1976 die so genannte Matritzen-These auf; demnach wurden die Symbole des Diskos nicht mit einzelnen Stempeln, sondern mit verschiedenen Kalksteinmatritzen eingeprägt. Unstrittig ist dagegen, dass die Symbole nicht von Hand geritzt wurden.

Entzifferungsversuche

Der Faszination des Diskosrätsels führte zu zahllosen Bemühungen, sein Geheimnis zu lüften. Eine Schrift kann jedoch unmöglich zufällig durch Ausprobieren entziffert werden. Würde zum Beispiel entsprechend Linear B von mindestens sechzig verschiedenen Silbenwerten ausgegangen, so ergäben sich bereits über 10 hoch 69 (das ist eine eins mit neunundsechzig Nullen dran) verschiedenen Zuordnungsmöglichkeiten von Silbenwerten zu den 45 Diskoszeichen.

Gelungene Entzifferungsversuche der Vergangenheit zeichneten sich immer dadurch aus, dass es gelang, zum Beispiel mit Hilfe einer Bilinguale, eine eindeutige Zuordnungsvorschrift für die einzelnen Silbenwerte zu finden. Die bisher für den Diskos vorgeschlagenen Deutungen diskutieren die verwendeten Lösungsschritte entweder nicht oder aber greifen auf Methoden zurück, die letztlich auf das Durchprobieren von Silben hinauslaufen. Keine dieser Deutungen fand daher wissenschaftliche Anerkennung.

U.a. folgende Entzifferungsversuche werden angeboten:

neue Entzifferungshypothese

Zum Diskos von Phaistos wurde im März 2005 eine neue Hypothese veröffentlicht (Torsten Timm: Der Diskos von Phaistos. Fremdeinfluss oder kretisches Erbe?). Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Erfindung einer Schrift, die mit Hilfe von Stempeln geschrieben wurde, das Vorhandensein einer existierenden Schriftkultur voraussetzt. Neben der Diskosschrift war somit wahrscheinlich eine weitere, mit einfacheren Hilfsmitteln zu schreibende Schrift in Gebrauch. Durch Vergleich der Diskosschrift mit den kretischen Linearschriften gelingt es Hinweise darauf zu finden, dass die Diskosschrift eine zu Linear A parallele Druckschrift darstellte. Der Haupthinweis ist, dass sich ähnelnde Zeichen in beiden Schrift gleich verwendet werden. Insbesondere die häufigen Schlusszeichen des Diskos sehen zum Beispiel Linearzeichen ähnlich, die in Linear A häufig am Wortende vorkommen. Durch den Vergleich mit Linear A gelingt es die Silbenwerte zahlreicher Diskoszeichen zu bestimmen. (Siehe http://www.kereti.de/text.html) Allerdings ist die Sprache von Linear A bislang unbekannt geblieben. Selbst die Sprachfamilie zu der die minoische Sprache gehörte konnte nicht bestimmt werden. Ein verstehendes Lesen ist aber ohne Kenntnis der verwendeten Sprache unmöglich.

Im Gegensatz zu den Tontafeln in Linear A und B gibt der Diskos einen Text mit vollständigen Sätzen wieder. Interessant an dem gelesenen Text könnte daher insbesondere die Frage sein, ob er neue Einblicke in die minoische Sprache ermöglicht.

Siehe auch

Zur Rezeption:

Literatur

  • Louis Godart: Der Diskus von Phaestos - Das Rätsel einer Schrift der Ägäis, ITANOS Publications, 1995. (engl. Ausg.: The Phaistos Disc – The Enigma of an Aegean Script. Itanos 1995)
  • Thomas Balistier: Der Diskos von Phaistos - Zur Geschichte eines Rätsels & den Versuchen seiner Auflösung, Verlag Thomas Balistier, 2000.
  • Yves Duhoux: Le disque de phaestos, Louvain, 1977.
  • John Chadwick: The Decipherment of Linear B, Cambridge University Press, 1958.

Allgemein

Entzifferungsversuche

Hinweis: Die aufgeführten heterogenen Theorien zur Entzifferung sind teilweise spekulativ; keiner der Entzifferungsansätze konnte sich bisher in der Fachwissenschaft durchsetzen.