O. Henry (eigentlich William Sydney Porter), amerikanischer Schriftsteller, * 11. September 1862 in Greensboro (North Carolina), † 5. Juni 1910 in New York.
Leben
Porter, der sich seit seinem 16. Lebensjahr in oft wechselnden Anstellungen als Verkäufer, technischer Zeichner, Bankangestellter, aber auch als Journalist für die Houston Post durchgeschlagen hatte, galt schon vier Jahre später als bestbezahlter Schriftsteller der USA. Er lieferte dem New York Sunday World Magazine zum Stückpreis von $ 100 eine Kurzgeschichte pro Woche.
Sein Pseudonym fand O. Henry 1899 in einem Arzneimittelhandbuch, als er sich im Staatsgefängnis von Ohio zum Apothekergehilfen weiterbildete. Die Resozialisierungsmaßnahme erwies sich als unnötig.
Die wichtigste Sammlung seiner New Yorker Erzählungen erschien 1906 unter dem Titel The Four Million (Die vier Millionen), mit dem er sich gegen die Ansicht wandte, nur die oberste Gesellschaftsschicht sei für die Literatur von Interesse. Viele von O. Henrys besten Geschichten wurden verfilmt und finden sich weiterhin in den Sonntagsbeilagen der Tageszeitungen in aller Welt.
Oft spielen sie in einem düsteren Milieu. Die Helden leben am Rand des Existenzminimums und werden am Beginn der Handlung zusätzlich mit verzweifelten Situationen konfrontiert. In der Schlusspointe führt H. die Geschichten jedoch fast immer einer glücklichen Lösung zu. Die kleinen Ladenmädchen oder heruntergekommenen Künstler, die O. Henry sorgfältig und mit einer gewissen sentimentalen Heiterkeit zeichnet, verdienen dieses gute Ende, denn sie sind im Innersten nicht korrumpierbar; sie zerbrechen nicht unter dem Druck einer darwinistischen Wirklichkeit, sondern sichern sich durch eine Absage ans äußere Leben und an unrealistische Träumereien ein zwar oft beengtes, aber beständiges Glück.
O. Henry beherrschte die Gattung der Short story seiner Zeit perfekt, nicht selten parodierte und kommentierte er sie. Obwohl er oft mit der trivialisierten Short story seiner Zeit identifiziert und deshalb heftig angegriffen wurde, war H. auch ein Wegbereiter der modernen Kurzprosa eines Sherwood Anderson oder Ernest Hemingway.
Werke
- Ausgaben: Werkausgabe (engl.), 18 Bände, 1929; 4 Bände, 1974; Gesammelte Geschichten (übersetzt von Heinrich Böll u. a.), 6 Bde., 1981.
Literatur
- Eugene Current-Garcia: O. Henry. A study of the short fiction. New York: Twayne u.a. 1993.
- Claus Gadau: O. Henry. In: Harenbergs Lexikon, 5. Bände, 1989, Kürzel C.G.