François-Marie Arouet

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Voltaire, eigentlich François-Marie Arouet (* 21. November 1694 in Paris; † 30. Mai 1778 in Paris), war ein französischer Schriftsteller.

Dieser in praktisch allen literarischen Genera sowie als Historiker und Philosoph aktive Autor galt schon zu Lebzeiten als der bedeutendste französische, vielleicht sogar der bedeutendste europäische Autor seines Jahrhunderts, das in Frankreich auch "le siècle de Voltaire" heißt.

Zusammen mit Jean-Jacques Rousseau gilt er als Wegbereiter der Französischen Revolution und Begründer des Sensualismus.

Voltaire

Biografie

Jugend

Er wächst auf als jüngerer Sohn eines nichtadeligen, aber reichen Gerichtsgebühreneinnehmers in der väterlichen Dienstwohnung im Parlement, d.h. im ehemaligen Palais Royal auf der Pariser fr:Île de la Cité. 1701 verliert er seine Mutter, und da er sich von seinem strengen, jansenistisch-frommen Vater und seinen erheblich älteren Geschwistern wenig geliebt fühlt, hält er sich insgeheim für den außerehelich gezeugten Sohn eines adeligen Freundes der Familie, M. de Rochebrune.

Seine Schulzeit verbringt er im Jesuitenkolleg Louis-le-Grand (heute Lycée Louis-le-Grand), wo er eine solide Bildung in antiker griechisch-römischer Literatur, Mathematik, Geschichte und Religion erwirbt und mit Preisen ausgezeichnet wird, aber auch Freude am Theater entwickelt sowie nicht zuletzt einige Freunde unter den überwiegend adeligen Mitschülern gewinnt, die ihm später von Nutzen sein werden.

Unter dem Druck des Vaters studierte er 1711-13 an der Pariser juristischen Hochschule, das er aber nie beenden sollte. Doch interessiert ihn die Juristerei nicht, da er schon seit seinen Schülerjahren schreibt und über seinen schöngeistigen Patenonkel, den Abbé de Châteauneuf, in literarische Zirkel gelangt ist, wo er als frühreifes Talent bewundert wird. Auch ein vom Vater verfügter Zwangsaufenthalt (1713) als Notariatsangestellter in Caen und dann als Privatsekretär des französischen Botschafters in Den Haag fruchten nichts. Der Vater denkt daran, ihn zu enterben und nach Amerika deportieren zu lassen, gibt dann aber auf.

Erste Werke und erste Probleme

Voltaire hat inzwischen einen gewissen Ruf als geistreicher Versemacher erlangt und Zutritt erhalten zu dem epikureisch-freidenkerische Zirkel um den hochadeligen Chef des Malteserordens, Philippe de Vendôme, wo er mit dem oppositionellen Gedankengut der Frühaufklärung in Kontakt kommt.

Dort brilliert er mit witzigen und oft respektlosen Versen, bis ihm ein satirisches Gedicht auf den Regenten, Herzog Philippe II. von Orléans (der 1715-23 für den minderjährigen Ludwig XV. die Regierungsgeschäfte führt) 1716 eine Verbannung aus Paris einbringt. Am 16. Mai 1717 kommt er für neuerliche Verssatiren auf den Regenten ein erstes Mal in die als Gefängnis für höhergestellte Häftlinge dienende Pariser Stadt-Festung Bastille.

Dort liest, schreibt und reflektiert er, beginnt ein Versepos, La Henriade, über den seines Erachtens größten französischen König, Heinrich IV., und seine erste Tragödie, Œdipe. Dank der Fürsprache hochstehender Gönner kommt er nach elf Monaten frei, wonach er sich den Namen "de Voltaire" zulegt.

Im November 1718 macht ihn die erfolgreiche Aufführung von Œdipe schlagartig berühmt. Wieder verkehrt er in schöngeistigen und adeligen Pariser Salons und ist auch gerngesehener, weil unterhaltsamer Gast in den Landschlössern des Hochadels rund um Paris. Nebenbei schreibt er, z.B. das Stück Artémire (1720), hat eine erste Mätresse, Mme de Bernières, erbt 1722 von seinem Vater und kumuliert 1722 und 25 zwei "pensions" (Art Jahresgehälter) aus der königlichen Schatulle, so dass er schon mit 30 finanziell erfreulich unabhängig ist. 1725 erhält er als Günstling von Mme de Prie, der allmächtigen Mätresse des neuen Chef-Ministers, des duc de Bourbon, sogar Zutritt am Hof in Versailles.

Voltaire in England

1726 lässt der hochadelige Chevalier de Rohan ihn wegen einer spöttischen Bemerkung von seinen Dienern verprügeln. Der empörte Voltaire nimmt Fechtunterricht, um den Chevalier zum Duell zu fordern. Die Rohans erwirken jedoch einen königlichen Haftbefehl gegen ihn, und wieder sitzt er in der Bastille. Da er inzwischen aber berühmt ist, bietet ihm König Luwig die Freiheit an unter der Bedingung, dass er Frankreich verlässt.

Er akzeptiert und geht für fast drei Jahre (1726-1728) nach England, das gerade dabei ist, als erstes Land der Welt in die industrielle Revolution einzutreten. Hier publiziert er 1728 La Henriade, lernt aber auch Englisch sprechen und schreiben und verkehrt in besten Londoner gesellschaftlichen und intellektuellen Kreisen. Er ist fasziniert von der wirtschaftlichen, philosophischen und wissenschaftlichen Aufbruchstimmung, die in England herrscht, vor allem aber von der relativ großen geistigen Freiheit und sozialen Mobilität in dieser multikonfessionellen Gesellschaft, wo die Religion Privatangelegenheit ist und die Macht des Königs und die Privilegien des Adels eingeschränkt sind. Auch wird er dort durch John Lockes Empirismus, die naturwissenschatlichen Studien Newtons und den aufkommenden Deismus stark beeinflusst.

Dieses England den Franzosen als Vorbild hinstellend, schreibt er die in der Fiktion an einen Freund in Frankreich gerichteten Briefe Lettres philosophiques oder Lettres anglaises, die er wohlweislich zunächst nicht publiziert. 1729 darf er nach Paris zurück, den Koffer voller fertiger und angefangener Schriften, darunter die historiographischen Werke Histoire de Charles XII (Karl XII. von Schweden, 1731) und Le Siècle de Louis XIV (1751), oder die Tragödien Brutus (1730) und Zaïre (1732), die beide große Erfolge werden. Daneben spekuliert er geschickt mit seinem Vermögen und wird u.a. stiller Teilhaber von Heereslieferanten, so dass er bald für den Rest seines Lebens mehr als nur wohlhabend ist.

Die Jahre mit Émilie du Châtelet

1734 erscheinen zugleich in London und Paris die Lettres philosophiques, die von den Herrschenden in Frankreich als Affront betrachtet werden und sogleich öffentlich verbrannt werden. Wieder gibt es einen Haftbefehl gegen Voltaire. Er zieht sich deshalb mit seiner neuen Freundin auf deren Schloss Cirey in der Champagne zurück, von wo aus er im Ernstfall schnell ins nahe Lothringen ausweichen kann (das bis 1735 de jure noch zum Deutschen Reich gehört).

In den nächsten Jahren führt er ein unstetes Wanderleben: er ist in Paris, wenn er darf; er geht nach Cirey, wenn ihm Paris zu gefährlich wird; er hält sich aber länger auch in Brüssel auf und in Holland, das zur Druckerei Europas avanciert ist und wo er viele seiner Werke publiziert.

Über die aktive Naturforscherin Émilie du Châtelet, die unter anderem Newtons Philosophiae naturalis principia mathematica übersetzte und kommentierte, entwickelt Voltaire Interesse auch für die Naturwissenschaften. Seine Domänen bleiben jedoch die Geschichtsschreibung und die philosophisch, d.h. aufklärerisch, inspirierte Literatur, in Gestalt z.B. von Tragödien: Adélaïde du Guesclin, 1734; La Mort de César, 1735; Alzire, 1736; Mahomet, 1741 (nach der dritten Aufführung abgesetzt, da Voltaires negative Darstellung des Religionsgründers Mohammed von der katholischen Kirche ganz richtig als Kritik an Propheten und Priestern überhaupt verstanden wurde). Daneben schreibt er das burleske Epos La Pucelle (=die Jungfrau [von Orléans]), das lange nur in privaten Abschriften zirkuliert.

 
Adolph von Menzel: Tafelrunde König Friedrich II. (mitte) in Sanssouci mit Voltaire (links) und den führenden Köpfen der Berliner Akademie, 1850, ehemals Nationalgalerie, Berlin, 1945 im Flakturm Friedrichshain verbrannt.

Da er seit 1736 in Briefkontakt zu Kronprinz Friedrich von Preußen steht und von diesem umworben wird, ist Voltaire, als Friedrich 1740 König wird, plötzlich persona grata auch bei Ludwig XV., der ihn 1742/43 mehrfach in diplomatischer Mission nach Preußen schickt. Dieses nämlich war im österreichischen Erbfolgekrieg (1740-48) zunächst mit Frankreich verbündet gewesen, 1742 aber ausgestiegen. Auch durch die Vermittlung von Madame de Pompadour hat Voltaire nun wieder Zutritt am Hof in Versailles; seine Tragikomödie La Princesse de Navarre wird dort anlässlich der Hochzeit des Kronprinzen uraufgeführt (1745). Darüber hinaus wird er zum Königlichen Chronisten (historiographe du roi) ernannt und zum königlichen Kammerherrrn (gentilhomme de la chambre), womit er endlich regulär in den Adelstand erhoben ist. 1746 wird er auch Mitglied der Académie française.

1747 fällt er plötzlich in Ungnade, als er – auf Englisch – Mme du Châtelet am Spieltisch der Königin vor hochadeligen Falschspielern warnt. Er versteckt sich auf einem Schloss der Duchesse du Maine, wo er seine Gastgeberin mit seinen ersten erzählenden Werken unterhält, u.a. dem Kurzroman Zadig.

1748/49 lebt er mit Mme du Châtelet meistens im Schloss von Lunéville/Lothringen, wo seit 1735 der polnische Ex-König Stanislas Leszczynski, der Schwiegervater von Ludwig XV., residiert. Hier stirbt Mme du Châtelet Ende 1749 nach der Geburt eines Kindes (das aber nicht von Voltaire ist). Dieser ist trotzdem betroffen, auch wenn er schon seit ca. 1745 intim mit seiner verwitweten Nichte Mme Denis liiert ist.

Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris verlässt er im Sommer 1750 die Stadt (die er erst 1778 wiedersehen wird) und folgt endlich der Einladung Friedrichs nach Potsdam, wo schon andere französische Literaten und Gelehrte Hofämter innehaben. 1751 erscheint in Berlin sein Siècle de Louis XIV, eine Darstellung der französischen Geschichte des 17. Jahrhunderts, die wegen der zentralen Rolle, die Voltaire darin der Institutions–, Wirtschafts- und Kulturgeschichte zuweist, in der Geschichtsschreibung neue Maßstäbe setzt. 1752 wird der ebenfalls kulturhistorisch orientierte Abrégé (=Abriss) de l'Histoire universelle gedruckt, an dem Voltaire schon seit langer Zeit gearbeitet hat.

Nach zwei Jahren Sanssouci, wo er sich bald mit einigen seiner neuen Kollegen anlegt, vor allem dem Akademie-Präsidenten Maupertuis, muss er enttäuscht erkennen, dass er für König Friedrich nur einer neben anderen Höflingen ist. Er bittet ihn um seine Entlassung, wird aber nur beurlaubt. Aus Leipzig attackiert er nochmals Maupertuis und wird nun in Unehren entlassen, bei einem Aufenthalt in Frankfurt wird er auf Ersuchen Friedrichs sogar festgesetzt und schikaniert. Erst Jahre später werden die beiden Männer sich halbwegs versöhnen und wieder Briefe wechseln.

Neuerliche Wanderjahre

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Moreau le Jeune: Voltaire

Nach Stationen an einigen kleineren deutschen Höfen (Mainz, Mannheim) wartet Voltaire in den elsässischen Städten Straßburg und Kolmar vergeblich auf die Rückkehrerlaubnis nach Paris und an den französischen Hof. 1755 schließlich kauft er sich in der schweizerischen Stadtrepublik Genf ein Anwesen am Stadtrand und gedenkt sich dort niederzulassen. Doch während in Paris mit Erfolg sein neues Stück L'Orphelin de la Chine aufgeführt wird, bekommt er in Genf ersten Ärger mit dem theaterfeindlichen kalvinistischen Kirchenrat, weil er private Aufführungen in seinem Haus organisiert.

1756 veröffentlicht er seinen monumentalen Essai sur les mœurs, eine Kulturgeschichte der Menschheit, die er insgesamt auf dem Weg des Fortschritts sieht, auch wenn ihm sein ursprünglicher aufklärerischer Optimismus fast schon abhanden gekommen ist aufgrund der persönlichen Enttäuschungen der letzten Jahre und nicht zuletzt auch wegen des Erdbebens von Lissabon (1755), das seine bisher gehegte theistische Grundüberzeugung von der Existenz eines allmächtigen und letztlich gütigen Gottes erschüttert. Ebenfalls 1756 beginnt er seine Mitarbeit an dem 1746 von Diderot und d'Alembert initiierten Groß-Lexikon, der Encyclopédie. 1757 verschafft ihm der sehr kritische Encyclopédie-Artikel "Genève" neuen Ärger in Genf, auch wenn er ihn nicht selbst verfasst, sondern nur als Informant beeinflusst hat. Er geht einmal mehr auf Reisen und schreibt 1758, zum größten Teil während eines Aufenthaltes im Schloss von Schwetzingen, den heute als sein bestes Werk geltenden parodistischen Liebes- und Abenteuerroman Candide ou l'optimisme. Hierin führt er sarkastisch-ironisch den ihm nach Lissabon und den Gräueln des Siebenjährigen Krieges (ab 1756) endgültig als unhaltbar erscheinenden philosophischen Optimismus der Aufklärer ad absurdum und empfiehlt am Ende resigniert die Arbeit als einzig probates Heilmittel gegen das Unglück in einer Welt, die – wie die bewegte Handlung des Romans demonstriert – völlig vom Zufall beherrscht ist.

Sesshaftwerdung und letzte Jahre

Im Sinne des Schlusswortes seines Candide ("wir müssen unseren Garten bestellen") kauft er 1759 selbst zwei Landgüter im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Genf, die er in der Tat hinfort bewirtschaften wird, und zwar sehr effizient. Hier verbringt er (zusammen mit Mme Denis) als "Weiser von Ferney" die letzten 18 Jahre seines Lebens, immer noch schreibend, Briefe und Besucher aus ganz Europa empfangend, mit der Macht seiner stetig wachsenden Autorität gegen Ungerechtigkeiten und Obskurantismus kämpfend (z.B. 1762 und 1766 in den religiös motivierten Justizmord-Affairen Calas und La Barre).

Neben Theaterstücken verfasst er nach dem Erfolg des Candide zunehmend Erzählungen (u.a. den meisterhaften empfindsam-philosophischen Kurzroman L'Ingénu (=der Unbedarfte, 1767), aber auch philosophische Werke wie das erfolgreiche Dictionnaire philosophique portatif (womit er den Typ des einbändigen Lexikons kreiert).

1778 reist er nach Paris, um der Uraufführung seines neuen Stücks Irène beizuwohnen. Er wird wie in einem Triumphzug empfangen und kann sich vor Ehrungen und Einladungen kaum retten. Nach drei Monaten Paris bricht der 84-Jährige entkräftet zusammen und stirbt.

Kurioses und Interessantes

Als Freidenker und Freimaurer übte Voltaire an jeder Form von institutioneller Religion, aber auch an politischen Missständen Kritik. Er selbst betrachtete den Glauben und insbesondere dessen Grundlage, die Bibel, als überholt: "In hundert Jahren wird die Bibel ein vergessenes und unbekanntes Buch sein, sie wird nur noch als Rarität in den Rumpelkammern und Altertumssammlungen als Zeuge der Torheit früherer Geschlechter zu finden sein." Ein interessantes Kuriosum im Zusammenhang mit diesem Zitat: Im ehemaligen Wohnhaus Voltaires befindet sich heute die Verkaufsstelle einer Bibelgesellschaft.

Voltaire war für seinen beißenden Spott berühmt. Als man, um Geld zu sparen, die Hälfte der Pferde in den königlichen Ställen abschaffte, schlug er ironisch vor, man solle stattdessen lieber 50% der Esel am königlichen Hof entlassen.

Voltaire soll täglich über 50 Tassen Kaffee getrunken haben.

Kritik

Mit Peter Scholl-Latour (Afrikanische Totenklage, S. 260) sei kritisch angemerkt, "dass Voltaire persönlichen Gewinn aus dem afrikanischen Sklavenhandel der französischen Hafenstadt Nantes gezogen hatte und dieses menschenverachtende Geschäft mit dem fürchterlichen Satz zu rechtfertigen suchte, es bestehe ein ebenso großer biologischer Unterschied zwischen dem Weißen und dem 'Neger' wie zwischen dem Schwarzen und dem Affen".

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Literatur

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