Geschichte des Antisemitismus bis 1945

Abneigung und/oder Feindschaft gegenüber den Juden
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Mit Antisemitismus wird zum einen die allgemeine Feindseligkeit gegenüber den Juden bezeichnet, zum anderen die Herabsetzung der Juden anhand künstlich konstruierter physischer oder sozialer Bewertungskriterien.

Diese beiden Elemente des Antisemitismus begründen sich gegenseitig. Antisemitismus benötigt daher keine externe Ursache, um sich selbst zu rechtfertigen. Er versucht sich aber in der Regel selbst aus zusätzlichen Faktoren zu legitimieren, die auf sozialen, ökonomischen, nationalen, politischen, ethnischen und religiösen Gebieten liegen können: Einzelne, objektiv oder subjektiv zu kritisierende Handlungen oder Einstellungen einzelner Juden, jüdischer Organisationen oder Gemeinschaften werden generalisiert, auf "die Juden" projiziert und zur Bestätigung einer antisemitischen Weltsicht herangezogen.

Antisemitismus ist eine Form der rassistischen Diskriminierung im Zeichen einer von Vorurteilen geprägten Weltsicht.

In der Bundesrepublik Deutschland können antisemitische Äußerungen nach dem Paragraph § 130 des Strafgesetzbuches unter dem Stichwort der "Volksverhetzung" verfolgt werden.

Antisemitische Judenverfolgung hat eine lange Tradition, insbesondere im Geiste der antijudaistischen Ausprägung des Christentums. Auch wirtschaftlich und sozial motivierte Pogrome sind seit dem Ausgang des Altertums nachgewiesen.

Der Begriff wurde 1879 von Wilhelm Marr als pseudowissenschaftlicher Ausdruck für das Wort "Judenhass" geprägt. Der bekennende Antisemit Marr ließ dabei außer acht, dass u.a. auch arabische Ethnien als "Semiten" gelten. Das Wort Antisemitismus hat sich in der Folgezeit - ungeachtet der durch den Wortschöpfer Marr irrtümlichen etymologischen Verwurzelung - als allgemeiner Begriff für Judenfeindschaft durchgesetzt und hat keinen Bezug zu einer etwaigen "Araberfeindlichkeit".

Zum Ende des 19. Jahrhunderts belegte der Begriff vor allen Dingen eine parteipolitisch orientierte Zielsetzung gegen einen vermeintlich übergroßen jüdischen Einfluss. Mit dem Aufkommen von darwinistischen Argumentationsketten gab sich der Antisemitismus im Gefolge von rassistischen Evolutionstheorien eine zunehmend biologistische Ausrichtung. Es war fortan nicht mehr die Rede von gesellschaftlichen Einflüssen des verhassten Judentums, sondern von der "Zersetzungskraft jüdischen Blutes".

Die Nationalsozialisten gaben dem Antisemitismus unter ihrem Regime eine zuvor nicht vorhandene Virulenz, die zur Planung und Durchführung der so genannten "Endlösung der Judenfrage" führte. Diese industriell organisierte Vernichtung des europäischen Judentums forderte über 6 Millionen Opfer.

Keine praktische Bedeutung in Bezug auf die Intensität der antisemitischen Durchdringung nationalsozialistischer Ideologie und Politik hatte die im Mai 1943 dekretierte Abwendung vom Begriff "Antisemitismus". Die durch den Nazi-Ideologen Rosenberg initiierte neue offizielle Sprachregelung zielte darauf ab, neugewonnenen arabischen Verbündeten gegenüber nicht den Eindruck zu erwecken, man "werfe Araber mit den Juden in einen Topf".[1] Durch die nunmehr ausbleibende antisemitische Selbstbezeichnung der Nazis erfuhren die verfolgten Juden allerdings keinerlei Linderung. Aus der Sicht der Nachwelt steht das deutsche Nazi-Regime - auch bei taktischer Meidung der expliziten antisemitischen Selbstbenennung ab 1943 - für den unvermindert mörderischsten Antisemitismus der Zivilisationsgeschichte.

Auch nach dem mahnenden Fanal des Holocausts ist der Antisemitimus weiter virulent, wie Anfeindungen und Anschläge weltweit immer wieder zeigen. In der Wahrnehmung der jüdischen Bevölkerung in der Diaspora gibt es in den letzten Jahren eine neuerliche Zunahme des Antisemitismus. Eine Reihe von kontrovers diskutierten soziologische Untersuchungen zeigen zum Teil ganz unterschiedliche Zahlen zum Volksantisemitismus, der sich im besonderen aus Vorurteilen und Ressentiments speist und vom militant manifesten Antisemitismus zu unterscheiden ist. Aber auch im Nahen Osten und der arabischen Welt ist ein erneutes Anwachsen des Antisemitismus zu beobachten. Vielfach wird dies mit der unnachgiebigen Haltung der aktuellen israelischen Regierung im Konfikt mit den Palästinensern in Zusammenhang gebracht.

Heute wird von Antisemiten in der Regel versucht, den Antisemitismus nicht als solchen zu bezeichnen, sondern bestenfalls als "Antijudaismus", "Antizionismus" oder allgemeine Kapitalismuskritik. Im Unterschied zur allgemeinen Bezeichnung von Judenfeindschaft durch den Begriff Antisemitismus, bezieht sich der Begriff "Antijudaismus" aber ausschließlich auf eine theologisch argumentierende Gegnerschaft zur mosaischen Religion. "Antizionismus" auf der anderen Seite bezeichnet eine politisch motivierte Gegnerschaft zum (jüdischen) Staat Israel. Dieser Differenzierung ungeachtet zeigen Antisemitismus, -judaismus und -zionismus nicht selten weitreichende Berührungspunkte. Die Bezeichnungsfrage ist ein zentraler Streitpunkt in der Antisemitismus-Debatte.

Siehe auch:


Literatur

Moishe Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus - Ein theoretischer Versuch