Von der ehem. Steyr Daimler Puch AG, heute ausgelagerter Produktionszweig Steyr Mannlicher wurde die halbautomatische Selbstladepistole Steyr GB (während der Entwicklung Steyr Pi 18, später auch „GB-80“) entwickelt. Die primär als militärische Seitenwaffe ausgelegte Pistole hat einen Spannabzug und verwendet das international übliche Militärkaliber Kaliber 9mm x 19.
Steyr GB | |
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Allgemeine Information | |
Einsatzland | International |
Entwickler/Hersteller | Steyr-Daimler-Puch |
Produktionszeit | 1981 bis 1988 |
Waffenkategorie | Selbstladepistole |
Ausstattung | |
Gesamtlänge | 214 mm |
Gesamthöhe | 142 mm |
Gewicht (ungeladen) | 0,845 kg |
Visierlänge | 160 mm |
Lauflänge | 136 mm |
Technische Daten | |
Kaliber | 9 mm x 19 (9 mm Luger bzw. Parabellum) |
Mögliche Magazinfüllungen | 18 Patronen |
Feuerarten | Einzelfeuer |
Drall | rechts (polygon) |
Listen zum Thema |
Einleitung
Die Steyr Selbstladepistole „GB“ ist eine halbautomatische Selbstladepistole in Ganzstahlausführung mit Spannabzug (DA/SA), Kaliber 9 mm x 19 (9 mm Parabellum / Luger). Die während der Entwicklungsphase verwendete Typenbezeichnung „Pi 18“, welche auf die für die 70er Jahre überdurchschnittliche Magazinkapazität von 18 Schuss hinweist, wurde bei Markteinführung in „GB“ geändert. Dieses Kürzel steht für den Begriff „GasBremse“, welcher bereits auf das Funktionsprinzip eines mittels Gasdruck verzögernden, "halbstarren" Verschlussverriegelung hinweist. Die korrekte Bezeichnung für dieses Verschlussprinzip lautet „Gasdruckverzögerter Masseverschluss“. Dieses Verschlussprinzip sollte nicht mit dem weit mehr bekannten Verschlussprinzip des „Gasdrucklader“ (z. B dt. Sturmgewehr 44, russ. AK47, G36, US-am. M16 usw.) verwechselt werden.
Die Pistole wird gelegentlich auch als "GB-80" bezeichnet, was auf die offizielle (zivile!) Markteinführung der GB Anfang der 1980-er Jahre hinweist.
Der gasdruckverzögerte Masseverschluss ist ein äußerst ingeniöses Verschlussprinzip, welches gegenüber den „starr" verriegelten Systemen - wie z. B. dem Browningverschluss - einige wesentlichen Vorteile aufweist. Er ermöglicht die störungsfreie Verwendung aller Munitionslaborierungen, welche aufgrund der weltweiten Verbreitung des Kalibers 9 mm x 19 in militärischer und ziviler Verwendung stark variieren können. Aufgrund des feststehenden Laufes und der exakten, systembedingt notwendigen, „gasdichten“ Passung zwischen Laufmündung und Mündungskappe schießt die GB wesentlich präziser als andere "militärische" Gebrauchspistolen. Aus der Schießmaschine ergeben sich mit nicht nachgearbeiteten Serienpistolen und fester Visierung Streukreise von max. 2,5 cm auf 25 m, Verwendung von Markenmunition vorausgesetzt. Das ist ein Wert, welcher nur noch von einer SIG P210 erreicht werden kann. Die gasdruckverzögerte Verriegelung reduziert darüber hinaus auch signifikant den Rück- und Hochschlag, was bei schnellen Schussfolgen die Waffe weit weniger aus dem Ziel auswandern lässt als solche mit starrer Verriegelung.
Die GB wurde als militärische "full-sise"-Seitenwaffe (Ordonnanzpistole) ausgelegt und entstand bereits Ende der 60er Jahre aufgrund eines „inoffiziellen“ Entwicklungsauftrages für das Österreichische Bundesheer. Ein Pflichtenheft existierte zu diesem Zeitpunkt nicht; Steyr-Daimler-Puch hatte aufgrund des damaligen Beziehungsgeflechts sehr präzise Kenntnisse darüber, welche Eigenschaften das Bundesheer von einer neuen Dienstpistole erwartete. Die "neue" sollte die zwischenzeitlich bereits in die Jahre gekommenen deutschen Walther PP und P 38 aus Wehrmachtsbeständen sowie auch die belgischen FN GP (HP) der Gendarmerie ersetzten.
Technische Eckdaten
- Hersteller: Steyr Daimler Puch AG, Steyr Österreich
- Modell: GB (Pi18, GB-80)
- Länge: 216 mm
- Höhe: 142 mm
- Breite: 37 mm
- Masse o. Mag.: 850 g
- Magazin (leer): 120 g
- Magazin (voll): 340 g
- Lauflänge: 136 mm
- Drallänge: 220 mm, trigonales Polygonprofil
- Visierlinie: 160 mm
- Visierung: Balkenkorn mit Leuchtpunkt; Rechteckkimme mit 2 Leuchtpunkten
- Vo: munitionsabhängig ca. 350 – 450 m/s
- Eo: munitionsabhängig ca. 400 – 640 J
- Magazinkapazität: 18 Schuss
- Verschlusssystem: aufzuschießender gasdruckverzögerter Masseverschluss
- Abzugssystem: Spannabzug („DA/SA“)
- Sicherungen: schützenunabhängig wirkende, innenliegende Fallsicherung; Sicherheitsraste; Zündstiftsicherung bei
Betätigung des Hahn-Entspannhebels
- Oberflächen (ziv): äußere Verschlussflächen geschliffen und brüniert, Oberseite sandgestrahlt und brüniert; äußere Griffstückflächen mit eingebranntem Schrumpflack überzogen
- Oberflächen (mil): alle Oberflächen sandgestrahlt matt und brüniert
Systembeschreibung
Verriegelungssystem
Äußerlich unterscheidet sich der gasdruckverzögerte Masseverschluss nur unwesentlich vom verriegelten Browningverschluss. Als signifikantes Unterscheidungsmerkmal kann aber die mündungsseitige Verschlusskappe gelten. Das Funktionsprinzip der Gasdruckverriegelung ist jedoch ein gänzlich anderes als jenes mit starr verriegelten Browningsystems. Die Kenntnis dessen mit seinen wesentlichen Funktionsmerkmalen wird hier als bekannt vorausgesetzt.
Beim Schuss wird beim gasdruckverzögerten Masseverschluss ein kleiner Teil der Treibladungsgase durch zwei, ca. in Laufmitte eingebrachte Bohrungen abgezweigt und in eine Reaktionskammer geleitet. Diese Kammer wird aus dem Zwischenraum Lauf / Verschlussgehäuse gebildet und kommt daher ohne ein zusätzliches Piston aus. Sie besteht aus einer vorn am Verschluss (Schlitten) angeordneten, gasdicht abschließenden Verschlusskappe mit nachgelagertem Laufbund und einer fest auf dem Lauf, auch ca. mittig aufgesetzten Labyrinthdichtung. Nachdem das Projektil die Bohrungen passiert hat, strömt ein kleiner Teil der Treibgase in die Reaktionskammer und hindert hiermit über den entstehenden Schwalldruck „pneumatisch“ das Öffnen des mechanisch unverriegelten Masseverschlusses. Die für diese Gasdruckverriegelung notwendige Angriffsfläche für den notwendigen Schwalldruck wird vom vorderen Teil der Verschlusskappe gebildet. Diese innere Fläche ist funktionsbedingt etwas kleiner ausgelegt als der Hülsenquerschnitt am Stoßboden der Patrone. Die Verschlusskappe - mit dem Verschluss fest verbunden mittels Bajonettverbindung - hält diesen geschlossen, bis das Projektil die Laufmündung passiert hat. Danach sinkt im inneren des Laufes der Treibladungsdruck schlagartig ab; durch die Laufbohrungen kann nun der innerhalb der Reaktionskammer aufgebaute Innendruck in den Lauf entweichen. Impulsbedingt beginnt nun der Verschluss sich zu öffnen und pumpt während des Rücklaufes die entspannten Schwalldruckgase aus der Reaktionskammer in den Lauf. Gleichzeitig entweicht auch bei der beginnenden Verschlussöffnung ein Teil der Gase über die freigewordene Labyrinthdichtung durch den sich ergebenden Spalt zwischen Laufwandung und Verschlusskappe.
Die Gasdruckhöhe in dieser „Gasbremse“ bestimmt automatisch die Rücklaufverzögerung und in Folge dessen den Verriegelungsgrad des Verschlusses: Ein hoher Gasdruck bewirkt eine starke Verriegelung, ein mittlerer eine mittlere und schwacher eine schwache Verriegelung. Analog zur Laborierung verhält sich die Verriegelungssteifigkeit des Systems, was es ermöglicht, die verschiedensten Laborierungen störungsfrei zu verschießen. Nach unten hin findet die Laborierung jedoch durch die Verschlussfederkraft (bzw. Federkonstante) ihre Grenze. Der interne Pumpvorgang während des Verschlussrücklaufes bewirkt zusätzlich eine Rückstoßdämpfung, welche hiermit auch das Drehmoment im Handgelenk und den Hochschlag stark abschwächen.
Verschluss
Er besteht aus dem Verschlussschlitten sowie einer mündungsseitigen Verschlusskappe mit Führungsrohr. Besonders stark beanspruchte Stellen des Vergütungsstahls sind zusätzlich induktiv gehärtet, um Abriebverschleiß entgegenzuwirken. Die innen verchromte Verschlusskappe wird mittels Verriegelungswarzen in einer umlaufenden Nut im hierfür entsprechend verstärkten Vorderteil des Schlittens aufgenommen. Die Bajonettverriegelung wird durch den Eintritt des Federführungsrohres in die Verschlussfeder gegen Verdrehung gesichert. Die Verschlusskappe verfügt über eine Labyrinthdichtung, welche aus zwei Stegen mit einer Gesamtbreite von ca. 4,5 mm besteht. Hinten wird der Verschluss in 30 mm langen, hinter dem Magazinschacht liegenden Leisten praktisch spielfrei geführt.
Im geschlossenen Zustand wird - für die einwandfreie Funktion unabdingbar - der Verschluss mittels des Führungsrohres der Verschlusskappe passgenau ‚gasdicht’ geführt.
Die Seitenflächen des Verschlusses sind geschliffen, die restlichen Flächen sandgestrahlt. An der Mündung sind die Seitenflächen leicht eingezogen. Damit ist der Verschluss sehr gut gestaltet und „holsterfreundlich“.
Lauf
Der gehämmerte, innen und außen hartverchromte Polygonlauf hat ein dreieckiges Profil. Dieses Profil minimiert beim Geschossdurchgang aufgrund der aneinander vorbeilaufenden Druckspitzen die innere Verformungsarbeit im Projektil. Der Lauf ist fest mit dem Griffstück über ein Brillenstück verschraubt. Die Zug- und Felddurchmesser betragen 8,70 mm und 9,03 mm. Entgegen der bei 9 mm x 19 üblichen Drallänge von 250 mm wurde diese auf 220 mm verkürzt, was die Drallgeschwindigkeit und damit die Schusspräzision auch auf größere Schussentfernungen erhöht. Die beiden Gasentnahmebohrungen mit Durchmessern von 4,5 mm sind 81 mm vor der Laufmündung eingelassen und schräg zur Mündung hin gerichtet. Sie liegen direkt vor der Labyrinthdichtung, welche einen Außendurchmesser von 16 mm hat. Sie wird durch zwei ringförmige Ausdehnungen von jeweils 1,4 mm Breite gebildet. An der Laufmündung erweitert sich der Durchmesser von 11,9 mm zur Mündung hin auf 12,6 mm. Auf diesem ca. 6 mm breiten Bund schließt das Führungsrohr der Verschlusskappe ‚gasdicht’ ab. Die Laufmündung ist außen angefast und innen abgesenkt.
Visierung
Die 162 mm lange Visierlinie wird aus einem festen, 3,5 mm breiten Leuchtpunkt-Balkenkorn und einer 4,2 mm breiten, verschiebbaren Rechteckkimme mit zwei Leuchtpunkten gebildet. Die Visierung entspricht militärischem Standard. Eine abgesetzte Visierschiene fehlt; die Oberseite ist sandgestrahlt und damit reflexionsfrei.
Griffstück
Der Griffwinkel beträgt 107° und bietet hiermit auch optimale Deutschusseigenschaften. Es besteht aus zwei zusammengeschweißten Blechprägehälften mit geglätteten Schweißnähten, mittels nachträglicher Wärmebehandlung einsatzgehärtet. Dieses spezielle Herstellung (Blechprägeverfahren) wurde bereits während des 2. WK in Deutschland entwickelt und revolutionierte die Waffenherstellung. Das Griffstück der „zivilen“ GB ist mit einem anthrazitfarbenen, fein strukturierten Einbrenn-Schrumpflack überzogen, der eine sehr gute Griffigkeit gewährleistet. Bei der „militärischen“ Variante verzichtete man auf diesen Luxus. Die Verwendung von Polymerwerkstoffen wurde erwogen und wieder fallengelassen; das Unternehmen verfügte reichlich über hochwertige Stahlpressen. Hochfeste Prägeteile konnten in hoher Qualität hergestellt werden; Investitionen in Spritzgussmaschinen erübrigten sich deshalb. Die kalt verformende Blechprägetechnik macht – beim Prägevorgang mit im Material einhergehender Festigkeitserhöhung - erheblich reduzierte Wandstärken (GB: nur 1,5 mm!) im Vergleich zur „klassisch“ gefrästen Ausführung möglich. Trotz der hohen Magazinkapazität von 18 Schuss ist das Griffstück deshalb nicht überdimensioniert und eignet sich auch für relativ kleine Hände. Der separat gefertigte Abzugsbügel aus Polymerwerkstoff ist mit dem Griffstück lösbar verschraubt. Die Griffschalen sind aus unzerbrechlichem Kunststoff und werden mit je zwei Schauben am Griffstück gehalten.
Magazin
Es nimmt zweireihig 18 Schuss auf. Magazinkörper, Stoßboden sowie auch der Zubringer sind ebenfalls in Blechprägetechnik hergestellte Teile; lediglich die Magazinfederführung ist aus Kunststoff gefertigt. Der Magazinlippenabstand entspricht dem Patronendurchmesser; das Laden erfolgt damit wie bei einem MP-Magazin „von oben“. Trotz der sehr kräftigen Magazinfeder wird keine Ladehilfe oder Fingerakrobatik benötigt.
Entwicklungsgeschichte
Entwicklungsgeschichte der Gasdruckverriegelung
Das der Steyr Pi 18 zu Grunde liegende Gasdruckverriegelungssystem wurde bereits 1944 unter Leitung des damaligen Chefkonstrukteurs Barnitzke bei den ehemaligen „Gustloff-Werken“ in Suhl entwickelt. Es fand noch Verwendung im „Gustloff“ Volksgewehr 1-5, welches in aller Eile speziell für den Volkssturm an der Ostfront entwickelt worden war. Wie auch der Gasdrucklader Sturmgewehr 44 – ein konstruktiv aber ganz anders funktionierendes System - verwendete es ebenso die „Polte“-Kurzpatrone 7,92 x 33. Das VG 1-5 war eine genial einfach konstruierte, für Einzel- und Dauerfeuer eingerichtete Handwaffe, welche dann ab Anfang 1945 noch produziert werden konnte. Aufgrund der äußerst kritischen Logistik- und Materialversorgungslage kamen aber bis Kriegsende nur noch wenige dieser Maschinenkarabiner in den Volkssturmverbänden zum Einsatz.
Entwicklungsgeschichte der Steyr GB
Ende der 1960er Jahre griff man in Österreich bei Steyr-Daimler-Puch dieses Barnitzke-Verschlusssystem wieder auf und begann mit einer Anschlussentwicklung. Diese mündete direkt in die Entwicklung der „militärischen“ Pi 18. Die abschließende Patentschrift vom 6. Dezember 1972 des Steyr-Konstrukteurs Hannes Kepplinger lehnt sich an das Barnitzke-System an, wobei dieses konstruktiv hierbei noch wesentlich verbessert wurde.
Als 1972 die ersten GB-Gebrauchsmuster dem österreichischen Bundesheer zur Verfügung standen, kam jedoch trotzdem kein Kontrakt zugunsten der GB zustande, obgleich die militärischen Stellen die GB stark befürwortete. Der Grund lag im Umstand, dass einige Jahre vorher eine ähnlich „inoffizielle“ Entwicklungsaktion für das Bundesheer mit einer Maschinenpistole, der MPi 69 (Uzi-Klon), in Gang gesetzt worden war. Steyr hatte davon nun Anfang der 1970er Jahre ca. 5000 Stück „auf Lager“. Man betrachtete bei Steyr die Sachlage nun zunehmend kritisch und legte daher dem Bundesheer nahe, die MPi 69 nun abzunehmen und die Pi 18 "als Zugabe" mit dazu zu bekommen. Man konnte sich jedoch auf diesen Kompromiss nicht einigen, und so blieben die 5000 MPi 69 weiter im Keller liegen - und die Fertigungspläne der Pi 18 in der Schublade ...
Es ist nun nicht nachvollziehbar, weshalb Steyr ab diesem Zeitraum nicht sofort mit der „zivilen“ GB-Vermarktung begann. Sie hätte am Markt Mitte der 1970er Jahre mit ihren Leistungsdaten alle anderen vergleichbaren Pistolen in den Schatten gestellt. Als dann Ende der 1970er Jahre dann doch noch ein Lieferkontrakt mit dem Bundesheer zugunsten der MPi 69 zustande kam, wurde die Pi 18 hierbei aber nicht mit einbezogen.
"GAU": US-Plagiat „ROGAK/L.E.S. P-18“
Gelegentlich wird fälschlich immer wieder behauptet – auch in renommierter Fachpresse – dass zuerst Rogak das zugrunde gelegte System entwickelt hatte und das später dann - nachdem er konstruktiv damit nicht zurecht kam - die Steyr-Daimler-Puch sich der Sache erst dann angenommen hätte. Diese und ähnliche Behauptungen sind Legenden.
Der tatsächliche Hergang kann wie folgt umrissen werden: Mitte der 1970er Jahre erhielt der damalige Steyr USA-Repräsentan Rogak von einem Steyr-Manager die Fertigungsunterlagen der Pi-18, dem Vorläufertyp der GB. Die näheren Gründe für diese inoffizielle Aktion liegen im Dunkeln und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war es eine eigenmächtige und nicht "autorisierte" Aktion, welche später dann auch fatale Folgen nach sich zog. Zwischen Rogak und Steyr gab es jedenfalls nie eine „offizielle“ Lizenzierung bzw. andere autorisierende Vereinbarungen für die Herstellung. Steyr dementierte z. B. aufgrund einer Fachzeitschrift-Anfrage von 1980 schriftlich, dass „ ... zu keiner Zeit diesbezüglich offizielle Abmachungen zwischen Steyr und Rogak bestanden haben“.
Rogak begann Ende der 1970er – ob nun mit oder ohne Lizenzierung sei dahingestellt - in den USA die Pistole Pi 18 unter der Bezeichnung "Rogak P-18“ zu bauen und über eine eigene Vertriebsgesellschaft „L.E.S./Rogak“ auch weltweit anzubieten. Rogak sah aufgrund der Leistungsdaten der (österreichischen!) Pi 18 sehr hohe Marktchancen, die er auch so rasch als möglich auszuschöpfen gedachte. Im Grunde genommen kann die Pi 18 als die erste Vertreterin der "Wondernines" gelten, welche dann zu Beginn der 1980er Jahre in den USA ihren Siegeszug antraten.
Rogak produzierte drei „kosmetisch“ leicht voneinander abweichende Varianten aus rostfreiem Stahl. Entweder war Rogak nun aber überfordert oder nicht willens, die vorliegenden Maße, Passungen und Materialkennwerte der österreichischen „Pi 18“ hinreichend zu interpretieren bzw. anzuwenden. Somit wurden dann diese „Quick-and-Dirty P-18“ in wesentlichen Details konstruktiv unzureichend gefertigt. Die allgemeine Verarbeitung kann - im Vergleich zur sehr akkurat gefertigten Steyr Pi 18 bzw. GB - nur als äußerst dürftig bezeichnet werden. Schwerwiegender war jedoch, daß die US-Kopie schlichtweg auch nur unzureichend funktionierte. Selbst unter relativ anspruchslosen US-Waffentestern galten sie bald nur noch als "Jammatic" („Automatische Ladehemmung“) oder "polished Junk" („polierter Schrott“). Bei Steyr in Österreich erwog man nun - entsetzt durch einen anzunehmenden Imageverlust für kurz vor der Markteinführung stehende GB - eine juristische Auseinandersetzung mit Rogak. Das erledigte sich dann aber von selbst: Die erste US-„Wondernine“ überlebte nicht einmal ihre Marktdurchdringungsphase. Nach ca. 2300 verkauften Pistolen wurde 1981 aufgrund des inzwischen ruinösen Images die P-18 Produktion "L.E.S./Rogak" wieder eingestellt.
Bei Steyr hatte man inzwischen mit einer GB-Testwaffe ca. 40 000 Schuss ohne Beanstandungen verschossen. Es war eine erstklassig funktionierende und auch hervorragend verarbeitete Waffe. Die ersten österreichischen Pistolen unter der Bezeichnung "GB" kamen ab 1982 auf den Markt. Von der weiteren Bezeichnung Pi 18 hatte man sich auch deshalb verabschiedet, um einer Verbindung zu dem Desaster um das US-Plagiat P-18 möglichst aus dem Wege zu gehen.
Vermarktung
Ausschreibung Österreichisches Bundesheer
Aufgrund personeller Veränderungen bei den zuständigen Stellen des Bundesheeres sowie auch bei der Steyr-Daimler-Puch AG war inzwischen die gewachsenen Beziehungsgeflechte stark geschwächt worden. Das zwischenzeitlich vom Bundesheer erstellte Pflichtenheft konnte damit von einem anderen, äußerst agilen österreichischem Hersteller stark beeinflusst werden.
Mitte 1982 begann beim Österreichischen Bundesheer die Erprobung für die neue Ordonnanzpistole. Außer der Steyr GB wurden auch getestet: Beretta 92, Glock 17, H&K P 80 (eine geringfügig modifizierte P 7) sowie die SIG 220, 225, 226. Obgleich die GB von allen Waffen bei den Schussleistungen am besten abschnitt, entschied sich die österreichische Beschaffungskommission 1983 für die „billigste“ aller getesteten Waffen. Die damals noch fast unbekannte österreichische Glock 17 ging als Sieger der Ausschreibung hervor. Der Anfangsbedarf lag bei ca. 25 000 Pistolen. Angeschafft wurden dann ca. 28 000 Stück.
Ausschreibung US-Army und Erprobung Joint Services Small Arms Program (JSSAP) XM9
Enttäuscht und beschämt, im eigenen Land von einem „No-Name“-Mitbewerber geschlagen worden zu sein, nahm Steyr-Daimler-Puch mit der GB dann ab 1984 an einer US-amerikanischen Heeresausschreibung teil. Dieser war eine Luftwaffenausschreibung vorausgegangen, welche das Heer aber nicht anerkannte. Die Heereserprobung „XM9“ sollte eine geeignete Seitenwaffe „M9“ im Kaliber 9 mm x 19 als Ersatz für die inzwischen als veraltet geltende Colt Government M 1911 A1 ermitteln. Amerikanische und europäische Hersteller nahmen an der Erprobung teil: Beretta, Colt, FN, H&K, SIG-Sauer, Smith&Wesson, Steyr und Walther. Glock nahm an dieser Ausschreibung nicht teil, da man einige Randbedingungen der Ausschreibung – z.B. die Offenlegung von Fertigungsdetails sowie auch die Abtretung von Patentrechten im Auftragsfall - nicht akzeptierte.
Die amerikanischen XM9-Waffentester waren wieder besonders von der GB beeindruckt: Höchste Präzision, Feuerkraft und Zuverlässigkeit sowie ein niedriger Rückstoß auch bei Verwendung extrem stark geladener Sondermunition zeichneten die Pistole aus. Sie stolperte dann aber - kurz vor der Endausscheidung - über irgendeine technisch sehr nebensächliche der 72 „Shall“-Bedingungen. Das dann ausgerechnet Beretta mit ihrem zwischenzeitlich modifizierten Modell 92 Beretta 92S-BF den Zuschlag bekam, kann sich nur einem erschließen, der die Eigenarten US-amerik. Erprobungs- und Vergabepraktiken kennt. (Siehe hierzu den Beitrag unter dem u.a. Link "the gunzone"). Stark beeinflussend waren aber der Preis und die Gegebenheit, daß Beretta in Bundesstaat Maryland bereits eine Fertigungsstätte für die Bedienung des zivilen US-Marktes hatte. Damit konnte die Wertschöpfung für die neue Seitenwaffe M9 größtenteils in den USA stattfinden. Der M9-Kontrakt war anfänglich für 316 000 Pistolen ausgelegt und wurde später dann auf fast 500 000 erhöht.
Zivile Vermarktung
Steyr erhielt zwar in den Folgejahren internationale kleinere Aufträge für militärische, paramilitärische sowie polizeiliche Spezialeinheiten - u.a. auch für die Special Forces in den USA sowie dem Libanon und in Pakistan. Auch namhafte Geheimdienste interessierten sich für die GB, u.a. auch das ehemalige MfS der DDR („Stasi“), welches via USA ca. 100 Stück GB beschaffte. Das Bundeswehrbeschaffungsamt BWB begnügte sich mit ca. 10 Stück; für welchen speziellen Zweck ist nicht bekannt. Alles zusammengenommen konnten aber mehrere kleinere Kontrakte nicht den Verlust der österreichischen und amerikanischen Großaufträge kompensieren. Steyr bemühte sich deshalb ab Mitte der 80er Jahre, mit der GB stärker in die zivilen Märkte einzudringen. Zu diesem Zeitpunkt war das - in Folge vieler Neuentwicklungen namhafter internationaler Hersteller - nicht gerade einfach. In den USA trat zwar das Kaliber 9 mm x 19 mit den europäischen, sogenannten „Wondernine“-Pistolen seinen Siegeszug an; am häufigsten gefragt waren jedoch die gekürzten Kompaktvarianten. Die GB gab es in diesem Zeitraum jedoch nur als rein „militärische“ Variante in voller Größe ("full sise"). Für „Zivilisten“ ist das in der Regel meist etwas zu „klotzig“. Die GB entspricht in ihren Abmessungen ziemlich genau der Beretta 92.
Steyr konnte Anfang der 80er mit der GB auch nicht in der damals international aufkommenden PPS-Szene (praktisches Pistolenschießen, heute IPSC) Fuß fassen. Aufgrund ihrer ausgezeichneten Schnellschussfähigkeit und hohen Feuerkraft eignet sich die GB ganz hervorragend für das taktische Schießen. Eine bedeutende Einschränkung findet sich aber in der (versportlichen!) IPSC-Regel, den Wettkampf-Parcours mit gespanntem Hahn und „gesichert“ anzutreten – ein Relikt aus den Zeiten der veralteten „1911-er"“. Da die GB aber - anstelle der manuellen Sicherung - die aus rein taktischer Sicht mehr Sinn machende Schlaghebel-Entspannvorrichtung hat, so wäre der Schütze hierbei beim ersten Schuss auf die SA des Spannabzugs angewiesen. Es wurde von Steyr versäumt, eine Variante mit klassischer Sicherung nachzuschieben, um auch den IPSC-Wünschen voll zu entsprechen - so wie das CZ mit der Modellreihe 75 / 85 getan hat. Trotzdem wurde die GB bei Pistolenschützen beliebt, die in der o.a. Einschränkung für sich selbst kein Hindernis sahen und welche auch keine Berührungsängste bezüglich der ungewohnten Verschlusstechnik sowie dem unkonventionellen und etwas futuristisch anmutenden Äußeren hatten.
Renommierte internationale Waffentester begeisterten sich an der GB. Sie lobten einstimmig die solide Ganzstahlkonstruktion, Präzision, Schussleistung, Funktionalität und die perfekte Griff-Ergonomie, sowie auch die hervorragende Handhabung sowie auch die elegante Formgebung. Das jedoch immer noch nachwirkende Desaster um die äußerlich ähnliche „L.E.S. P-18“ hat - zumindest in den USA - verhindert, daß die verstärkten Marketingmaßnahmen dort Mitte der 80-er zu wesentlich höheren Verkaufszahlen hätten führen können. Und nur diese - oder ein wesentlich höherer Preis - hätten nach der Ansicht von Steyr eine profitable Vermarktung ermöglicht.
1986 bot Steyr für die GB als Ergänzung zusätzlich noch einen Mündungskappen-Kompensator an, der an Stelle der Standard-Mündungskappe eingesetzt werden konnte. Er wirkt nicht auf den Lauf, sondern auf den Verschlussschlitten und wurde speziell für die Verwendung von sehr stark geladener militärischer- oder IPSC- Sondermunition gedacht. Er verringert Rückstoß und Hochschlag nochmals signifikant; der Repetiervorgang mit seinem Rück- und Vorlauf kann hierbei mit einem deutlichen "Ratsch-Ratsch" wahrgenommen werden. Die restliche Bewegungsenergie des Schlittens am hinteren Anschlag ist praktisch eliminiert, was besonders dem Präzisionsschießen sehr entgegen kommt.
Der leidige US-Markt war das Schicksal der GB. 1987 teile Steyr dem US-Importeur "Gun South" mit, dass aus Wirtschaftlichkeitsgründen der Preis für die GB um ca. 150 $ angehoben werden müsse. Mag sein, dass Steyr mit dieser Preiserhöhung etwas zu ungeduldig agierte, denn alle sog. „Wondernines“ befanden sich Mitte der 1880-er Jahre noch in der Markteindringungsphase und erwirtschafteten - besonders in den USA - nur mäßige Gewinne. Beretta 92 FS und Steyr GB kosteten beide Mitte der 80er in den USA ca. 600 $. Damit war die Beretta im Vergleich zur GB zu teuer, verkaufte sich dort aber später trotzdem ohne Probleme.
Steyr war Mitte der 1980-er mit der GB aufgrund deren Leistungsdaten bestens aufgestellt. Man wäre es heute auch noch bzw. wieder ! Gun South war aber damals der Ansicht, dass ein Preis von ca. 750 $ für die GB in den USA nicht durchsetzbar sei, weil man dort anscheinend das Desaster mit der L.E.S. / Rogak P-18 noch nicht ganz aus dem Köpfen bekommen hatte. Steyr erachtete die Einwände des US-Importeurs als plausibel und glaubwürdig und in Ermangelung fundierterer Erkenntnisse aus besseren und zuverlässigeren Quellen wurde nun bei Steyr "am grünen Tisch" beschlossen, die Fertigung der GB einzustellen. Marketingtechnisch war das – nach der Sache mit L.E.S. / Rogak - die zweite kapitale Fehlentscheidung. Weder Beretta, Walther oder SIG-Sauer hatten später Probleme, ihre Produkte zu sogar noch höheren Preisen zu vermarkten. Und im Hinblick auf die sich damals bereits abzeichnenden Trend zu noch stärkeren Kalibern hätte die GB aufgrund ihres revolutionären Verschlusssystems das Aufwuchspotential hierfür mühelos gehabt. Eine Eigenschaft, die damals uneingeschränkt nur die Pistolen von Glock erfüllen.
Am 25. November 1988 erfolgte die letzte GB-Lieferung in die USA mit 633 Stück. Steyr hatte bis dato ca. 20 000 GB hergestellt.
Der Fall „Steyr GB“ zeigt drastisch auf, daß allein nur die Leistungsdaten über den Werdegang einer Waffe nicht entscheiden. Zeitpunkt der Markteinführung, negative wie positive Begleiterscheinungen, politische und wirtschaftliche Kausalitäten sowie marketingtechnische Unzulänglichkeiten entscheiden oft mehr darüber, ob eine Waffe über Jahrzehnte hinweg Furore macht - oder ob sie vom Markt wieder verschwindet. Als gesichert kann jedoch gelten, daß die mehr als unglücklichen Vorgänge um die Rogak „Rogak/L.E.S. P-18“ der Steyr GB sehr im Weg gestanden haben. Bei etwas glücklicheren Begleitumständen hätte sich die Steyr GB aufgrund ihrer Leistungsdaten mindestens ähnlich wie die ebenfalls aus den 70er Jahren stammende Brünner M75 der Tschechoslowakischen Waffenwerke (= Ceska Zbrojovka) (CZ 75) durchsetzten können.
Quellen
- Hannes Kepplinger, GB-Konstrukteur (ehem. Steyr-Daimler-Puch)
- DWJ: Diverse Veröffentlichungen über die Steyr GB und Rogak/L.E.S. P-18
Weblinks
- http://www.specshop.pl/popup_image.php?pID=637
- http://www.securityarms.com/20010315/galleryfiles/3000/3049.htm
- http://www.militaryfactory.com/smallarms/detail.asp?smallarms_id=95
- http://www.remtek.com/arms/steyr/gb/gb.htm
- http://www.steyraug.net/gb.htm
- http://www.securityarms.com/20010315/galleryfiles/2300/2369.htm
- http://www.thegunzone.com/m9-a.html