Musik für Violoncello

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In diesem Artikel wird die Entwicklung der Musik mit solistischem Violoncello chronologisch beleuchtet.

17. und 18. Jahrhundert

Die Anfänge in Italien

Die ersten Werke, die für Violoncello geschrieben wurden, sind Solostücke. Häufig sind diese Kompositionen noch nicht für unsere heutige Stimmung (Musik) (C,G,d,a) geschrieben und somit heute nicht ohne weiteres auf jedem Cello spielbar.

Zu den ersten Komponisten, die sich mit dem Cello befassten, gehören u.a. Degli Antonii (1687 Bologna), Domenico Gabrielli und Giovanni Battista Vitalis, welche alle aus dem italienischen Raum kamen. Schon diese frühen Kompositionen waren spieltechnisch anspruchsvoll und stellten an den Musiker hohe Anforderungen. Musikalisch-künstlerisch hingegen war der Wert der Werke eher gering. Oft ist auch unklar, welchem Zwecken sie dienten; nicht selten stellten sich die Kompositionen als Schulen, Übungen oder als erste Versuche, „mit dem Cello virtuos umzugehen“, heraus.

Als früheste begleitete Werke können das Basso solo, con basso continuo von Antonio Giannotti und Gabriellis vier Ricercari mit Generalbass (Erstfassung der Sonate G-Dur) gelten.

Verbreitung und Entwicklung

Die stetige Entwicklung des Violoncellospiels mit seiner anfangs fast ausschließlichen Zentrierung auf Italien ließ in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine große Anzahl von Solowerken mit basso continuo entstehen. Die meisten Sonaten wurden von Cellisten selbst geschrieben. Das Niveau der Sonaten ist sehr unterschiedlich. Es reicht von der barocken „Dutzendware“ bis hin zu virtuosen Kompositionen mit ausgefeilten melodischen und rhythmischen Strukturen, wobei auch die aus der Oper gewonnene Affektsprache mit Einzug hält.

 
Antonio Vivaldi schrieb einige Sonaten und Konzerte für Cello

Zu neuen spieltechnischen Mitteln, die im Laufe der Entwicklung zum Standard wurden, gehören u.a. Daumenaufsatz, Skalengänge, Arpeggien und Doppelgriffe, wie auch seltener Flageolett-Töne und saitenüberspringende Figuren. Diese technischen Neuheiten lassen sich bisweilen auch bei den Werken von Antonio Vivaldi (1678-1741) erkennen. Von dem Italiener liegen uns heute 10 Cello-Sonaten und nicht wenige Cello-Konzerte aus seinem Spätwerk vor. Auch Domenico Scarlatti (1685-1757) sind drei Werke für Violoncello zuzuschreiben.

Außerhalb Italiens

In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist im nicht-italienischen Raum als erstes Georg Philipp Telemann (1681-1767) zu nennen. Dieser schrieb eine virtuose und facettenreiche Sonate in D-Dur. Dem beginnenden Cellospieler sind durch die zahlreichen leicht zu spielenden Duette und Sonaten auch Joseph Bodin de Boismortier und Willem de Fesch aus dieser Zeit bekannt.

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Bachs Suiten sind eine Herausforderung für jeden Cellisten

Den phänomenalen Aufstieg des Bekanntheitsgrades der 6 Suiten für Violoncello Solo von Johann Sebastian Bach (1685-1750) verdanken wir der Wiederentdeckung und ersten bedeutenden Interpretation von Pablo Casals am Anfang des 20. Jahrhunderts. Diese anmutigen und ausgewogenen Kompositionen sind von hochentwickelter kompositorischer und satztechnischer Verfahrensweise gestaltet (echte und latente Mehrstimmigkeit). Originale Handschrift und Entstehungsdatum sind uns bis heute unbekannt, das Werk überlebte jedoch durch vielerlei Abschriften wie der von Anna Magdalena Bach. Die 6 Suiten gehören heute zu den bedeutendsten virtuosen Kompositionen für Violoncello und werden auch dementsprechend viel gespielt.

Entwicklung des Cellokonzertes

Erste Versuche dem Cello in einem kleinen Streicherensemble solistisches Profil zu geben, machten Giuseppe Jacchini und Evaristo Felice Dall‘Abaco. In beiden Fällen kann aber noch nicht von einem Cellokonzert im späteren Sinne gesprochen werden.

Von Antonio Vivaldi, welcher nicht nur die Entwicklung der Cellokonzerte, sondern auch allgemein die des Instrumentalkonzerts sehr stark beeinflusste, sind 27 Cellokonzerte erhalten. Weitgehend von Vivaldi eingeführt und als gängige Methode weiterentwickelte Kennzeichen der Cellokonzerte sind die Dreisätzigkeit (schnell-langsam-schnell) und die Ritornellform, in welcher der 1. Satz fast komplett und meistens der letzte Satz geschrieben wurde.

Die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts

 
Haydns Cellokonzerte gehören heute zum Standardreperoire

Unter den in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandenen Sonaten mit Continuo wären als erstes die Werke von Luigi Boccherini (1743-1805) hervorzuheben. Die über 40 Cellosonaten waren hauptsächlich für seine eigenen Konzertabende bestimmt. Dies trifft auch für die meisten anderen Komponisten aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu, so dass sie häufig keinen größeren, längerfristigen Bekanntheitsgrad erreichen konnten. Jedoch fallen in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts auch die Cello-Konzerte von Joseph Haydn, die heute mit zu den meistgespieltesten Werken zählen.

Unter den Cellokonzerten italienischer Musiker aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts (u.a. Giovanni Battista Cirri, Luigi Borghi, Domenico Lanzetti) nehmen die von Luigi Boccherini wegen ihres melodischen Glanzes und ihrer spieltechnischer Brillianz besondere Stellung ein. Insgesamt sind von ihm 12 Cellokonzerte bekannt. In der Form dreisätzig, reicht die Spannweite der Konzerte von einem durch barocke Elemente geprägten Stil, welcher teilweise auch an die Wiener Klassik erinnert, allerdings in der Harmonik vergleichsweise einfach bleibt. In der Besetzung geht Boccerini über reine Streicherkonzerte bis zu Streicher- und Bläserbesetzungen. Spieltechnisch sind die Werke, wie schon erwähnt, von hohem Anspruch und verlangen dem Spieler so große Sicherheiten in den in hohen Lagen virtuos zu spielenden langen Passagen ab.

Celloliteratur in Frankreich und Großbritannien

Zur französischen Celloliteratur des späten 18. Jahrhunderts gehören neben Kompositionen von Jean Balthasar Tricklir und Jean Baptiste Janson das A-Dur-Konzert von Jean Pierre Duport. Bekannt sind auch einige von den sieben Cellokonzerten von Jean Baptise Bréval, welcher neben einfachen Stücken oft mit einigen technischen Raffinessen aufwartet.

Unter den englischen Komponisten in der letzten Hälfte des 18. sowie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Joseph Reinagle, John Garth und Robert Lindley zu nennen.

19. Jahrhundert

Der Sonatentypus für ein Melodieinstrument und Klavier, welchen wir heute als “klassisch” zu bezeichnen pflegen, wurde erst nach der gängigen Generalbasspraxis nach 1775 ausgeprägt. Diese neue Form wurde mehr oder weniger von Ludwig van Beethoven begonnen. Seinen Sonaten für Klavier und Violoncello, welche eine bedeutende Gestaltungsform darstellten, folgten in der Celloliteratur des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts über 150 Sonaten.

Zum festen Bestandteil der Celloliteratur gehört in jedem Fall auch die durch ihre eingängigen Themen gekennzeichnete Sonate in a-Moll von Franz Schubert, welche ursprünglich für Apeggione geschrieben wurde. Da diesem Instrument (bauähnlich der Gitarre, spieltechnisch etwa gleich dem Cello) nur eine kurze Existenz beschieden war, nahmen sich später einige Bratschisten und Cellisten ihrer an um jene vor dem Untergang zu bewahren. Dabei zeigt sich allerdings, dass auf dem Cello die spieltechnischen Anforderungen enorm hoch sind.

Von großer Beliebtheit ist auch die viersätzige Sonate für Violoncello und Klavier von Johannes Brahms.

Zwei Cellosonaten schrieb auch Camille Saint- Saëns (1853-1921). Von größerer Bekanntheit ist aber sicherlich sein 1erConcerto pour Violoncelle op. 33. Das Cellokonzert ist ein ganz klassisches, 3- sätziges Werk (Allegro non troppo- Allegretto con moto- Un peu moins vite), welches 1872 entstand. Auf den ersten Blick scheint dieses Konzert einsätzig durchkomponiert zu sein, obwohl es sich in der inneren Struktur dann dreisätzig zeigt. Nach einer doppelten Exposition folgt ein ganz klassischer menuettartiger Mittelteil. Mit zwei neuen Themen geht es dann fließend in das Finale. Das kurze, scheinbar sehr primitive Anfangsthema durchzieht aber, meistens nur mit den ersten 6 Tönen, das ganze, ca. 20- minütige Konzert und macht daraus eine geschlossenes Werk. Nach einem einem kurzen Tuttischlag des Orchesters setzt das Solocello mit seinen herabstürzenden Triolen sehr virtuos und schwungvoll ein. Das All0 non troppo wird dann immer wieder von diesem Anfangsthema durchschienen. Das kurze Thema prägt sich durch die sehr schnellen und oft wiederholten Triolenläufe nach unten. In einem markanten „Poco animato“ beginnt ein schwungvoller Aufgang welcher sich in einem Rallentando fängt und nun dem Orchester die Führung überlässt. In verschiedenen Versionen wiederholt sich noch einmal das Thema. In einem energischen, chromatischen Aufgang sammelt sich alles zu einem absoluten Höhepunkt, besinnt sich aber kurz davor und schwenkt in gefühlvolle Melancholie. Nach viel Crecendo und einem kurzen Accelerando beginnt ein zweistimmiges „Animato“. Ähnlich einer Kadenz mündet das Ganze in einem „All0 molto“ ... . Obwohl nach der „Klassik“ geschrieben spiegelt dieses Stück noch einmal den vollen Glanz dieses Stils wieder.

Wie diesem Konzert von Camille Saint- Saëns gelang es nur wenigen Cellokonzerten außerhalb der Virtuosenliteratur einen unangefochtenen Platz in der Celloliteratur einzunehmen. Zu ihnen zählen noch Schumann, Tschaikowsky, Dvorák,- mit Abstrichen Lalo, d‘Albert und Bruch. Daran sieht man auch, dass eine Mehrzahl der bedeutenden Komponisten des 19. Jahrhunderts sich nicht dem Cello als konzertantes Instrument zugewandt haben. Eine klare Erklärung dafür gibt es nicht. Sicherlich könnte es aber damit zusammenhängen, dass das Violoncello auch nach der Mitte des Jahrhunderts weit weniger im Vordergrund des allgemeinen musikalischen Interesses stand, als etwa das Klavier oder die Violine.

Aber auch die Unsicherheiten der Komponisten, für ein Instrument zu schreiben wovon sie von der Technik und vom Klang mehr oder weniger keine Ahnung hatten, mag ein Hindernis gewesen sein, wie z.B. ein Brief von Brahms nach der Beendigung seines Doppelkonzertes für Violine und Cello an Clara Schumann zeigt: „Ich hätte den Einfall an sich jemandem abtreten sollen, der die Geigen besser kennt als ich... Es ist doch etwas anderes, für Instrumente schreiben, deren Art und Klang man nur beiläufig im Kopf hat, die man nur im Geist hört- oder für ein Instrument schreiben, das man durch und durch kennt, wie ich das Klavier, wo ich durchaus weiß, was ich schreibe und warum ich so schreibe und so schreibe... .“ Man kann so schlussfolgernd annehmen, dass Schumann, Tschaikowsky und Dvorák ähnliche Gründe dazu bewogen haben, sich bei ihren befreundeten Cellisten Rat zu holen.

Robert Schumanns Cello-Konzert in a-moll op. 129, die erste bedeutende Komposition dieser Gattung im 19. Jahrhundert, entstand im Oktober 1850 in Düsseldorf. Die technische Gestaltung der Solostimme erarbeitete sich Schumann mit dem frankfurter Cellisten Emil Bockmühl, welcher ihm als Korrespondent zur Seite stand.

1867 entstanden unter Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Feder Variationen für Violoncello und Orchester über ein Rokoko-Thema. Die anspruchsvolle Solostimme wurde von Wilhelm Fitzehagen bearbeitet, welcher auch bei der Uraufführung in Moskau den Solopart übernahm. In einem Klavierauszug überarbeitete Fitzehagen die Stimmen noch einmal gründlich und landete letztendlich von den ursprünglich 8 Variationen auf seiner 7 Variationen-Variante.

Eduard Lalo komponierte 1867 sein sehr auf den unteren Klangbereich des Cellos bezogenes Konzert in d-Moll. Die grifftechnische Anforderungen entsprechen etwa dem Konzert von Saint- Saëns.

Max Bruchs zweiteiliges Konzertstück (Kol Niderei) liegt im ersten Teil eine alte hebräische Melodie zugrunde, nach welcher auch das Werk benannt ist. Die Melodie gehört zu einem der wichtigsten jüdischen Gesänge. Im zweiten Teil wird eine Melodie in d-Dur von Brahms nachempfunden, welche diesen Teil bestimmt.

In den letzten zwei Jahren seines Amerikaaufenthaltes entstand das unbeschreiblich glanzvolle h-Moll Konzert von Antonín Dvorák (New York Ende 1894, Anfang 1895). Gewidmet ist das Stück Hanus Wihan, welcher ursprünglich die Uraufführung spielen sollte, sich aber nach zu viel unbewilligten Änderungen im Solopart mit dem Komponisten so zerstritt, das der englische Cellist Leo Stern die Uraufführung spielte.

Das schon erwähnte Doppelkonzert für Violine und Violoncello von Johannes Brahms entstand 1887 in Hofstetten. Brahms Hauptproblem waren bei dem Konzert allerdings nicht die Spielbarkeit, sondern der Zusammenklang von Violine und Cello. Bei diesem ungewöhnlichen Projekt sah Bahms Zweifel darin, dass die Geige mit ihrem brillianten Klang das Cello übertrumpfen könnte. Dem wirkte er zum einen durch oktavierte und übrigens sehr wirkungsvolle Doppelung zu einer Stimme entgegen, zum anderen wurde dem Cello in allen drei Sätzen die Führungsrolle zugewiesen. Letzteres brachte einen Brahms-Freund so in Verlegung, dass er die Rolle der Geige in diesem Konzert verletzt fand und sich so gegen das Konzert stellen musste.

20. Jahrhundert

Zu wirklich angemessener Bedeutung in solistischer Hinsicht konnte das Violoncello allerdings erst im 20. Jahrhundert gelangen. Viele Kompositionen, die das Cello in seiner ganzen Vielfalt umfassen, wurden von den großen Virtuosen dieses Jahrhunderts inspiriert und sind diesen gewidmet. Allen voran sind wohl Casals und Rostropowitsch zu nennen.

Im 20. Jahrhundert war die “Klassische Musik”, wie sie heute gängig genannt wird, noch mehr ständigen Veränderungen und Experimenten als in vorigen Epochen ausgesetzt . Dies war nicht zuletzt auf die industrielle und technische Revolution zurückzuführen, als auch die Folge aus dem rasanten Fortschritt neuer Entwicklungen und Neuentdeckungen. Die Musik kann aufeinmal auf Tonträgern gespeichert, elektronisch verändert und bearbeitet werden. Fremde Kulturen und Musikstile treffen mehr denn je aufeinander und vermischen sich miteinander. Der Unterhaltungsmarkt wird auch zunehmend nicht mehr vom regionalen Umfeld bestimmt, sondern setzt sich aus internationalen Informationen und Ideen zusammen, was sich z.B. auch im Funk und Fernsehen äußert. Über die ständige, noch heute unerschöpflich erscheinende tontechnische Entwicklung sei kaum ein Wort gelassen, nur um zu verdeutlichen welcher Experimentierfreude Komponisten im 20. Jahrhundert ausgesetzt waren. So befassen sich im 20. Jahrhundert erstmals Komponisten mit dem Violoncello in Verbindung mit Elektronik und Tonband, aber auch mit elektrisch verstärkten Celli etc. Es bleibt aber in jedem Fall das Instrument Violoncello, wie es Stradivari bereits baute, jener unverbesserlicher Klangkörper allen Inovationen zum Trotz.

Die Kompositionen für Violoncello im 20. Jahrhundert kategorisch zu fassen scheint schier unmöglich und würde eine Aufzählung fast aller Werke erfordern. Um einen kleinen Überblick zu bekommen versuche ich die für mich persönlich wichtigsten Stationen dieses Jahrhunderts anzureißen.

Ganz augenscheinlich ist beim durchforsten der Celloliteratur im 20. Jahrhundert, dass das Violoncello an Beliebtheit und Popularität in seiner Entwicklung enorm zugesetzt hat und der Violine, so erstaunlich es auch klingen mag, keinesfalls mehr nachsteht.

Die Werke für Violoncello solo, mit welchen ich die ganze Entwicklung begann zu beschreiben, sind nun fast vollkommen in den Hintergrund verschwunden. Dabei sei nicht die expotentiell angestiegene Etüdenproduktion im 20. Jahrhundert beachtet. Ganz ohne Frage sind auch einige Etüden wie die “Hohe Schule” von David Popper auch virtuos nicht zu verachten. Trotz alle dem beginne ich unser letztes Jahrhundert wiederum mit Solowerken.

Gegen den Abwärtstrend dieses Genres schrieb Max Reger 1915 drei Suiten für Cello solo in G-Dur, d-Moll und a-moll. Neben Werken für Violine und Viola solo stellen diese Suiten für ihn eine intensive Auseinandersetzung mit Bachs Solowerken dar. Regers spätromantische Werke setzten im letzten Jahrhundert mit denen von Zoltán Kodálys einen neuen Ausgangspunkt für Cellokompositionen.

Im gleichen Jahr der Entstehung von Regers Suiten entstand Zoltán Kodálys 30 minütige Solosonate. Diese ist in ihrer Mentalität sehr von der ungarischen Volksmusik, welche nicht zuletzt von Béla Bartók und Zoltán Kodály wiederentdeckt wurde, beeinflusst.

Eine Abkehr vom Romantischen stellte in einer noch deutlicheren Sprache Paul Hindemith in seinen fünf kurzen Stücken für Cello allein dar. Interessant ist festzustellen, dass er sich als harmonisch bestimmendes Intervall immer die Quinte wählte, welche musikgeschichtlich gesehen, den Anfang unserer Mehrstimmigkeit überhaupt bildete. Von spieltechnischen Merkmalen geprägt ist das Werk durch seine parallelen Septimen, Sprünge auf der C-Saite während die G-Saite leer angestrichen wird und durch die Motorik, hervorgerufen von Spicatto ohne jeglichem Ausdruck im Pianissimo gespielt. Hiermit verlässt Hindemith die Romantik nun ganz bewusst und wendet sich neuen Klangerlebnissen zu, welche für weitere Komponisten im Laufe des Jahrhunderts Anreize gewesen sein mögen.

Völlig innovative Wege ging Ernst Krenek mit seiner Suite für Cello solo in der Zwölftonkomposition. Kaum zu glauben ist György Ligetis Solosonate aus seinem Frühwerk, welche noch sehr an die Tonsprache von Béla Bartók und Zoltán Kodály gebunden ist, da er später einen sehr eigenen, fast exzentrischen Charakter in seinen Kompositionen hat. Hans Werner Henze bediente sich ebenfalls in seiner 1949 geschriebenen Serenade für Cello solo an der Zwölftontechnik, geht danach dann allerdings mit der Reihentechnik sehr eigen um.

Bei Zimmermanns Sonate für Cello solo fällt es mir äußerst schwer, auch nur seiner Kompositionsstruktur zu folgen. Im Groben sei gesagt, dass sich an Stelle der Zwölftonreihe eine Skala bildet, welche auch Vierteltöne einschließt.- Diese experimentellen Kompositionen werden, wie schon erwähnt, bei dem Cello häufiger denn je auftreten, da gerade bei dem Streichinstrument der Spieler nicht an Tonskalen gebunden sein muss, vernachlässige ich dabei die Flagolettöne. Da unserem Ohr diese Klänge äußerst fremd erscheinen und auch ansonsten das Werk mit spieltechnischen, kaum realisierbaren Inovationen aufwartet, gilt dieses Werk mit zu den extrem schwierigsten welche je für Violoncello geschrieben wurden.

Benjamin Brittens Solosuite greift wie auf barocke Satztypen auch auf neuklassische Stilmittel zurück. Gewidmet ist sie Mstislaw Rostropowitsch welcher sie auch zur Uraufführung brachte.

Mit fremdartigen Klänge aus Japan wurde das Cellorepertoire von Toshiro Mayuzumis Bunraku angereichert. Dieser versuchte die japanischen Samisen auf das Cello zu übertragen. Samisen sind kleine japanische Zupfinstrumente mit nur drei Saiten. Wie schon erwähnt wird im Laufe des Jahrhunderts von verschiedensten Kulturen versucht ihre Musik auf dem Cello darzubieten, was nur seltener auch wirklich erfolgreich gelingt.

Ziemlich Abstrakt wird es mit Iannis Xenakis, welcher in „nomos alpha“ auf alle üblichen Spieltechniken verzichtet und somit auch auf den typischen Celloklang. Komponiert wurde das Stück auf der Basis mathematischer Theorie, bzw. auf einem von ihm geschriebenen Computerprogramm. Für die Umsetzung des mit allen erdenklichen spieltechnischen Raffinessen ausgestattete Stück, bedarf es bestimmter Darmsaiten in bestimmten Stimmungen.

Alle spielästhetischen Grenzen welche in bisherigen Umrissen beschrieben sind werden in Helmut Lachenmanns Stück „Pression für einen Cellisten“ überschritten. Für seine Intensionen dafür wäre hier nicht Platz genug, was jedenfalls hörbar für den „Laien“ herauskommt sind für ihn meist undefinierbare Geräusche, zu deren oft nicht unumstrittenen Erzeugungen einige spieltechnische Probleme auftauchen. Diese möchte ich versuchen aufzulisten, wobei es dabei schon fast unmöglich scheint alle Merkmale der „Neuen Musik“ auf einen Nenner zu bringen:

  • ungewöhnliche Intervallsprünge
  • Kantilenspiel in sehr hohen Lagen
  • Doppelgriffe (mit einem fest gegriffenen Ton und einem Flagolett-Ton); Doppelgriffe im Flagolett
  • Flageolett-Arpeggien
  • Glisando mit Vibrato; Gliasando mit Triller und Tremolo
  • Doppelglisando (Glisando auf zwei Saiten
  • Flageolett-Glisando; Flageolett-Glisando im Tremolo
  • Vibrato in unterschiedlichen Geschwindigkeiten
  • verschiedene Pizzicato- und Klopfvorschriften für die linke Hand:
  • Saite antupfen
  • mit einem Finger die Saite anschlagen
  • mit den Fingern auf die Saite klopfen
  • mit flacher Hand auf die Saiten schlagen
  • Finger von den Saiten abziehen (Pizzicato der linken Hand)
  • Saiten im Wirbelkasten anzupfen
  • Verschiedene Pizzicatovorschriften für beide Hände:
  • rechte Hand zupft auf dem Griffbrett (sul tasto) oder am Steg (sul ponticello)
  • arpeggiando (Pizzicato in Arpeggio-Manier)
  • alla chitarra (gitarrenähnlich, mit Fingern (Daumen), Fingernägeln oder auch Plektrum)
  • alla mandolino (schnelle Hin- und Herbewegung mit zwei Fingern zwischen zwei Saiten)
  • Balaleika-Effekt (seitlich zur Saite mit rechtem Daumen oder Plektrum an der Saite hin- und herreiben)
  • Bartók-Pizzicato
  • Pizzicato mit dem Fingernagel
  • Saite gegen einen Fingernagel der linken Hand schnellen lassen
  • Glissando-Pizzicato (Einzeltöne und Akkorde)
  • Flageolett-Pizzicato
  • Pizzicato fluido (Pizzicato mit der linken Hand, danach Bogenspannschraube gegen die entsprechende Saite drücken)
  • Pizzicato mit beiden Händen gleichzeitig (Pizzicato einer Saite im Wirbelkasten mit linker Hand, Pizzicato einer leeren Saite vor oder hinter dem Steg mit rechter Hand)
  • Scordatur (Umstimmen von Saiten)
  • Kombination und sehr rascher Wechsel verschiedenster Stricharten
  • drei Saiten gleichzeitig anstreichen
  • Saite/Saiten von unten her anstreichen
  • am Steg spielen (sul ponticello)
  • auf/an dem Griffbrett spielen (sul tasto), nahtloser Übergang beider Spielweisen
  • hinter dem Steg spielen (dietro il ponticello), mit großem Druck hinter dem Steg streichen
  • mit der Bogenstange streichen (col legno tratto)
  • Saltando mit der Bogenstange
  • Glissando durch vertikale Bewegung der Bogenstange
  • mit Bogenhaaren und Bogenstange gleichzeitig streichen
  • Tremolo mit der Bogenstange fast auf dem Steg und Bogenhaare hinter dem Steg
  • auf dem Saitenhalter streichen; mit Druck auf dem Saitenhalter streichen (Ne-belhorneffekt)
  • auf dem Stachel streichen (sanftes Rauschen)
  • mit der Bogenstange auf die Saiten schlagen (col legno battuto)
  • mit den Fingern der linken Hand auf die Zarge oder auf die Decke klopfen
  • mit der flachen Hand auf den Korpus schlagen
  • mit beiden flachen Händen auf die Saiten, den Korpus oder die Zargen schlagen
  • mit den Fingern auf Decke oder Zarge trommeln
  • mit einem Schlägel auf den Saitenhalter (Bongo-Effekt), die Zarge oder die Decke schlagen

Sergej Rachmaninow vertritt noch in seiner Sonate für Cello und Klavier in g-Moll, ganz den Stil des 19. Jahrhunderts. Zoltán Kodálys zweisätzige Sonate für Violoncello und Klavier ist ein expessiver Umgang mit ungarischer Volksmusik. Nah an der rumänischen Volksmusik sind Béla Bartóks Rhapsodien für Violine und Klavier, wovon er für die erste eine Fassung für Violoncello und Klavier schrieb. Die Abkehr von spätromantischen Kompositionspraktiken ist bei Anton Webern und Claude Debussy zu beobachten, wobei man bei Weberns drei kleinen Stücken op. 11 eher non einem radikalen Bruch als von einer Abkehr sprechen muss. „Ich hatte schon ganz deutlich die Vorstellung von einer größeren, zweisätzigen Composition für Cello und Klavier und begann sofort mit der Arbeit. Als ich aber ein kurzes Stück im 1. Satz hielt, wurde es mir immer zwingender klar, dass ich etwas anderes schreiben müsste. So brach ich ab, obwohl mir jene größere Arbeit gut von der Hand gegangen war, und schrieb rasch die kleinen Stücke (d.h. das erste hatte ich ja schon vorher nebst einem anderen, da ich aber verwarf), so sind diese drei Dinger entstanden. Und ich habe selten so das Gefühl gehabt, dass was gutes geworden ist.“ Claude Debussys Sonate für Cello und Klavier gehört seit all den Jahrzehnten zum festen Bestandteil unserer Celloliteratur. Dieses Stück ist geprägt von seinen konsequenten motivischen Bezügen und seiner spielerisch-virtuosen Eleganz.

Noch immer werden Gabriel Faurés Cellosonaten wegen ihrer gewissen Spröde, welche im Spätwerk von Fauré kennzeichnend ist, vernachlässigt. Paul Hindemith beschäftigte sich in seinem Gesamtwerk des öfteren mit klavierbegleitenden Cellokompositionen. Sein Spektrum reicht dabei vom englischen Kinderlied über Kompositionen aus der Tradition des 19. Jahrhunderts, bis zu extrem dissonanten Werken, welche ihm den Ruf des musikalischen Bürgerschrecks brachten. Im Frühwerk von Kurt Weill finden wir auch ein dreisätziges, an Ausdrucksmöglichkeiten reiches Werk.

Sehr provokativ zeigt sich die Sonate für Violoncello und Klavier op.40 von Dmitrij Schostakowitsch. Die zweite von den drei Sonaten von Bohuslav Martinus besticht durch ihre ausgesprochene Gleichbehandlung von Violoncello und Klavier. Interessante rhythmische Experimente sind bei den Cellowerken von Elliot Carter zu entdecken. Vom Neuklassizismus ist Wolfgang Fortner keinerlei Einflüssen mehr unterlegen. Seine Werke beruhen auf mosaikartig kontrastreichen Zusammensetzungen und zeitweiligen zwölftonkompositorischen Kniffen. Inwiefern Sergej Prokofjew nach seiner freiwilligen Rückkehr in die Sowjetunion von der kommunistischen Partei anpassend beeinflusst wurde, kann nur weitläufig spekuliert werden, jedoch sind konservative Momente in seinen Werken nicht zu verkennen. Bei Benjamin Brittens klavierbegleidenten Cellowerken vereinigen sich Sonaten- wie Suiteformen. Einen enormen Sprung dagegen ist zwischen Brittens Sonate und der 6 Jahre später entstandenen Komposition „Intercommunicazione per Violoncelle e pianoforte“ von Bernd Alois Zimmermann zu beobachten. Mit diesem Stück verfolgt Zimmermann konsequent die Idee einer Zeitgeschichtsdehnung. Die Tonlängen werden hierbei graphisch mit Punkten und Strichen angegeben.

Konzertante Werke werden im 20. Jahrhundert von Alexandr Glasunows kurzem Werk „Chant du ménestrel“ im Jahre 1900 eingeleitet. In der Spätromantik s ebenfalls noch verwurzelt sind Konzerte für Cello und Orchester von Ernst von Donhánis, Paul Hindemith, Edward Elgar und Frederick Delius. Ernest Bloch war nicht bestrebt in seinem „Schelomo“ Inovationen zu setzen, sondern versuchte auf dem Cello speziell jüdische Musik zu komponieren. Arthur Honggers Cellokonzert orientiert sich an amerikanischer Schlager- und Tanzmusik. Auch Arnold Schönberg komponierte ein Cellokonzert, welches allerding bei den Cellisten noch keinen richtigen Anklang gefunden hat. Mit Konzerten für Cello und Orchester tat sich Sergej Prokofjew ziemlich schwer. Sein Erstes wurde ein absoluter Misserfolg, sein Zweites, in der Uraufführung von Rostropowitsch gespielt, veranlasste ihn immer wieder zu Änderungen da er sich nie mit ihm zufrieden geben konnte. Das Cellokonzert Nr. 1 von Dmitrij Schostakowitsch wurde allerdings ein Hit. Das Außergewöhnliche dabei ist die 150 Takte lange Solokadenz. Krystof Penderecki geht bei seinem Werk über die Zwölftonreihe durch Vierteltontechnik herraus. Auch György Ligeti schrieb eine Klangfarbenkomposition für Cello und Orchester. Eine der wirkunsvollsten zeitgenössischen Kompositionen für Cello und Orchester schrieb Witold Lutoslawski. Neu hinzugekommen sind, wie schon erwähnt, Stücke für Violoncello und Tonband, Violoncello und elektronisches Equipment, Violoncello und Perkussion und für Violoncello/Violoncelli in Kombination mit menschlicher Stimme, wie z.B. u.a. Hans Werner Henzes Kantate „Beeing Beauteos“ für Koloratursopran, Harfe und vier Violincelli und das Requiem „Wolkenloses Christfest“ für Bariton, Violoncello und Orchester von Aribert Reimann.