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Arbeitsrecht der Kirchen

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Die arbeitsrechtlichen Regelungen für Mitarbeiter der Kirchen und kirchennaher Organisationen unterscheiden sich in Deutschland nicht unerheblich von den für sonstige Arbeitnehmer anwendbaren Bestimmungen.

Die Religionsgesellschaften, hierzu zählen insbesondere die großen Kirchen, regeln nämlich ihre Dienstverfassung selbst. Das hat seine Grundlage in Artikel 137 Vder Weimarer Reichsverfassung, der nach Artikel 140 GG bis heute seine Gültigkeit behalten hat. Dieses kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist durch die “Ewigkeitsgarantie” des Artikels 23 GG in seiner Grundlage dauerhaft vor staatlichen Eingriffen geschützt.

Das bedeutet nicht, daß allgemeine gesetzliche Regelungen hier nicht gelten; vielmehr erfolgt die Selbstverwaltung im Rahmen der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Dennoch führt die Kirchliche Dienstverfassung zu teils gravierenden Sonderregelungen.


A) Erfaßte Organisationen

Dazu gehört zunächst die verfaßte Kirche, also die eigentliche Kirchenorganisation. Diese gliedert sich bei der katholischen Kirche in Bistümer, die – gemeinsam mit je einem Erzbistum – in Kirchenprovinzen zusammengefaßt sind; hierzu zählen auch Institute des geweihten Lebens (z.B.: Klöster). Bei der evangelischen Kirche bestehen die Landeskirchen, die in der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland), der EKU (Evangelische Kirche in der Union) und der VELKD (Vereinigte evangelische-lutherische Kirche Deutschlands) zusammengeschlossen sind.

Dazu gehören aber auch privatrechtliche Organisationen, die als “Wesens- und Lebensäußerung” der Kirche gelten, z.B. Diakonie und Caritas, aber auch kirchliche Kindergärten bis hin zur Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) oder dem evangelischen Presseverband Nord e.V, wie das Bundesarbeitsgericht entschieden hat (BAGE 68, 174).


B) Kündigungsschutz der Kirchenmitarbeiter

Das Kündigungsschutzgesetz gilt auch in kirchlichen Organisationen. Aber der Verstoß gegen kirchenrechtliche Loyalitätsobligenheiten kann eine verhaltensbedingte Kündigung sozial rechtfertigen. Es ist Ausfluß des Kirchenrechts, welche Obliegenheiten das sind und wie ihre Schwere und Tragweite zu würdigen ist. Das haben die Arbeitsgerichte als Vorgabe zu berücksichtigen. Dies gilt auch, wenn die Tätigkeit keinen besonderen Religionsbezug hat; das folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfGE 70, 138).

Auch eine Sekretärin, die sich scheiden läßt, oder ein Buchhalter, der aus der Kirche austritt, muß nach dieser Rechtsprechung eine wirksame verhaltensbedingte Kündigung gewärtigen, weil die kirchliche Wertung eines solchen Verstoßes gegen kirchliche Rechtsgrundsätze verfassungsmäßig geschützt ist und dieses Verhalten daher mit dem Kirchenrecht vom Arbeitsgericht als Kündigungsgrund akzeptiert werden muß.


C) Mitarbeitervertretung in kirchlichen Organisationen

Weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das Personalvertretungsgesetz gilt in kirchlichen Organisationen (§ 118 II BetrVG, § 96 BpersVG).

Die Kirchen haben für sich und ihre angegliederten Organisationen eigene Mitarbeitervertretungen geschaffen. In der katholischen Kirche gilt insoweit die MAVO (Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung); die evangelische Kirche hat eine zuvor unübersichtliche und zersplitterte Regelung vereinheitlicht und am 6.11.1992 das MVD (Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der evangelischen Kirche in Deutschland) erlassen.

Die Mitwirkungsrechte der Mitarbeitervertretungen unterscheiden sich von Betriebsverfassungsgesetz und Personalvertretungsgesetz. Dabei ist die Mitbestimmung eher schwächer ausgestaltet; die Gegenstände der Beteiligung werden aber im Großen und Ganzen ähnlich definiert.


D) Tarifverträge in kirchlichen Organisationen

Die Kirche darf bei der dargestellten Rechtslage durchaus Tarifverträge abschließen. Sie muß es allerdings nicht. Das verfassungsmäßig gewährleistete Recht der Selbstbestimmung gestattet es den Kirchen, auch andere Wege der Konfliktlösung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu wählen.

Tarifvertragliche Regelungen gibt es nur bei der Nordelbischen Kirche und bei der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Allerdings kann die verfaßte Kirche auch die Grundlagen des Tarifsystems abweichend regeln (Einschränkung des Arbeitskampfes, Bindung des “Arbeitgeberverbandes” an die Entscheidungen der Synode, Differenzierungsverbot zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der Tarifvertragsparteien, Verbot der Vereinbarung günstigerer Bedingungen), wovon auch Gebrauch gemacht wurde.

Diese Vorgehensweise gilt gegenüber der normalen staatlichen Tarifbindung als “zweiter Weg”. Die meisten Kirchen haben aber den “Dritten Weg” gewählt.

Dieser beinhaltet, daß die Grundbedingungen des Arbeitsverhältnisses in allgemeinen Richtlinien oder Ordnungen festgelegt werden, deren Erstellung paritätisch besetzten kircheninternen Gremien obliegt. Die evangelische Kirche in Deutschland hat hierzu durch ein Arbeitsrechts-Regelungsgesetz “Arbeitsrechtliche Kommissionen” gebildet, während die Katholische Kirche ganz ähnlich Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechtes (KODA) errichtet hat.

Diese haben jeweils Regelungswerke erstellt, die in Aufbau und Inhalt üblichen Tarifverträgen ähneln und durchaus vergleichbare Arbeitsbedingungen zum außerkirchlichen Tarifrecht konstituieren.