Amniozentese

Schwangerschaftsverlauf
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Mit Amniozentese wird in der Medizin die Punktion der Fruchtblase (Amnionhöhle) einer schwangeren Frau zur Untersuchung der im Fruchtwasser befindlichen fetalen Zellen bezeichnet.

Untersuchungszeitpunkt

In der Regel werden Amniozentesen ab der 15. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Sie sind aber auch bereits ab der 10. Woche möglich (Frühamniozentese), wobei zu diesem Zeitpunkt ein erhöhtes Verletzungsrisiko für das Baby und ein erhöhtes Risiko einer Fehlgeburt besteht. Darum werden Frühamniozentesen nur in besonders dringenden Fällen oder auf besonderen Wunsch der Schwangren bzw. des Elternpaares gemacht.

Die Amniozentese ist keine Routineuntersuchung und wird nur dann gemacht, wenn die Schwangere bzw. das Elternpaar dies ausdrücklich wünscht.

Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, die Schwangere vor der Untersuchung ausführlich zu beraten und die Vor- und Nachteile und die Risiken in verständlicher Art und Weise zu erörtern. Dazu gehört auch der Hinweis darauf, dass allein durch die Untersuchung keine Diagnosen möglich sind, sondern bei einem Verdacht in der Regel invasive und vergleichsweise risikoreiche Untersuchungen folgen müssten, um eine Diagnose zu erhalten.

Darüber hinaus muss gesagt werden, dass es für die meisten feststellbaren Besonderheiten keine Therapie zur ursächlichen Heilung gibt, und somit im Falle eines positiven Untersuchungsbefundes letztlich nur die Annahme des Kindes mit seiner Besonderheit, die nachgeburtliche Freigabe des Kindes zur Adoption bzw. die nachgeburtliche Abgabe des Kindes in eine Pflegefamilie / ein Heim oder der Schwangerschaftsabbruch als Alternativen bestehen.


Untersuchungsmethode

Zur Vorbereitung der Fruchtwasserentnahme ermittelt der Arzt durch eine Ultraschalluntersuchung zunächst die Lage des Kindes in der Gebärmutter um eine geeignete Einstichstelle zur Fruchtwasserentnahme zu finden. An der ausgewählten Stelle wird unter Ultraschallkontrolle eine dünne Nadel in die Bauchdecke und weiter in die Fruchtblase eingeführt (Punktion).

Es werden etwa 15 bis 20 ml Fruchtwasser entnommen, in dem sich Zellen des Amnions (= der das Kind umgebende Fruchtwassersack) und kindliche Zellen befinden. Hieraus werden Hautzellen des Kindes im Labor in einer sogenannten Langzeitkultur zum Wachsen angeregt, sodass nach durchschnittlich 2 Wochen eine Analyse erfolgen kann und das Ergebnis je nach Zeitpunkt der Fruchtwasserentnahme in der Regel zwischen der 16. und 21. Schwangerschaftswoche vorliegt.

Insbesondere diese vergleichsweise lange Wartezeit auf das endgültige Untersuchungsergebnis wird von sehr vielen Schwangeren als äußerst belastend empfunden, sodass sich viele für den pränatalen Schnelltest (FisH-Test) entscheiden, der bereits nach wenigen Tagen ein erstes, wenngleich nicht endgültiges Ergebnis bringt.

Dauer der Untersuchung

Die Fruchtwasserentnahme dauert in der Regel 5 bis 15 Minuten. Die meisten Frauen empfinden den Einstich der Nadel in die Bauchdecke so wie den einer gewöhnlichen Injektion (bei Blutabnahmen o.ä.). Er ist in aller Regel nicht mit besonderen Schmerzen verbunden, sodass auf eine Betäubung der Einstichstelle meist verzichtet wird.


Diagnostik

Die gewonnenen Zellen des Kindes werden im Labor extrahiert und kultiviert, das heißt ausreichend vermehrt und anschließend einer DNA- und Chromosomenanalyse unterzogen.

Es ist dadurch möglich, bestimmte Fehlentwicklungen des zentralen Nervensystems (ZNS), einige Erbkrankheiten und einige chromosomale Besonderheiten, darunter Down-Syndrom (Trisomie 21), Pätau-Syndrom (Trisomie 13), Edwards-Syndrom (Trisomie 18), Trisomie 8 und Trisomie 9 mit nahezu 100-prozentiger Sicherheit zu diagnostizieren.

Es können jedoch nicht alle angeborenen Erkrankungen und Behinderungen festgestellt werden. Z.B. treten Trisomien (= Verdreifachungen von Erbmaterial) manchmal als sogenanntes "Mosaik" auf. Das heißt, dass nicht in allen Zellen des Kindes ist das jeweilige Chromosom dreifach vorhanden, sondern es existieren auch Zellen mit dem üblichen Chromosomensatz. Es ist darum möglich, dass eine Mosaik-Trisomie bei der Chromosomenuntersuchung nicht erkannt wird.


Darüber hinaus erlaubt die Untersuchung des Fruchtwassers (zumindest ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel) die Bestimmung weiterer Kennwerte:

Etwa ab der 30. Schwangerschaftswoche kann die Amniozentese auch zur Diagnose von Blutgruppen-Unverträglichkeiten zwischen der Schwangeren und dem Baby durchgeführt werden und bei einer drohenden Frühgeburt ist es möglich, durch die Untersuchung die Lungenreife des Babys einzuschätzen.

Anwendungsrisiken

Bestimmte Risiken, die die Untersuchung mit sich bringt, sollten von der Schwangeren bzw. von dem Elternpaar abgewogen werden, bevor sie einer Amniozentese zustimmen. Es kann während bzw. nach dem Eingriff z.B. folgenden Ereignissen kommen

  • Fruchtwasserverlust
  • Blutungen in der Gebärmutter
  • Verletzungen der Gebärmutter
  • Verletzungen der Plazenta (Mutterkuchen)
  • Infektionen
  • Verletzungen des ungeborenen Kindes durch die Nadel (insbesondere wenn das Kind sich viel und / oder unerwartet bewegt)
  • Kontraktionen der Gebärmutter (oft bemerkbar als eine Art "Ziehen" im Bauch, wobei dies in den meisten Fällen wieder nachlässt)
  • Fehlgeburt (Wahrscheinlichkeit von 0,5 bis 2 % ab der 15. Woche / bzw. von 3,2 % bis 5,9 % bei der Frühamniozentese (Quelle: Jauniaux & Rodeck, 1995) / das Risiko variiert offenbar in Abhängigkeit von der Erfahrung des Arztes, der den Eingriff vornimmt. Ob Fehlgeburten, die erst einige Tagen oder Wochen nach der Amniozentese passieren, noch direkte Folge des Eingriffs sind, ist auch wenn augenscheinlich keine anderen Faktoren in Betracht kommen, nicht mit Sicherheit zu sagen).

Invasive Untersuchungen werden aufgrund der erhöhten Risiken in der Regel dann durchgeführt, wenn insbesondere das Fehlgeburtsrisiko infolge des Eingriffs niedriger ist als die statistisch zu erwartende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Chromosomenbesonderheit oder einer Erbkrankheit.

Insbesondere ein zunehmend gesellschaftlicher Druck und die verbreitete Angst vor einem Leben mit einem behinderten Kind veranlassen jedoch immer mehr Schwangere dazu, auch ohne diesen Hintergrund eine Amniozentese vornehmen zu lassen. Werdenden Eltern ist vor der Inanspruchnahme pränataler Diagnotik im Allgemeinen und der Amniozentese im Besonderen dringend zu empfehlen, Beratungsangebotein Anspruch zu nehmen. Vor allem bei familiären Vorbelastungen ist es ratsam, eine Genetische Beratungsstelle aufzusuchen.

nach dem Eingiff

Nach dem Eingriff sollte sich die Schwangere unbedingt eine Zeitlang konsequent schonen. Selbst dann ist jedoch zu bedenken, dass es prinzipiell auch noch Tage nach dem Eingriff möglich ist, dass es z.B. zum Fruchtwasserverlust kommt. Die Schwangere sollte sich keinesfalls scheuen, bei Unsicherheiten einen Arzt aufzusuchen!

Was tun nach der Diagnose einer Besonderheit?

Wenn eine Besonderheit festgestellt wird, sollten die werdenden Eltern nichts überstürzen, sondern sich aktuelle Informationen zu der entsprechenden Diagnose besorgen! Dazu können Gespräche mit betroffenen Eltern (z.B. im Rahmen von Selbsthilfegruppen), FachärztInnen, Angestellten von (genetischen) Beratungsstellen usw. sehr hilfreich sein, sowie das Aufsuchen von Informationsseiten im Internet.


weiterführende Literatur

  • Heide Hohenstein: Störfaktoren bei der Verarbeitung von Gefühlen in der Schwangerschaft: Gesellschaftliche und ethische Hintergründe der Fruchtwasserpunktion - Interviews mit Betroffenen und Erörterung ihrer Erfahrungen.
  • Friedrich, Henze, Stemann-Acheampong: Eine unmögliche Entscheidung: Pränataldiagnostik - ihre psychosozialen Voraussetzungen und Folgen
  • Beatrix Wohlfahrt: Gründe und beeinflussende Faktoren für die Fortsetzung der Schwangerschaft nach der Diagnose eines Down-Syndroms
  • Schmid-Tannwald I., u.a.: Vorgeburtliche Medizin zwischen Heilungsauftrag und Selektion (2001)
  • Henn, W.: Warum Frauen nicht schwach, Schwarze nicht dumm und Behinderte nicht arm dran sind. Der Mythos von den guten Genen. (2004)


siehe auch

Schwangerschaft Fehlgeburt Pränataldiagnostik Double-Test First-Trimester-Screening Triple-Test Sonographie Feinultraschall Doppler-Sonographie 3D-Ultraschall 4D-Ultraschall Chorionzottenbiopsie Schwangerschaftsabbruch Down-Syndrom (Trisomie 21) Pätau-Syndrom (Trisomie 13) Edwards-Syndrom (Trisomie 18) Trisomie 8 Trisomie 9 Liste der Syndrome