Steinhaus VS

Ortschaft im Kanton Wallis, Schweiz
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Vorlage:Ort SchweizSteinhaus ist eine Gemeinde im Bezirk Goms des Kantons Wallis in der Schweiz.

Lage und Siedlung

Steinhaus befindet sich gemeinsam mit seinen Nachbarorten Mühlebach VS und Ernen im Westen auf einem sonnigen, südwärts gerichteten Hochplateau am Eingang ins Goms. Der nächstgelegene Ort im Osten ist Niederwald VS.

Das Dorf Steinhaus wurde auf einer kleinen Hochebene am Rande des Rufibachss erbaut. Die Entfernung zur Rhone beträgt 250 Meter, diejenige zum Rhonegletscher, 21 km. Das Dorf liegt am Saumpfad "Via Regia": Siehe auch Säumer. Via Regia bedeutet "Königsstraße" - gemeint ist eine Straße, die unter dem Schutz des Königs steht. Etwa die Hälfte der Wohnhäuser, «Z'unner Dorf» (Übs. "Das untere Dorf"), befindet sich an der Hauptstrasse, welche von Mühlebach herkommt. Die Häuser am Eingang des Dorfes sind quer zum Tal gegen Norden gerichtet. Im «Ober Dorf» (Übs. "Das obere Dorf"), wo Kapelle und Gemeindehaus stehen, mischen sich Wohnhäuser und Nutzbauten sowie Stadel in bunter Folge. An den beiden Enden des Dorfes finden wir tadellos erhaltene Holzhäuser aus dem Zeitraum 1510 – 1630. Diese haben zum Teil noch einen gut erhaltenen Dielbaum (Tragbalken der Decke, meist der Wohnzimmerdecke, mit Inschrift). Interessant in diesem Zusammenhang ist auch der Grundriss der Häuser im Goms, die meist nach demselben Schema aufgebaut wurden. Im Zentrum des Dorfes finden sich die ca. um 1710 erbauten Wohnhäuser. 1768 vernichtete eine Feuersbrunst etwa zwölf Gebäude. Die Dörfer Richelsmatt und Rottenbrücke in der Nähe von Steinhaus sind ausgestorben. Richelsmatt, das einst zum Fronleichnamsfest zwölf «Bräute» zur Kirche sandte, ist seit 1830 verödet.

Anreise

Von Brig oder Oberwald VS führt der Weg über Ernen und Mühlebach VS nach Steinhaus. Steinhaus kann auf dieser Route mit dem Privatwagen oder mittels öffentlicher Verkehrsmittel erreicht werden. Von Niederwald VS her ist Steinhaus zu Fuss in ca. 20 Minuten erreichbar.

Geschichte

 
Bild von Steinhaus um 1925

Erstmals erwähnt wird der Ort im Jahre 1245 als Domus lapidea (Anm: "Das steinerne Haus"). Im Mittelalter war Grund und Boden in Steinhaus aufgeteilt. Die Hälfte beanspruchte der Bischoff von Sitten die andere Hälfte mehrere Grafen, welche aus Oberitalien kamen. Unter diesen adeligen Grafen waren die Herren von Biandrate, die Herren von Compeys, de Castello, de Platea, de Rodier und de Vineis. Es muss davon ausgegangen werden, dass einer dieser Grafen in Steinhaus Wohnsitz hatte. Darauf deutet die Bezeichnung am oberen Dorfeingang («uff em Turre») hin. Man nimmt an, dass hier ein Herrschaftshaus oder eine kleine Burg gestanden hat. Das Erwachen der Freiheitsrechte der Oberwalliser stärkte den demokratischen Gedanken und führte in mehreren Freiheitskämpfen zu Eigenständigkeit und Selbstverwaltung. Davon zeugen die Siege der Walliser bei der Schlacht bei Ulrichen im Jahre 1211 gegen Herzog Berchtold V. von Zähringen und 1419 gegen die Berner. Ein großes Kreuz aus Granit mit der Inschrift "Den Helden von Ulrichen" erinnert an diese Schlacht. Der Ort des Geschehens aus der Ferne. So meint etwas P. Sigismund Furrer, Geschichte vom Wallis, Band I, Seite 93: "Der Sieg bei Ulrichen war die Morgenröte für die Unabhängigkeit des Wallis". Wie dem auch sei, die Gommer schritten unablässig zu neuer und grösserer Freiheit. So traten sie etwa im vierzehnten Jahrhundert gegenüber dem bischöflichen Landesherrn sehr bestimmt auf. Als Bischof Tavel von Sitten im Herbst 1361 mit Gefolge ins Goms ritt, um die Gemeinden zu mehr Gehorsam zu verpflichten, überfielen die Gommer den Bischof in der Nähe von Steinhaus und hielten diesen elf Wochen lang gefangen, bis er ihnen grosse Zugeständnisse machte.

Natur Pur

Nachdem die Furkastrasse 1864 eröffnet worden war, passierte der ganze Verkehr auf der gegenüberliegenden Talseite. Dieser Umfahrung verdankt Steinhaus seinen heutigen Reichtum an Schönheit in Dorf und Kirche. In Steinhaus beginnt abseits des Durchgangverkehrs DIE autofreie Zone, ein wahres Paradies für Velofahrer und Wanderer. Steinhaus ist ein ausgezeichneter Ausgangspunkt für Wanderungen auf Berggipfel und Seitentäler oder Biketouren. So z. B. ins Rappental, ein wildromantisches Tal, in welchem im Sommer bis zu 1000 Schafe gesömmert werden. Die Gegend kann auch auf einem Maultier erkundet werden. Die offizielle Fahrradroute "Rhone-Route Nr. 1" führt von Oberwald über Steinhaus nach Brig. Sie folgt dem früheren Säumerweg, auch Saumpfad genannt. Dieser Weg wird heute „Rottenweg“ genannt.

Beschreibung: Rhone-Route Nr. 1: Abschnitt Oberwald - Brig / Länge: 43 km , davon Landstrasse: 19 km, Höhenmeter: Oberwald - Brig, 220 m. Geeignet für: Familien, Jugendliche, Erwachsene. Achtung: Von Ernen bis Brig führt die Route über die Kantonsstrasse (viel Verkehr). Alternativen: Velo auf Bahn verladen oder Route über Ausserbinn nach Grengiols wählen. Das Fahrrad muss 2 km gestossen werden. Landschaftlich sehr lohnenswert.

Sehenswertes

 
Altar

Das Zentrum des Dorfes bildet der Dorfplatz mit Brunnen, welcher von alten Walliserhäusern umrahmt wird. Die Kapelle des Dorfes wurde um 1728/29 neu erbaut. Sie ist der Heiligen Familie geweiht (Heilige Familie). Inneres der Kapelle. Altar: In der Hauptnische bildet die Heilige Familie unter der Heiligen Geist- Taube mit dem Gottvater die Heilige Dreifaltigkeit. In der Seitenachse links der hl. Antonius von Padua, rechts die Heilige Anna.

Das Gemeindehaus stammt aus dem Jahr 1794. Am Eingang zum oberen Dorfteil findet sich als erstes Haus links nach der Abzweigung von Niederwald herkommend ein "Heidehüs". Das Baujahr kann zwischen 1500 – 1630 festgelegt werden. Mit Hilfe der Dendrochronologie könnte das Alter dieses typischen Walliser Hauses genau bestimmt werden. Das für diesen Bautyp charakteristische "Heidechriz" an der Giebelfront (mit typischem Balkensteg und Kerbschnittrosette) ist ausserordentlich gut erhalten. (Anm. Die ältesten Wohnhäuser stammen aus dem Spätmittelalter und werden Heidenhäuser genannt. Das typische Kennzeichen für diese Häuser ist das unter dem Dach in die Balkenlage eingesägte „Heidechriz“).

Leben

Um 1925 lebten ca. neunzig Leute in Steinhaus. Die meisten waren Bauern (Landwirt). Viele von Ihnen sind aufgrund der grossen Armut in den 20er und 30er - Jahren in die USA ausgewandert. Die Armut war zum Teil so gross, dass dass Vieh aufgrund der mageren Ernte im Sommer während der Wintermonate mit Geweihflechten (Botanischer Name: Pseudevernia furfuracea) ernährt werden musste (siehe auch: Flechte und Schlauchpilze). Die Geweihflechte heisst auf Walliserdeutsch: "Gragg". Der stete Wandel und die wirtschaftlichen Gegebenheiten haben dazu beigetragen, dass viele Bewohner von Steinhaus auch in späteren Jahren ihrem Dorf den Rücken kehrten und Ihren Verdienst in prosperierenden Gegenden suchten. Heute ist ein einziger Bauernbetrieb übrig geblieben. Viele Bewohner arbeiten heute unten im Tal, in der Gegend von Brig/Visp.

Kontakt zur Aussenwelt

Bis 1960 gab es im ganzen Dorf nur einen Telephonanschluss, den alle Bewohner des Dorfes für ein- und ausgehende Anrufe benutzten. Der Kontakt zu Aussenwelt war bis in die 70er Jahre marginal. Aufgrund von Lawinenniedergängen war das Dorf bis 1987 im Winter zum Teil wochenlang von der Aussenwelt abgeschnitten. Dank dem Bau eines Tunnels beim Löüwibach ("Lawinenbach") im Jahre 1987/1988 ist Steinhaus nun auch im Winter immer erreichbar.

Berühmte Menschen aus Steinhaus

Der grossartige Bergführer Johann Josef Benet (1824-1864) wurde in Steinhaus geboren. Er wurde von seinem Freund John Tyndall auch "Bennen" genannt und aufgrund seines revolutionären Bergsteigerstils als «Garibaldi der Bergführer» bezeichnet. Mit John Tyndall und Ulrich Wenger gelang Johann Josef Benet (Bennen) als Führer am 19. August 1861 die Erstbestigung des Weisshorns. Am 18. Juli 1861 gelang ihm ausserdem die Erstbestigung des Mont Blanc (4810 m) über die Normalroute gemeinsam mit Leslie Stephen und F.-F. Tuckett mit Melchior Anderegg sowie Peter Perren. Am 18. Juni 1859 bestiegen Johann Joseph Bennen (Führer), Peter Bohren (Führer), V. Tairraz (Führer), Francis Fox Tuckett das Aletschhorn zum ersten Mal.

Aktuelles

Am 16. September 2004 beschloss der Grosse Rat des Kantons Wallis, Steinhaus mit den Nachbargemeinden Ernen, Mühlebach VS und Ausserbinn zu fusionieren. Diese Gemeinde nennt sich bis zu einer Namensgebung durch die Urversammlung provisorisch "Fusionsgemeinde Ernen".

Bilder von Steinhaus

Murgänge und "Flutwellen"

Oberhalb von Steinhaus befindet sich am Berghang eine grosse Anrisszone, welche für den Abgang mächtiger Murgänge verantwortlich ist. Der Rufibach transportiert bei einem heftigen Gewitter grosse Gesteinsmassen, Schlamm, Kies und Bäume in Richtung Rhone. Dies geschieht jährlich bis zu 10 Mal. Dabei ist die Erschütterung des Untergrunds so gross, dass ein leichtes Zittern sogar in den Häusern des Dorfes zu bemerken ist. Dieses einzigartige Naturschauspiel wird von der Dorfbevölkerung und den Gästen aus sicherer Distanz mit einer Mischung aus Sorge, Angst und Faszination erlebt. Unterhalb des Dorfes haben sich über die Jahre grosse Schuttwälle gebildet (siehe Bild), die zum Teil von einem mehrere Jahrzehnte alten Wald bewachsen sind.

Das transportierte Gesteinsmaterial besteht mehrheitlich aus Gneisen (Anm: Gruppe metamorpher Gesteine mit deutlichem Parallelgefüge und hohem Feldspatgehalt) des Gotthard-Massivs des Penninikum (Der Name Penninikum hat seine Herkunft im Namen "Penninische Alpen", einem alten Namen für die Walliser Alpen in der Schweiz). An den Seitenwänden des Rufibachs ist eine Ansammlung von Ablagerungen von früheren Murabgängen festzustellen. Das eindrücklichste Zeugnis dieser Murgänge befindet sich vor der Einmündung in die Rhone in Form eines grossen Murkegels.

Am 07. Juli 1998 waren die Murgänge derart stark, dass die Rhone bei Steinhaus über das Wochenende zu einem 2,5 Kilometer langen See gestaut wurde. Im Nachgang zu den Murgängen stieg der Wasserspiegel der Rhone bis auf fünf Meter.