Syro-malabarische Kirche

eine mit Rom unierte Ostkirche in Indien
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Die syro-malabarische Kirche ist die zweitgrößte der mit Rom unierten ost-katholischen Kirchen.

Sie ist eine autonome Kirche sui iuris mit ca. 3,8 Millionen Mitgliedern und ist vor allem im indischen Unionsstaat Kerala, aber auch in den indischen Diözesen Bangalore, Delhi und Madras-Mylapore, sowie den USA, Kanada, Italien und der Golfregion, verbreitet. Ihr Oberhaupt ist seit Dezember 1999 der 2001 zum Kardinal erhobene Großerzbischof von Ernakulam-Angamaly, Varkey Vithayathil CssR (* 1927). Die syro-malabarische Kirche ist der indische Zweig der Chaldäischen Kirche, einer der fünf orientalischen Kirchenfamilien, mit ostsyrischem Ritus.

Geschichte

Die Wurzeln der syro-malabarischen Kirche gehen auf den Apostel Thomas zurück, der Jerusalem im Jahr 40 n. Chr. verließ und - nachdem er in den Jahren von 42 bis 49 die Völker des Nahen Ostens (heute Iran, der Irak, Afghanistan und Belutschistan) evangelisiert hatte - im Jahre 53 nach Indien kam. Von 53 bis 60 reiste Thomas entlang der südwestlichen Küste Indiens (damals Malabar, heute der Unionsstaat Kerala) und gelangte schließlich nach Madras, wo er von einem Speer tödlich getroffen wurde. Sein Grab wird dort heute noch verehrt. Die so von ihm gegründeten christlichen Kirchen betrachten ihn bis heute als ihren Gründer und spirituellen Vater und bezeichnen sich als "Töchter des hl. Thomas" (sog. Thomaschristen).

Organisation und Struktur

Die syro-malabarische Kirche ist eine autonome Kirche eigenen Rechts. An ihrer Spitze standen bis 1992 gleichberechtigt die beiden Erzbischöfe von Ernakulam und Changanacherry. Seit 1993 steht der Großerzbischof von Ernakulam-Angamaly der Kirche vor. Sie hat im Bundesstaat Kerala vier Erzdiözesen und acht Diözesen, außerdem noch zwölf Diözesen außerhalb Keralas, von denen eine im März 2001 in Kanada errichtet wurde (St. Thomas of Chicago), die einzige Diözese außerhalb Indiens. Es gibt acht syro-malabarische Missionskirchen in den USA und eine in Kanada. Der Großerzbischof hat über die Eparchien (Diözesen) außerhalb seines eigenen Gebietes nur eine sehr eingeschränkte Leitungsgewalt. Sie sind den benachbarten lateinischen Metropolien zugeordnet; nur die Eparchie Chicago untersteht direkt dem Heiligen Stuhl. Ihre Bischöfe sind ordentliche Mitglieder der syro-malabarischen Bischofssynode, obwohl deren Beschlüsse - außer denen zu liturgischen Themen - für sie nicht bindend sind.

In den Diözesen und Erzdiözesen des eigenen Gebietes und den Eparchien Kalyan und St. Thomas in Chicago hat der Bischof nur die Leitungsgewalt die syro-malabarischen Christen, während die Bischöfe der übrigen Diözesen die volle Leitungsgewalt über alle Katholiken haben, gleich welchem Ritus sie zugehören.

Organisationsschema

Großerzbistum Ernakulam-Angamaly

  • Metropolie Changanacherry mit den Eparchien:
    • Kanjirapally Kottayam
    • Palai
    • Thuckalay
  • Metropolie Ernakulam-Angamaly mit der Eparchie:
    • Kothamangalam
  • Metropolie Tellichery mit den Eparchien:
    • Belthangady
    • Mananthavady
    • Thamarassery
  • Metropolie Trichur mit den Eparchien
    • Irinjalakida
    • Palghat
  • Eparchien außerhalb Keralas, die verschiedenen lateinischen Metropolien zugeordnet sind:
    • Adilabad
    • Bijnor
    • Chanda
    • Gorakhpur
    • Jagdalpur
    • Kalyan
    • Rajikot
    • Sagar
    • Satna
    • Ujjiain
    • Chicago, USA

Statistik

Die syro-malabarische Kirche hat weltweit etwa 3,8 Millionen Mitglieder in ca. 2800 Gemeinden, 25 Diözesen und vier Erzdiözesen. Ihr gehören ca. 6600 Priester, davon 3600 Ordenspriester an. Es gibt 39 Institute geweihten Lebens und Gesellschaften apostolischen Lebens syro-malabarischen Ursprungs für Männer und neun für Frauen, mit über 34.000 Mitgliedern (30843 Frauen, 3925 Männer); außerdem ca. 2200 Seminaristen in 45 Seminaren.

Der syromalabarische Ritus

Der syromalabarische Ritus gehört neben dem syromalankarischen und dem lateinischen Ritus zu den drei Riten der katholischen Kirche Indiens. Er ist tief in der indischen Kultur verwurzelt, was sich zum Beispiel bei der Eheschließung, der Krankensalbung und den mit der Geburt und dem Tod verbundenen Riten sowie der Architektur der Kirchen zeigt. Die syromalabarische Kirche hat einen besonders reichen Ritus mit Gesten und Bräuchen bewahrt, zu der auch folkloristische Tänze gehören ("Magram Kali"), die die Evangelisierungsgeschichte darstellen.

Im Jahre 1934 initiierte Papst Pius XI. einen Prozess, der die inzwischen weitgehend latinisierten Riten wieder zu ihren orientalischen Ursprüngen zurückführen sollte. Eine aus den ursprünglichen syrischen Quellen wiederhergestellte Liturgie wurde von Pius XII. 1957 bestätigt und 1962 eingeführt. Obwohl die Grundzüge dieser Liturgiereform von der päpstlichen Kongregation für die Ostkirchen 1985 noch einmal bestätigt wurden, gibt es bis heute große Widerstände dagegen. Der meisten syro-malabarischen Diözesen vollziehen einen Ritus, der für Außenstehende kaum vom lateinischen zu unterscheiden ist. 1996 nahm Papst Johannes Paul II. an der Eröffnungsveranstaltung einer Bischofssynode teil, die zu dem Zweck einberufen wurde, die jahrzehntelangen Streitigkeiten zwischen den "lateinischen" und den "orientalischen" Fraktionen der syro-malabarischen Kirche endlich zu überwinden. Seit 1998 haben die syro-malabarischen Bischöfe die volle Authorität in allen Fragen der Liturgie und der Riten.

Bis 1968 wurde in der Liturgie ausschließlich die syrische (aramäische) Sprache verwendet, weshalb die Kirche als "syrische" Kirche bezeichnet wird. 1968 wurde die Heilige Messe erstmals in Malayam, der Landessprache des Unionsstaates Kerala, gefeiert.

Bedeutung

Die syro-malabarische Kirche ist - nach der ukrainischen Kirche - die zweitgrößte der 21 mit Rom unierten ost-katholischen Kirchen.

Ein besonderes Kennzeichen dieser Kirche sind die zahlreichen Priester- und Ordensberufe: über 6.000 Diözesanpriester, 30.000 Schwestern und tausende Ordenspriester und Laienbrüder stammen aus der syro-malabarischen Kirche und sind in Diözesen und Kongregationen des lateinischen Ritus tätig, so dass rund 70% aller Priester (Welt- und Ordenspriester) und Schwestern in Indien (mit 17 Millionen Christen bei rund 1 Milliarde Einwohner) ursprünglich dieser Kirche angehören.

Die Kirche unterhält mehrere hundert Schulen und Hochschulen, über tausend Kindergärten und einige hundert Ausbildungs- und Weiterbildungszentren. Dadurch wurde in Kerala eine fast 95%ige Alphabetisierung erreicht, während die Analphabetenquote in Indien 1991 bei 45% lag.