Ölpreiskrise

Phase starken Ölpreisanstieges mit gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen
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Als Ölkrise bezeichnet man Phasen starker Ölpreisanstiege, die gravierende gesamtwirtschaftliche Auswirkungen haben. Im engeren Sinne werden nur die starken Erhöhungen des Rohölpreises 1973 und 1979/80 als Ölkrise bezeichnet, da beide in den Industrieländern deutliche Rezessionen auslösten. Bereits die (realen) Preissteigerungen und Nachfragesprünge zu Anfang der modernen Ölförderung bis 1900 waren mit den neuzeitlichen Ölkrisen vergleichbar. Anfang der 1950er Jahre führten Krisen wie der Putsch im Iran und am Suez zwar nicht zu einem Ölpreisschock in Westdeutschland, welches damals noch 35% seines Ölbedarfs aus heimischen Quellen deckte, aber zur breiten Umstellung der französischen Stromversorgung auf Kernenergie und einer intensiven Erdölprospektion in der DDR.[1]

Ölpreis nominal und inflationskorrigiert seit 1861

Für die kommenden Jahre wird über die Möglichkeit einer globalen Ölkrise diskutiert, die durch die steigende Nachfrage nach Öl auf der einen und insbesondere das sinkende Angebot aufgrund eines möglicherweise bevorstehenden globalen Ölfördermaximums verursacht werden könnte.

Die erste Ölkrise 1973

Beschreibung

Die erste und folgenreichste Ölkrise begann im Herbst 1973, als die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) bewusst die Fördermengen drosselte (um ca. fünf Prozent). Am 17. Oktober 1973 stieg der Ölpreis von rund drei US-Dollar pro Barrel (159 Liter) auf über fünf Dollar. Dies entspricht einem Anstieg um ca. 70 Prozent. Im Verlauf des nächsten Jahres stieg der Weltölpreis auf über zwölf Dollar.

Dieses Ereignis ging auch unter dem Namen "Ölembargo" in die Geschichte ein. Die angesprochene Drosselung der Fördermengen war Kalkül und politisches Druckmittel der OPEC-Staaten, die mit der Politik einiger erdölimportierender Staaten betreffend den Yom-Kippur-Krieg nicht einverstanden waren. Am Ölembargo nahmen Iran, Algerien, Irak, Katar, Kuwait, Libyen, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate teil.

Länderspezifische Auswirkungen

Die Ölkrise von 1973 demonstrierte die Abhängigkeit der Industriestaaten von fossiler Energie, insbesondere von fossilen Treibstoffen.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde als direkte Reaktion auf die Krise viermal ein Sonntagsfahrverbot im November und Dezember 1973 verhängt sowie neue Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt. Dies hatte einen moralischen, aber keinen wirtschaftlichen Effekt. 1974 musste die Bundesrepublik für ihre Ölimporte rund 17 Milliarden DM mehr bezahlen als im Jahr zuvor. Dies verstärkte die Wirtschaftskrise und führte zu einem deutlichen Anstieg von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Sozialausgaben und Insolvenzen von Unternehmen. Keynesianische Konjunktursteuermaßnahmen und geldpolitische Massnahmen hatten Stagflation zur Folge.

In Österreich wurde unmittelbar als Sparmaßnahme ein autofreier Tag pro Woche verordnet. Dazu wurden die Fahrzeuge mit einem Aufkleber für den jeweiligen Wochentag auf der Windschutzscheibe gekennzeichnet. In den Schulen wurden Sonderferien im Februar für eine Woche eingeführt, die im Anschluss als Semesterferien weitergeführt wurden. Den umgangssprachlichen Namen Energieferien führen sie heute noch.

Als Spätfolge der Ölkrise wird die Einführung der Sommerzeit gesehen.

Wegen der unterschiedlichen Verrechnungspreise (im fünfjährigen Mittel des Weltmarkpreises) im RGW kam diese Ölkrise in der DDR deutlich später (Anfang der 80er) an als in der Bundesrepublik. Insbesondere die Chemieindustrie der DDR profitierte in den 70ern von Zwischenhandel mit Rohöl und davon abgeleitenen Chemierohstoffen und Treibstoff [1]. Anfang der 80er Jahre lagen die Ölpreise im RGW aber eher höher als auf dem Weltmarkt und die DDR erhielt nicht mehr die benötigten Mengen. Mangels Devisen, neuen Technologien und eigenen Ölvorkommen war sie deshalb gezwungen, vermehrt auf die heimische Braunkohle bzw. Kohleverflüssigungsanlagen zu setzen, Milliardenkredite im Westen anzufragen und zunehmend unkonventionelle Devisenbeschaffungsmaßnahmen anzuwenden.

Technologische Veränderungen

Die Offshore-Förderung von Öl und die nachträgliche Ausbeutung von älteren Vorkommen wurde aufgrund der gestiegenen Preise wieder profitabel. Im Offshorebereich zog dies eine rasante Entwicklung der damit verbundenen Technologien nach sich, vom Bau von Bohrinseln bis zur Pipelineverlegung und dem Einsatz von Tauchrobotern (Remotely Operated Vehicle) für Prospektierung, Anlagenbau und Wartung in größeren Wassertiefen.

In Folge der Ölkrise entstanden auch Initiativen, die die Abhängigkeit vom Öl reduzieren sollten. So rückten alternative Treibstoffe wie Pflanzenöl und Biodiesel und Müllverbrennung in das öffentliche Interesse. Es wurde vermehrt in Kernenergie, regenerative Energiequellen, die Wärmedämmung von Gebäuden und in die Effizienzsteigerung von Motoren und Heizgeräten investiert. Auch mit dem Abklingen der Ölkrise blieb ein gestiegenes Bewusstsein zum energiesparenden Verhalten in der Bevölkerung erhalten. Zudem wurde der Anteil des aus OPEC-Staaten bezogenen Öls durch Erschließung unterseeischer Ölfelder in der Nordsee sowie eine Diversifikation der Handelspartner gesenkt. Diese Entwicklung ist inzwischen zugunsten der OPEC rückläufig, da das Nordsee-Erdöl seinen Födermaximumspunkt inzwischen erreicht hat und die Förderraten wieder kontinuierlich abnehmen.

In einigen westlichen Staaten wurden in der Folge der Krise 1973 militärische Optionen erwogen. Einem über 30 Jahre geheim gehaltenen gemeinsamen Plan der britischen und amerikanischen Regierungen zufolge war eine Invasion von Saudi-Arabien und Kuwait Gegenstand der Planung. "It was thought that US airborne troops would seize the oil installations in Saudi Arabia and Kuwait and might even ask the British to do the same in Abu Dhabi."[2]

Zur Reduzierung der politischen Erpressbarkeit wurden in allen Staaten Strategische Ölreserven angelegt oder massiv verstärkt.

Die zweite Ölkrise 1979

Nach einem Rückgang der Ölpreise fanden während der zweiten Ölkrise 1979/80 wieder kurzzeitige Preissteigerungen statt. Ausgelöst wurde sie im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Revolution in Iran und dem folgenden Angriff Iraks auf Iran (Erster Golfkrieg). Der damalige Preisanstieg fand bei ca. 38 US-Dollar für einen Barrel (159 Liter) sein Maximum. Zum Ende des Jahrhunderts fiel der Ölpreis wieder auf unter 20 $ pro Barrel.

Weitere kurzzeitige Preisanstiege

Zweiter Golfkrieg 1990

1990 und 1991, als der Irak Kuwait annektierte und den Zweiten Golfkrieg verlor, sprach man wieder von einer bevorstehenden Ölkrise, denn beide Länder gehörten zu diesem Zeitpunkt zu den größten Erdölproduzenten. Es kam aber wider Erwarten nur zu einem kurzzeitigen Hochschnellen des Preises.

Weltwirtschaftliche Erholung nach der Asienkrise 2000

Nach Überwindung der Asienkrise wuchs die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell an. Die Witterungsbedingungen im strengen Winter 2001/02 führten ebenfalls zu einem erhöhten Ölbedarf. Die Auswirkungen waren geringer als in den 70er Jahren. Aufstockungen der Erdölfördermenge verhinderten eine ernsthafte Ölkrise, und logistische Probleme (etwa eine mangelnde Zahl von Öltankern) wogen schwerer als eine tatsächliche Knappheit der Ölmenge. Kaufkraftkorrigiert lag der Ölpreis 1900 höher als der von 2000.

Ölpreisspitzen der näheren Vergangenheit

Nach einer längeren Phase niedrigerer Preise erreichte im Laufe des Jahres 2004 der Ölpreis zeitweilig einen Stand von 53 Dollar in einem Umfeld politischer, wirtschaftlicher und spekulativer Belastungen. 2005 stiegen die Rohölpreise auf Grund des verheerenden Hurrikans Katrina, der die Ölförderung im Golf von Mexiko und die Raffination in den USA beeinträchtigte, auf 70 USD pro Barrel (159 Liter). Seine bisherige Rekordmarke erreichte der Ölpreis pro Barrel für US-Leichtöl (WTI) an der NYMEX am 30. Juni 2008, als er um die Mittagszeit auf die Höchstmarke von 143,73 US-Dollar anstieg, Brent wurde mit der Höchstmarke von 143,20 US-Dollar gehandelt.[3]

Auswirkungen und Wahrscheinlichkeit einer finalen Ölkrise

Hauptartikel: Globales Ölfördermaximum

Die Ölkrisen des 20. Jahrhunderts waren überwiegend durch politische Ereignisse bedingt und vorübergehend. Ein Erreichen des Fördermaximums beim Erdöl könnte zu einer Ölkrise führen, die nicht allein politisch bedingt und nicht vorübergehend ist. So warnt die Internationale Energieagentur und ihr Chefökonom Fatih Birol vor einem Einbruch der Weltölförderung und einer Preiseskalation. Als Gründe ließen sich insbesondere drei Aspekte unterscheiden:[4]

  1. die wachsende Nachfrage nach Erdöl;
  2. ein steiles Absinken der Fördermenge aus existierenden Feldern;
  3. die zu geringe Gesamtkapazität der neuen Ölförderprojekte.

Zeitpunkt und Positionen

Wegen diverser Unsicherheiten und nicht transparenter Daten wird ein tatsächliches Eintreten Überschreiten des globalen Fördermaximums erst nachträglich festgestellt werden können. Große Gefahren eines aktuellen globalen Ölfördermaximums wurden insbesondere seitens der in der ASPO zusammengeschlossenen Wissenschaftler (etwa Wolfgang Blendinger, Colin Campbell, Kenneth Deffeyes) sowie in der Tagespresse, populärwissenschaftlicher Literatur und Romanveröffentlichungen angenommen. Auch der Chefökonom der Internationalen Energieagentur spricht von einer „Versorgungskrise“ und befürchtet einen Rückgang der Ölförderung in den kommenden Jahren zwischen 3,7 und 4,2%.[5] Ökonomen und Vertreter der Ölindustrie bestreiten dagegen größtenteils die Relevanz und Anwendbarkeit des Fördermaximum auf die globale Ölförderung .[6] Als größere Herausforderung sehen sie den Investitionsstau, den es aufgrund des Zusammenbruchs der Preise in den 199igern und Umbrüchen in der globalen Ölindustrie[7] gegeben habe. Sie verweisen auch auf die großen Vorkommen nichtkonventionellen Öls, wie etwa Ölsand, welche die Ölförderung über viele Jahrzehnte sicherten. Aufgrund der erhöhten Preise lohne sich mittlerweile auch wieder die Investition in technisch komplexere Fördermethoden[8]

Direkte und indirekte Auswirkungen

Direkte Auswirkungen wären zu erwarten bei:

Als indirekte Auswirkungen werden diskutiert:

Ein Konzept zur gerechteren weltweiten Verteilung bzw. Rationierung einer etwa final verbleibenden Ölfördermenge liegt in Form des Rimini-Protokolls (auch Oil Depletion Protocol genannt) von Colin J. Campbell vor.

Mögliche Auswirkungen und Folgen

Geopolitisch wird diskutiert, inwieweit die Verknappung von Öl ein Kriegsgrund ist und sein wird.[9]. Dem wird mit Verweis auf historische Erfahrungen [6] deutlich widersprochen, bedenklich sei viel mehr, die Tendenz westlicher Staaten, sich aufgrund falscher geopolitischer Hypothesen sich unnötigerweise in riskante Manöver, "Ölpanik" und regelrechte "Ölhysterien"[6] verwickeln zu lassen.

Verwiesen wird auf einen generellen Preismechanismus, höhere Preise führten zu besseren Technologien wie auch weiteren Ölfunden[10].

Nach Meinung von ASPO Vertretern sei die Ölexplorations- und Ölfördertechnik aber kaum verbesserbar und würde nicht zu höheren Fördermengen führen. Der finanzielle und energetischen Aufwand für nicht konventionelle Ölvorkommen (etwa Ölsande, Tiefseeöl) sei sehr hoch. Zudem seien größere Ölfunde weniger geworden[11] Erdöl verbindet als Energieträger eine hohe Energiedichte mit einer guten Transportierbarkeit, so dass es sehr gut als Treibstoff für Transportmittel geeignet ist. Teilweise können erneuerbare Energien daher Öl nicht ersetzen, da sie in der Regel nur als Strom verfügbar sind. Kraftstoffe wie Ethanol werden zudem nicht im selben Umfang verfügbar sein, wie derzeit Öl eingesetzt wird. Auch das in ugeheuren Mengen vorhandene Methanhydrat ist derzeit noch nicht großtechnisch zu nutzen.

Da die globale Mobilität zu 95% vom Öl abhängt hat der massiv gestiegene Ölpreis signifikante Auswirkungen auf die Weltwirtschaft insgesamt und das Transportgewerbe im Besonderen. Schwierigkeiten diverser amerikanischer Fluglinien oder auch von Air Berlin[12] werden dadurch verschärft. Michael O'Leary von Europas größter Billigfluglinie Ryanair hingegen glaubt nicht an eine Ölknappheit, spekuliert mit einem baldigen Absinken der Ölpreise unter 100$ pro Barrel und investiert in den weiteren Ausbau seiner Flotte [13]

Einzelnachweise

  1. a b Rainer Karlsch, Raymond G. Stokes: Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859-1974. Verlag C. H. Beck, München 2003.
  2. US ready to seize Gulf oil in 1973. BBC News. 2. Januar 2004.
  3. Über 143 Dollar. n-tv.de
  4. Fatih Birol im Interview mit Internationale Politik (Zeitschrift). April 2008; vgl auch: World Energy Outlook 2007 (Zusammenfassung).
  5. Fatih Birol im Interview mit Internationale Politik (Zeitschrift). April 2008.
  6. a b c Maugeri, Leonardo (2004)Öl – Falscher Alarm. in: Science
  7. Private westliche Ölkonzerne mit hohem technischen Know-How kontrollierten um 1970 noch knapp 50%, 2008 nur noch 15% der weltweiten Ölproduktion. Aufgrund mangelnder Investitionssicherheit resultiere ein Konflikt zwischen Zugang zu Lagerstätten bzw. Technologie [1] As Oil Giants Lose Influence, Supply Drops By JAD MOUAWAD. IN NYT. 18.August 2008
  8. Ein zweifaches Hoch auf teures Öl, Leonardo Maugeri, in Foreign Affairs – März/April, 2006, deutsche Übersetzung des Artikels auf der BP Website
  9. Hauke Rietz, Otto Wiesmann: Peak Oil. Der globale Krieg ums Öl, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 7/2007.
  10. Norbert Walter: Teures Öl schadet erst und nützt uns dann (PDF); Ulf Pillkahn: Trends und Szenarien als Werkzeuge zur Strategieentwicklung. Erlangen 2007. ISBN 3-895-78286-6
  11. So die Position von Wolfgang Blendinger, auf n-tv.de
  12. Air Berlins Notlandung. FTD 22.06.2008.
  13. [2] Billigflieger Ryanair Investitionen in der Krise Ryanair-Chef Michael O'Leary greift tief in die Tasche. Bis zu 400 neue Maschinen will der Unternehmer kaufen - und das, obwohl sich die Branche derzeit in einer Krise befindet. Von Jens Flottau. In SZ 05.08.2008

Siehe auch

Wiktionary: Ölkrise – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen