Schamlippenverkleinerung

chirurgische Verkleinerung der Schamlippen
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Schamlippenverkleinerung (auch Schamlippenplastik, Schamlippenkorrektur oder Labiaplasty) bezeichnet in der Regel die chirurgische Reduzierung, Remodifizierung oder Entfernung der inneren (kleinen) Schamlippen. Auch an den äußeren (großen) Schamlippen oder dem Venushügel sind operative Veränderungen möglich, werden jedoch eher selten durchgeführt. In seltenen Fällen wird die Operation aus medizinisch notwendigen Gründen durchgeführt, meist handelt es sich um eine Schönheitsoperation.

Vulva nach Entfernung von inneren Schamlippen und Klitorisvorhaut (mit Klitorispiercing)

Operation

Schamlippenverkleinerung (innere Schamlippen)

Der Eingriff erfolgt meist ambulant und unter lokaler Betäubung. Das als „überschüssig“ betrachtete Gewebe, das ist gewöhnlich der von außen sichtbare Teil der inneren Schamlippen, wird hierbei mit einem Laser oder einem Hochfrequenz-Radiochirurgiegerät entfernt. Umfang und Ausmaß der Kürzung, also der Anteil des entfernten Gewebes und das erzielte Erscheinungsbild, variieren je nach Wunsch und werden zwischen Arzt und Kundin vorher ausgehandelt. Oftmals wird zusätzlich eine Kürzung der Klitorisvorhaut durchgeführt. Die Operation dauert zirka 30 bis 60 Minuten, zum Abschluss wird die Wunde mit resorbierbaren, das heißt sich selbst auflösenden Fäden vernäht. Nach der Operation kann es zu Schwellungen kommen, größere Komplikationen sind jedoch nicht zu erwarten. In der Regel tritt eine vollständige Heilung nach ungefähr 4 Wochen ein.

Eingriffe an den äußeren Schamlippen

Bei einer Verkleinerung (Liposuktion) wird ein ellipsenförmiger Schnitt entlang der gesamten Basis am Umschlag zu den inneren Schamlippen durchgeführt und Fettgewebe entfernt. Eine Volumenaugmentation, das heißt Vergrößerung, von äußeren Schamlippen kann durch eine Lipostruktur-Eigenfetttransplantation bewirkt werden.[1][2]

Indikation

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Über die äußeren Schamlippen hervorragende innere Schamlippen

Das Motiv für die Durchführung kann in einer funktionalen Beeinträchtigung bei hervorstehenden kleinen Schamlippen bzw. der Klitorisvorhaut liegen. Bei einer sexuellen Dysfunktion und damit einhergehenden Orgasmusschwierigkeiten der Frau kann eine teilweise oder vollständige Entfernung der Vorhaut durch Freilegung der Klitoris die Stimulierbarkeit unter Umständen steigern und die Orgasmusfähigkeit der Frau erhöhen. Die Datenlage diesbezüglich ist jedoch noch unzureichend.[3]

In der Regel wird der Eingriff jedoch aus rein ästhetischen Gründen durchgeführt, es handelt sich dann hierbei um eine Schönheitsoperation. Das zunehmende ästhetische Bewußtsein für diese Körperregion wird vor allem auf die mittlerweile allgegenwärtige Schamhaarentfernung zurückgeführt, nach Schätzungen sind 80% der Frauen unter 35 Jahre komplett im Intimbereich rasiert.[4][5]

Viele Ärzte und Chirurgen sind jedoch gegen Operationen aus rein kosmetischen Gründen, da sie von ihnen als unnötig betrachtet werden und führen daher diese Operation nur bei Vorliegen der oben erwähnten funktionellen Beeinträchtigung durch.

Entwicklung in der westlichen Welt

Während der Begriff „Schamlippenkorrektur“ eine Schönheitsoperation impliziert, gibt es die selbe Praxis auch innerhalb der Körpermodifikations-Szene. Oft werden in diesem Rahmen die Klitorisvorhaut sowie die kleinen Schamlippen vollständig entfernt.

Der Unterschied zur Schamlippenplastik im engeren Sinn besteht zum einen dadurch, dass der Eingriff nicht in der Praxis eines plastischen Chirurgen, sondern im Piercing-Studio oder im privaten Bereich stattfindet. Auch auf der ModCon werden regelmäßig Schamlippenoperationen durchgeführt. In den USA erlangte die Praxis ein gewisses Medieninteresse durch die Verhaftung des Piercers Todd Bertrang aus Los Angeles, der selbige ohne Zulassung praktizierte. Dies führte zu einiger Empörung innerhalb der Gemeinde. [6][7]

Auch die Motivlage ist tendenziell eine andere: es geht weniger um die Verschönerung bzw. Anpassung an eine Gesellschaftsnorm, vielmehr steht die Veränderung an sich im Vordergrund.

Die Form des Eingriffs, nämlich die Entfernung der inneren Schamlippen und der Klitorisvorhaut, stellt in der Szene eine seit langem praktizierte Form der Modifikation dar. Wie viele andere hat auch diese ihre Wurzeln bei indigene Völker, vor allem in Afrika. Innerhalb der medizinischen Gemeinde wurden zwar vereinzelt seit den späten 1980er Jahren diese Eingriffe durchgeführt. Zu einem größeren Mainstreamphänomen wuchs es sich jedoch erst Ende der 1990er Jahre aus, zu einer Zeit, als auch andere Körpermodifikationen eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz fanden. Ursprünglich waren die Hauptklientel Beschäftigte der Sexindustrie, zunehmend wurde jedoch auch die Normalbevölkerung angesprochen. Von Kalifornien aus breitete sich der Eingriff in den USA und später auch auf andere Regionen der westlichen Welt aus.[8]

Die Nachfrage nach dieser Form des plastisch-chirurgischen Eingriffs hat in den letzten Jahren zugenommen. In Großbritannien stellt sie den am schnellsten wachsenden Bereich innerhalb der plastischen Chirurgie dar[9]. Eine wahrscheinliche Ursache ist die zunehmende Mode unter Frauen, sich die Schambehaarung zu entfernen, was Ausprägungen der Schamlippen sichtbarer werden lässt, die subjektiv als unästhetisch angesehen werden können.[10] Außerdem wird als Grund angeführt, dass das "ästhetische Ideal die Form der Vulva einer jugendlichen Frau" sei.[11] Weiterhin werden in vielen Lifestyle-Magazinen die inneren Schamlippen mittels Grafikbearbeitung entfernt oder die Frauen so fotografiert, dass diese nicht sichtbar sind. Diese Darstellungen dienen Mädchen und Frauen jedoch als Vergleichsstandard, so dass sie ein falsches Normbild entwickeln.

Über diese Gründe hinaus wird jedoch der Intimbereich, durch die zunehmend normalisierte öffentliche Präsenz von Nacktheit, generell verstärkt ästhetischen Normen unterworfen. Vergleichbar zur Schamlippenplastik nimmt in Europa auch die Beschneidung bei Männern zu, wobei auch hier ästhetisch-kosmetische Gründe ausschlaggebend sind.[12] Ebenso erfreuen sich, gerade in der jüngeren Generation, Intimpiercings einer wachsenden Beliebtheit, dies gilt für beide Geschlechter[13].

Abgrenzung gegenüber der afrikanischen Frauenbeschneidung

Die Schamlippenplastik kann von bestimmten Formen der Beschneidung weiblicher Genitalien unterschieden werden, wie sie in einigen afrikanischen Ländern praktiziert werden. Während es bei letzteren oft auf die Amputation der Klitoris oder Teile dieser hinausläuft bzw. die Vagina verschlossen wird, bleiben Klitoris und Vagina bei der in westlichen Ländern durchgeführten Operation unversehrt. Jedoch gilt nicht für alle in Afrika praktizierten Formen der Beschneidung, dass dabei Klitoris oder Vagina einbezogen werden. Auch ein Verschließen der Vagina stellt in Afrika nicht die Regel dar. Das Hauptkriterium zur Unterscheidung ist wohl darin zu sehen, dass der Eingriff in Afrika meist an Kindern ohne deren Zustimmung durchgeführt wird. In der westlichen Welt ist es eine Operation, zu der sich eine erwachsene Frau aufgeklärt und freiwillig entscheidet. Aber auch dieses Kriterium gilt nicht uneingeschränkt, da zumindest bei einigen Ethnien die Beschneidung im Erwachsenenalter durchgeführt wird. Der Diskurs um diese Thematik ist stark wertbehaftet und wird oftmals sehr emotional geführt, dabei spielen oft kulturelle Vorurteile und Stereotype gegenüber „primitiven“ Kulturen. In einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften soll der Unterschied zwischen beiden Eingriffen ausgearbeitet und [...] Kritik an einem hegemonialen Diskurs geübt werden, der westliche Körperpraktiken als unproblematisch - weil freiwillig - und nicht-westliche Körperpraktiken als Ausdruck patriarchaler Unterdrückung schlecht hin repräsentiert (Sara Paloni)[14].

Die Schamlippenplastik ist bezüglich Schwere des Eingriffs als auch der Auswirkungen auf die Sexualität eher mit der männlichen Beschneidung zu vergleichen. Bei einem korrekt durchgeführten Eingriff kommt es zu keinen Einschränkungen in Funktion und Empfindsamkeit.[15][16]

In der medizinischen Fachliteratur des 19. Jahrhunderts wurde zwischen der Genitalbeschneidung in Afrika und der damals bereits in Europa üblichen Verkleinerung der äußeren Genitalien nicht differenziert. Dabei wurde die Vergrößerung der Labien irrtümlicherweise als eine Folge übermäßigen Geschlechtstriebs und Masturbation gesehen.[17]

Gesellschaftliche Kontroverse und Kritik

Von Seiten der Kritiker wird beanstandet, dass es - wie bei jeder Form der aus ästhetisch-kosmetischen Gründen durchgeführten plastischen Chirurgie - zu einem medizinischen Eingriff kommt, der primär durch die Übernahme eines angeblichen Schönheitsideals begründet ist. Auch wenn es sich hierbei um einen relativ unkomplizierten Eingriff handelt, so stellt doch jeder medizinische Eingriff eine mögliche Quelle für Risiken und Komplikationen dar.[18]

Neben der Operation selbst wird vor allem das dahinter stehende Schönheitsideal kritisiert. Es wird argumentiert, dass das Problem nicht auf der Ebene des Individuums sondern auf Ebene der Gesellschaft vorliegt. Nicht die Frau mit ausgeprägten, sichtbaren Schamlippen hat demnach ein Problem, sondern die Gesellschaft, die das Ideal einer perfekt geformten Vulva hervorbringt und nur glatte, ebenmäßige Genitalien als schön erachtet. Auch wird der Trend zur Reduktion der Schamlippen gerade in Verbindung mit der zeitgleich aufgekommenen Mode der Intimrasur als Ausdruck einer Idealisierung der kindlichen Vulva kritisiert.[19] Die betroffenen Frauen hätten ohne diese gesellschaftliche Entwicklung überhaupt keinen Leidensdruck und damit auch keine Operation nötig. Insbesondere die feministische Kritik sieht darin eine Unterwerfung der Frau unter die männliche Forderungen und Maßstäbe. Erst durch den Wunsch, dem Mann zu gefallen, kommt sie zu einem Gefühl der Makelhaftigkeit.[20]

Dem wird argumentativ entgegengesetzt, dass der Wunsch der Patientin nach einem in ihren Augen gefälligen Erscheinungsbild zu respektieren ist. Ob dieser Wunsch aus verzerrten gesellschaftlichen Anforderungen und Idealen rührt oder ob es neben diesen äußeren Einflüssen überhaupt so etwas wie ein individuelles Schönheitsideal neben dem gesellschaftlichen Schönheitsideal gibt und die Frau tatsächlich ihren eigenen Vorstellungen von Schönheit folgt, ist sogesehen sekundär, solange die Kundin als autonomes und frei entscheidendes Individuum gesehen werden kann. Obwohl die Schamlippenplastik, ähnlich der Zirkumzision tatbestandlich als Körperverletzung zu qualifizieren ist, schließt eine Einwilligung durch die Kundin deshalb in der Regel die Strafbarkeit des plastischen Chirurgen aus.

Weitere Kritik richtet sich gegen den wirtschaftlichen Kontext, in dem der Eingriff in der Regel stattfindet. Ein Großteil der Operationen wird von privaten plastischen Chirurgen durchgeführt, die für den 30-60 minütigen Eingriff zwischen 1.000 und 4.000 € verlangen.[21]In öffentlichen Kliniken wird weit weniger dafür berechnet, auch eine vergleichsweise aufwendige männliche Beschneidung wird mit selten mehr als 400 € veranschlagt. Diese Preise machen große Gewinnspannen möglich, so dass die Operation von vielen privaten Ärzten und Kliniken entsprechend aufwendig beworben wird und somit Frauen angesprochen werden, die bisher mit ihrem Erscheinungsbild zufrieden waren. So schreibt ein plastischer Chirurg etwa über "unschöne Variationen im äußeren Genitalbereich", die einer "ästhetischen Verbesserung" bedürfen.[22]

Siehe auch

Quellen

  1. Cho HY et al.(2000): A new method for aesthetic reduction of labia minora (the deepithelialized reduction of labioplasty). Plastic and Reconstructive Surgery 105: 419–422 PMID 10627011
  2. Ästhetische Korrekturen im weiblichen Genitalbereich
  3. McLintock DG (1985): Phimosis of the prepuce of the clitoris: indication for female circumcision. Journal of the Royal Society of Medicine 78(3): 257–258. PMID 3973892
  4. Schönheitswahn unter der Gürtellinie - Die Lust am Umbau des eigenen Körpers kennt keine Grenzen – auch keine Schamgrenzen. - Der Blick
  5. Intim-OPs: Wie schön ist meine Scham? Schönheits-OPs im Intimbereich - ein Tabu-Thema wird Trend. Was steckt dahinter? - Brigitte
  6. Todd Bertrang
  7. Press Release: U.S. Department of Justice
  8. More Women Seek Vaginal Plastic Surgery
  9. The privates sector is shown up in The Perfect Vagina - Metrolife
  10. Die letzte noch nicht kolonisierte Körperregion - Märkische Allgemeine Zeitung
  11. Medführer
  12. Die Beschneidung beim Mann
  13. Genitale Body-Modifications bei Frauen, Der Gynäkologe, Springer Berlin / Heidelberg
  14. Wahl und Zwang zum "Genitalideal"
  15. Pardo J et al. (2006): Laser labioplasty of labia minora. International Journal of Gynecology & Obstetrics, 93: 38–43 PMID 16530764
  16. Gress S. (2007): Aesthetic and functional corrections of the female genital area. Gynakol Geburtshilfliche Rundschau, 47: 23–32 PMID 17283434
  17. Marion A. Hulverscheidt (2007): Weibliche Genitalverstümmelung und die "Hottentottenschürze": Ein medizinhistorischer Diskurs des 19. Jahrhunderts
  18. [1] Ästhetische Chirurgie in der Gynäkologie
  19. Zeitschrift WOMAN, 06/2005
  20. Anschläge Oktober 2003 - feministisches Monatsmagazin
  21. Alles muss perfekt sein. Alles? Die Design-Vagina - heute.ch
  22. Medführer