Langzeitarchivierung
Unter Langzeitarchivierung versteht man die Erfassung und langfristige Aufbewahrung von Informationen. Vor allem bei der Langzeitarchivierung digital vorliegenden Informationen (digital preservation) stellen sich neue Probleme.
Während physikalische Objekte seit langer Zeit u.a. in Archiven, Museen und Bibliotheken aufbewahrt und erhalten werden, stellen sich bei Elektronischen Publikationen ganz neue Herausforderungen. Daten, die auf digitalen Datenträgern gespeichert sind, können in relativ kurzer Zeit nicht mehr lesbar sein ("digitales Vergessen"). Die Ursachen für diesen Informationsverlust sind die begrenzte Haltbarkeit der Trägermedien und der schnelle Medien- und Systemwandel. Bei der Umgehung dieser Schranken bereiten unter anderem proprietäre Formate und urheberrechtliche Beschränkungen Probleme.
Probleme
Haltbarkeit der Trägermedien
Während beispielsweise altes Pergament und Papier bei guter Lagerung viele hundert Jahre haltbar sind, trifft dies auf neue Speichermedien nicht zu. Die meisten Publikationen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind auf Papier gedruckt, das sich durch Säurefraß zersetzt.
Auch Filme, Fotos und Magnetbänder haben nur eine begrenzte Haltbarkeit. Noch kürzer ist die Lebensdauer digitaler Speichermedien wie Disketten und CDs. Datenträger verlieren ihre Informationen durch Umwelteinflüsse (z. B. durch Magnetfelder in der Nähe von Disketten oder Magnetbändern) oder sie werden durch chemische oder physikalische Einwirkungen so stark verändert, dass sie keine Informationen mehr speichern können oder nicht mehr auslesbar sind (z. B. UV-Strahlung auf CD-ROMs).
Medium | Erwartete Lebensdauer laut Hersteller (In Klammern die tatsächlich nutzbare Zeit) |
---|---|
Steintafeln und Steinmalereien | mehrere tausend Jahre |
Bücher aus säurefreiem Papier und Tinte | mehrere hundert Jahre |
Mikrofilm | rund 500 Jahre |
Filme auf Zelluloid | mehrere hundert Jahre |
Herkömmliche Bücher | 100-200 Jahre |
CD-ROM / DVD | 25 - 100 Jahre (zum Teil weniger als 5 Jahre!) |
Zeitungspapier | 10 - 20 Jahre |
Disketten | 5 - 10 Jahre |
Magnetbänder | bis zu 30 Jahre |
Schneller Medien- und Systemwandel
Veraltete Datenformate
Da die Informationen nicht unmittelbar zugänglich vorliegen, sondern binär codiert sind, ist nur möglich, die Informationen zu lesen, wenn ein Programm und ein Betriebssystem vorliegt, das den Inhalt einer Datei "versteht". Da viele Betriebssysteme und Programme ein eigenes (proprietäres) Verfahren einsetzen, um die Daten zu codieren, ist eine Lesbarkeit von Daten nicht mehr gegeben, wenn ein Betriebssystem oder ein Programm nicht weiterentwickelt wird. Verschärft wird dieses Problem durch die Politik vieler Softwarehersteller, neue Programmversionen mit veränderten Datenformaten zu veröffentlichen, die ältere Datenformate des gleichen Programms nicht vollständig nutzen können.
Veraltete Datenträger und Dateisysteme
Ähnlich wie bei den Datenformaten ist die Situation bei den Trägerformaten. Eine Datei, die vollständig und in einem noch lesbaren Dateiformat vorliegt, kann von fast allen Computerbenutzern nicht mehr gelesen werden, wenn sie auf einer 5,25"-Diskette liegt. Waren Laufwerke, die dieses Format lesen konnten, bis weit in die 1990er Jahre üblich, so sind heute kaum noch welche zu finden.
Weitere Beschränkungen
Proprietäre Systeme und urheberrechtliche-Beschränkungen erschweren das zur Langzeitarchivierung notwendige Umkopieren und Migrieren von Daten, weil die dafür notwendigen Schritte nicht bekannt bzw. erlaubt sind.
Wiederfinden von Informationen
Es nützt nichts, Daten zu kopieren, man muß sie auch wiederfinden können. Daher müssen sie in Kataloge eingtragen werden, was bei größeren Datenmengen sehr aufwendig werden kann.
Datenkonsistenz
Ein völlig übersehenes Problem bei der Langzeitarchivierung wie auch bei der Kurzzeitarchivierung ist die Überprüfung der Fehlerfreiheit der Daten. Daten können absichtlich modifiziert werden, aber auch durch Systemfehler ohne Alarm zerstört werden.
Verfahren
Grundsätzlich lassen sich bei der elektronischen Archivierung Methoden der Migration/Konversion und der Emulation unterscheiden.
Durch den Einsatz von offenen Standards wie z. B. OSS-Grafikformaten (TIFF, PNG, JPEG) oder freien Dokumentenformaten (XML), die als relativ langlebig betrachtet werden und deren Aufbau öffentlich bekannt ist, sind die Zyklen, nach denen eine Information umformatiert werden muss, länger. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in einigen Jahren noch Systeme und Programme gibt, die die Daten lesen können, ist deutlich höher.
Um den Verlust von Daten durch die Alterung von Datenträgern zu verhindern, müssen die Daten regelmäßig innerhalb der garantierten Datensicherheitsdauer eines Mediums auf neue Datenträger kopiert werden. Dadurch kann auch auf ein neues Trägerformat gewechselt werden, wenn das bisher genutzte durch die technische Weiterentwicklung obsolet geworden ist.
Die hohen Kosten, die durch diese Pflege der Datenbestände entstehen, haben allerdings zur Folge, dass nur die wichtigsten Daten derart konserviert werden können. Die Informationsflut, die nicht zuletzt durch die neuen digitalen Datenverarbeitungssysteme entsteht, verschärft das Problem zusätzlich. Der Anteil der langfristig gespeicherten Daten wird notwendigerweise relativ gering sein, was an die Auswahl der gesicherten Informationen hohe Anforderungen stellt. Ein zusätzliches Problem entsteht durch das Auseinanderdriften des Verhältnisses zwischen Datenvolumens und Bandbreite. Das Volumen wächst deutlich schneller als die nötige Bandbreite um Daten von einem Medium auf ein anderes zu überspielen.
Dies betrifft nicht nur die Daten im staatlichen und kommerziellen Bereich, sondern auch im Privatbereich werden herkömmliche, oftmals langfristig lagerfähige Medien durch leichter handhabbare digitale Medien ersetzt (Photographien und Negative durch digitale Bilder auf einer CD-ROM).
Für die Langzeitarchivierung sind in Deutschland die Pflichtexemplarbibliotheken und die Archive zuständig.
Siehe auch
- Bergwerk
- Barbarastollen (Zentraler Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland)
- Datenrettung
- Digitalisierung
- Dokumentenmanagement
- kulturelles Erbe
- Netzpublikation
- Mikroform
- elektronische Archivierung
- LifeLog
- Restaurierung
- Internet Archive
Literatur
- Borghoff, Rödig, Scheffczyk, Schmitz: Langzeitarchivierung. Dpunkt Verlag, 2003 ISBN 3-89864245-3
- Ralf Blittkowsky: Archivieren der Berechnungsformeln?. In Telepolis. Heise-Verlag 14. Februar 2004
- Georg Hohmann: Digitale Ewigkeit und virtuelle Museen. In: Telepolis. Heise-Verlag 30. Oktober 2003
- Roy Rosenzweig: Scarcity or Abundance? Preserving the Past in a Digital Era. In: American Historical Review 108, 3 Juni 2003, S. 735-762
- Guidelines for the Preservation of Digital Heritage. UNESCO, March 2003. http://unesdoc.unesco.org/images/0013/001300/130071e.pdf
- Digital Preservation Tutorial. Cornell. http://www.library.cornell.edu/iris/tutorial/dpm/
Weblinks
- http://www.langzeitarchivierung.de - Kompetenznetzwerks zur Langzeitarchivierung digitaler Quellen in Deutschland
- http://www.archive.org - Internet Archive
- http://www.bestandserhaltungsglossar.de/ - Glossar Bestandserhaltung
- http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/16567/1.html - Langzeitarchivierung industrieller IT-Prozesse (Artikel in Telepolis)
- Florian Rötzer: Wider das digitale Vergessen
- NDR Prisma Dokumentation Hilfe, wir verschwinden - Das digitale Desaster
- Electronic Resource Preservation and Access Network - ERPANET
- Digital Preservation Coalition (DPC). http://www.dpconline.org/
- http://www.ivent.de/workshops/haltbarkeit2.shtml