Die Rasterfahndung ist ein in den 1970er Jahren infolge der vergeblichen Fahndung nach den RAF-Terroristen vom damaligen BKA-Präsidenten Horst Herold entwickeltes Verfahren zur vernetzten Durchsuchung von Datenbeständen. Dabei werden bestimmte Personengruppen aus öffentlichen oder privaten Datenbanken herausgefiltert, indem man nach Merkmalen sucht, von denen man annimmt, dass sie auch auf die gesuchte Person zutreffen. Ziel ist es, die Gruppe der zu überprüfenden Personen einzuschränken, da es im Gegensatz zu einer konventionellen Fahndung keine bekannte Zielperson gibt.
Zunächst werden die Merkmale, die sich aus herkömmlichen Ermittlungen ergeben, zu einem Täterprofil zusammengefasst. Wird beispielsweise gegen die russische Mafia wegen Geldwäsche ermittelt, könnte ein solches Profil folgende Merkmale beinhalten: "Staatsbürger eines GUS-Staates, kein Wohnsitz oder ständiger Aufenthalt in Deutschland, Beteiligung an inländischen Firmen oder Immobilienkauf in Deutschland, hoher Kaufpreis". Diese Merkmale werden anschließend in entsprechenden Datenbanken abgefragt - im angeführten Beispiel etwa das Melderegister, alle Stellen, die Aufenthaltsgenehmigungen bzw. Visa erteilen, das Handelsregister und das Grundbuch. Aus den Suchergebnissen werden diejenigen Datensätze zusammengestellt, die alle gesuchten Merkmale aufweisen. Jene Personen, die in diesem „Raster“ hängenbleiben, werden daraufhin gezielt überprüft.
Der Erfolg der Rasterfahndung hängt von der Erstellung des Täterprofils ab. Ist das Profil sehr spezifisch, ohne dass alle Merkmale abgesichert sind, fällt die gesuchte Person möglicherweise durch das Raster. Sind die Merkmale umgekehrt zu allgemein, werden unverhältnismäßig viele Unbeteiligte in den Kreis der zu untersuchenden Personen aufgenommen, was den weiteren Ermittlungsaufwand erhöht.
Einige Jahre nach der Einführung schilderte Herold die Vorteile so:
- Die EDV versetzt uns vielmehr in die Lage, das Vergleichen von Fakten, d.h. die Voraussetzung detektivischer Kombinationsarbeit, schneller und zuverlässiger durchzuführen. So ist es mit Hilfe der EDV erstmals möglich, einen Fingerabdruck, den die Polizei an einem Tatort etwa in Garmisch-Partenkirchen findet, in kürzester Zeit mit den Fingerabdrücken sämtlicher 2,8 Millionen Personen zu vergleichen, die wir im BKA verwahren.
Geschichte der Rasterfahndung in Deutschland
Mit Hilfe der Rasterfahndung konnte 1979 das RAF-Mitglied Rolf Heißler festgenommen werden.
Im März 2004 wurden Pläne des deutschen Bundesinnenministers Otto Schily bekannt, die Rasterfahndung EU-weit im Kampf gegen den sogenannten organisierten Terrorismus einzusetzen.
Am 11. November 2005 wurde in der Presse berichtet, dass innerhalb der Großen Koalition ein Arbeitspapier existiert, durch das die Anwendung von Techniken, die der Rasterfahndung entsprechen, zur Suche nach ‚Sozialschmarotzern‘ (siehe auch die Diskussion um Hartz IV) legitimiert werden soll.
Am 4. April 2006 gab das Bundesverfassungsgericht einer Klage eines marokkanischen Studenten statt, die gegen eine Rasterfahndung aufgrund einer allgemeinen Bedrohungslage im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September 2001 erhoben worden war. Aufgrund der Entscheidung (Az.: 1 BvR 518/02) wird die Rasterfahndung dahingehend eingeschränkt, dass sie nur im Rahmen „konkreter Gefahr“, etwa für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder das Leben eines Bürgers, durchgeführt werden darf.
Gesetzliche Regelungen
Die Rasterfahndung ist in den deutschen Ländern eine polizeirechtliche Maßnahme zur Verhinderung von Straftaten. Die - inhaltlich unterschiedlichen - Vorschriften sind:
- Baden-Württemberg: § 40 PolG,
- Bayern: Art. 44 PAG,
- Berlin: § 47 ASOG,
- Brandenburg: § 46 PolG,
- Bremen: § 36i PolG,
- Hamburg: § 23 GesDatVPol,
- Hessen: § 26 HSOG,
- Mecklenburg-Vorpommern: § 44 SOG,
- Niedersachsen: § 45a Nds.SOG,
- Nordrhein-Westfalen: § 31 PolG (Gegenstand der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts),
- Rheinland-Pfalz: § 25d POG,
- Saarland: § 37 PolG,
- Sachsen: § 47 PolG,
- Sachsen-Anhalt: § 31 SOG,
- Schleswig-Holstein: § 195a LVwG,
- Thüringen: § 44 PAG.
Daneben ist die Rasterfahndung seit 1992 auch ein in § 98a StPO gesetzlich geregeltes Mittel der Strafverfolgung. Soweit das Bundeskriminalamt als Koordinierungsstelle in die Strafverfolgung einbezogen ist, greift ergänzend als Befugnisnorm § 28 BKAG ein.
Rasterfahndung in Österreich
Die Geschichte der Rasterfahndung in Österreich ist vergleichsweise kurz. Am 1. Oktober 1997 trat ein Gesetz in Kraft, welches die damals umstrittene Rasterfahndung zuließ. Auslöser war die Suche nach dem Briefbombenattentäter, der in den Jahren zuvor Anschläge in Österreich durchgeführt hatte. Der Attentäter Franz Fuchs wurde dann jedoch ohne Einsatz der Rasterfahndung eher zufällig am Tag des Inkrafttretens des Gesetzes verhaftet. Die Furcht von Fuchs vor der Rasterfahndung dürfte jedoch zu seiner Nervosität am Tage seiner Verhaftung, die dann zu auffälligem Verhalten führte, beigetragen haben[1].
Laut Österreichischem Justizministerium wurde die Rasterfahndung seit ihrer Einführung allerdings niemals angewendet. Es gab dafür weder seitens der Polizei noch der Staatsanwaltschaft je einen Antrag, dennoch wurde die Ausweitung der Befugnisse in Richtung Online-Durchsuchung bzw. Online-Überwachung beschlossen.
Kritik
Als problematisch wird bei dieser Technik insbesondere die Aufhebung der Unschuldsvermutung gesehen, denn alle Personen, auf die diese Merkmale (z. B. Schuhgröße, Geschlecht, Nationalität) zutreffen, werden zunächst verdächtigt. Erst durch eine polizeiliche Überprüfung, in der diese versucht, einen Anfangsverdacht zu erhärten, wird festgestellt, ob Ermittlungen gegen diese Personen aufrechterhalten werden. Die Verknüpfung von Daten verschiedener Herkunft wird hinsichtlich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ebenfalls oft als problematisch gesehen.
Im April 2004 wurde bekannt, dass nach der Auswertung von etwa 8,3 Millionen Datensätzen in Deutschland nur ein einziges Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Dieses wurde aber wieder eingestellt. Kritiker der Rasterfahndung fühlen sich bestätigt und sehen die Rasterfahndung als gescheitert an.
Dieser Kritik schlossen sich auch die Teilnehmer am 14. Deutschen Verwaltungsrichtertag Anfang Mai 2004 in Bremen an. Insbesondere verlangten die Richter nach einer zeitlichen Befristung von Sicherheitsgesetzen, da diese generell eine Einschränkung von Grundrechten nach sich ziehen könnten und deshalb ständiger Überprüfung bedürften.
Sonstiges
"Rasterfahndung" wurde 1980 zum Wort des Jahres gekürt.
Einzelnachweise
- ↑ Der Standard: ORF-Themenabend zu Franz Fuchs, 26. September 2007
Weblinks
- Eene meene muh: Rasterfahndung in Deutschland - Teil 1
- Eine kriminogenfreie Gesellschaft durch Data Mining?, Ralf Grötker Eene meene muh: Rasterfahndung in Deutschland - Teil 2
- Diskussionen: GrünLinX
- Urteil des BVerfG vom 04.04.2006
- Nur bei konkreter Gefahr - Die bundesweite Rasterfahndung nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war in Teilen verfassungswidrig Telepolis
- Wenig Zukunft für Rasterfahndung Netzeitung
- Spiegel Online: Republik im Raster Abgerufen am 21. Juli 2008.