Hermann Hartmann (Chemiker)

deutscher Chemiker
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Hermann Hartmann (* 4. Mai 1914 in Bischofsheim in der Rhön; † 22. Oktober 1984 in Glashütten im Taunus) war ein deutscher Chemiker. Hartmann war Professor für Physikalische Chemie in Frankfurt am Main und Pionier der Theoretischen Chemie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Beiträge zur Ligandenfeldtheorie (1945 - 1950) und anderer quantenchemischer Modell- Betrachtungen wie das Hartmann-Potential (1972) sowie seine Störungstheorie molekularer Wechselwirkungen (1970 – 1977) führten ihn zur Entdeckung einer einheitlichen Feldtheorie der chemischen Bindung auf der Grundlage einer nicht-linearen Schrödinger-Gleichung(1980).

Leben

Seine akademische Ausbildung begann Hartmann 1933 in München. Den Ausschlag zum Chemiestudium gab eine Vorlesung über Komplexchemie. Besonders beeindruckte ihn Arnold Sommerfeld, der ihn zur Beschäftigung mit der damals noch neuen Quantenmechanik anregte. Seine erste durch A. Sommerfeld geförderte wissenschaftliche Arbeit im Jahre 1940 wurde typisch für seine weitere wissenschaftliche Vorgehensweise, das Auffinden von Potentialen, die für einen bestimmten Phänomenbereich Modellcharakter besitzen (Modell-Potentiale). Anfang 1939 wechselte er von München nach Frankfurt wo er 1941 promovierte. Das Hückel-Modell, ein von Erich Hückel in den 1930er Jahren veröffentlichtes semi-empirisches Verfahren zur quantenmechanischen Behandlung aromatischen Verbindungen wie Benzol, war das Thema, mit dem sich Hartmann 1943 habilitierte. Wegen seiner Weigerung an nationalsozialistischen Schulungsprogrammen teilzunehmen erhielt er jedoch keine Lehrerlaubnis. Die mit dem Hückel-Modell verknüpften theoretischen Grundfragen beschäftigten ihn sein Leben lang und führten zu einer seiner wichtigsten Entdeckungen, das Hartmann-Potential.

Trotz der Wirren am Ende des Zweiten. Weltkriegs begründete er in dieser Zeit zusammen mit F. Ilse, seinem ersten Schüler, die Ligandenfeldtheorie für Komplexverbindungen. Die Ligandenfeldtheorie mit der damit verbundenen Symmetriebetrachtungsweise hat Hartmanns internationales Ansehen begründet.

Nach einjähriger Leitung einer Abteilung des Max-Planck-Institutes in Göttingen wurde Hartmann 1952 Direktor des neu errichteten Institutes für Physikalische Chemie in Frankfurt. Durch Hartmann entwickelte sich das Institut zu einem Zentrum der Forschung und Lehre von internationalem Rang. In den Anfängen des Institutes wurde er besonders von Friedrich Hund beeinflusst, der von 1952 bis 1956 Professor für Theoretische Physik in Frankfurt war und mit dem er seit dieser Zeit freundschaftlich verbunden blieb. Hund schrieb damals sein Buch Materie als Feld und Hartmann sein Hauptwerk Theorie der chemischen Bindung auf quantentheoretischer Grundlage. Die von Hartmann an seinem Institut bearbeiten Forschungsarbeiten erstrecken sich von spezifischen experimentellen Themen bis hin zu wissenschaftlichen Grundsatzfragen.

Anfang der 1960er Jahre arbeiteten insgesamt etwa 100 Wissenschaftler am Hartmann´schen Institut. Hartmann organisierte ab 1962 internationale Ferienkurse für theoretische Chemie, die meist in Konstanz am Bodensee abgehalten wurden.

1962 gründete er die Peer-Review Zeitschrift Theoretica Chimica Acta(TCA), deren Herausgeber er bis zu seinem Tode war. Dort veröffentliche er auch die meisten seiner Aufsätze. 1984 übergab Hartmann die Herausgabe der Zeitschrift K. Ruedenberg von der Iowa State University. Später wurde der Name der Zeitschrift umbenannt in Theoretical Chemistry Accounts: Theory, Computation, and Modeling mit D. G. Truhlar, University of Minnesota, als Herausgeber.

Zur Förderung der Theoretischen Chemie im deutschsprachigen Raum rief Hartmann 1965 das Symposium für Theoretische Chemie ins Leben. Das Organisationskomitee bestand in den ersten Jahren neben Hartmann aus H. Labhart (Zürich), O.E. Polansky (Wien) sowie später W.A. Bingel (Göttingen), E. Ruch (Berlin), G. Wagniere (Zürich), and P. Schuster (Wien). Dieses Symposium wurde seitdem zu einer ständigen Einrichtung und entwickelte sich zu einer bedeutenden Fachtagung für Theoretische Chemie.

Besonders wichtig war für Hartmann der unmittelbare Kontakt mit den Studenten und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Einen Ruf an die TH München 1964, und an das Max-Planck Institut in Mainz 1966, nahm Hartmann nicht an, denn er sah die Förderung der Theoretischen Chemie vorrangig als Aufgabe der Lehre. 1966 wurden ihm von der hessischen Landesregierung Mittel für ein Institut der Theoretischen Chemie bewilligt. Seine experimentellen Untersuchungen musste er jedoch durch die Hochschulverwaltungsreform von 1968 auf ein Forschungsgebiet beschränken. Die Qualität seiner Lehre wird durch die Tatsache bestätigt, das Ende der 1970er Jahre bereits 30 seiner Schüler selbst Universitätsprofessoren waren. Hartmann lehrte in Frankfurt bis zu seiner Emeritierung 1982.

Wirken

Hartmann stand dem Forschungstrend seiner Zeit, wissenschaftliche Fragen überwiegend numerisch mit Hilfe von Computern anzugehen, kritisch gegenüber und wandte sich deshalb zunehmend den vereinheitlichenden Grundfragen der chemischen Kinetik zu. Seine theoretischen Forschungen erreichten in den 1970er Jahren ihren Höhepunkt mit der Entdeckung des einheitlichen Feldes molekularen Verhaltens mithilfe einer nichtlinearen Schrödinger Gleichungen. Er integrierte dazu drei unter seiner Leitung arbeitende Forschungsgruppen:

  • am Institut für Physikalische Chemie untersuchte K.-P. Wanczek (später Professor an der Universität Bremen) die Anwendung der Ionenzykloton-Resonanzspektroskopie. Durch die technische Realisierung von Doppelmuldenpotentialen ermöglicht diese Methode der Massenspektroskopie die genaue Untersuchung von Ion-Molekül und Ion-Ion Wechselwirkungen,
  • zwei am Hartmann`schen Institut für Theoretische Chemie tätige Physiker, K.-M. Chung, Schüler von Bernhard Mrowka (Frankfurt) und M.W. Morsy, Schüler von Hans Bethe (Pasadena), arbeiteten am quantenmechanischen Verständnis molekularer Wechselwirkungen,
  • mit einer Theoretikergruppe, die Hartmann 1972 mit Unterstützung der Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur an seinem Wohnort in Glashütten/Taunus einrichten konnte, entwickelte er eine einheitliche Feldtheorie molekularen Verhaltens.

Bei der Entdeckung des klassischen Feldes molekularen Verhaltens spielte die 1970 von Hartmann zur Analyse molekularer Wechselwirkungen veröffentlichte klassische Störungstheorie eine wichtige Rolle sowie das erstmals 1972 publizierte ringförmige Potential, das wegen seiner Bedeutung für die Theoretische Chemie als Hartmann-Potential bezeichnet wird.

Seine wahrscheinlich bedeutendste wissenschaftliche Leistung ist die Entdeckung des Einheitlichen Feldes der chemischen Bindung auf der Grundlage einer nicht-linearen Schrödinger-Gleichung. Die Hauptschritte zu dieser Entdeckung waren

  • gruppentheoretische Symmetriebetrachtungen, wie sie schon die Grundlage der Hartmann`schen Ligandenfeldtheorie bilden,
  • die Quantenchemie der Modelle auf der Grundlage von exakt lösbaren Modell-Potentialen wie dem Hartmann-Potential und
  • ein Verständnis chemischer Elementarprozesse durch Kopplung der klassischen Reaktionsdynamik an ein quantenmechanisch definiertes Feld.

Die von Hartmann entwickelte Störungstheorie bildete dabei eine wichtige Brücke zwischen quantenmechanischem und klassischen Verhalten. Die vereinheitlichte Beschreibung des Verhaltens der molekularen Materie durch eine nicht-lineare Schrödinger-Gleichung war die Krönung seines Lebenswerks.

Hartmann zeichnete als Autor bzw. Co-Autor von 250 wissenschaftlichen Arbeiten. Seine Veröffentlichungen dokumentieren die drei Grundpfeiler seines Denkens – Symmetriebetrachtung, Modell-Potentiale, Störungstheorie - und damit die Erkenntnisschritte, die zum selbst-wechselwirkenden Feld molekularen Verhaltens führten. In seinen experimentellen Arbeiten zeigt sich das in einer Schwerpunktsverschiebung von der Spektroskopie zu Streumethoden.

Zur Würdigung und Förderung seiner wissenschaftlichen Leistungen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Würdigungen, unter anderen von der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Gesellschaft Österreichischer Chemiker, der Accademia Nazionale die Lincei, der Royal Danish Academy of Sciences and Letters, der Comitato Premio of Fondazione Balzan, der International Academy of Quantum Molecular Science und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz.

Veröffentlichungen

  • Theorie der chemischen Bindung auf quantentheoretischer Grundlage. Springer, Berlin (1954
  • Die chemische Bindung : Drei Vorlesungen für Chemiker, Springer, Berlin, 1955-197)
  • Über ein mechanisches Modell zur Analyse und Darstellung typisch quantentheoretischerErscheinungen, Bayer. Akademie d. Wissenschaften, München (1957)
  • Die Bedeutung quantentheoretischer Modelle für die Chemie, F. Steiner, Wiesbaden (1965)
  • Die Bedeutung des Vorurteils für den Fortgang der naturwissenschaftlichen Erkenntnis,F. Steiner, Wiesbaden (1967)
  • Neue Wellenmechanische Eigenwertprobleme, F. Steiner, Wiesbaden (1972)
  • Hartmann, K.-H. Lebert and K.-P. Wanczek: Ion cyclotron resonance spectroscopy (Topics in Current Chemistry Volume 43) Springer Berlin (1972)
  • Hartmann, K.-P. Wanczek: Ion Cyclotron Resonance Spectrometry, I (Lecture Notes in Chemistry 7) Springer, Berlin (1978)
  • Hartmann, K.-P. Wanczek: Ion cyclotron resonance spectrometry. II (Lecture Notes in Chemistry 31), Springer, Berlin (1982)

Literatur

  • Hermann Hartmann zum 60. Geburtstag: Nachrichten für Chemie und Technik 22(11) (1974)
  • H. Sillescu: Hermann Hermann 65 Jahre, Zeitschrift für Elektrochemie (B) 83, 461 (1979)
  • In Memoriam: Professor Dr. (phil. nat.) Hermann Hartmann 1914–1984: Theoretica Chimica Acta 66, 1432-881X (1985)
  • M. Trömel: Die Frankfurter Gelehrtenrepublik. Neue Folge (Hrsg. G. Böhme), Schulz-Kirchner Verlag, Idstein, pp 199-214 (2002)