Bruno Lohse (* 17. September 1911 in Düingdorf (Ortsteil von Bruchmühlen / Melle; † 19. März 2007 in München) war ein deutscher Kunsthändler und von 1941 bis 1944 am Kunstraub der Deutschen Besatzer in Frankreich beteiligt.
Biographie
Jugend und Militärdienst
Lohse studierte Kunstgeschichte in Berlin und Frankfurt. Ab 1932 war er Mitglied der SS, [1]. 1936 erschien seine Dissertation mit dem Titel „Jakob Philipp Hackert. Leben u. Anfänge seiner Kunst“. Von 1936 bis 1939 arbeitete Lohse als Kunsthändler aus der Wohnung seines Vaters in Berlin. 1937 trat Lohse in die NSDAP ein. 1939 soll er als Fahrer einer Sanitätsabteilung am Polenfeldzug teilgenommen haben. Dann wurde er zu einer Panzerjägereinheit in Ostpreussen versetzt[2]. 1941 wurde Lohse aus der Wehrmacht entlassen und wurde Hermann Görings Vertreter für den Kunstraub in Paris .
Bruno Lohse in Paris
Auch in Frankreich verfolgten die Nationalsozialisten die Juden mit dem Ziel ihrer Ermordung. Zu den ersten Maßnahmen dieser Verfolgung gehörte die Entrechtlichung dieser Menschen und der Raub aller ihrer Besitztümer. Zu den gefragtesten Objekten dieser Raubaktionen gehörten die Kunstgegenstände in jüdischem Besitz - vermutlich weil sie wertvolle Mobilien waren -. Bruno Lohse sollte einer der Hauptakteure bei der Ausplünderung der Juden werden. Neben anderen Beteiligten ( Botschaft, Wehrmacht, einzelne NS- Führer ) war vor allem der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) mit der Durchführung des NS- Kunstraubs beauftragt. Bruno Lohse war unter anderem stellvertretender Leiter der Abteilung Bildende Kunst des ERR in Frankreich.
Der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) in Frankreich
Der ERR mit Abteilungen in fast allen besetzten Ländern war eine Einrichtung des Außenpolitischen Amtes der NSDAP unter seinem Leiter Alfred Rosenberg, deren Ziel es war, gegen geltendes Recht Kunst und Kulturgut aus den besetzten Ländern zu rauben.
- Einmal ging es darum, jedwedes Kunst- und Kulturgut zu beschlagnahmen und nach Deutschland zurückzubringen, das seit dem Jahre 1500 auf irgendeine Weise Deutschland verlassen hatte. Dazu hatten Otto Kümmel ( der Generaldirektor der Berliner Museen) mit Helferinnen und Helfer eine umfangreiche Liste des betreffenden Kulturgutes erstellt, den berüchtigten Kümmelbericht[3]. Dieser Kümmelbericht war dreibändig und hatte über 500 Seiten. Er war wegen seiner umfangreichen Forderungen so brisant, dass er bis Kriegsende geheim blieb, es gab nur fünf Exemplare. Diese allgemeine Anweisung zum Raub wurde relativ selten angewendet, weil man Widerstand gegen Beschlagnahmen fürchtete, die sich auf diese Listen stützten. Es war aus taktischen Gründen auch günstiger, eine Minderheit wie die Juden in z.B Frankreich zu berauben als das ganze Land.
- Sämtlicher Kunst- und Kulturbesitz von Franzosen, die Juden oder Freimaurer waren, galt als willkommene Beute.
- Sämtlicher Kunst- und Kulturbesitz von Deutschen und Juden anderer Länder, die nach Frankreich geflüchtet waren.
- Sämtlicher Besitz von Personen, die als Feinde Deutschlands galten, konnten ebenfalls beschlagnahmt werden.
Der ERR hatte in Frankreich mehrere Abteilungen. Leiter der Abteilung Louvre beziehungsweise Kunst war Kurt von Behr, ein ehemaliger Rotkreuzfunktionär. Sein Stellvertreter war Bruno Lohse, der aber Weisungen nicht von von Behr erhielt, sondern nur Göring unterstellt war. Da der ERR über keine Polizei verfügte, erhielt er die Hilfe von SD und Feldpolizei des Militärs. Die Kunstgegenstände wurden dann von Jagdkommandos mit SD-Mitarbeitern, Feldpolizisten und Mitarbeitern des ERR beschlagnahmt. Es gab auch viele Beschlagnahmungen durch die Devisenschutzkommandos, eine Art Finanzpolizei, die Göring unterstand. Danach wurden die Kunstwerke im für die Deutschen reservierten Museum Jeu de Paume in Paris gesammelt. Die wertvollsten Stücke wurden nach Deutschland verbracht. Hauptabnehmer war das geplante Führermuseum in Linz unter seinem Direktor Hans Posse und Reichmarschall Hermann Göring. Aber auch viele Naziführer deckten sich ein. Es ist bekannt, dass der Deutsche Botschafter Otto Abetz seine ganze Botschaft mit Raubgut gefüllt hatte. In Ribbentrops Außenministerium und in seinem Privathaus hingen und standen geraubte Kunstwerke. Hans Frank der deutsche Statthalter im Generalgouvernement stattete seine Amtsräume im Schloss auf dem Wawel in Krakau mit französischem Raubgut aus.
Göring spielte bei dem Kunstraub eine große Rolle, denn er hatte es geschafft, den ERR unter seine Kontrolle zu bringen. Rosenberg hatte er dadurch gewonnen, dass er einerseits die Devisenschutzkommandos fahnden ließ. Zum anderen stellte er Eisenbahnzüge der Luftwaffe zum Transport der Kunstgüter zur Verfügung. Und es gelang Göring auch, wichtige Untergebene von Rosenberg im ERR auf seine Seite zu bringen. Beispielsweise arbeitete der Leiter des ERR Frankreich Kurt von Behr ihm zu, auch wenn sein Vorgesetzter Alfred Rosenberg das ablehnte. Hermann Bunjes, ein Mitarbeiter des Kunstschutzes, einer Wehrmachtsabteilung, die entsprechend dem Haager Abkommen für die Unversehrtheit des Kunsteigentums im besetzten Frankreichs sorgen sollte, legte sich, weil er Görings Interessen befolgte, so mit seinem Chef Graf Metternich an, dass er von ihm gefeuert wurde. Göring war damals der zweitmächtigste Mann im Deutschen Reich und verfügte über sehr großen Einfluss. Bunjes wurde so dank Görings Protektion Leiter der neugegründeten Kunsthistorischen Forschungsstätte in Paris und Regierungsrat in der Luftwaffe. Zum anderen nutzte Göring seine Macht, um andere Menschen einschüchtern. Er war bereit, sie skrupellos einzusetzen. Es wäre aber wohl weltfremd, wenn man annehmen würde, dass Göring den Beteiligten am Kunstraub nicht ein Stück von dem Kuchen abgegeben hätte. Der wichtigste Mitarbeiter für Göring in Paris war aber Bruno Lohse.
Lohses Tätigkeit und der ERR
Hermann Göring war sehr an Kunst interessiert und besessen davon, schöne Kunstwerke zu besitzen. In seinem Landsitz Karinhall hatte er eine riesige Galerie eingerichtet. Gegen Ende des Dritten Reiches rühmte er sich, die größte Privatsammlung Europas zu besitzen.
In den großen Sammlungen der französischen Juden fand er eine gute Quelle, sich preiswert mit Bildern und Skulpturen einzudecken. Preiswert deshalb, weil er die Sammlungen mit Hilfe des ERR einfach beschlagnahmen lassen konnte.
Lohses Aufgabe war es, für Göring Bilder zu beschaffen .
Göring lernt Lohse am 5.2 1941 in Paris kennen, als der für ihn eine Führung durch eine Ausstellung geraubter Bilder niederländischer Maler des 17. Jahrhunderts im Raubkunstlager jeu de Paume vornahm. Göring war von diesem jungen Kunsthändler sehr angetan und fragt ihn am Tag danach, ob er für ihn arbeiten wollte. Lohse stimmte zu und war ab dem Zeitpunkt zuständig für den Sonderauftrag Görings. Göring entließ ihn aus dem Heer und stellte ihn formell bei der Luftwaffe an .Seine Aufgaben waren:
- war er Görings Vertreter im ERR. Er sollte auch die Arbeit des Einsatzstabes Rosenberg kontrollieren.
- organisierte er Ausstellungen für Göring und und führte die Inventarisierung von geraubten Sammlungen durch.
- sollte er Göring von interessanten beschlagnahmten Kunstwerken informieren.
- sollte er für Göring den Kunstmarkt beobachten und für Göring Bilder vom Kunstmarkt beschaffen.
- sollte er jüdische Sammlungen ausfindig machen und für Göring mit Hilfe des ERR ins Jeu de Paume bringen und dort bearbeiten.
- dabei durfte er auch für andere Personen als Kunsthändler aktiv werden.
Lohse rechnete die Bilder, die er Göring beschaffte wie ein freier Kunsthändler ab, er scheint Provisionen daran verdient zu haben. Auch von der Luftwaffe scheint er ein Gehalt bekommen zu haben
Damit hatte Lohse eine unabhängige Position in Paris. Er war nur Göring verantwortlich. Er durfte Zivilkleidung tragen und hatte eine eigene Wohnung. Im ERR bekleidete er eine selbstständige Stellung. Er war Stellvertretender Direktor [4]unter dem Leiter Kurt von Behr , der auch überwiegend für Görings Interessen arbeitete, aber von Rosenberg bezahlt wurde. Lohse war allerdings der Leitung des ERR nicht unterstellt. Als erste Tätigkeit katalogisierte er die umfangreiche Sammlung Alphonse Kann, nachdem sie beschlagnahmt worden war und im Jeu de Paume angekommen war [5]. Das registrieren und katalogmäßige Erfassen von Bildern war eine notwendige Tätigkeit, weil es sich teilweise um sehr große Sammlungen handelte und auch sonst die Menge der beschlagnahmten Bilder sehr groß war. Nach der Inventarisierung wurden diese Bilder Göring vorgestellt.
Göring bezog überwiegend geraubte Bilder über Lohse, aber gelegentlich kaufte er Bilder sogar. Das machte er auch in der Schweiz und in Italien. Die geforderten Kaufpreise verrechnete er dann meistens mit geraubten Bildern entarteteter Kunst, die auch beschlagnahmt wurden oder schon im Jeu de Paume gelagert waren. Lohse organisierte viele solcher Tauschaktionen, bei denen gestohlene Bilder die Bezahlung für einen Kauf von Göring bildeten. Göring hat sich für solche Zwecke sogar Bilder entarteter Kunst nach Deutschland liefern lassen.
Die Käufe in Frankreich, die keine Beschlagnahmungen oder Tauschaktionen waren, sahen Göring und Lohse als legal an. Der Begriff legal ist hier allerdings etwas irreführend . Die Alliierten hatten schon 1943 eine Erklärung veröffentlicht, dass sie jeglichen Erwerb von Gütern in den besetzte Ländern durch die Deutschen als nicht legal ansehen würden und dass sie sich vorbehalten würden, jeden Kauf später nachzuprüfen.
Einige Argumente dazu:
- Der willkürlich festgesetzte Wechselkurs mit einem für Frankreich ungünstigen Verhältnis führte zu einer indirekten Ausplünderung.
- Welcher Franzose traute sich, einem Kaufbegehren von Göring widersprechen, das vielleicht sogar durch Lohse überbracht wurde. Diese Person musste befürchten im KZ zu landen, wenn sie den Wünschen Görings nicht nachkam.
- Ebenso verhielt es sich mit Preisverhandlungen.
- Die Deutschen beuteten die besetzten Länder direkt und indirekt aus und verfügten schon daher über große Mittel, um Kunstgegenstände und andere Waren in Frankreich einzukaufen.
Es kam im besetzten Frankreich sogar zu einem richtiggehenden Boom des Kunsthandels in der Zeit der Besatzung, da viele deutsche Dienststellen Kunstwerke in Frankreich einkauften.
Im Jeu de Paume waren auch eine große Menge sogenannter " Entarteter" Bilder zusammen gekommen, für welche sich die Nazi-Oberen gemäß Ihrer Ideologie nicht interessierten, die für sie aber keinen Wert hatten. Diese Bilder waren aber im internationalen Kunsthandel durchaus gefragt und konnten daher als Tauschobjekt dienen. Viele dieser entarteten Bilder wurden eingetauscht. Wegen der großen Anzahl der Beschlagnahmungen lagerte eine große Menge Bilder im Lager des Jeu de Paume . Viele Bilder wurde an den französischen Kunsthandel abgegeben. Aber eine große Anzahl dieser Bilder wurde aber auch Ende 43 von der SS im Hof des Jeu de Paume verbrannt. Manche Bilder sind wohl auch bei den beteiligten Kunstexperten gelandet.
Lohse setzte auch Spitzel ein, die den Aufenthaltsort von Raubobjekten ausfindig machen sollten. So gelang es ihm, die Sammlung Schloss im unbesetzten Frankreich ausfindig zu machen. Dabei wurden die Besitzer der Sammlung in Zusammenarbeit mit der Polizei der Vichy-Regierung ins Gefängnis gesteckt, bis sie bereit waren den Aufenthaltsort der Bilder zu verraten. Siehe das Telegramm des ERR Stabsführers Utikal an Görings Stab [6]. Im Rahmen dieser Aktion eignete sich Lohse auch selbst drei Bilder an, wie er bei der Befragung durch die Amerikaner in Österreich am 15. August 1945 zugeben musste. Lohse war auch beim Raub der Sammlung der niederländischen Staatsbürger Gutmann beteiligt, die einen Teil ihrer Sammlung nach Frankreich geschafft hatten. Unter Lohses Leitung wurden diese Teile der Sammlung in Paris beschlagnahmt[7]
Ab 1941 war der ERR zusätzlich damit beschäftigt, in der sogenannten M-Aktion jüdische und andere Wohnungen nach Hausrat und Möbeln zu plündern. Lohses eigene Wohnung war nach seiner Aussage mit Inventar aus der M-Aktion ausgestattet.
Als die Alliierten näherrückten, fingen die ERR Mitarbeiter an, die restlichen Kunstgegenstände aus dem Jeu de Paume nach Deutschland abzutransportieren. Am 14. August 1944 bekamen die Haupteinsatzführer Kunsthändler Dr. Bruno Lohse und Kunsthistoriker Dr. Walter Borchers von Reichsleiter Rosenberg den Auftrag, "die laut Führerbefehl sichergestellten und noch in Paris lagernden Kunstgegenstände aus dem Museum Jeu de Paume und dem Depot des Louvre unverzüglich unter Einsatz aller noch verfügbaren Möglichkeiten abzutransportieren". "Der Herr Reichsmarschall" hätte die beiden Obengenannten durch eine persönliche Anweisung vom 13. August 1944 dem Einsatzstab neuerdings persönlich bis zum Abschluss dieser Aktion zur Verfügung gestellt[8]. Ob Lohse und Borchers damit erfolgreich waren, darf bezweifelt werden, weil sie nach Lynn Nicholas schon am 16.8. Paris fluchtartig unter Zurücklassung eines großen Teils Ihrer persönlichen Habe verlassen mussten. Der amerikanische Kunstschutzoffizier James Rorimer und Rose Valland, eine von der französischen Regierung eingesetzte Spezialistin für Rückführung von geraubten Kunstwerken, durchsuchten kurz danach die verlassene Wohnung von Bruno Lohse und Büros des ERR, wobei sie Unterlagen beschlagnahmten[9].
Lohse als Kriegsverbrecher inhaftiert
Bei den amerikanischen Besatzungstruppen in Haft
Am 2. Mai 1945 wurde Lohse von den Amerikanern wegen seiner Pariser Tätigkeit inhaftiert. Er war drei Jahre im Gefängnis.
Das Hauptanliegen dar amerikanischen Behörden lag vermutlich weniger darin, die Kunsträuber vor Gericht zu stellen, sondern daran, die Rückübertragung der Kunstwerke zu organisieren und dafür die Diebstähle aufzuklären. Am besten kann man Raubaktionen aufklären, wenn man auch die beteiligten Räuber dazu benutzt. Daher engagierten die Amerikaner viele von den Kunsträubern des ehemaligen Dritten Reiches, um Werke zu lokalisieren und identifizieren und auch die Eigentümer festzustellen. Auch Lohse gehörte zu den kooperationswilligen Kunsträubern. Andere Kunsträuber wie sein Vorgesetzter , der Leiter des ERR Frankreich, Kurt von Behr und sein guter Bekannter, der Leiter der Kunsthistorischen Forschungsstätte und Luftwaffenmitarbeiter [10], Hermann Bunjes hatten dagegen nach der Niederlage Selbstmord gemacht.
Lohse wurde gegen Ende der 1940er Jahre neben anderen Kunsträubern häufig zum Central Collecting Point in München gebracht. Die gute Zusammenarbeit mit den Amerikanern verschaffte den beteiligten ehemaligen Kunsträubern etwas Reputation und half ihnen, ihre Rehabilitation nach einer Freilassung vorzubereiten[11]. Man könnte vermuten, dass die Amerikaner Lohse für unschuldig hielten, denn sie führten keinen Kriegsverbrecherprozeß gegen ihn. Aber dann hätten sie ihn wohl kaum für drei Jahre inhaftiert. Dagegen waren die Verbrechen, die zu den Riesenmengen von geraubter Kunst in Deutschen Kunstlagern geführt hatten, in den von den Deutschen besetzten Ländern ausgeführt worden. Diese Länder führten dann in ihren Ländern Prozesse gegen die Kunsträuber, derer sie habhaft werden konnten. So auch im Fall Lohse.
Lohses Prozess in Paris
1948 lieferten die Amerikaner Lohse an die Franzosen aus. 1950 wurde ein Prozess vor einem Militärtribunal gegen sechs Deutsche Kunsträuber eröffnet: Gegen den Leiter des ERR Robert Scholz, den Leiter der Galerie Görings Walter Andreas Hofer (die beide abwesend waren), gegen Georg Herbert, Artur Pfannenstiel, Gerhard Utikal, den Leiter der ERR Aktivitäten im Westen, und gegen Bruno Lohse. Robert Scholz wurde trotz seiner Abwesenheit durch ein Anwaltsteam aus Deutschland verteidigt. Die Verteidigung argumentierte, dass der Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg nur das Eigentum der Juden hatte schützen lassen, das diese ohne Bewachung zurückgelassen hatten, als sie flohen.
Robert Scholz und Walter Andreas Hofer wurden zu 10 Jahre Gefängnis verurteilt. Die verhängten Strafe mussten sich indes nicht verbüßen, da sie von der BRD nicht ausgeliefert wurden. Der Maler und Kunsthändler Artur Pfannenstiel und der Funktionär Georg Herbert wurden zu drei bzw. einem Jahr Gefängnisstrafe verurteilt.
Bruno Lohse wurde wegen Raubes verurteilt, aber freigelassen. Dabei kam ihm auch zu Gute, dass die Amerikaner die Franzosen um Milde für Lohse gebeten hatte, weil er ihnen sowohl bei der Aufklärung der Suche nach vermissten Werken geholfen wie auch versucht hatte, den Schaden, den der ERR angerichtet hatte, zu mildern[12]. Genauere Angaben sind nicht möglich, weil die Gerichtsakten gemäß französischem Archivrecht erst nach Ablauf von 100 Jahren zugänglich werden.
Leben in der Nachkriegszeit
Nach dem Prozess ließ Lohse sich in München nieder und konnte wieder in seinem alten Beruf als Kunsthändler weiterarbeiten. Lohse arbeitete unter anderem für die New Yorker Kunsthandlung Wildenstein, die auch von den Nazis aus Paris vertrieben worden war, aber als Selbstständiger. Seine Berufsbezeichnung war nicht mehr Kunsthändler sondern Kunstberater und er hatte auch keine eigene Galerie.
Der Historiker Jonathan Petropoulos hielt es im Jahr 2000 für sehr zweifelhaft, ob all die Kunst, die die ehemaligen Kunsträuber in der Nachkriegszeit verkauften, auch eine klare und juristisch saubere Provenienz hatten[13]. Er zitierte den amerikanischen Historiker Marc Masurovsky, einen Experten für Kunstraub im Dritten Reich und Restitution, mit einer Aussage vom 9. Januar 1999 in Washington DC. Demnach war Marc Masurovsky der Ansicht, dass bestimmte Personen Bilder besaßen, die sie für ihre Alterspension gestohlen hatten. Er sprach von einem Parallelmarkt, der völlig außerhalb der Öffentlichkeit ablief. Darin sollen geraubte Werke unter Insidern den Eigentümer gewechselt haben. Danach blieben die Bilder versteckt in Häusern oder wurden problemlos in die Schweiz geschmuggelt. In der Schweiz konnte sie nach dem damals geltenden Recht nach nur fünf Jahren legal den Besitzer wechseln, auch wenn es sich um ein gestohlenes Bild handelte [14].
Die Schweiz war und ist auch sonst ein ideales Land für die Aufbewahrung von illegalem Gut, weil es im Zusammenhang mit Liechtenstein das Rechtsinstitut der Stiftung Liechtensteinischen Rechts gibt. Dieses wird von den Schweizer Banken anerkannt. So ist es für Privatpersonen möglich, in der Schweiz und in Liechtenstein Bankkonten und riesige Safes zu unterhalten, ohne dass die Bank den wahren Eigentümer des Geldes oder des Safeinhaltes erfährt. In der Nazizeit hat dieses Rechtsinstitut viele Emigranten geschützt, aber nach dem Krieg auch vielen der ehemaligen Verfolger genützt.
Am 19. März 2007 starb Bruno Lohse in München im Alter von 95 Jahren.
Der gestohlene Pissarro in Lohses Safe
Zwei Monate nach Lohses Tod stellte die Zürcher Staatsanwaltschaft in einem Safe bei der Zürcher Kantonalbank (ZKB) drei Gemälde der französischen Impressionisten Claude Monet, Auguste Renoir und Camille Pissarro sicher. Der Safe gehörte der Liechtensteinischen Stiftung Schönart. Die Stiftung Schönart war Eigentum von Bruno Lohse.
Das Bild von Pissarro, „Quai Malaquais“, stammt aus dem Besitz des Verlegers Gottfried Bermann Fischer und war 1938 in Wien von der Gestapo beschlagnahmt worden. 1940 wurde es im Wiener Auktionshaus Dorotheum versteigert. Zwei Personen hatten dieses Bild der Alleinerbin von Gottfried Bermann Fischer und Enkelin von Samuel Fischer (Gründer des S. Fischer Verlags) noch vor Lohses Tod angeboten. Sie verlangten ein „Finders Fee“ von 18 %. Die Dame ging auf das Angebot jedoch nicht ein, sondern erstattete über einen Anwalt Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft München. Die Ermittler stießen im Fürstentum Liechtenstein auf die Schönart-Anstalt, die Stiftung, in die Bruno Lohse sein Bildvermögen eingebracht hat. Von dort führte die Spur weiter nach Zürich. Die Personen, die das Bild anboten, hatten Fotos von dem Pissarro aus dem Safe bei der Zürcher Kantonalbank bei sich[15].
Das ist der Beweis dafür, daß Bruno Lohse noch über 60 Jahre nach dem Krieg im Besitz von Beute aus Raubtaten während des Zweiten Weltkriegs war. Frühere Verdächtigungen gegenüber Bruno Lohse über den Handel mit selbst geraubten oder von anderen Räubern beschafften Kunstwerken scheinen sich damit zu bestätigen.
Quellenangaben
- ↑ Günther Haase, Kunstraub und Kunstschutz: Eine Dokumentation, Hildesheim 1991, kurz Haase 1991 S. 95
- ↑ Haase 2000, S. 35
- ↑ Lynn Nicholas, Raub der Europa: Das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, München 1995, S. 165f
- ↑ Activity of the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in France, Consolidated Interrogation Report Nr 1, 15. August 1945 durchgeführt durch die Art Looting Investigation Unit APO 413 des OSS / US Army, i Introductory note- Sources, siehe unter Weblinks
- ↑ Hector Feliciano, Das Verlorene Museum. Vom Kunstraub der Nazis, Berlin 1998, S 201
- ↑ Haase 1991 S. im Fotokopienteil
- ↑ Hector Feliciano, Das Verlorene Museum. Vom Kunstraub der Nazis, Berlin 1998, S. 185 f.
- ↑ Bargatzki Bericht in Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1965, Heft 3, Seite 336.
- ↑ Lynn H. Nicholas, Der Raub der Europa: Das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, München 1995, S. 407.
- ↑ Anja Heuss, Kunst- und Kulturgutraub: Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000, S. 80f
- ↑ Petropoulos 2000, S. 277f
- ↑ Petropoulos 2000, S. 143
- ↑ Petropoulos 2000 S. 279
- ↑ Petropoulos 2000, S. 279
- ↑ [1] Ein Safe voller Bilder (Süddeutsche.de, 1. Juni 2007)
Literatur
- Eine Debatte ohne Ende? Raubkunst und Restitution im deutschsprachigen Raum, Berlin 2007
- Hector Feliciano, Das Verlorene Museum. Vom Kunstraub der Nazis, Berlin 1998
- Esther Tisa Francini, Anja Heuss, Georg Kreis, Fluchtgut - Raubgut : der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933 - 1945 und die Frage der Restitution, Zürich 2001
- Günther Haase, Die Kunstsammlung des Reichsmarschalls Hermann Göring : Eine Dokumentation, Berlin 2000- kurz Haase 2000
- Günther Haase, Kunstraub und Kunstschutz: Eine Dokumentation, Hildesheim 1991, kurz Haase 1991
- Anja Heuss, Kunst- und Kulturgutraub: Eine vergleichende Studie zur Besatzungspolitik der Nationalsozialisten in Frankreich und der Sowjetunion, Heidelberg 2000
- Jacob Kurz, Kunstraub in Europa : 1938 - 1945 , Hamburg, 1989
- Lynn H. Nicholas, Der Raub der Europa : Das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich, München 1995
- Jonathan Petropoulos, The Art World in Nazi Germany: Choices, Rationalization and Justice, edited Jonathan Huener and Francis R. Nicosia in "The Arts in Nazi Germany: Continuity, Conformity, Change," University of Vermont 2007
- Jonathan Petropoulos, The Faustian Bargain :The Art World in Germany, London 2000,kurz Petropoulos 2000
- Jonathan Petropoulos, Kunstraub und Sammelwahn : Kunst und Politik im Dritten Reich, Berlin 1999, kurz Petropoulos 99
- Jonathan Petropoulos,Kunstraub: Warum es wichtig ist, die Biographien der Kunstsachverständigen im Dritten Reich zu verstehen, in Die Politische Ökonomie des Holocausts: Zur wirtschaftlichen Logik von Verfolgung und "Wiedergutmachung", München 2001
- Gunnar Schnabel, Monika Tatzkow, Nazi Looted Art: Handbuch Kunstrestitution weltweit, Berlin 2007
Weblinks
- Vita aus der sehr sehenswerten Internetdarstellung Kunst und Politik von Robert Adrian 1.9.1996. Allerdings sind die Quellen manchmal unklar.
- [2] Ein Safe voller Bilder (Süddeutsche.de, 1. Juni 2007)
- Looted Art com, Aktueller Sachstand in der Kunstraubsache Lohse Pissarro im Sommer 2007
- Die Zeit 6.6.07
- Commission for Looted Art- news 12.7.07
- Bruno Lohse: Ein geheimes schweizer Banksafe
- http://www.lootedart.com/MN51H4593121 Activity of the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg in France, Consolidated Interrogation Report Nr 1, 15. August 1945, durchgeführt durch die Art Looting Investigation Unit APO 413 des OSS / US Army, Darstellung der Struktur und Tätigkeit des ERR bei der Durchführung des Kunstraubes in Paris, Verfasser James Plaut
- http://www.lootedart.com/MTUODC840801,O.S.S. ALIU Detailed Interrogation Report No. 6, Bruno Lohse, August 1945. Verhör von Bruno Lohse durch die Art Looting Investigation Unit in französischer Sprache
- http://www.theatlantic.com/unbound/flashbks/nazigold/loot.htm James Plaut, Looting for the Master Race in Atlantic Monthly September 1946
Personendaten | |
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NAME | Lohse, Bruno |
KURZBESCHREIBUNG | Deutscher Kunsthändler |
GEBURTSDATUM | 17. September 1911 |
GEBURTSORT | bei Herford |
STERBEDATUM | 21. März 2007 |
STERBEORT | München |