Herbert Gruhl

deutscher Politiker (CDU, GAZ/GRÜNE, ÖDP), MdB, Umweltschützer (BUND) und Schriftsteller
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Herbert Gruhl (* 22. Oktober 1921 in Gnaschwitz, jetzt Doberschau-Gaußig; † 26. Juni 1993 in Regensburg) war ein deutscher Politiker (CDU, GAZ/GRÜNE, ödp), Umweltschützer (BUND) sowie Schriftsteller.

Seit 1954 Mitglied der CDU, wurde er 1969 für diese in den Bundestag gewählt, dem er bis 1980 angehörte. Nach unüberbrückbaren Differenzen in der Umweltpolitik trat er am 12. Juli 1978 aus der CDU aus, um einen Tag später die Grüne Aktion Zukunft (GAZ) zu gründen. Diese war gleichzeitig die erste bundesweite Umweltpartei in Deutschland. Anfang 1980 beteiligte sich diese an der Gründung der GRÜNEN, ehe sie sich ein Jahr später von diesen loslöste, um Anfang 1982 die Gründung der ÖDP (später ödp) zu initiieren. Gruhl wurde deren erster Bundesvorsitzender und war während der 1980er Jahre die dominierende Persönlichkeit dieser Partei. Nachdem in der Folgezeit eine Entfremdung zwischen ihm und der Parteibasis eingetreten war, trat er 1989 von seinem Amt als Bundesvorsitzender zurück. Ende 1990 verließ er die ÖDP, um sich bis zu seinem Tod in der überparteilichen Organisation Unabhängige Ökologen Deutschlands (UÖD) zu engagieren.

Als Schriftsteller erlangte er vor allem durch sein 1975 erschienenes Buch Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik größere Bekanntheit.

Werdegang

Gruhl wurde 1921 als Bauernsohn in Gnaschwitz geboren. Es folgte eine landwirtschaftliche Ausbildung. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft studierte er zunächst an der Humboldt-Universität zu Berlin, dann an der neu gegründeten Freien Universität Berlin Germanistik, Geschichte und Philosophie. 1957 promovierte er mit einer Arbeit über Hugo von Hofmannsthal zum Dr. phil.

Politische Karriere

CDU (1954-1978)

1954 trat Gruhl in die CDU ein, für die er 1969 erstmals in den Bundestag gewählt wurde. 1969/70 war er zunächst Mitglied des Innenausschusses des Bundestags und wurde Sprecher der Fraktion in Umweltfragen. Bereits 1971 hatte Gruhl in einer Bundestagsrede als erster Abgeordneter auf das Waldsterben aufmerksam gemacht.[1] Im Vorfeld der Bundestagswahl 1972 übernahm Gruhl den Vorsitz der innerhalb des Bundesfachausschusses Innenpolitik der CDU geschaffenen Arbeitsgruppe für Umweltvorsorge. Der dort erarbeitete Entwurf eines „Konzepts der CDU für Umweltvorsorge“ wurde von Richard von Weizsäcker, „Schatten-Umweltminister“ in der Wahlkampfmannschaft von Rainer Barzel, der an der Ausarbeitung nicht mitgewirkt hatte, noch beträchtlich umgestaltet. Von 1975 bis 1977 war er Vorsitzender des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND).

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion entwickelte Gruhl sich zu einem der wenigen Kritiker der Kernenergie. Die Veröffentlichung seines Buches Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik im September 1975 avancierte zum Bestseller, wurde von der Parteispitze aber mit Schweigen quittiert. Nach der Bundestagswahl 1976, bei der Gruhl in seinem Wahlkreis Hannover-Land überdurchschnittlich Stimmen für die CDU hinzugewinnen konnte, entzog die Partei ihm die Aufgaben des Sprechers für Umweltfragen in Fraktion und Partei. Vor diesem Hintergrund teilte er im Herbst 1977 dem Journalisten Franz Alt, der damals Moderator der SWF-Sendung Report war, mit, dass die CDU nicht mehr seine politische Heimat sei. Gruhls Anregung, zwischen ihm und dem Parteivorsitzenden Helmut Kohl zu vermitteln, lehnte dieser jedoch ab.[1]

Am 12. Juli 1978 trat Gruhl unter großer Medienresonanz aus der CDU aus. Zur selben Zeit verlas er in Report einen offenen Brief an Kohl, in dem er der CDU vorwarf, an der Wachstumspolitik der 1960er Jahre festzuhalten und damit die "völlig neue Problemstellung der heutigen Welt" in wirtschaftlicher und ökologischer Hinsicht zu verkennen. Seinen Parteiaustritt aus der CDU begründete Gruhl des weiteren mit deren "Forderung nach der Neutronenwaffe", dem seinerzeit durch Kohl "laufenden Versuch, strafbare Spendenaktivitäten vieler Jahre nachträglich mit einer Änderung des Parteiengesetzes für rechtmäßig zu erklären" sowie von Unionspolitikern ausgegebenen "Ehrenklärungen"[2] für Hans Filbinger.

GAZ und GRÜNE (1978-1981)

Am 13. Juli 1978, nur einen Tag nach der Trennung von der CDU, gründete Gruhl die Grüne Aktion Zukunft (GAZ), deren Bundesvorsitzender er wurde. Gruhl engagierte sich in der Folgezeit für einen politischen Zusammenschluss grüner Parteien und Wählerbewegungen. Diese Bemühungen führten im März 1979 anlässlich der Europawahl im selben Jahr zur Gründung des Parteienbündnisses Sonstige Politische Vereinigung Die Grünen, für die Gruhl neben der späteren GRÜNEN-Politikerin Petra Kelly Spitzenkandidat war. Mit dem seinerzeit bekannten Slogan „Weder links, noch rechts, sondern vorn“ wollte Gruhl ideologische Differenzen durch eine Ausrichtung auf Zukunftsfragen überwinden. Dem Bündnis gelang mit 3,2% ein Achtungserfolg.

Die GAZ beteiligte sich im Januar 1980 an der Gründung der Partei DIE GRÜNEN. Bei der Wahl des Bundesvorsitzenden der neugegründeten Partei unterlag er 1980 in einer Kampfabstimmung gegen Dieter Burgmann, wobei der spätere Innenminister Otto Schily den linken Zählkandidaten machte. Durch diese taktische Vorgehensweise des „Linken Flügels“ der Grünen fühlte sich Gruhl brüskiert und sah seinen wertkonservativen Flügel unterrepräsentiert. Die Grünen öffneten sich gegen seinen Widerstand außerdem gegenüber Parteiwechslern aus den K-Gruppen.

Darüber hinaus kritisierte Gruhl auf dem Parteitag der Grünen in Saarbrücken am 23. März 1980 unter Rückgriff auf Erich Fromm, das beschlossene Programm der Partei sei "bestimmt ... vom Modus des Habens"[3], also zu materialistisch.[4] Bereits am 2. März selben Jahres rief die GAZ zusammen mit der Grünen Liste Schleswig-Holstein und der Bremer Grünen Liste die Arbeitsgemeinschaft ökologische Politik bei den Grünen (AGÖP) aus, die einen Gegenpol zum dominierenden Linken Flügel der GRÜNEN bilden sollte. Vier Monate später, am 16. Juli, gründeten diese eine neue Organisation Grüne Föderation, die sich im Oktober in Ökologische Föderation umbenannte. 1981 löste sie sich endgültig aus der Partei heraus, womit auch Gruhl den GRÜNEN den Rücken kehrte; mit ihm traten etwa ein Drittel der Mitglieder aus der Partei aus. Die Ökologische Föderation sollte schließlich den Kern der 1982 gegründeten Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) bilden.

ÖDP und UÖD (ab 1982)

1982 war Gruhl Mitbegründer der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP, später ödp), die aus der Ökologogischen Föderation hervorging. Auf deren ersten öffentlichen Bundesparteitag, der am 6. und 7. März selben Jahres in Bad Honnef stattfand, konnte sich Gruhl in einer Kampfabstimmung mit 101 zu 32 Stimmen bei der Wahl des Bundesvorsitzenden gegen Heidrun Hamatschek, der niedersächsischen Landesvorsitzenden der ÖDP, durchsetzen.[5] Dieses Amt sollte er noch bis 1989 inne haben. In dieser Zeit prägte Gruhl die Außendarstellung und das Selbstverständnis der Partei insbesondere mit dem Slogan "Weniger ist mehr"[6] und führte sie 1988 zu einem ersten Achtungserfolg bei der Landtagswahl von Baden-Württemberg mit einem Ergebnis von 1,4 Prozent.

Zur selben Zeit kam es zwischen ihm und weiten Teilen der Parteibasis jedoch zu einer zunehmenden inhaltlichen Entfremdung. So wurde ihm zum einen ein autoritärer Führungsstil vorgeworfen, und zum anderen, sich weltanschaulich immer weiter nach rechts bewegt zu haben. Außerdem häuften sich die personellen Differenzen mit den übrigen Mitgliedern des Parteivorstandes. So hatte beispielsweise Hans Mangold bereits vor dem Bundesparteitag in Saarbrücken seinen Rücktritt erklärt.[7]

Da die ödp auf dem besagten Parteitag einen Abgrenzungsbeschluss unter anderem zu rechtsextremen Parteien fasste, den Gruhl als einen "Richtungsstreit" ablehnte, für den "Munition ... teils von den Grünen, meist jedoch von lächerlichen linksaußen stehenden Gruppen"[8] bezogen werde und er - bis auf letzteren - vergeblich versucht hatte, eine Abwahl der Vorstandsmitglieder Maria Opitz-Döllinger, Peter Schröder und Clausius Moseler durchzusetzen, legte er im Februar 1989 auf dem Parteitag in Saarbrücken sein Amt als Vorsitzender nieder.[9] Sein Nachfolger in dieser Funktion wurde der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Hans-Joachim Ritter. Er gründete den „Arbeitskreis Ökologische Politik“, der nach Gruhls Parteiaustritt 1990 in den Unabhängigen Ökologen Deutschlands aufging.

Ehrungen

Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn überreichte Herbert Gruhl für seine Verdienste um den Natur- und Umweltschutz 1991 das ihm vom Bundespräsidenten verliehene Bundesverdienstkreuz am Bande.

Positionen

Gruhl vertrat die Position, dass es ein immerwährendes Wachstum nicht geben kann und übte an entsprechenden Wirtschaftstheorien Kritik. In Gruhls Gedankenwelt verband sich Ökologie auch mit bevölkerungspolitischen Fragen. Er äußerte sich dabei auch zuwanderungskritisch. Ein besonders drängendes ökologisches Problem war für ihn der ressourcenintensive Lebensstil der reichen Länder, aber auch die Überbevölkerung der Erde, die er mit Begriffen wie „Menschenflut“ oder „Menschenlawinen“ drastisch beschrieb. Er befürchtete, zur Lösung von Überbevölkerungsproblemen könnte in der Dritten Welt der Einsatz von Atomwaffen in Frage kommen. Dass die weltweite Klimaschutzpolitik erfolgreich wird und sich für die Umwelt alles zum besseren wendet, hielt Gruhl anlässlich des UN-Umweltgipfels in Rio de Janeiro 1992 für eine unbegründete Hoffnung.

Autoren-Karriere

Größere Bekanntheit erlangte er 1975 durch sein Buch Ein Planet wird geplündert – Die Schreckensbilanz unserer Politik. Gruhl prangert darin den Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen durch immer mehr Wirtschaftswachstum an und macht deutlich, dass „der Mensch ... von den Grenzen unserer Erde ausgehend denken und handeln“[10] müsse. Das Buch wurde zum Bestseller und Klassiker der Umweltliteratur. Mit seiner schonungslosen Analyse vom Raubbau des Menschen an der Erde unter dem Titel Himmelfahrt ins Nichts – Der geplünderte Planet vor dem Ende fand Gruhl 1992/93 noch einmal eine größere mediale Beachtung.

Werke

  • Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik, S. Fischer, Frankfurt am Main 1975
  • Das irdische Gleichgewicht. Ökologie unseres Daseins, Erb, Düsseldorf 1982
  • Glücklich werden die sein ... – Zeugnisse ökologischer Weltsicht aus vier Jahrtausenden, Erb, Düsseldorf 1984
  • Der atomare Selbstmord, Herbig, München 1986
  • Überleben ist alles. Erinnerungen des Autors von „Ein Planet wird geplündert“, Herbig, München 1987, ISBN 978-3-7766-1457-2
  • Himmelfahrt ins Nichts. Der geplünderte Planet vor dem Ende, Langen-Müller, München 1992, ISBN 978-3-7844-2396-8
  • Unter den Karawanen der Blinden. Schlüsseltexte, Interviews und Reden (1976–1993). Mit einem einleitenden Essay von Franz Vonessen, hg. v. Volker Kempf, Peter Lang, Frankfurt 2005, ISBN 978-3-631-54618-5

Literatur

Quellen

  1. a b Franz Alt: Herbert Gruhl - Vordenker und Querdenker, in: Mankau, S. 9-12, hier S. 9
  2. Herbert Gruhl: Parteiaustritt aus der CDU (1978), in: Herbert Gruhl - Unter den Karawanen der Blinden. Hg. von V. Kempf. Frankfurt a.M. 2005, S. 135-138, hier S. 135
  3. Herbert Gruhl: Persönliche Erklärung auf dem Parteitag der Grünen in Saarbrücken (1980), in: Herbert Gruhl - Unter den Karawanen der Blinden. Frankfurt a.M. 2005, S. 158-159, hier S. 158
  4. Edgar Guhde: Von der GAZ zur ödp, in: Mankau, S. 17-29, hier S. 19
  5. Maria-Opitz-Döllinger: Die ersten ödp-Parteitage, in: Mankau, S. 43-63, hier S. 60
  6. "Weniger ist mehr" - Flugblatt der ÖDP aus den 1980er Jahren
  7. Mankau, S. 99
  8. Herbert Gruhl: Zwischen Links und Rechts und Nullpunkt (1989), in: Herbert Gruhl - Unter den Karawanen der Blinden. Hg. von V. Kempf. Frankfurt a.M. 2005, S. 199-200, hier S. 200
  9. Mankau, S. 100f
  10. Herbert Gruhl: Ein Planet wird geplündert. Die Schreckensbilanz unserer Politik. Frankfurt a.M.: S. Fischer 1975, Klappentext

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