Die Parlamentswahlen in Rumänien 2008 sollen im Herbst stattfinden. Als Termin ist der 30. November angesetzt.
Wahlrecht
Gewählt werden nach Ablauf der vierjährigen Legislaturperiode beide Kammern des Parlaments, das Abgeordnetenhaus (Camera Deputaţilor) und der Senat. Das Abgeordnetenhaus hat 332 Sitze, der Senat 137. Beide Kammern werden nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Nachdem bisher die Parteien ihre Abgeordneten lediglich über Wahllisten in das Parlament entsandten, stehen diesmal von den Parteien nominierte Personen zur Wahl. Diese erhalten einen Sitz, wenn sie die absolute Mehrheit der in ihrem Wahlkreis abgegebenen Stimmen erreichen. Die übrigen Sitze werden nach einem komplizierten Verfahren auf andere Kandidaten verteilt, so dass letztlich die Parteien proportional zu den für ihre Kandidaten abgegebenen Stimmen in den Parlamentskammern vertreten sind.
Allerdings läuft noch ein juristisches Verfahren, in dem die Partidul România Mare (Großrumänienpartei) die Rückkehr zur früher angewandten Listenwahl erzwingen will.[1]
Es gilt eine Fünfprozent-Klausel. Parteien können sich zu gerichtlich eingetragenen Wahlbündnissen zusammenschließen; dann steigt die Hürde zum Einzug ins Parlament auf 8–10 Prozent, je nach Anzahl der verbündeten Parteien.[2] Alternativ ist es möglich, Politiker anderer Parteien auf eigenen Listen kandidieren zu lassen, womit die Erhöhung der Prozenthürde umgangen wird.
Parteien der 18 anerkannten nationalen Minderheiten, die die Fünfprozenthürde nicht meistern, können jeweils einen Abgeordneten ins Abgeordnetenhaus entsenden, auch wenn sie die sonst erforderliche Stimmenzahl für diesen einen Sitz nicht erreichen.[3]
Ausgangslage
Vorheriges Parlament
Im 2004 gewählten Parlament sind Vertreter von sechs größeren Parteien und eine ganze Anzahl unabhängiger Abgeordneter und Angehöriger nationaler Minderheiten vertreten:
Partei | Abkürzung | Mandate Abgeordnetenhaus[4] |
Mandate Senat[5] |
---|---|---|---|
Partidul Social Democrat | PSD | 102 | 44 |
Partidul Democrat Liberal | PD-L | 65 | 25 |
Partidul Naţional Liberal | PNL | 53 | 25 |
Partidul România Mare | PRM | 25 | 15 |
Uniunea Democrată Maghiară din România | UDMR | 19 | 9 |
Partidul Conservator | PC | 18 | 10 |
Sonstige | 33 | 4 |
Diese Zahlen stellen den Stand von August 2008 dar und stimmen nicht mehr mit dem Wahlergebnis von 2004 (siehe unten) überein, da in der Zwischenzeit eine ganze Anzahl von Fraktionswechseln, -ausschlüssen und -austritten erfolgte.
Nach den Wahlen 2004 bildeten zunächst die PNL, die PD – die Vorläuferpartei der heutigen PD-L – , die UDMR und die PC eine Regierungskoalition unter dem Ministerpräsidenten Călin Popescu-Tăriceanu (PNL). Die PSD und die PRM gingen in die Opposition.
2006 trat die PC, 2007 nach einem Zerwürfnis zwischen Călin Popescu-Tăriceanu und dem Staatspräsidenten Traian Băsescu auch die PD aus der Regierung aus. Zudem verließ ein Teil der PNL-Abgeordneten Ende 2006 die Partei und gründete die PLD (Partidul Liberal Democrat), die ein Jahr später mit der PD zur PD-L fusionierte. Die Regierungskoalition besteht damit nur noch aus den Abgeordneten von PNL und UDMR, die zusammen nur über etwa 20 % der Mandate verfügen, und ist in ihrer Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt. Mehrere Misstrauensanträge im Jahr 2007 scheiterten jedoch an Meinungsverschiedenheiten der anderen Parteien.
Wahlkampf
Bisher (August 2008) spielten Sachthemen im Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle. Vordergründig werden dagegen Kandidatur-Personalien sowie mögliche Wahlbündnisse und Koalitionen diskutiert.
Ein Lager- oder Richtungwahlkampf ist nicht zu beobachten. Kontrovers diskutierte Themen sind selten; von politischen Beobachtern werden nahezu alle theoretisch möglichen Parteibündnisse auch für praktisch umsetzbar gehalten.
Bei programmatisch recht geringen Unterschieden der meistem bedeutenderen Parteien werden die PD-L, die PNL und die PNŢCD eher dem bürgerlich-konservativen Lager zugerechnet. Die PSD vertritt ein sozialdemokratisches Programm. Ein Sonderfall ist die UDMR als Nationalitätenpartei. Die PC, die PRM und die PNG-CD vertreten in unterschiedlichem Ausmaß populistische, national-religiöse, teilweise – vor allem die PRM und die PNG-CD[6] – auch extremistische Positionen, stellen für die anderen Parteien jedoch trotzdem potentielle Koalitionspartner dar.
Die Vergabe der Mandate über eine Personenwahl veranlasst einige Parteien, sich um prominente Künstler oder Sportler als Kandidaten zu bemühen.[7] So treten z. B. der Filmregisseur Sergiu Nicolaescu und der Kosmonaut Dumitru Prunariu für die PSD an.[8][9] Der international bekannte Panflöten-Virtuose Gheorghe Zamfir kandidiert für die bisher eher unbedeutende Partidul Verde (Grüne Partei).[10]
Am 27. August 2008 kündigte die Regierung an, die Renten ab 1. November 2008 deutlich anzuheben. Beobachter sehen den Zeitpunkt dieser Maßnahme direkt in Zusammenhang mit den Wahlen.[11]
Nur drei der bisher im Parlament vertretenen Parteien können aufgrund von Meinungsumfragen sicher davon ausgehen, die Fünfprozenthürde zu meistern, und zwar die PSD, die PD-L und die PNL.
PSD
Die Partidul Social Democrat (PSD, Sozialdemokratische Partei) als bisher stärkste Oppositionskraft tritt an, um die Regierung wieder zu übernehmen. Als möglicher Bündnispartner gilt die PNL.[12] Im Wahljahr fiel die PSD jedoch immer wieder durch innerparteiliche Streitigkeiten auf, deren Hauptexponenten auf der einen Seite der Ehrenvorsitzende und ehemalige Staatspräsident Ion Iliescu, auf der anderen Seite eine reformorientierte Grupul de Cluj („Klausenburger Gruppe“) um Vasile Dâncu waren.[13] Außerdem stehen mehrere prominente Mitglieder unter Korruptionsverdacht, unter ihnen der ehemalige Ministerpräsident Adrian Năstase und der frühere Verkehrsminister Miron Mitrea.[14] Letzterer ist Wahlkampfleiter der Partei. Spitzenkandidat der PSD wird der Parteivorsitzende Mircea Geoană sein.
PD-L
Die Partidul Democrat Liberal (PD-L, Demokratisch-Liberale Partei) hat nach Aussage einiger Meinungsumfragen die größten Chancen, aus der Wahl als stärkste Kraft hervorzugehen. Parteichef Emil Boc strebt ein Ergebnis an, das möglichst nahe bei 50 % liegen solle.[15] Hauptgrund für den Optimismus der Partei ist die Popularität von Staatspäsident Traian Băsescu. Allerdings könnte die PD-L nach Auffassung vieler Beobachter Schwierigkeiten haben, nach den Wahlen einen ausreichend starken Koalitionspartner zu finden, da die persönlichen Verhältnisse insbesondere von Băsescu zu den Führern von PSD und PNL über das normale Maß politischer Gegnerschaft hinaus als zerrüttet gelten. Im August 2008 signalisierten Politiker von PD-L und PNL jedoch, dass sie sich ein erneutes Zusammengehen beider Parteien – wie bereits nach den Wahlen 2004 – vorstellen könnten.[16] Als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten möchte sich Theodor Stolojan bewerben.[17]
PNL
Die Partidul Naţional Liberal (PNL, Nationalliberale Partei) erhofft sich, mit Hilfe eines oder mehrerer Bündnispartner wieder die Regierung zu bilden. Der Ministerpräsident Călin Popescu-Tăriceanu will sich als Spitzenkandidat zur Wahl stellen. Innerhalb der Partei gibt es Spannungen zwischen ihm und Vekehrsminister Ludovic Orban.[18]
PRM
Die Partidul România Mare (PRM, Großrumänienpartei) hat in Meinungsumfragen schon seit längerer Zeit ein Nachlassen der Zustimmung zu verzeichnen. Damit einher gingen Streitigkeiten in der Parteiführung und Parteiaustritte. So gehörten Ende August 2008 nur noch 39 der im Jahre 2004 gewählten 73 PRM-Parlamentarier der Partei an.[19] Da durch das rückläufige Wählerinteresse das Erreichen der Fünfprozenthürde gefährdet ist, beschloss die PRM, Gespräche mit allen anderen bedeutenderen Parteien aufzunehmen.[20]
UDMR
Die Uniunea Democrată Maghiară din România (UDMR, Demokratische Union der Ungarn in Rumänien) konnte bei bisherigen Wahlen immer auf die weitgehend einheitlich abstimmende ungarische Minderheit vertrauen. Im März 2008 jedoch konstituierte sich die Partidul Civic Maghiar (PCM, Ungarische Bürgerpartei), die bei den Kommunalwahlen im Juni 2008 etwa 16 % der Stimmen der ungarischen Minderheit erringen konnte. Da dies für die UDMR bedeutet, dass die Fünfprozenthürde möglicherweise nicht erreicht wird, befand sie sich in Verhandlungen mit der PCM.[21] Letztlich entschied sie sich jedoch gegen ein Bündnis mit der PCM, die nun mit eigenen Kandidaten antreten möchte.[22] Voraussichtlich wird der Parteivorsitzende Béla Markó Spitzenkandidat der UDMR.
PC
Die Partidul Conservator (PC, Konservative Partei) vollzog in den letzten Jahren einige abrupte Kurswechsel. So trat sie zu den Parlamentswahlen 2004 gemeinsam mit der PSD an, bildete dann eine Koalitionsregierung mit der PNL und der PD, aus der sie 2006 wieder ausschied. Sie dürfte allein die Fünfprozenthürde verfehlen und strebt deshalb ein Wahlbündnis – in erster Linie mit der PSD – an. Ein Zusammengehen mit der PRM scheiterte, weil das Angebot der PC verbunden war mit dem Vorschlag, dass sich die PRM auflösen und in der PC aufgehen solle.[23] Ende August 2008 schloss die PC ein Wahlbündnis mit der PSD, das es der PC ermöglicht, 25 Kandidaten auf den Listen der PSD kandidieren zu lassen. Im Gegenzug sagte der PC-Vorsitzende Dan Voiulescu der PSD Unterstützung über seinen Medienkonzern zu.[24]
PNŢCD
Die Partidul Naţional Ţărănesc - Creştin Democrat (PNŢCD, Nationale Bauernpartei-Christdemokraten) hat eine starke regionale Basis im Westen des Landes, wird nach Meinungsumfragen jedoch die Fünfprozenthürde allein nicht meistern. Sie plant deshalb, einige Parteimiglieder auf den Listen der PNL kandidieren zu lassen.[25] Innerhalb der Partei gibt es jedoch auch Kräfte, die ein Zusammengehen mit der PD-L befürworten.[26] Unter anderem wegen dieser Frage droht der ohnehin zur weitgehenden Bedeutungslosigkeit herabgesunkenen ehemaligen Regierungspartei die Spaltung.[27]
PNG-CD
Die Partidul Noua Generaţie - Creştin Democrat (PNG-CD, Partei der Neuen Generation – Christdemokraten) ist eine rechtsgerichtete Formation unter Führung des Multimillionärs George Becali. Sie hatte während der letzten Legislaturperiode zeitweise sehr hohe Umfragewerte zu verzeichnen,[28] die im Jahr 2008 jedoch wieder deutlich rückläufig waren. Trotzdem werden ihr Chancen eingeräumt, die Fünfprozent-Marke ohne Wahlbündnis zu erreichen.
PIN
Die Partidul Iniţiativa Naţională (PIN, Partei Nationale Initiative) ist eine kleine Abspaltung der PD. Laut Meinungsumfragen muss sie sich einer größeren Partei anschließen, um Abgeordnete ins Parlament entsenden zu können. Sie verhandelt mit der PSD über ein Bündnis.[29]
Meinungsumfragen
Datum | Institut | PSD | PD-L | PNL | PRM | UDMR | PC | PNŢCD | PNG-CD | PIN |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
19.6.08[30] | IMAS | 28 | 40 | 18 | 3 | 5 | 2 | 5 | 1 | |
30.7.08[31] | INSOMAR | 26 | 38 | 16 | 3 | 4 | 2 | 2 | 3 | 2 |
Wahlergebnisse
Abgeordnetenhaus
Partei | Stimmenanteil 2008 in Prozent |
Mandate 2008 | Stimmenanteil 2004 in Prozent |
Mandate 2004 |
---|---|---|---|---|
PSD | 36,8a | 121 | ||
PCb | 11 | |||
PD-Lc | 31,5d | 48 | ||
PNL | 64 | |||
PNŢCD | 1,8 | 0 | ||
PRM | 13,0 | 48 | ||
UDMR | 6,2 | 22 | ||
PNG-CD | 2,2 | 0 | ||
PIN | - | - | ||
Sonstige | 8,5 | 18e | ||
Gesamt | 100,0 | 332 |
Anmerkungen:
a: 2004 traten PSD und PC (PUR) gemeinsam im Wahlbündnis Uniunea Naţională („Nationale Union“) an.
b: 2004 unter dem Namen Partidul Umanist Român (PUR) angetreten.
c: 2004 unter dem Namen Partidul Democrat (PD) angetreten.
d: 2004 traten PD und PNL gemeinsam im Wahlbündnis Alianţa Dreptate şi Adevăr („Allianz für Gerechtigkeit und Wahrheit“) an.
e: Abgeordnete der 18 anerkannten nationalen Minderheiten, die jeweils einen Abgeordneten ins Abgeordnetenhaus entsenden dürfen.
Senat
Partei | Stimmenanteil 2008 in Prozent |
Mandate 2008 | Stimmenanteil 2004 in Prozent |
Mandate 2004 |
---|---|---|---|---|
PSD | 37,2a | 47 | ||
PCb | 10 | |||
PD-Lc | 31,8d | 21 | ||
PNL | 28 | |||
PNŢCD | 1,9 | 0 | ||
PRM | 13,6 | 21 | ||
UDMR | 6,2 | 10 | ||
PNG-CD | 2,4 | 0 | ||
PIN | - | - | ||
Sonstige | 6,5 | 0 | ||
Gesamt | 100,0 | 137 |
Anmerkungen: Siehe unter Abgeordnetenhaus
Einzelnachweise
- ↑ cotidianul.ro, 8. September 2008
- ↑ www.infopolitic.ro
- ↑ Banater Aktualität 1997
- ↑ Website des rum. Abgeordnetenhauses, Stand 3. August 2008
- ↑ Website des rum. Senates, Stand 3. August 2008
- ↑ Wasja Budei: Aufmarsch zwischen Kirche und Fußballplatz. In: Rechtsextremismus und Antisemitimus in Mittel- Ost- und Südosteuropa. Recherchestipendien 2007. Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“
- ↑ EVZ.ro, 26. August 2008
- ↑ EVZ.ro, 3. September 2008
- ↑ EVZ.ro, 4. September 2008
- ↑ EVZ.ro, 7. September 2008
- ↑ www.romanianewswatch.com, 27. August 2008
- ↑ EVZ.ro, 5. September 2008
- ↑ ADZ, 10. Juli 2008
- ↑ Der Standard, 18. August 2008
- ↑ ADZ, 7. Juli 2008
- ↑ EVZ.ro, 18. August 2008
- ↑ www.adevarul.ro, 30. August 2008
- ↑ ADZ, 19. Juni 2008
- ↑ www.adevarul.ro, 26. August 2008
- ↑ ADZ, 1. August 2008
- ↑ ADZ, 30. Juli 2008
- ↑ www.adevarul.ro, 28. August 2008
- ↑ ADZ, 7. August 2008
- ↑ ADZ, 28. August 2008
- ↑ EVZ.ro, 21. August 2008
- ↑ www.adevarul.ro, 23. August 2008
- ↑ EVZ.ro, 25. August 2008
- ↑ www.hotnews.ro, März 2007
- ↑ EVZ.ro, 4. September 2008
- ↑ www.adevarul.ro, 27. Juni 2008
- ↑ www.ziare.com, 3. August 2008