Joseph Alois Schumpeter (* 8. Februar 1883 in Triesch, Mähren; † 8. Januar 1950 in Taconic, Connecticut, USA) war ein österreichischer Ökonom (gilt jedoch nicht als Vertreter der österreichischen Schule) und prägte die Begriffe "Schöpferischer Unternehmer" und "schöpferische Zerstörung durch Wettbewerb".
Biographie
Schumpeter wurde als einziges Kind eines Tuchfabrikanten geboren. Mit vier Jahren verlor er seinen Vater. 1893 wiederverheiratete sich seine Mutter mit einem deutsch-ungarischen Feldmarschalleutnant der österreichisch-ungarischen Armee. 1906 wurde diese Ehe geschieden, jedoch soll sein Stiefvater großen Einfluss auf seine Erziehung gehabt haben. Schumpeter wurde 1893 Zögling der Eliteschule Theresianum, die als Vorstufe zu einer Karriere im Staatsdienst galt. Gleich nach der Schule studierte er von 1901–1906 Rechtswissenschaften in Wien. Zu diesem Studium gehörten damals auch zahlreiche nationalökonomische Vorlesungen und Prüfungen.
Einer seiner Lehrer war der ehemalige Finanzminister Eugen Böhm von Bawerk, dessen Kapitaltheorie ihn beeinflusst haben soll. In den Studienjahren pflegte er auch Kontakte zur Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, wo er u.a. Otto Bauer kennen lernte. Dieser unterstützte 1919 seine Berufung zum Finanzminister. Schumpeter eignete sich auch profunde Kenntnisse der marxistischen Theorie an. 1906 legte er sein Doktorexamen ab, darauf folgten Aufenthalte in Cambridge, Oxford und Ägypten.
1907 heiratete er. Von 1907 bis 1908 hatte er Beschäftigung bei einem Anwalt in Kairo.
In den Jahren 1909 bis 1911 erhielt er seine erste Professur in Czernowitz, Bukowina und 1911 bis 1921 die Professur an der Karl-Franzens-Universität Graz. Von 1914 bis 1924 arbeitete er im Dienste von Staat und Wirtschaft. Zwischen 1921 und 1925 war er Präsident der Biedermann-Bank, die er in den Bankrott führte, wobei er selber sein gesamtes Vermögen verlor und auch später noch zur Schuldentilgung beitragen musste. Dieses Debakel beschädigte allerdings nicht seinen Ruf als Theoretiker.[1] Von 1925-1932 war er Professor für Finanzwissenschaft der Universität Bonn. Danach wirkte er von 1932 bis 1950 an der Harvard University.
Schumpeter engagierte sich wirtschaftspolitisch; er war 1919/1920 sieben Monate österreichischer Finanzminister. Wegen der Duldung des Verkaufs des größten Unternehmens Österreichs, der Alpine Montan, an ein italienisches Konsortium musste er abdanken. Das Vorhaben war nicht mit der erklärten Regierungspolitik der Sozialisierung zu vereinbaren.
Seit 1921 leitete Schumpeter die private Biedermann-Bank, die er, trotz Bevorzugung des Instituts durch die konservative Regierung, während der Großen Inflation nicht vor dem Konkurs zu bewahren vermochte. 1926 starb seine Frau bei der Geburt des ersten Kindes; von diesem Schicksalsschlag erholte sich Schumpeter nie.
1927–1928, 1930 gab er Gastvorlesungen an der Harvard University sowie 1932–1950 bei Harvard. 1937 heiratete er die Nationalökonomin Elisabeth Boody. In den USA geriet Schumpeter während des Zweiten Weltkriegs politisch und persönlich zunehmend in die Isolation, da er sich mehrfach antisemitisch und zugunsten der Achsenmächte äußerte. Schumpeter starb am 8. Januar 1950 an einem Gehirnschlag.
Ihm zu Ehren benannte die VolkswagenStiftung ein Programm zur Forschungsförderung „Schumpeter-Fellowship“.[2] Das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung vergibt ein Schumpeter-Stipendium.
Beitrag zur Volkswirtschaftslehre
Innerhalb der Neoklassik nimmt Schumpeter eine Außenseiterrolle ein. In seinen Werken hat er folgende zentrale Beiträge geliefert.
- Prozess der schöpferischen Zerstörung
- Neuprägung der Begriffe Innovation, Innovator und Ausarbeitung ihres Stellenwertes für lange Wellen in der ökonomischen Entwicklung, denen er die Bezeichnung Kondratjew-Zyklus gab.
- Gedanken zum Wesen und zur Motivationsgrundlage des Unternehmers: er unterscheidet Arbitrage-Unternehmer von schöpferischen Unternehmern
- intensive Auseinandersetzung mit den Themen Kapitalismus und Sozialismus. Schumpeter hielt den Kapitalismus nicht für überlebensfähig ("Can capitalism survive? No. I do not think it can", aus: "Capitalism, Socialism and Democracy", 1942). Er sah ihn aber, im Gegensatz zu Karl Marx, nicht primär durch seine Widersacher, das Proletariat, gefährdet, sondern - ebenso wie Marx - durch inhärente Widersprüche seines Erfolgs, insb. durch die "schöpferische Zerstörung" seiner eigenen Produktionsbedingungen (z. B. die produktionsnotwendige Rohstoffbasis): "Zerstörung ist also nicht immer kreativ, die unternehmerische Befolgung des 'kategorischen Imperativs' der Innovation durch 'schöpferische Zerstörung' resultiert in der „Zerstörung der Schöpfung“ (Elmar Altvater [1]).
- Eine wichtige These Schumpeters war die Unterscheidung zwischen Kapitalisten und Unternehmern (Entrepreneurs). Unternehmer zeichnen sich seiner Meinung nach dadurch aus, dass sie ihre wirtschaftliche Position ständig durch Innovationen verbessern wollen. Demnach ist es der Unternehmergeist, welcher Innovationen erzeugt und damit Wirtschaftswachstum und sozialen Wandel vorantreibt. Der Zusammenhang zwischen Innovationstätigkeit und Diffusion der Innovationen bleibt aber bei Schumpeter ungeklärt.
Schumpeter begründete in seiner Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung (1911) Pionierleistungen mit ökonomischem Eigennutz. So stellt sich Schumpeter zufolge jeder Erfinder zunächst als Monopolist dar. Erst wenn Nachahmer auftreten, verblasst die Stellung der Erfinder. Schumpeter erkannte damit das Wechselspiel aus Erfindung und Imitation als Triebkraft des Wettbewerbs.
Schumpeter irrte bei der Betrachtung des Zinses. Aus Ideen Knut Wicksells leitete er ab, dass in einer stationären Wirtschaft, d. h. in einer Wirtschaft, in der weder gespart noch investiert wird, der Zins gleich null ist. Dies gilt als widerlegt, da auch in einer stationären Wirtschaft ein Kapitalbestand existiert, wenngleich dieser nicht wächst. Hier konnte bereits Schumpeters Landsmann Eugen von Böhm-Bawerk theoretische Gegenargumente liefern.
Es wird angenommen, dass John Kenneth Galbraith in seiner Arbeit The New Industrial State von Schumpeters Sichtweisen der Kooperation beeinflusst wurde. Im späten 20. Jahrhundert wurden Schumpeters Ideen auch in verschiedenen Wachstumstheorien wieder aufgegriffen (Neo-Schumpeterianer).
Beiträge zu Nachbarwissenschaften
Namentlich durch das schon in der amerikanischen Emigration während des Zweiten Weltkrieges erschienene berühmte Werk Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie wirkte Schumpeter weit in die Politische Wissenschaft (Demokratietheorie) und die Soziologie hinein, dort früh auch besonders auf die Finanzsoziologie.
Interessant ist sein Beitrag zur Imperialismus-Diskussion, wo er in direkter Kritik an Lenin den Imperialismus nicht als spätkapitalistische Suche nach neuen Märkten, sondern als Ausdruck von letztlich irrationalem, meist innenpolitisch motiviertem und benutztem Chauvinismus von Oberschichten verstand.
Siehe auch
Werke
- Wesen und Hauptinhalt der theoretischen Nationalökonomie, 1908
- Wie studiert man Sozialwissenschaft, 1910
- Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 1912
- Business Cycles, 1939
- Capitalism, Socialism, and Democracy, 1942
- History of Economic Analysis, 1954
Einzelnachweise
- ↑ Große Österreicher, Ueberreuter, Hrsg. und Autor Thomas Chorherr
- ↑ VolkswagenStiftung : Schumpeter-Fellowships
Literatur
- Annette Schäfer: Die Kraft der schöpferischen Zerstörung. Campus, Frankfurt 2008 ISBN 978-3593384900
- Richard Swedberg: Joseph A. Schumpeter. Eine Biographie, Stuttgart 1994
- Richard Swedberg, Joseph A. Schumpeter and the Tradition of Economic Sociology, JITE, 1989, pp. 508-524
- Hans-Heinrich Bass: J. A. Schumpeter – Gedanken für das 21. Jahrhundert. In: Das Wirtschaftsstudium (WISU), 28. Jg., Heft 4 (April 1999), S. 486-492.
- Christian Pirker: Joseph A. Schumpeter und das Studium der Sozialwissenschaft. Ein Beitrag zur österreichischen Wissenschaftsgeschichte, Klagenfurt 1999. (= Retrospektiven in Sachen Bildung, R. 2 (Studien), Nr. 27)
- [Rezension] „Schumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung; new translations.“ In: The American Journal of Economics and Sociology: publ. quarterly in the interest of constructive synthesis in the social sciences under grants from the Francis Nelson Fund and the Robert Schalkenbach Foundation. Bd. 61, Nr. 2, 2002, S. 405-437
- Heinz D. Kurz: Joseph A. Schumpeter - Ein Sozialökonom zwischen Marx und Walras. ISBN 3-89518-508-6
- Michaelides, P. and Milios, J. (2005), Did Hilferding Influence Schumpeter?, History of Economics Review, Vol. 41, Winter, pp. 98-125.
- Michaelides, P. and Milios, J. (2004), Hilferding’s Influence on Schumpeter: A First Discussion, European Association for Evolutionary Political Economy Proceedings of the 16th Annual International Conference, Crete, Greece, 28-31 October (CD-ROM).
- Michaelides, P., Milios, J. and Vouldis, A. (2007), Schumpeter and Lederer on Economic Growth, Technology and Credit, European Association for Evolutionary Political Economy, Proceedings of the 19th Annual International Conference, Porto, 2007, 1-3 November (CD-ROM)
Weblinks
- Joseph Alois Schumpeter auf VWLer.de
- Vorlage:PND
- Seite der Schumpeter Gesellschaft Graz
- Schumpeter-Archiv mit Bibliographie von Ulrich Hedtke
Personendaten | |
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NAME | Schumpeter, Joseph Alois |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Ökonom und viel gelesener Autor |
GEBURTSDATUM | 8. Februar 1883 |
GEBURTSORT | Triesch (tschechisch: Trešt) in der damals österreichischen Provinz Mähren (heute zu Tschechien) |
STERBEDATUM | 8. Januar 1950 |
STERBEORT | Taconic, Connecticut, USA |