Rochus Misch

deutscher Funker und Angehöriger der Leibstandarte-SS Adolf Hitler (1917–2013)
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Rochus Misch (* 29. Juli 1917 in Oppeln) ist ein ehemaliger Funker und Angehöriger der Leibstandarte-SS Adolf Hitler, zuletzt mit dem Dienstgrad Oberscharführer. Misch ist der letzte noch lebende Zeitzeuge des Suizids Hitlers und seiner Frau sowie der Familie Goebbels.

Kindheit und Ausbildung

Rochus Misch war das zweite Kind des Bauarbeiters Rochus Misch und dessen Frau Victoria, geborene Fronia, die bei der BVG arbeitete. Er hatte einen zwei älteren Bruder. Sein Vater kam kurz vor Mischs Geburt mit einem Lungenschuss und fehlendem Daumen, eine Verletzung, die er vom Ersten Weltkrieg davongetragen hatte, aus einem Lazarett in Oppeln zur Familie zurück und starb wenige Stunden davor.[1] Aufgrund dieses Vorfalls bekam er den Vornamen seines Vaters, Rochus. Zweieinheilb Jahre nach seiner Geburt starb seine Mutter an einer Lungenentzündung, im Mai 1922 sein Bruder Bruno infolge eines Badeunfalls. Als Vollwaise wuchs er ab seinem sechsten Lebensjahr bei seinen Großeltern Fronia auf.

Misch besuchte acht Jahre die Volksschule, bis sein Großvater der Meinung war, dass er einen handwerklichen Beruf erlernen sollte. Er hatte gute Noten,[2] daher war sein Schuldirektor darum bemüht, ihn auf eine weiterführende Schule zu schicken. Sein Großvater entschied sich jedoch dafür, ihn zur Ausbildung zu einem Kunstmaler zu schicken. Später erinnert sich Misch an die Entscheidung:

„Ich kann mich noch gut erinnern, dass Großvater, als mich von der Schule nahm, dabei in einen handfesten Streit mit dem Schuldirektor Deminski geriet. Der Rektor wollte unbedingt, dass ich weitermache und auf eine höhere Schule in Oppeln gehe – ich hatte gute Noten. Doch Großvater lehnte entschieden ab, obwohl der Rektor uns sogar zu Hause aufsuchte, um ihn zu überreden. Es half nichts. Für Großvater stand fest, dass ich einen Handwerksberuf ergreifen sollte. Zu seiner großen Freude hatte ich eine Eins in Kunst, und so war bald entschieden, dass ich Kunstmaler werde. Großvater hätte Wiederspruch nicht geduldet, durch und durch preußisch-autoritär wie er es war, aber ich hatte auch gar nichts dagegen.“

Rochus Misch in: „Der letzte Zeuge“ [2]

Mischs Cousine Marie vermittelte daraufhin 1932 eine Lehrstelle in Hoyerswerda, ihrer Heimatstadt bei der Firma „Schüller und Model“.[3] Der größte Teil der Ausbildung bestand darin, Kinoplakte und Ramklamesprüche an Hauswände zu malen. 1935 bekam die Firma den Auftrag des örtlichen Schützenvereins zwei Gemälde als Preis für die Gewinnder des Schützenfestes zum Thema Olympia zu erstellen. Kurz nach Beginn der Arbeiten an diesen Gemälden wurde der angehende Meister Schrämmer schwerkrank, weswegen Misch die Aufgabe bekam die Gemälde zu vollenden. Der Hauptgewinn zeigte das Olympiastadion, der Preis des Jungschützenkönigs einen Fackelläufer vor den Fahnen verschiedener Länder. Dieser Auftrag brachte Misch 490 Reichsmark ein, wovon er ein ein halbes Jahr die Kölner Meisterschule für Bildende Künste besuchte.[4] Im Dezember 1936 beendete Misch seine Gesellenzeit, sein Werkstück musste er nie beenden und erhielt die besten Note.

Nachdem er einige Zeit Malergeselle gewesen war, machte er sich mit einem älteren Kollegen in Hornberg im Schwarzwald selbstständig. Misch erstellte im Rahmen des staatlichen Förderprogramms „Deutschland soll schöner werden“ Entwürfe für Öffentliche Gebäude und verdiente dabei 95 Pfennig in der Stunde. Er genoss die Freiheit ein eigenes Leben zu führen und liebte es sich mit Gleichaltrigen zu unterhalten.[5]

Späteres Leben

Misch meldete 1937 freiwillig zur SS-Verfügungstruppe (Vorgängerorganisation der Waffen-SS). Ende 1939 wurde Misch während des Polenfeldzuges durch einen Lungenschuss verwundet.

Auf Empfehlung seines Kompaniechefs, Wilhelm Mohnke, teilte der Chefadjutant Hitlers, Julius Schaub, Misch dem Führerbegleitkommando zu. Misch wurde somit zu einem Leibwächter Hitlers.[6]

In einem Zeitungsinterview berichtete Misch von den letzten Stunden im Bunker und einem Gespräch mit Goebbels am 1. Mai 1945:

Goebbels: „Was haben wir denn noch überhaupt?“
Misch: „Herr Minister: Telefonate, die Gauleitung, der Oberstleutnant Seiffert.“
Goebbels: „Da ist ja nicht mehr viel.“
Ganz ruhig und leger habe Goebbels anschließend erklärt: „Wir haben verstanden zu leben, wir werden auch verstehen zu sterben. Sie können jetzt Schluss machen.“

Misch verließ dann den Führerbunker. Schon ein paar Tage zuvor hatte er sich am Bestand bedient und einen Rucksack mit den nötigsten Nahrungsmitteln gepackt. Als Misch ging, blieb nur der Maschinist Johannes Hentschel mit Goebbels zurück.[7]

Misch flüchtete am Morgen des 2. Mai 1945 von der Vorderfront der Alten Reichskanzlei durch die U-Bahn-Gleisschächte vom U-Bahnhof Kaiserhof über den Bahnhof Friedrichstraße und die Weidendammer Brücke bis zum Stettiner Bahnhof, wo er von Soldaten der Roten Armee festgenommen wurde.

Wegen seiner Nähe zur politischen Prominenz des Dritten Reiches wurde er in die Sowjetunion geflogen und im Moskauer Militärgefängnis Lubjanka festgesetzt. 1954 wurde Misch entlassen.

Rochus Misch lebt in Berlin. Er ist seit dem Tod von Hitlers Adjutanten Otto Günsche im Oktober 2003 nun der letzte Augen- und Zeitzeuge aus dem inneren Zirkel des „Dritten Reiches“. Misch hatte 1942 geheiratet und hat eine Tochter.[8]

Auszeichnungen

Dokumentationen und Filme

Im April 2006 erschien eine TV-Dokumentation des MDR unter dem Titel Der letzte Zeuge – Rochus Misch. Ebenfalls im April 2006 wurde die Biografie von Misch unter dem Titel J'étais garde du corps d'Hitler in Frankreich publiziert. Das Buch behandelt überwiegend den Zeitraum von 1940 bis 1945. Weitere Veröffentlichungen folgten in Argentinien, Spanien, Brasilien, Polen, der Türkei und Japan. In Deutschland erschienen die Lebenserinnerungen von Misch am 30. Juni 2008 unter dem Titel Der letzte Zeuge. Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter im Münchner Pendo-Verlag.

In den Filmen Der Bunker (1981) wurde er von Michael Kitchen, in Der Untergang (2004) von Heinrich Schmieder und in Die letzte Schlacht (2005) von Florian Lukas gespielt. Alle Produktionen setzen sich mit den letzten Tagen des Naziregimes auseinander.

Werke

  • Rochus Misch: Der letzte Zeuge. Ich war Hitlers Telefonist, Kurier und Leibwächter. Mit einem Vorwort von Ralph Giordano, 3. Auflage, Zürich und München 2008, ISBN 978-3-86612-194-2

Einzelnachweise

  1. Misch: „Der letzte Zeuge“, 4. Auflage, S. 38f.
  2. a b Misch: „Der letzte Zeuge“, 4. Auflage, S. 42
  3. Misch: „Der letzte Zeuge“, 4. Auflage, S. 43
  4. Misch: „Der letzte Zeuge“, 4. Auflage, S. 44f.
  5. Misch: „Der letzte Zeuge“, 4. Auflage, S. 49f.
  6. Hitlers Ende: „Der Chef brennt!“ Beitrag von Dominik Reinle (WDR) auf kriegsende.ard.de (o. D.)
  7. Jetzt wird der Chef verbrannt. Süddeutsche.de, 29. April 2005
  8. Ralf Simon: Des Teufels Leibwächter. Die Geheimnisse des letzten lebenden Hitler-Vertrauten, Spiegel-Online, 29. Juli 2007.