Die Spanische Hofreitschule ist eine in Wien ansässige Reitinstitution, die ursprünglich der reiterlichen Ausbildung der kaiserlichen Familie diente. Sie ist einer der wichtigsten Orte zur Erhaltung der klassischen Reitkunst.

Geschichte
Die Spanische Hofreitschule wurde zum ersten mal 1572 urkundlich erwähnt. In dieser Urkunde ging es um eine Holzlieferung für eine Halle aus Holz am heutigen Josefsplatz. Sie ist somit die älteste (klassische) Reitschule der Welt. Während der zweiten Türkenbelagerung Wiens 1683 wurde diese Holzhalle schwer beschädigt. Kaiser Karl VI ließ 1729–1735 an ihrer Stelle die Winterreitschule errichten. Der Baumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach entwarf den lichtdurchfluteten Reitsaal, der Vielen als der schönste der Welt gilt. Sein Sohn Joseph Emanuel Fischer von Erlach führte den Entwurf aus. Die Spanische Hofreitschule hat ihren Namen von Pferden spanischen Ursprungs, die an der Schule seit jeher gearbeitet wurden. Die Lipizzaner werden im Bundesgestüt Piber gezüchtet und im Alter von 3 ½ Jahren nach Wien zur Ausbildung überstellt. Den Namen haben diese Pferde vom ursprünglichen Stammgestüt beim slowenischen Ort Lipica (ital. Lipizza). Die Stallburg, in der die Lipizzaner untergebracht sind, wurde von Erzherzog Maximilian, dem späteren Kaiser Maximilian II, Mitte des 16. Jahrhunderts errichtet und als Residenz genutzt.
Xenophon und François Robichon de la Guérinière sind die einflussreichsten Reitmeister an der Spanischen Hofreitschule.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Spanische Hofreitschule öffentlich zugänglich gemacht.
Nach dem Anschluss 1938 wurde sie in Spanische Reitschule umbenannt. Leiter wurde damals Alois Podhajsky, der nach dem Krieg auch am Weitererhalt und die Rückbenennung großen Anteil hatte. Er leitete sie bis 1964.
Seit 2001 sind Hofreitschule und Bundesgestüt aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliedert und auf Basis des ’Spanische Hofreitschule-Gesetzes’ rechtlich und wirtschaftlich verselbstständigt (BGBl. I Nr. 115/2000). Das Unternehmen ist gesetzlich ’zur dauerhaften Erhaltung und traditionsgemäßen Zucht der Pferderasse „Lipizzaner“, zur Erhaltung der Tradition und der Hohen Schule der klassischen Reitkunst, zur traditionsgemäßen Nutzung der betreffenden Teile der Hofburg und des Bundesgestütes Piber und damit zur Wahrung des öffentlichen Interesses am dadurch repräsentierten österreichischen und internationalen Kulturgut’ verpflichtet. Die Gesellschaftsanteile haben zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes zu verbleiben.[1]
Seit 2005 hat die Spanische Hofreitschule ein Sommerquartier in Klein Wetzdorf-Schloss Wetzdorf, wo sich die Hengste sieben Wochen lang im Sommer erholen können.
Seit 1. Dezember 2007 hat die Hofreitschule mit Elisabeth Gürtler-Mauthner und Erwin Klissenbauer zwei Geschäftsführer. Leiter der Reitbahn ist Ernst Bachinger, ein ehemaliger Bereiter der Schule.
Maximilian Weyrother
Im 19. Jahrhundert wurde die Spanische Hofreitschule unter Maximilian Weyrother zu einem Mekka der Reiter Mitteleuropas. Schon sein Großvater, sein Vater und sein Bruder Gottlieb waren Oberbereiter and der Schule. Max von Weyrother hat den Begriff vom "denkenden Reiter" geprägt. Sein wohl berühmtester Schüler war Louis Seeger.
Bereiter
Alle Bereiter werden intern ausgebildet. Der Eleve tritt im Alter zwischen 15 und 19 Jahren in die Schule ein. Nach einer vier- bis sechsjährigen Ausbildung, davon einige Jahre an der Longe, wird er Bereiter-Anwärter. Ein Bereiter-Anwärter muss einen jungen Hengst bis zur Schulquadrille-Reife ausbilden und ihn erfolgreich in der Schulquadrille reiten. Erst dann wird er zum Bereiter ernannt. Nur die qualifiziertesten Bereiter werden zum Oberbereiter befördert. Der dienstälteste Oberbereiter wird zum Ersten Oberbereiter. Derzeit (2008) hat die Spanische Hofreitschule vier Oberbereiter (Johann Riegler, Klaus Krzisch, Wolfgang Eder, Andreas Hausberger). Der Erste Oberbereiter ist Klaus Krzisch.
Uniform
Die Empire Uniform der Bereiter ist seit 200 Jahren fast unverändert. Der Bereiter trägt einen kaffeebraunen hochgeschlossenen Reitfrack (mit versteckter Zuckertasche), eine weiße Hirschlederhose, einen Zweispitz mit einer schmalen (Bereiter-Anwärter) oder breiten (Bereiter und Oberbereiter) Goldborte als Rangabzeichen, Stulpstiefel und weiße Rehleder-Handschuhe. Zur Uniform des Bereiters gehören auch Schwanenhalssporen. Den Rang eines Reiters erkennt man außerdem auch an den Goldbordüren an den roten und grünen Schabracken. Der Leiter der Schule hat drei Goldbordüren mit goldenen Fransen. Der Oberbereiter hat drei, der Bereiter zwei und der Bereiter-Anwärter eine Goldbordüre an seiner Schabracke.
Erwähnenswert, obwohl nicht zur Uniform gehörend, ist die traditionelle Birkengerte. Sie wird jedes Jahr im Jänner von den Bereitern eigens geschnitten. Verwendet wird nur der Stamm einer 6- bis 8jährigen Birke, die Äste werden abgeschnitten. Zur längeren Haltbarkeit wird die trockene Gerte vor der Verwendung einen Tag ins Wasser gelegt.
Ausbildung der Hengste
An der Spanischen Hofreitschule wurden und werden ausschließlich Lipizzanerhengste ausgebildet. Versuche, Hengste anderer Rassen für die Arbeit heranzuziehen, scheiterten.
Die Ausbildung der Lipizzanerhengste gliedert sich in drei Stufen:
- 1. Remontenschule
- Diese Schule beginnt im Alter von vier Jahren, wenn die Hengste nach Wien an die Hofreitschule kommen. Die Hengste (meistens sechs bis acht) werden in den ersten Wochen in der Gruppe in der Winterreitschule frei bewegt, um sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Der Hengst wird an Sattel und Zaumzeug gewöhnt und wird dann für acht Wochen longiert, um seinen Gehorsam zu verbessern, seine Muskulatur zu kräftigen und um ihn auf das Gewicht des Reiters vorzubereiten. Die Hengste werden von den jüngeren Bereitern longiert und angeritten, immer unter Aufsicht eines Oberbereiters. Nach dem Longieren wird auf geraden Linien im lockereren Arbeitstempo vorwärts geritten. Ziel sind drei korrekte Grundgangarten, gleichmäßige Anlehnung bei längerem Rahmen, das Geraderichten und der Gehorsam. Es wird mit Gerte aber ohne Sporen geritten. „Reite deinen Hengst vorwärts und richte ihn gerade!“
- 2. Campagneschule
- Der Hengst ist nach mehr oder weniger einem Jahr in der ersten Stufe bereit für die Campagneschule, wobei der Hengst das Tempo der Ausbildung bestimmt: „Nimm dir Zeit aber verschwende sie nicht!“ Die Hengste werden jetzt erfahrenen Bereitern und Oberbereitern zur Ausbildung zugeteilt. Gelernt wird Versammlung, das Reiten von Wendungen und Zirkeln in allen drei Gangarten, Selbsthaltung, Losgelassenheit, Schub aus der Hinterhand und das Aufnehmen von Gewicht auf die Hinterhand. Der Hengst lernt korrekte Stellung und Biegung im Seitengang und Tempounterschiede in allen drei Gangarten. Die Reaktion auf die Hilfen wird verfeinert. Es wird mit der Handarbeit begonnen und der Hengst wird an die Kandare gewöhnt. Die Campagneschule nimmt zwei Drittel der gesamten Ausbildung in Anspruch.
- 3. Hohe Schule
- In dieser Ausbildungsstufe bringt der Reiter sein Pferd zur Perfektion. In höchster Versammlung lernt der Hengst Piaffe, Passage, Galopppirouetten und Galoppwechsel von Sprung zu Sprung. Hengste, die sich dafür eignen, lernen die Schulsprünge wie Levade, Kapriole und Courbette. Der fertige „Schulhengst“ bekommt am Ende dieser Ausbildungsstufe einen weißen Schulsattel und ein Goldzeug, und wird in der Vorstellung eingesetzt.
Vorstellung
- Junge Hengste: Acht junge Hengste betreten die Reitbahn. Sie werden auf beiden Händen in den drei Grundgangarten, auf geraden Linien und auf der großen Tour vorgestellt. Die Hengste werden mit einfachem Zaumzeug und englischem Dressursattel geritten.
- Alle Gänge und Touren der Hohen Schule: Vier voll ausgebildete Schulhengste zeigen Lektionen der Hohen Schule, wie Piaffe, Passage, Galopppirouetten und Galoppwechsel von Sprung zu Sprung. Gezäumt ist auf Goldzeug und Schulsattel mit roter Schabracke. Die Hengste haben schlichtes aber gepflegtes Langhaar, die Mähne ist nicht verzogen und nach links gekämmt.
- Pas de deux: Zwei Hengste „tanzen“ spiegelbildlich zu klassischer Musik. Dieser Programmpunkt erfordert höchste Konzentration und sehr fein abgestimmte Pferde.
- Handarbeit: Hier zeigen die Bereiter nicht nur die Schulsprünge an der Hand, also ohne Reiter, sondern auch die Piaffe zwischen den Pilaren (mit oder ohne Reiter). Die Hengste sind mit Zaumzeug, Kappzaum, Ausbindezügel, Führzügel und/oder Sprunglonge, Schulsattel und grünen Schabracken gezäumt.
- Am Langen Zügel: Der Reiter sitzt nicht am Pferd, sondern geht ganz knapp hinter dem Hengst nach. Gezeigt werden die schwersten Lektionen der Hohen Schule. Traversalen, Piaffe und Piaffepirouette, Passage, Galopppirouetten und Galoppwechsel von Sprung zu Sprung werden nur mit Zügel- und leichter Gertenhilfe ausgeführt. Gezäumt ist auf rotem Zaumzeug und roter Schabracke mit goldenem Doppeladler des Hauses Habsburg.
- Schule über der Erde: Levade, Kapriole und Courbette unter dem Reiter werden in diesem Programmpunkt gezeigt. Die Reiter haben keine Steigbügel. Die Kaprioleure tragen eine Schweiftasche. Gezäumt ist auf Kandare und Schulsattel mit grüner Schabracke.
- Schulquadrille: Acht weiße Hengste betreten feierlich den schönsten Reitsaal der Welt. Mit 20 Minuten ist sie die längste und schwerste Quadrille der Welt. „Das Ballett der weißen Hengste“, wie die Schulquadrille auch genannt wird, ist der krönende Abschluss der Vorstellung.
Privatissimum
Im Privatissimum wird ein kleiner Einblick in die tägliche Arbeit von Pferd und Reiter gegeben. Gezeigt wird ein Eleve an der Longe, unterrichtet von einem Bereiter. Nacheinander wird eine Remonte, ein Campagnepferd und ein Schulhengst (um die Ausbildungstufen deutlich zu machen) vorgestellt. Die Zäumung der Hengste wird erklärt. Die Handarbeit und einige Lektionen der Schule auf und über der Erde werden sowohl unter dem Sattel als auch am Langen Zügel präsentiert. Durch das Programm führt ein Bereiter.
Einzelnachweise
Literatur
- Ann Tizia Leitich: Die Spanische Reitschule in Wien. Nymphenburger Verl.-Handl., München 1956.