Hand der Fatima
Die Hand der Fatima (arabisch خمسة Khamsa; sprich: Chamsa, „fünf“) ist ein kulturelles Zeichen im islamischen Volksglauben Nordafrikas und des Nahen Ostens. Es gilt als universell schützend und als wirksamste Abwehrmaßnahme im Kampf gegen die Dschinn und den ""Bösen Blick"".

Zur Namensgebung
Der Name geht auf Fatima, die jüngste Tochter des Propheten Mohammed mit seiner ersten Frau Chadidscha, zurück. Sie wird verehrt als sündenfreie Jungfrau und, da ihre Kinder als einzige bis ins Erwachsenenalter am Leben blieben, ist sie zugleich Mutter der Aliden und damit Mutter aller Nachkommen des Propheten und Vorbild für die heutigen Mütter. Es gibt in beidem Parallelen zur christlichen Verehrung der Maria, die mit dem Namen Maryam auch im Islam als Mutter Jesu (aber nicht als Mutter Gottes) geehrt wird. Fatima wird unter anderem als al-Batul („die Jungfrau“) und als „Königin der Frauen des Paradieses“ bezeichnet.
Im nordafrikanischen Volksislam haben sich vorislamische Traditionen und Glaubensinhalte des Sufismus vermischt. Sufi-Anhänger haben eine engere gefühlsmäßige Beziehung zur Familie des Propheten (Ahl al-Bait) und den Nachkommen Fatimas (Sayyid), allerdings ohne in der Frage der Rechtsnachfolge Mohammeds die Position der Schiiten zu übernehmen. Der Name und die Abstammung von Fatima wurde von der Dynastie der Fatimiden beansprucht.
Bedeutung
Gemäß dem islamischen Volksglauben muss im Alltag ständig auf Dschinn Rücksicht genommen werden. Dschinn ist eine Sammelbezeichnung für mehr oder weniger böswillige Geister, die zwar nicht besiegt, aber durch Abwehrzauber gebannt werden können. Ursprung des Glaubens an die Dschinn ist Sure 72 des Koran. In dieser Sure werden die Dschinn als real dargestellt. Sie bekennen sich darin Mohammed gegenüber ausdrücklich zur neuen Religion.
Eine weitere Gefahr soll durch den "Bösen Blick" drohen, der seine Ursache in Neid (hassad) habe, den das Opfer durch Unvorsichtigkeit selbst heraufbeschwöre. In Sure 113 wird die negative Auswirkung des Neides erwähnt. Neid soll sich durch faktisches Handeln oder feinstofflich äußern können. Weltweit in vielen Kulturen wird Neid als eine Gefahr empfunden, vor der besonders kleine Kinder geschützt werden müssen. Dieser Bedrohung meint man entgehen zu können, indem man dem Kind zunächst einen hässlichen Namen gibt oder es mit hässlichen Zeichen bemalt, damit es nicht bemerkt wird. Speziell in der islamischen Volkskultur werden zur Abwehr des "Bösen Blicks" auch Amulette mit Koransuren, Ketten aus Bernstein oder eben die abwehrende Hand der Fatima verwendet. Amulette, die Koranzitate enthalten sind im Islam zulässig (sie liegen innerhalb des Einheitsbekenntnisses Tauhid), das Vertrauen auf Glücksbringer, die magische Zeichen beinhalten, gilt dagegen als Aberglaube (Beigesellung – Schirk). Das Verbrennen besonderer Dufthölzer (Weihrauch – bachûr) ist ein alter orientalischer Brauch und soll ebenfalls hilfreich gegen den Neid sein. Wenn Mütter ungern die Zahl ihrer Kinder nennen, so haben sie Angst vor Neid. Wertende Äußerungen gegenüber anderen Menschen sollten unterlassen werden, da sie sich als Missgunst und üble Nachrede („böse Zunge“) rächen könnten. Selbst Lob könnte gegenteilig aufgefasst werden und Schaden verursachen.
Die Hand der Fatima ist einmal als Distanzgeste ein magisches Abwehrmittel, zum anderen ist es eine Segen spendende Hand, ein Symbol für Kraft und Glück. In der Bedeutung als Glückssymbol findet sich das Zeichen im Wappen Algeriens und war auf den Fahnen des türkischen Janitscharenkorps abgebildet.[1] Dem Vieh werden Khamsa-Halsketten zum Schutz vor Krankheiten umgehängt; die Hand ist auf manche Trommeln gemalt, die für Besessenheitsrituale verwendet werden. Als modisches Accessoire in westlichen Ländern kommt die Hand der Fatima auch ohne eigentliche Bedeutung aus.
Der arabische Name rührt von den fünf gezeigten Fingern der geöffneten Handfläche. Die Zahl hat weiter symbolische Bedeutung. Sie steht für jene fünf Personen, die „Gott unter seinen Mantel“ (seinen besonderen Schutz) genommen hat: Mohammed, Tochter Fatima, seinen Schwiegersohn Ali und die Söhne der beiden, Hassan und Hussein. Gemeint sind ebenso die fünf Grundpflichten des Islam. Das Symbol der Hand selbst wird in unterschiedlichen Volkserzählungen in Erlebnissen mit schrecklichem Ausgang für Fatima begründet. [2]
Die mit verschiedenen Namen (Astarte, Tanit, Aschtoret) belegte alte Fruchtbarkeits- und Schutzgöttin des östlichen Mittelmeerraumes wurde mit Kind im linken Arm und erhobener rechten Hand abgebildet. Von dort gelangte sie mit den Phöniziern nach Nordafrika und wurde ab der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. als Tanit Hauptgöttin von Karthago. Das Zeigen der offenen Hand hat universelle schützende oder segnende Symbolkraft. Die Bedeutungsdimension der Fatima-Hand geschichtlich von der Göttin Tanit herzuleiten, ist daher nur eine Möglichkeit, würde aber immerhin eine Erklärung für die geografische Verbreitung bieten.
Christen kennen analog eine segnende Hand der Maria, auch als Geste der Verkündigung. Bei Juden gibt es die Hand der Miriam, benannt nach Miriam, der älteren Schwester von Moses und Aaron. Diese drei führten beim Exodus die Israeliten ins gelobte Land Kanaan.
Alternativen Schutz sollen Fischsymbole und bei Frauen Henna-Tätowierungen bieten.
Abbildung
Die Darstellungen unterliegen praktisch keinen formalen, höchstens den Beschränkungen der Phantasie. Häufig ist die Grundform symmetrisch, Daumen und kleiner Finger entsprechen sich. Die Finger der Hand können nach oben oder unten gerichtet sein. Ein Kompositsymbol ist die abwehrende Hand mit einem großen Auge in der Mitte (Auge der Fatima) oder mit dem Schriftzug Allahs. Die Hand findet sich groß auf Hauswände gemalt, als Buchillustration, zusammen mit Segenssprüchen in einem Amulett oder als kleiner silberner Anhänger mit blauem Auge darin in bunten Schmuckkettchen. [3] Das blaue Auge fixiert auch allein den "bösen Blick", es heißt Nazar (arabisch „Blick“) und wird besonders in der Türkei als Amulett getragen. [4] Die Wirkmacht des magischen Auges wird über die Jahrtausende vom Horusauge des ägyptischen Alten Reiches hergeleitet, wo es bereits als Amulett getragen und den Toten als Beschützer für die jenseitige Welt mitgegeben wurde. Die geschichtliche Dimension steigert die Bedeutung des kombinierten Zeichens.
Es gibt einen Unterschied zwischen magischen Zeichen, wie es die Hand der Fatima darstellt, und den Niederschriften von Koransuren, wie sie von verehrten Korangelehrten (allgemein Faki, unterschiedliche lokale Bezeichnungen) [5] zu denselben Zwecken angeboten werden. Beide werden vorwiegend als Amulette getragen. Die arabischen Schriftzeichen, die als „Briefchen“ im Amulett enthalten sind, entfalten nur ihre gedachte Wirkung, wenn sie sicher verborgen sind. Es wäre auch für den Eigentümer selbst gefährlich, sie zu sehen. Die Hand der Fatima muss dagegen, da sie vorwiegend der Abwehr äußerer Gefahren dienen soll, auch nach außen sichtbar getragen werden.
Chomeissa bei den Tuareg
Für die Tuareg sind Geister, die häufig vorislamischen Ursprung haben, überall in der Natur zu finden. Neben dem "Bösen Blick", der bei ihnen Togerschek heißt, kennen sie eine ähnlich böswillige Kraft Etama, die „Strafe für Geiz“ bedeutet und über die insbesondere die am Rande der Gesellschaft stehenden Schmiede verfügen. Es darf keine Bitte ausgeschlagen werden; um nicht in eine verfängliche Situation zu geraten, braucht es umfangreiche Vorsichtsmaßnahmen. Wegen diesen Ängsten muss eine besondere Form der Fatima-Hand, Chomeissa (von Chamsa, „fünf“), als Amulett getragen werden. Als Amulett-Schmuck an einer Halskette ist die Chomeissa für Tuaregfrauen unverzichtbarer Bestandteil ihrer Kleidung. Die Hand ist zu einer geometrischen Form aus gleichseitigen Dreiecken abstrahiert, fünf gleich große Dreiecke bilden die Finger. Dem Material kommt ebenfalls Bedeutung zu. Eisen gilt als ungeeignet (es ist das Material der Schmiede), Silber wird eine positive magische Wirkung zugesprochen. Holz und Ziegenleder werden als neutral eingestuft, wirkungsvoll erscheint hingegen die Haut von Klippschliefer und Hyäne. In einer Bedeutung, die der Dreiecksform und dem Material Silber entspricht, wird die Farbe Weiß eingesetzt. Weiß wird allgemein in Afrika selten als neutrale Farbe empfunden: es steht für Glück (zum Beispiel bei den Berti im Sudan) oder Tod (Weiße Ameisen). Im Süden des Tuareggebiets besteht die Chomeissa aus weißen Muscheln.[6]
Einzelnachweise
- ↑ Ernst Petrasch: Hoheitszeichen. Fahnen und Rossschweif. Aus: Die Karlsruher Türkenbeute. Badisches Landesmuseum, Karlsruhe 1991
- ↑ Medieval Islamic Cultures. Part V: Jewelry. Fatima-Geschichte aus der Türkei
- ↑ Boubker Belkadi: Hand of Fatima, is it protective? Middle East Online, 23. Dezember 2003 Diskutiert die Schutzwirkung und politische Bedeutung der Khamsa-Halskette in Algerien
- ↑ Nazar Boncugu. Das blaue Glasauge – Zur Abwehr des "bösen Blicks".
- ↑ Travis Fox: Putting the Mysteries of Islam and Numerology to Work. Washinton Post, 13. Februar 2007 Beschreibt die magischen Hilfsangebote eines Faki im Tschad
- ↑ Gerhard Göttler: Glaube und „Aberglaube“ – die Tuareg und der Islam. In: Hermann Forkl, Johannes Kalter u. a. (Hg.): Die Gärten des Islam. Stuttgart 1993, S. 271-280