Geschichte der Russlanddeutschen

Geschichte der Deutschen in Russland und der Sowjetunion
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Vorgeschichte – Deutsche in russischen Städten

Schon im Mittelalter kamen Deutsche ins alte Russland, da Lübecker Kaufleute um 1200 ein Hansekontor in Nowgorod einrichteten. Die Kaufmannsrepublik stand in dieser Zeit für das souveräne Russland, während andere große russische Fürstentümer dem Tartarenjoch unterlagen.

Der östliche Nachbar, das Moskowiter Reich unter Iwan III. (Regentschaft 1462-1505), unterwarf Nowgorod (1478) und löste auch das Hansekontor auf. Iwan III. war gleichzeitig der erste in einer ganzen Reihe von Zaren, die ausländische Fachleute anwarben. So kamen wiederum Deutsche nach Russland, von denen sich einige im neuen Machtzentrum Moskau dauerhaft niederließen.

Iwan IV. (1547-1587) gelang es mithilfe deutscher Mineure die bislang tartarischen Gebiete (Khanate) an der Wolga zu erobern. Somit wurde zugleich der Weg nach Sibirien frei. Nachdem auch die deutschen Söldner sich dann in Moskau niederließen, bildete sich die Nemezkaja Sloboda – die "Deutsche Vorstadt" heraus. 1682 hatte Moskau etwa 200.000 Einwohner, 18.000 von ihnen waren "Nemcy", was sowohl "Deutsche" als auch "Ausländer" bedeutete.

Peter der Große (16891725) ließ die neue Hauptstadt St. Petersburg erbauen (1703), wo von nun an die meisten der angeworbenen Fachleute lebten. Unter ihm gelangten viele Baltendeutsche, die aus der Zeit des Deutschen Ordens hervorgegangen waren, unter russische Herrschaft. Neben dem Zugang zur Ostsee wollte er auch die nördliche Schwarzmeerküste erobern, was jedoch erst Katharina II. wirklich gelang.

Deutsche Siedler in Russland

Katharina II.

Der Einfluss von Deutschen auf die Geschicke Russlands nahm unter den Nachfolgern Peters des Großen noch weiter zu: Minister und Ratgeber kamen aus dem Westen und die Zarenfamilie der Romanows vermischte sich mit anderen europäischen Häusern. Katharina II (1762-1796) vertrat wie die Herrscher in Preußen und Österreich den aufgeklärten Absolutismus und förderte wie diese die Kolonisation von innerstaatlichen, kaum oder unbewohnten Gebieten, um so ein erhöhtes Bevölkerungswachstum zu erreichen. Durch diese Peuplierungspolitik erhoffte man sich Macht und Reichtum für den Staat. In Russland kam noch hinzu, dass man einige Gebiete vor nomadisierenden Stämmen sichern wollte.

Einladungsmanifest

Da die meisten russischen Bauern Leibeigene ihrer adligen Herren waren und die Zahl der freien,Staatsbauern nicht ausreichte, warb sie vor allem im Ausland um Siedler. Ihr Einladungsmanifest vom 22. Juli 1763 stellte ausländischen Siedlern eine Reihe von Privilegien in Aussicht:

  • Religionsfreiheit
  • Befreiung vom Militärdienst
  • Selbstverwaltung auf lokaler Ebene
  • eine Starthilfe
  • und 30 Jahre Steuerfreiheit.

Auswanderung

Vor allem in deutschen Fürstentümern wurden die Menschen von den Versprechungen gelockt, die Katharina II. durch ihre Anwerber in Zeitungen und Kirchen verbreiten ließ. Die Motive, das Land verlassen zu müssen (Push-Faktoren), ergaben sich vor allem aus den Folgen des Siebenjährigen Krieges (17561763), unter dem vor allem die Bewohner der Rheinprovinz, Nordbayerns und –badens, der hessischen Gebiete und der Pfalz zu leiden hatten. Daneben herrschte z.B. in Preußen mangelnde Religionsfreiheit.

Ankunft der ersten Siedler

Schon in den Jahren 1764-1767 wanderten rund 30.000 Deutsche – inklusive einer kleineren Anzahl von Franzosen, Niederländern und Schweden – nach Russland aus. Tausende überlebten die Strapazen, den Hunger und die Krankheiten während der langen Reise nicht. Erst bei der Ankunft wurde vielen klar, dass sie nicht mehr zu der Sorte von Einwanderern gehören sollten, die sich die Zaren in den Jahrhunderten zuvor ins Land geholt hatten. Weder durften die Handwerker unter ihnen ihren erlernten Beruf in den Städten ausüben, noch durften die Bauern sich selbst den Flecken Erde wählen, an dem sie sich niederließen. Stattdessen wurden einige dieser ersten Siedler in die ländliche Region um St. Petersburg, der überwiegende Teil aber ins Wolgagebiet bei Saratow geführt, wo alle dazu bestimmt waren, eine landwirtschaftliche Tätigkeit auszuüben.

Pro Familie bekamen die Kolonisten etwa 30 Hektar Land zugesprochen, wobei jedoch Klima und Bodenbeschaffenheit dieses Landes völlig anders waren, als man es aus den heimatlichen Gebieten kannte. So berichtet der Zeitzeuge C. Züge:

Unser Führer rief halt! Worüber wir uns sehr wunderten, weil es zum Nachtlager noch zu früh war; unsere Verwunderung gieng aber bald in Staunen und Schrecken über, als man uns sagte, dass wir hier am Ziele unserer Reise wären. Erschrocken blickten wir einander an, uns hier in einer Wildniß zu sehen, welche, so weit das Auge reichte, außer einem kleinen Walde, nichts als fast drei Schuh hohes Gras zeigte. Keins von uns machte Anstalt von seinem Roße oder Wagen herabzusteigen, und als das erste allgemeine Schrecken sich ein wenig verloren hatte, las man auf allen Gesichtern den Wunsch, wieder umlenken zu können… Das ist also das Paradies, das uns die rußischen Werber in Lübeck verhießen, sagte einer meiner Leidensgefährten mit trauriger Miene! (...) Es war freilich eine Thorheit von uns gewesen, dass wir uns in Rußlands unbewohnten Gegenden einen Garten Eden dachten; die Täuschung war aber dagegen auch allzu groß, dafür eine Steppe zu finden, die auch nicht einmal den mäßigsten Forderungen entsprach. Wir bemerkten in dieser unwirthbaren Gegend nicht die geringste Anstalt zu unserer Aufnahme, sahen auch im Verlauf mehrerer Tage keine machen, und doch schien bei dem nicht mehr fernen Winter; Eile nöthig zu sein (1).

Diese Beschreibung bezeugt die Pionierleistung, die die zu Beginn (1773) 25.781 Einwohner der 104 neuen Dörfer im Wolgagebiet erbringen mussten, um zu überleben. Viele überlebten jedoch nicht. Neben den klimatischen Verhältnissen, Schädlingen und Seuchen stellte sich als weiteres Problem die strategische Lage heraus, denn es kam immer wieder zu Überfällen durch Reiternomaden ("Kirgisen") aus dem Osten, die ganze Siedlungen zerstörten und ihre Einwohner raubten und versklavten. Durch Gefangenschaft, Krankheit und Flucht dezimierte sich die Zahl der Siedler allein innerhalb der ersten zehn Jahre um mehr als 7.000 Menschen. Die russische Regierung versuchte der Entwicklung durch weitere Kredite, aber auch durch die Enteignung von Bauern, die sie als untauglich befand, entgegen zu wirken. Die verbleibenden Siedler durften sich fortan selbst verwalten, indem sie ihre eigenen Dorf- und Oberschulzen wählten.

Siedler im Wolgagebiet

Trotz aller Schwierigkeiten machten die Siedler im Wolgagebiet Fortschritte. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde ein "bescheidener Wohlstand" (1) erreicht. Die Ernten wurden besser und die Bevölkerungszahl stieg um ein Vielfaches an, so dass im Jahre 1815 60.000, im Jahre 1850 dann gar 165.000 Menschen in den Mutter- und neu entstandenen Tochterkolonien lebten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts jedoch wuchsen wieder die wirtschaftlichen Probleme, was vor allem an einer Agrarverfassung lag, die sich als nicht nachhaltig erwies. Land war nämlich hier nie Privateigentum, sondern wurde immer nur zur Verfügung gestellt – zuerst von der Krone, später von der Gemeinde, die immer wieder aufs Neue für eine möglichst gerechte Verteilung zu Sorgen hatte. Diese Umteilungsgemeinde hatte sich nach der Abschaffung der Leibeigenschaft zuvor schon bei den meisten russischen Bauern entwickelt. Begünstigt durch Bevölkerungswachstum und mangelnder Alternativen, eine Arbeit außerhalb der Landwirtschaft zu finden, ergab sich das Problem, dass mit der Zeit immer weniger Kolonistenland für immer mehr Bauern zur Verfügung stand. Landzukäufe konnte man sich kaum leisten, stattdessen wurde das vorhandene Land umso intensiver genutzt und teilweise ausgelaugt. Dies war mitverantwortlich für die Missernten und Hungerjahre in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Siedler am Schwarzen Meer

Anders als an der Wolga sah es in Südrussland aus, wo den Bauern gleich zu Beginn mehr Land zugewiesen wurde und wo die Höfe meist ungeteilt an jeweils einen Erben übergingen. Wenn auch die Schwierigkeiten bei der Gründung ansonsten in etwa gleich waren, verlief die wirtschaftliche Entwicklung dieser Kolonien insgesamt erfolgreicher als an der Wolga. Auch stieg hier die Nachfrage nach anderen Gewerken, so dass auch Landlose eine Alternative hatten.

Südrussland bzw. das nördliche Schwarzmeergebiet mit den Schwarzmeerdeutschen war neben der Wolgaregion das zweite Hauptsiedlungsgebiet deutscher Kolonisten in Russland. Dieses Land, heute vorwiegend auf dem Staatsgebiet der Ukraine, hatte Katharina II. durch zwei Kriege mit dem Osmanischen Reich (1768-1774) und der Annektion des Krimkhanats (1783) im Süden für das Russische Reich hinzugewonnen. Es war jedoch nicht so kompakt angelegt wie das Wolgagebiet, sondern das Kerngebiet einer ganzen Kette von Kolonien, die von Wolhynien bis in den Kaukasus reichte. Die ersten deutschen Siedler kamen seit 1787 in erster Linie aus dem Raum Westpreußen (heute Polen) hierher, später dann auch aus dem Westen und Südwesten Deutschlands sowie dem Raum Warschau. Als Glaubensflüchtlinge kamen vor allem Mennoniten, die als "tüchtige Landwirte" bekannt waren und die Rolle von Musterwirten übernehmen sollten (2).

Von der Privilegierung zur Diskriminierung (1871-1917)

Aufhebung des Sonderstatus

Die Abschaffung der Leibeigenschaft durch Alexander II. bedeutete formal auch eine Angleichung des russischen Bauernstandes an den der Deutschen. In Ermangelung einer Bodenreform erhielten aber die nun freigesetzten russischen Bauern nicht das Land, auf dem sie bislang gearbeitet hatten. Viele arbeiteten daher als Tagelöhner bei deutschen Bauern. Das "Angleichungsgesetz" aus dem Jahre 1871 sorgte dafür, dass der Sonderstatus der Kolonisten allmählich aufgehoben werden sollte. Diese Entwicklung kann nun einerseits als Förderung des Mitspracherechtes, und insgesamt der Integration, andererseits als Versuch einer Bevormundung und Beitrag zur Assimilierung der Russlanddeutschen ("Russifizierung") angesehen werden. In Zeiten aufkommender Industrialisierung empfanden viele Russlanddeutschen diesen erzwungenen Ausbruch aus der Isolation zwar auch als Chance, gleichzeitig sorgten sie sich wegen des aufkeimenden Panslawismus und der Deutschenfeindlichkeit im Land. Denn das Angleichungsgesetz fiel bezeichnenderweise auf das Gründungsjahr (1871) des Deutschen Reiches, das nach der dritten Teilung Polens (1795) nun in unmittelbarer Nachbarschaft lag.

Antideutsche Stimmung

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebten 270.000 Schwarzmeerdeutsche in dreimal so vielen Dörfern wie die über 400.000 Wolgadeutschen . Um die Hauptsiedlungsgebiete herum, aber auch weit entfernt davon in Sibirien und Kasachstan, waren Tochterkolonien entstanden. Der Anteil der Deutschen in Russland wuchs durch die Zuwanderung aus dem ehemals polnischen Grenzgebiet nach Wolhynien noch weiter an. Diese in nationalistischen russischen Kreisen als "Germanisierung" (2) bezeichnete Entwicklung und dazu noch der Neid gegenüber den durchschnittlich wohlhabenderen Russlanddeutschen in den Städten und Südrussland verstärkte die antideutsche Stimmung im Lande.

Der "innere Feind" im 1. Weltkrieg

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurden die Russlanddeutschen - aus deren Reihen immerhin 300.000 Soldaten in der russischen Armee kämpften - als "potentieller Verräter" und "innerer Feind" bekämpft (2).

1914 verbot der letzte Zar, Nikolaus II. (1894 - 1917), u. a. den Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit. 1915 gab es in Moskau ein Pogrom gegen Deutsche. Im selben Jahr wurden in Russland deutsche Zeitungen verboten, durften keine deutschsprachigen Bücher mehr gedruckt werden und kamen Gesetze mit dem Ziel heraus, die Deutschen an den Landesgrenzen, später 1917 im ganzen Land zu enteignen und zu vertreiben. Die Februarrevolution 1917 verhinderte Schlimmeres, auch wenn zu diesem Zeitpunkt schon 200.000 Kolonisten aus Wolhynien wirtschaftlich ruiniert und vertrieben bzw. nach Sibirien deportiert worden sind (2).

Die Zwischenkriegszeit

Hungerjahre 1921/1922

1917 kam die Oktoberrevolution, mit der das Zarenreich zur Sowjetunion wurde. Nach einem Diktatfrieden mit Deutschland war dann für diese der Erste Weltkrieg zu Ende. Es kamen Jahre des Bürgerkrieges mit verbliebenen reaktionären Kräften, während sich gleichzeitig neue Staaten (u. a. Polen, die baltischen Staaten, Weißrussland, die Ukraine und Kasachstan) auf dem Territorium des alten Zarenreichs proklamierten. Viele deutsche Siedler lebten damit außerhalb des Machtbereichs der Sowjets. Nicht aber die Bauern an der Wolga, die nun Bekanntschaft mit dem Kriegskommunismus schließen mussten. Sie mussten Zwangsabgaben leisten, die sogar das Saatgut einschlossen. Wer sich dagegen widersetzte wurde als Kulak diffamiert und enteignet.

Dürrejahre (1921-1923) verschärfte diese Situation noch weiter und es kam zu einer Hungersnot. Lenins Neue Ökonomische Politik (NÖP) 1921 konnte nicht mehr verhindern, dass trotz ausländischer Spenden 3 bis 5 Mio. Menschen verhungerten, davon allein 120.000 Russlanddeutsche (Quelle) (48.000 im Wolgagebiet).

Neue Grenzen

Nach dem Ende des Bürgerkriegs (1920) gelangten 1922 u. a. die Ukraine, Weißrussland und Kasachstan/Kirgisien, später auch die baltischen Länder als Gliedsstaaten zur Sowjetunion, aber eben nicht zur russischen Sowjetrepublik. Die Bezeichnung "Russlanddeutsche" ist trotzdem im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch erhalten geblieben, auch wenn nun das Siedlungsgebiet oft nicht mehr in Russland lag. Dort jedoch erhielten Gebiete mit einer großen ethnischen Minderheit zumindest nominell oft den Autonomiestatus. So kam es 1924 auch an der Wolga zur Bildung einer Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik (ASSRdWD). Auf einem Gebiet von der Größe Belgiens wurde nun deutsch (neben russisch und ukrainisch) zur gleichberechtigten Amts- und Unterrichtssprache.

Genozid unter Stalin

Hungerkatastrophe 1932/33

Ende 1929 begann Stalin mithilfe von Terror die zwangsweise Kollektivierung der Landwirtschaft durchzusetzen. Dies führte 1932/33 zu einer weiteren, noch verheerenderen Hungerkatastrophe als 1920/21. Die Angaben der Opfer reichen von 3 bis annähern 11 Millionen Menschen (s.a. Geschichte der Ukraine). Unter ihnen befanden sich etwa 350.000 Russlanddeutsche.

Vor dem Zweiten Weltkrieg

Spätestens mit der Machtergreifung der Nazis in Deutschland wurden die Russlanddeutschen schon wieder als "innerer Feind" betrachtet und heimlich in Listen erfasst (1934). Repressionen und Verhaftungen angeblicher "Spione" oder "Sowjetfeinde" nahmen zu. Allein in der Ukraine wurden 1937/38 122.237 Deutsche zum Tode, 72.783 zu Haftstrafen von zumeist 10 – 25 Jahren verurteilt (2).

Überfall auf die Sowjetunion

Im Juni 1941 begann der deutsche Überfall auf die Sowjetunion, der über 25 Millionen Menschen das Leben kosten sollte. Mit dem schnellen Vorstoß der Wehrmacht befanden sich ca. 20 % der Russlanddeutschen plötzlich unter NS-Herrschaft, was sie nur vorläufig vor Stalins Plänen schützen sollte, sie allesamt in die Verbannung zu schicken. Dessen "krankhaftes Misstrauen" (2) ging so weit, dass er im November 1941 auch die 100.000 Russlanddeutschen an der Front aus der ohnehin durch "Säuberungen" geschwächten Roten Armee entfernen ließ.

Im Machtbereich der Nazis

Die Russlanddeutschen auf der deutschen Seite der Front versuchten die Nazis nun als "volksdeutsche" Instrumente Hitlerschen Rassenwahns zu benutzen. Jener war auch der Grund, weshalb die slawische Bevölkerung in den Eroberern nicht mehr die Befreier von Stalin-Terror, sondern die noch gefährlicheren Tyrannen erkannten, die allein 900.000 Juden aus der Mitte der sowjetischen Bevölkerung ermordeten. Jene, die sich daran beteiligten, wurden "in den Dörfern verabscheut" (1). Als die Rote Armee die besetzten Gebiete zurück erobern konnte, wurden die Ukrainedeutschen in den "Warthegau" (im besetzten Polen) umgesiedelt. Mit der nahe rückenden deutschen Niederlage gerieten etwa 100.000 dieser Neusiedler (3) wieder in den Machtbereich der Sowjets und wurden ebenfalls deportiert.

Deportationen

Familien wurden auseinander gerissen, als Menschen irgendwo "in den Steppen Kasachstans ‚abgekippt’ wurden, wo sie sich Erdhütten gruben und mit Entsetzen dem bevorstehenden Winter entgegen sahen. Wieder andere wurden Kolchosen zugewiesen und mußten dort nach Überlebensmöglichkeiten suchen, die man den ‚Faschisten’ eigentlich gar nicht zubilligte. Erst allmählich ahnten die Deportierten ihr Schicksal. Die mangelhafte Versorgung, die primitiven Lebensbedingungen in den Unterkünften, die rücksichtslose Ausbeutung ihrer Arbeitskraft und der allgemeine Terror, dem sie von seiten der Bewachungsmannschaften und teilweise auch der Zivilbevölkerung ausgesetzt waren, forderten mehrere Hunderttausend Opfer; die genaue Zahl wird wohl nie ermittelt werden können." (1).

Tod und Verbannung

Die Deutschen wurden der Sonderverwaltung („Komendantura“) unterstellt und praktisch zu rechtlosen Arbeitssklaven, die dann im Herbst 1941 zusammen mit deutschen Kriegsgefangenen, darunter auch Zivilisten, in die so genannte "Trudarmee" gesteckt wurden. Unter militärischer Knute mussten sogar 15jährige bei minimaler Ernährung und bei mörderischer Kälte Schwerstarbeit z.B. im Wald, beim Eisenbahnbau oder unter Tage verrichten. Schätzungen besagen, dass etwa jeder dritte der etwa eine Million Russlanddeutschen diese Zeit nicht überlebt hat.

Nach dem Stalinismus

Ein Großteil der Russlanddeutschen hat die vielfachen staatlichen Eingriffe in das vormals eigenständige dörfliche Leben nicht überlebt. Vor allem der Stalinismus zerstörte sowohl Menschenleben als auch die Dörfer und damit die eigenständige Kultur der Deutschen in Russland. Die Kinder der Russlanddeutschen hatten – wenn überhaupt – nur Zugang zu russischsprachigem Unterricht. Deutsch öffentlich zu sprechen blieb noch lange gefährlich und verstärkte die Gefahr, als angeblicher "Faschist" angefeindet zu werden. 1948 verkündete der Oberste Sowjet, dass die Verbannung "auf ewig" (1) gelten solle.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 begannen viele der überlebenden Russlanddeutschen mit ihren Familien nach Deutschland "zurückzukehren". Viele ihrer Kinder und Enkelkinder lernten erst dort die deutsche Sprache zu sprechen.

Literatur

  • (1) - Gerd Stricker (Hrsg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas - Rußland, Siedler Verlag, Berlin 1997, ISBN 3-88680-468-2
  • (2) - Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen Bildung, Heft 267: Aussiedler, August 2000, ISSN 0046-9408 (siehe auch: Weblinks)
  • (3) - Strobl/Kühnel: Dazugehörig und ausgegrenzt, Juventa Verlag, Weinheim/München 2000, ISBN 3779914921

Siehe auch

Russlanddeutsche, Geschichte Russlands, Spätaussiedler, Russischsprachige Kultur in Deutschland