Diadochen
Diadochen (griech. Nachfolger, eigentlich die etwas für einen anderen übernehmen) waren ehemalige Generäle Alexanders des Großen und deren Söhne (die Epigonen), die nach dessen unerwartetem Tod 323 v. Chr. das Alexanderreich unter sich aufteilten und sich mit wechselnden Bündnissen in insgesamt sechs Diadochenkriegen bekämpften. Danach hatte sich ein Staatensystem etabliert, das bis zum Eingreifen des Römischen Reiches im 2. Jahrhundert v. Chr. Bestand haben sollte und den Rahmen für die kulturelle Entfaltung des Hellenismus bot.
Geschichte
Die Ausgangslage nach Alexanders Tod
Alexander der Große verstarb am 10. Juni des Jahres 323 v. Chr. in Babylon, nachdem er seinem Freund und General Perdikkas seinen Siegelring gegeben hatte und angeblich verlauten ließ, er werde dem Stärksten sein Reich übergeben. Selbst wenn diese und eine andere, sehr doppeldeutige Aussage (dass seine Freunde große Begräbnisspiele für ihn veranstalten werden, bezeugt bei Diodor in 17, 117) so niemals getätigt worden sind, sie trafen doch den Kern der Frage, die sich jeder der kampferfahrenen Generäle stellen musste: Wer würde Alexander nachfolgen?
Perdikkas und andere Offiziere wollten abwarten, ob Roxane, die hochschwangere Frau Alexanders, einen Sohn zur Welt bringen würde. Die makedonische Heeresversammlung, der nach altem Recht die Wahl oblag, rief Alexanders schwachsinnigen Halbbruder, Philipp III. Arrhidaios, zum König aus. Perdikkas war ein Vertreter der Idee der Reichseinheit: er wollte, dass Alexanders Sohn das Erbe seines Vaters antreten konnte, wobei er Unterstützung von der Reiterei des Heeres erhielt, in welchem der Anteil des Adels überwog. Dagegen erhob sich jedoch beim Fußvolk der Phalanx Widerstand, der jedoch bald gebrochen werden konnte. Als Roxane kurz darauf einen Sohn, Alexander IV. Aigos, das Leben schenkte, wurde er auf Druck von Perdikkas und den führenden Kommandeuren und im Einverständnis mit Philipp IV. ebenfalls zum König ausgerufen.
Perdikkas begann nun, die Satrapien neu zu besetzen, wobei sicherlich ein Gedanke war, die Generäle möglichst von Babylon fern zu halten. Antipater, der Einfluss auf Perdikkas gewann, sollte weiterhin in Makedonien und Griechenland herrschen, wobei Krateros, der theoretisch der Vorgesetzte Antipaters war, außen vor gelassen wurde. Ptolemaios erhielt Ägypten, Thrakien fiel an Lysimachos, das hellespontische Phrygien ging an Leonnatos, während Kappadokien Eumenes erhielt und Lykien, Pamphylien sowie Pisidien an Antigonos gingen. Die persische Landschaft Medien wurde zwischen Peithon und Perdikkas Schwiegervater Atropates geteilt. Lydien ging an Menandros, Karien an Asandros, während Laomedon, ein Freund Alexanders, Syrien erhielt und Seleukos Kommandeur der Elitekavallerie der Hetairen wurde. Allerdings dürfte einigen Generälen klar gewesen sein, dass dieser scheinbare Ausgleich nicht von langer Dauer sein würde.
Zerfall des Alexanderreiches
Weiterführende Informationen zu diesem Thema: Diadochenkriege
Bald nach der Verteilung der Satrapien durch Perdikkas traten die nur mühsam unterdrückten Konflikte offen zu Tage. Perdikkas stand einer Koalition bestehend aus Antipater, Krateros, Antigonos und Ptolemaios gegenüber, die sich mit seiner Vorherrschaft nicht abfinden wollten, zumal Ptolemaios wohl mehr als jeder andere bereits auf eine Abspaltung seines Herrschaftsbereichs vom Reich spekulierte. 321 v. Chr. griff Perdikkas, der von Eumenes Unterstützung erhielt, Ägypten an, doch scheiterte er am Nilübergang und wurde daraufhin von seinen eigenen Offizieren (darunter Seleukos) ermordet. Seleukos erhielt für seine Verdienste auf der nachfolgenden Konferenz von Triparadeisos von Antipater, der zum Wächter des jungen Königs bestimmt wurde, die Satrapie Babylonien. Antigonos wurde zum General in Asien ernannt.
Antipater hatte jedoch bei der Regelung seiner Nachfolge seinen Sohn Kassandros übergangen und einen General namens Polyperchon eingesetzt. Kassandros schloss sich daraufhin der Allianz von Antigonos, Ptolemaios und Lysimachos an, die mit dem Arrangement unzufrieden waren. Die nachfolgenden Kämpfe, in deren Verlauf Polyperchon mit Eumenes kooperierte, zogen sich über Jahre hin. Am Ende der ersten Phase der Kampfhandlungen, die sehr wechselhaft verliefen, war 316 v. Chr. der Großteil der makedonischen Königsfamilie ausgelöscht, wobei Kassander Makedonien erobert hatte. Es war fast nur folgerichtig, wenn Kassandros 310 v. Chr. auch Alexander IV. töten ließ.
- Kassandros aber sah, daß Alexander, der Sohn der Roxane, heranwuchs und daß von einigen in Makedonien Reden verbreitet wurden, daß es richtig sei, den Jungen aus dem Gewahrsam zu entlassen und ihm das väterliche Königtum auszuhändigen. Er fürchtete (deshalb) für seine eigene Position und wies Glaukias, der die Wachen für den Jungen kommandierte, an, Roxane und den König zu ermorden und die Leichen zu verbergen, von dem Geschehenen aber keinem anderen etwas zu erzählen. Glaukias führte den Auftrag aus, und dies befreite Kassandros, Lysimachos, Ptolemaios und auch Antigonos von der vorgeblichen Angst um den König. Da es nämlich von jetzt an keinen mehr gab, der die Herrschaft hätte übernehmen können, hatte jeder, der über Völker oder Städte herrschte, Hoffnungen auf die Königsherrschaft und kontrollierte das Territorium unter seiner Herrschaft, als ob es ein Königreich sei, das mit dem Speer erworben war.
- Diodor, 19,105 (Übersetzung entnommen:[1])
Auch Eumenes, neben Polyperchon einer der letzten Vertreter der Reichseinheit, konnte sich letztendlich nicht halten, obwohl er recht geschickt agierte. Als beispielsweise die Soldaten der Eliteeinheit der Silberschilde (Agyraspiden) zweifelten, ob der Kampf noch einen Sinn hatte, begegnete er diesem Problem mit der Erinnerung an Alexander:
- Ihrem Ehrgeiz und ihrer Herrschsucht gegenüber ... führte er die Religion (deisidaimonia) ins Spiel. Er behauptete, Alexander sei ihm im Traum erschienen und habe ihm ein königlich hergerichtetes Zelt und einen in ihm stehenden Thron gezeigt und dann gesagt, wenn sie dort Rat hielten und ihre Geschäfte führten, werde er selbst gegenwärtig sein und bei jeglichem Rat und jeglicher Tat mit zugreifen, die sie in seinem Namen begännen.
- Plutarch, Eumenes, 13,4-6 (Übersetzung entnommen:[2])
Eumenes wurde dennoch später von den Silberschilden verraten und an Antigonos ausgeliefert, der ihn kurz darauf hinrichten ließ (316 v. Chr.), während Polyperchon in Griechenland sich zum Befreier der Poleis aufspielte, bald aber an Macht verlor und zu einem unbekannten Zeitpunkt (nach dem Friedensschluss zwischen Antigonos und den anderen Diadochen im Jahre 311 v. Chr.) verstarb.
Antigonos strebte nun offen nach der Alleinherrschaft. Er sicherte seine Position in Asien und vertrieb 315 v. Chr. Seleukos, der zu Ptolemaios floh. 312 v. Chr. besiegten sie Antigonos bei Gaza, woraufhin Seleukos nach Babylon zurückkehrte. Der Kriegsschauplatz erstreckte sich im Rahmen der folgenden Kampfhandlungen wieder über große Teile des nun auseinander brechenden Alexanderreiches, doch brachten sie keine wirkliche Entscheidung. Die Macht der Antigoniden wuchs derweil immer weiter an.
Demetrios, der Sohn des Antigonos, erkämpfte sich durch die Vertreibung der Makedonen aus Athen, der Wiederherstellung der attischen Demokratie und der Vernichtung der ptolemäischen Flotte bei Salamis in Griechenland und Makedonien eine gute Machtstellung. 306 v. Chr. nahmen und sein Vater den Königstitel von Makedonien an, womit ein eindeutiger Führungsanspruch auf das (theoretisch immer noch vorhandene) Gesamtreich verbunden war. Im Jahr darauf nahmen auch die anderen Diadochen jeweils ihre eigenen Königstitel an. Doch es bahnte sich noch eine ganz andere Entwicklung an, die bald zu einem typischen Merkmal hellenistischer Herrscherideologie werden sollte: In mehreren Poleis wurden Kulte zu Ehren der Monarchen errichtet, die später teils sogar zu Göttern erklärt wurden Vorlage:Lit.
Um seine Schlagkraft zu erhöhen, erneuerte Demetrios im Auftrag seines Vaters 302 v. Chr. den Korinthischen Bund und übernahm dessen Führung. Den beiden Antigoniden stand nun eine Koalition bestehend aus Ptolemaios I., Kassandros, Lysimachos und Seleukos gegenüber. Es kam erneut zu Kampfhandlungen, die mit der Schlacht von Ipsos im Jahr 301 v. Chr., bei der Antigonos fiel, endeten. Somit war faktisch auch die Idee der Reichseinheit zu Grabe getragen worden, da keiner der anderen Herrscher die Macht hatte, mit Gewalt das Reich zu einen.
In der darauffolgenden Zeit schien denn auch ein Status quo gefunden. Es folgte ein mehrjähriger Frieden, doch brach eine erneute Konfrontation im Jahre 288 v. Chr. aus, da Demetrios weiterhin versuchte, die Machtstellung, die sein Vater innegehabt hatte, zu erlangen. Zu der Koalition gegen Demetrios, bestehend aus den Diadochen Lysimachos, Ptolemaios I. und Seleukos I., gesellte sich nun auch Pyrrhos von Epirus. Zusammen drangen sie in Makedonien ein, zwangen Demetrios zur Flucht und teilten Makedonien unter sich auf. Seleukos versuchte nun Makedonien und Thrakien unter seine Kontrolle zu bringen. Zwar konnte er sich in der Schlacht von Kurupedion gegen Lysimachos durchsetzen, doch wurde er von kurz darauf von Ptolemaios Keraunos ermordet. Diese Ereignisse markieren das Ende des Zeitalters der Diadochen.
Als Ergebnis der Kämpfe hatten sich drei Nachfolgestaaten gebildet, die bis zum Einbruch Roms im 2. Jahrhundert v. Chr. Bestand haben sollten: Das Ptolemäerreich in Ägypten, das Seleukidenreich in Asien und das Antigonidenreich in Griechenland.
Ausblick und Rückblick
Weiterführende Informationen zu diesem Thema: Hellenismus
Die Diadochen
Hinweis: Eine Vorstellung aller Diadochen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Die hier vorgestellten vier sollen exemplarisch für alle stehen. Eine vollständige Aufzählung aller Diadochen findet sich in der Liste der Diadochenreiche.
Antigonos
Hauptartikel: Antigonos I. Monophthalmos
Antigonos war ein Altersgenosse von Alexanders Vater Philipp II. Seine Machtbasis lag zunächst in Kleinasien, er konnte aber Eumenes ausschalten und so den Großteil des asiatischen Teils des Alexanderreiches unter seine Herrschaft bringen. In den Folgejahren wurden Ptolemaios und Seleukos seine Hauptgegner. Mit Ptolemaios kämpfte er um Syrien und die Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer, mit Seleukos um Babylon und die östlichen Satrapien. Antigonos erhob sich und seinen Sohn Demetrios zu Königen, die übrigen Diadochen zogen nach. Damit war das Alexanderreich endgültig zerbrochen. Trotzdem gilt Antigonos als letzter Verfechter der Reichseinheit.
Die Machtfülle des Antigonos war so groß, dass die anderen Diadochen befürchteten, nacheinander von ihm unterworfen zu werden. Ptolemaios, Seleukos und Lysimachos verbündeten sich gegen ihn und konnten Antigonos 301 v. Chr. in der Entscheidungsschlacht bei Ipsos besiegen und töten. Trotz dieser Niederlage wurde Antigonos zum Stammvater der letzten makedonischen Königsdynastie, der Antigoniden. Sein Sohn Demetrios versuchte noch vergeblich, das makedonische Kernland unter seine Kontrolle zu bringen, sein Enkel Antigonos II. Gonatas konnte sich und seinen Nachfolgern schließlich den makedonischen Thron sichern.
Lysimachos
Hauptartikel: Lysimachos
Lysimachos wurde noch von Alexander zum Statthalter von Thrakien ernannt. Nach dessen Tod 323 v. Chr. beteiligte er sich zunächst nicht an den Kämpfen unter den übrigen Diadochen, sondern sichert seine Herrschaft über Thrakien. Wegen seiner brutalen Methoden wurde Lysimachos von vielen Zeitgenossen als barbarisch angesehen. Nach dem Tod des Eumenes griff Lysimachos nach Kleinasien und Makedonien aus und schloss sich der Koalition gegen Antigonos an. Nach dessen Ende in der Schlacht von Ipsos geriet Lysimachos mit seinem bisherigen Verbündeten Seleukos in Konflikt, dem er 281 v. Chr. bei Kurupedion unterlag. Lysimachos' Tod bei Kurupedion gilt als das Ende der Diadochenkriege.
Ptolemaios
Hauptartikel: Ptolemaios I.
Ptolemaios I. übernahm nach dem Tod Alexanders die Satrapie Ägypten, in die er später zur Legitimierung seiner Macht den Leichnam Alexanders überführen ließ. Er beteiligte sich an den Diadochenkriegen, sicherte sich Ägypten und nahm 306 v. Chr. den Königstitel an. Er erweiterte sein Reich um Kyrene und Zypern und sicherte es nach außen durch eine kluge Heiratspolitik, nach innen durch eine gute Militär- und Verwaltungsorganisation. Zudem förderte Ptolemaios I. Wissenschaften und Künste. Unter anderem gründete er die berühmte Bibliothek von Alexandria. 285 v. Chr. dankte Ptolemaios zugunsten seines gleichnamigen Sohnes Ptolemaios II. ab. Sein eigentlicher Thronfolger wäre sein ältester Sohn Ptolemaios Keraunos gewesen. Dieser floh zusammen mit seiner Mutter, die verstoßen worden war, an den Hof des Lysimachos. Ptolemaios I. starb 282 v. Chr., kurz vor dem Ende der Diadochenkriege.
Seleukos
Hauptartikel: Seleukos I.
Seleukos war der Sohn eines Generals des makedonischen Königs Philipp II. Er begleitete Alexander den Großen auf dessen Asienfeldzug und zeichnete sich bei den Kämpfen in Indien 326 v. Chr. aus. Nach Alexanders Tod in Babylon erhielt er keine eigene Satrapie. 321 v. Chr. war er in die Ermordung des Regenten Perdikkas verwickelt. Bei der zweiten Reichsteilung erhielt er die Satrapie Babylonien. Nach Konflikten mit dem mächtigen Diadochen Antigonos konnte er mit der Unterstützung des Ptolemaios Babylonien 312 v. Chr. endgültig als Herrschaftsgebiet gewinnen.
305 v. Chr. nahm Seleukos wie die anderen Diadochen den Königstitel an. Zwei Jahre später schloss er mit dem indischen Herrscher Chandragupta Frieden. Er trat einen Teil seines Herrschaftsgebietes an diesen ab und erhielt dafür 500 Kriegselefanten, die in der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. einen entscheidenden Vorteil bedeuteten. In dieser Schlacht besiegte er zusammen mit Lysimachos den Antigonos. 285 v. Chr. konnte er Demetrios, den Sohn des Antigonos, gefangennehmen. Vier Jahre später besiegte er Lysimachos in der Schlacht bei Kouropedion. Seleukos wollte nun Makedonien und Thrakien in Besitz nehmen, wurde aber kurz nach dem Übertritt nach Europa von Ptolemaios Keraunos ermordet.
Gesellschaft und Kultur
Herrschaft und Verwaltung
Militär und Kriegführung
Gesellschaft und Sozialstruktur
Religion
Kultur und Bildung
Literatur
Quellen
Sekundärliteratur
- R. A. Billows: Antigonos the One-Eyed and the Creation of the Hellenistic State, Berkeley-Los Angeles 1990. Grundlegend für Antigonos I.
- M. Errington: Geschichte Makedoniens, München 1986.
- H.-J. Gehrke: Geschichte des Hellenismus, Oldenbourg Grundriss der Geschichte, 3. Aufl., München 2003. Knappe Darstellung mit Forschungsteil und umfassender Bibliographie.
- P. Green: Alexander to Actium. The Hellenistic Age, London, Berkeley und Los Angeles 1990. Detaillierte Gesamtdarstellung, in der Bewertung der Epoche allerdings teils zu negativ.
- W. Heckel: The Marshals of Alexanders Empire, London 1992.
- G. Höbl: Geschichte des Ptolemäerreiches. Politik, Ideologie und religiöse Kultur von Alexander dem Großen bis zur römischen Eroberung, Darmstadt 1994.
- Kleines Lexikon des Hellenismus, hrsg. von Hatto H. Schmitt und Ernst Vogt, 2. Aufl., Wiesbaden 1993 (auch als Studienausgabe). Relativ detaillierte Artikel mit umfassender Bibliographie.
- K. Rosen: Die Bündnisformen der Diadochen und der Zerfall des Alexanderreiches. Acta Classica 11 (1968), S. 182 ff.
- J. Seibert: Das Zeitalter der Diadochen, Erträge der Forschung 185, Darmstadt 1983. Forschungsbericht.
- S. Sherwin-White/A. Kuhrt: From Samarkhand to Sardis. A New Approach to the Seleucid Empire, London 1993.
- G. Shipley: The Greek World After Alexander, 323-30 BC., London und New York 2000. Hervorragende Gesamtdarstellung der Epoche.
- E. Will: Histoire politique du monde hellénistique (323- 30 av. J.-C.), 2 Bde., 2. Aufl., Nancy 1983. Beste moderne Darstellung der politischen Geschichte.