Die Oper Otello von Giuseppe Verdi kennzeichnet einen einsam aufragenden Höhepunkt des italienischen Musikdramas. Zusammen mit Verdis Schwanengesang Falstaff gehört es zu den großen Meisterwerken der italienischen Opernliteratur.
Die Uraufführung des Otello fand am 5. Februar 1887 in der Mailänder Scala statt.
Aufführungsdauer der Oper: ~145 min.
Historisches
Seit der Uraufführung der Aida hat Verdi keine Oper mehr geschrieben. Ich würde doch nur wieder zu hören bekommen, so beklagt sich Verdi 1878 kummervoll bei der Gräfin Maffai, ich könne nicht schreiben und sei ein Nachläufer Wagners. Schöner Ruhm! Nach fast vierzig Jahren Musikerlaufbahn als Nachahmer zu enden. Diese Kritiken setzten Verdi doch nachhaltiger zu.
Verdi ist kein Italiener mehr, er macht Wagner. So äußerte sich Georges Bizet nach der Uraufführung des Don Carlos in Paris. Selbst nach der Premiere der Aida auf italienischem Boden mußte sich Verdi den Vorwurf des Wagnerismus gefallen lassen.
Zum Tode seines Freundes Alessandro Manzoni 1785 – 1873 schreibt Verdi ein Requiem. Dies sollte seiner Meinung nach, sein letztes Werk sein.
Bis Mitternacht bin ich noch Maestro Verdi, dann werde ich wieder zum Bauern. Verdi zog sich nun endgültig auf sein Landgut Sant‘ Agata zurück, und widmete sich der Bewirtschaftung des Guts. Gleichzeitig setzt er sich für die Verbesserung der Infrastruktur seiner Umgebung ein. Er sah, dass viele seiner Nachbarn in eine ungewisse Zukunft auswanderten, das versuchte er zu verhindern. So wurden auf seine Initiative Straßen gebaut und ausgebessert, Gräben eingedämmt, Wälder wieder aufgeforstet, Bauernhäuser gebaut, selbst ein kleines Spittal gestiftet. Das Gut verließ er nur noch selten, nur noch dann um Konzerte und Opern zu dirigieren.
Verdis Verleger Giulio Ricordi versuchte trotzdem immer wieder Verdi zu überzeugen, weiter zu komponieren. Im November 1879 schickt Ricordi eine Niederschrift von Arrigo Boitos Operntext Otello, ohne dass Verdi sich verpflichtete, das Werk zu vertonen. Verdi ist allerdings von dem Text begeistert. Es ist von der ersten bis zur letzten Seite ein wirklich durchdachtes Operndrama. Der Maestro entschloß sich zu einer Komposition, ohne allerdings einen Termin für die Fertigstellung zu nennen. Außerdem durfte niemand, außer Ricordi und Boito wissen, dass er erneut an einer Oper arbeite. Arrigo Boito ging auf alle Änderungswünsche Verdis ein. Vom vierten Akt gab es sogar vier Fassungen, ehe der Maestro völlig zufrieden war.
Im Jahre 1884 begann Verdi mit der Komposition, 1886 war die Instrumentation beendet. Am 1. November schrieb er an Ricordi: Otello ist vollständig beendet!! Wirklich beendet!!! Endlich!!!!!!!!
Die vielen Ausrufezeichen stehen laut Verdi Historiker für die große Erleichterung, die der alternde Maestro empfand, als er dieses Werk beendet hatte.
Verdi und Boito wollte mit dem Otello ein neues Vorbild schaffen; mit der Vertonung von literarisch anspruchsvollen Texten. Boito, der noch Anfang der 1870er Jahre mit Richard Wagner korrespondierte, dann aber dem Wagnertum abschwor und es überwand. Boito baute allerdings den Otello, wie Wagner seine Opern, nach Szenen, also nach dramatischen und nicht nach musikalischen Gesichtspunkten, auf. Allerdings geht Verdi nicht wie Wagner vom Sprechgesang aus, sondern von der Arie. Arien im herkömmlichen Sinne gibt es allerdings nicht mehr. Das Rezitativ dagegen nähert sich in ihrer äußersten Möglichkeit der Arie an. Ebenso stellt Verdi die Musik, nicht wie Wagner, über das Gesangliche. Sie kommt auch nicht so pompös daher wie bei Wagner, sondern ist klar, fein und zart instrumentiert, ohne auf gewisse musikalische „Paukenschläge“ bei Bedarf zu verzichten. Ebenso verzichtet Verdi bei diesem Werk auf Ouvertüre und die instrumentalen Vor- und Zwischenspiele. (Mit Ausnahme der Pariser Aufführung, die auf die Balletmusik nicht verzichten wollten.) Obwohl Verdi dies missfiel, schrieb er extra für Paris eine Zwischenmusik.
Am 5. Februar 1887 kommt es in der Mailänder Skala zur Uraufführung unter der Leitung von Franco Faccio. Francesco Tamagno sang die Titelpartie des Otello, Romilda Pantaleoni die Desdemona und Victor Maurel den Jago. Die Aufführung war ein unbeschreiblicher Triumpf.
Verdi war allerdings überempfindlich und selbstkritisch. Er war mit den Aufführungen des Otello nie zufrieden. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sein Otello nie aufgeführt worden wäre.
Die deutsche Erstaufführung des Otello in deutscher Sprache war am 31. Januar 1888 in Hamburg.
Am 4. Juli 1889 wird der Otello mit großem Erfolg in London aufgeführt. Es bedeutet Verdi viel im Lande von Shakespeare Erfolg zu haben. Er wehrt sich allerdings, als dort von einem Triumpf der italienischen Kunst gesprochen wird. Verdi entgegnet: Ihr irrt! ...Wenn die Deutschen von Bach zu Wagner gelangt sind, dann leisten sie damit das Werk guter Deutscher, und das ist richtig so. Wenn aber wir Nachkommen Palestrinas Bach imitieren, begehen wir ein musikalisches Delikt und vollbringen ein nutzloses, ja schädliches Werk.
Handelnde Personen
- Otello (Mohr, Befehlshaber der venezianischen Flotte); Tenor
- Jago (Fähnrich); Bariton
- Cassio (Hauptmann); Tenor
- Rodrigo (ein edler Venezianer); Tenor
- Lodovicio (Gesandter der Rep. Venedig); Baß
- Montano (der Vorgänger Otellos auf Zypern); Baß
- Ein Herold; Baß
- Desdemona (Otellos Gemahlin); Sopran
- Emilia (Jagos Gattin); Mezzo Sopran
- Soldaten und Seeleute der Republik Venedig
- Edelmanen und venezianische Nobili
- Zyprioten beiderlei Geschlechts
- griechiesche, dalmatinische und albanische Krieger,
- ein Schenkwirt mit vier Gehilfen
- Volk
- Ort der Handlung: Eine Hafenstadt auf der Insel Zypern
- Zeit: Ende des fünfzehnten Jahrhunderts
Handlung
Erster Akt: Ein Platz vor dem Schlosse
Bei einem gefährlichen Unwetter kehrt der Feldherr Otello siegreich vom Türkenkrieg mit seinem Schiff nach Hause zurück. Jubelnd empfängt ihn sein Volk. Mit Ausnahme von Jago. Jago ist sauer auf den Mohr, da er sich bei der Beförderung Cassios zum Hauptmann durch Otello übergangen fühlt. Jago fasst einen Racheplan. Als erstes will er Cassio beseitigen. Bei einer Freudenfeier über die Rückkehr Otellos macht Jago Cassio betrunken. Dann versteht er es Rodrigo, der ebenso wie Cassio Otellos Frau Desdemona anbetet, auf Cassio zu hetzen. Cassio zieht den Degen, und als der frühere Statthalter Montano den Streit schlichten will, verletzt er diesen mit dem Degen. Otello erscheint und ihm wird der Vorfall mitgeteilt. Daraufhin degradiert er Cassio. Das Volk wird nach Hause geschickt. Otello ist mit seiner Desdemona allein, und beide versichern sich ihrer Liebe.
Zweiter Akt: Ein ebenerdiger Saal im Schloss
Scheinheilig rät Jago Cassio, er solle bei Desdemona Fürbitte bei Otello anfragen. Nachdem Cassio gegangen ist, offenbart sich Jago in dem Credo. Genau im richtigen Augenblick erscheint Otello. Jago lenkt ganz unauffällig Otellos Aufmerksamkeit auf Cassio, der gerade bei Desdemona um Fürbitte nachfragt. Als Desdemona naht und Otello nach einer Begnadigung Cassios anspricht, weist er sie barsch zurück. Auf die Nachfrage seiner Verstimmung faselt Otello etwas von Kopfschmerz. Desdemona will ihm ein Tuch um den Kopf binden, welches Otello aber zu Boden wirft. Emilia, die Kammerfrau Desdemonas, und Gattin Jagos hebt es auf, Jago allerdings nimmt es ihr weg und steckt es selbst ein. Verwirrt entfernen sich die Frauen. Sogleich versteht es Jago Gift zu versprühen. Er spricht Otello gegenüber aus, dass Cassio im Schlaf von Desdemona redet. Otellos Misstrauen ist geweckt. Er verlangt aber Beweise. Jago erzählt, dass er bei Cassio ein weißes Spitzentüchlein gesehen habe, welches Otello einst Desdemona schenkte. Da schwört Otello auf Rache. Jago stimmt mit ein.
Dritter Akt: Der Hauptsaal des Schlosses
Jago und Otello verabreden sich im Hauptsaal des Schlosses. Da erscheint Desdemona. Otello heuchelt ihr Kopfschmerzen vor, und fragt dabei unauffällig nach dem Taschentuch. Desdemona versichert ihm, dass sie es verloren habe. Als sie danach noch ahnungslos um Fürsprache für Cassio bittet, beschimpft er sie als Dirne und drängt sie hinaus. Jago meldet Cassios Nahen und Otello versteckt sich. Geschickt verwickelt Jago Cassio in ein zweideutiges Gespräch, in dem Otello annehmen muss, dass Cassio eine Liebschaft mit Desdemona hat. Zugleich hat Jago insgeheim Cassio das Spitzentüchlein zugespielt, das Otello sodann in Cassios Händen sieht. Als Cassio gegangen ist, tritt Otello aus seinem Versteck hervor. Zuerst will er seine Frau vergiften, doch Jago rät ihm, sie im Bette zu erwürgen, dort wo sie gesündigt habe. Dann erscheint eine Delegation aus Venedig, die Otello aufträgt, sich sofort nach Venedig einzuschiffen. Cassio wird in der Zwischenzeit sein Stellvertreter. Der Name Cassio bringt Otello abermals in Wut. Und wieder tritt Desdemona hervor und setzt sich für Cassio ein. Otello schleudert Desdemona zu Boden, und als das Volk gegen den Rasenden protestieren will, jagt Otello dieses davon. Dann bricht er vor Erschöpfung zusammen. Jago triumphiert.
Vierter Akt: Schlafgemach der Desdemona
Desdemona bereitet sich auf die Bettruhe vor. Sie entlässt Emilia, singt ein trauriges Lied, betet und legt sich hin. Da erscheint Otello. Er löscht das Licht, küsst sie dreimal. Desdemona erwacht. Ihren Beteurungen von ihrer Treue und Liebe schenkt er keinen Glauben. Otello erwürgt sie. Emilia kommt in die Kammer gestürmt, sieht die sterbende Desdemona und schreit. Cassio, Ludovico und Jago eilen herbei. Als Montano kommt und Rodrigos letzte Worte wiedergibt, der im Kampf gegen Cassio doch den Kürzeren gezogen hat, wird plötzlich klar, dass Jago für alles verantwortlich ist. Jago versucht noch zu fliehen, wird aber ergriffen. Dann tritt Otello zu der ermordeten Geliebten, und ehe es die Umstehenden verhindern können, stößt er sich einen Dolch ins Herz.
Quellen
- Kühner, Hans; Guiseppe Verdi in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlt Verlag; ISBN 3-499-50064-7
- Othello von Giuseppe Verdi; Operntext; Reclam Verlag; ISBN 3-15-007727-3; 1986
- Kultur Bibliothek; Band II; Opern- und Operettenführer; ISBN 3-88199-297-9