Reyhan Şahin

deutsche Autorin, Rapperin, Linguistin und Radiomoderatorin
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Reyhan Şahin (* 1. Juli[1] 1980[2] oder 1981[3] in Bremen), Künstlernamen Lady Ray und Lady Bitch Ray, ist eine deutschsprachige Rapperin,[4] Schauspielerin und ehemalige Radiomoderatorin.

Schul- und Ausbildungszeit

Şahin stammt aus einer aus Sivas, Türkei,[5] nach Deutschland übersiedelten Gastarbeiterfamilie und wuchs im Bremer Stadtteil Gröpelingen auf.[6] Nach ihrem Abitur studierte sie Linguistik, Germanistik und Sexualpädagogik[7] an der Universität Bremen und schloss ihr Studium mit dem Magister ab.[3] Ihre Magisterarbeit mit dem Thema „Jugendsprache anhand der Darstellung der Jugendkultur HipHop“ wurde in einer Anthologie im Brockmeyer-Universitätsverlag veröffentlicht. Derzeit arbeitet sie an ihrer Doktorarbeit über „Semiotik der Kleidung“.[8] Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt sie dabei mit einem Promotionsstipendium. Außerdem leitete Şahin an der Universität Bremen als Lehrbeauftragte im Wintersemester 2007/2008 die Lehrveranstaltung „Einführung in die Kleidungssemiotik“.[9]

Medienkarriere

Şahin arbeitete vier Jahre beim öffentlich-rechtlichen Radioprogramm Funkhaus Europa als freie Mitarbeiterin und Moderatorin. Im Mai 2006 wurde ihr von Radio Bremen, welches zusammen mit dem WDR Funkhaus Europa produziert, gekündigt, weil ihre Rap-Texte „pornographische Inhalte“ transportieren würden.[10] Ein Lied mit dem Titel Hengzt Arzt Orgi, der von einer fiktiven Sexorgie mit den Rappern King Orgasmus One, Bass Sultan Hengzt und Frauenarzt handelt, hatte Şahin kostenlos ins Internet gestellt. Nachdem der Radiosender dies herausgefunden hatte, wurde die Moderatorin vor die Wahl gestellt, den Song aus dem Internet zu nehmen oder den Sender zu verlassen. Dieser Sachverhalt wurde unter anderem von der Bild popularisiert. Dagegen berichteten die New York Post[11] und The Sun[12], die Zusammenarbeit sei wegen ihres zu knappen Kleidungsstils beendet worden. Laut der Hindustan Times und Spiegel Online wehrt sich Şahin gegen die Trennung von Radio Bremen mit rechtlichen Mitteln.[13] Im Mai 2008 entschied das Gericht zugunsten von Radio Bremen.[14]

In der Folge veröffentlichte Şahin den Track Ich hasse dich, in dem sie sich beleidigend über die Popstars Jeanette Biedermann und Sarah Connor[15] sowie die Musikproduzentin Melbeatz äußert. In ihrer dritten Rapveröffentlichung Ich tret' dein Arsch macht sie den Berliner Rapper Kool Savas verächtlich. Die Rapperin nutzte bei dem Song den Beat von Savas' Single Komm mit mir, welche einige Zeit zuvor veröffentlicht worden war. Das Hip-Hop-Magazin Juice berichtete 2006 über Lady Ray und veröffentlichte den Track Deutsche Schwänze auf einer Juice-CD.

Şahin vermarktet ihre Produkte bisher hauptsächlich über das Internet. Von 2000 bis 2006 moderierte sie die Pay-per-View-Talkshow Große Fische, kleine Fische, in der sie Gäste wie B-Tight, Henning Wehland oder Jan Delay interviewte.[16] Ihre Website bei MySpace erzielte bis Dezember 2007 800.000 Aufrufe.[17]

Am 8. März 2007 gründete Lady Bitch Ray ihr eigenes Label Vagina Style Records. Die ersten Veröffentlichungen waren am 30. März die EP Vorhang auf und am 7. Dezember 2007 die Single Mein Weg. Beide können bisher ausschließlich im Internet käuflich erworben werden.[7]

Als Lady Bitch Ray war Şahin in einer am 10. Januar 2008 ausgestrahlten Ausgabe der österreichischen Late-Night-Show Willkommen Österreich zu Gast. Dabei schüttete sie ein Glas Wasser über den ebenfalls eingeladenen Ulf Poschardt, der sich zuvor kritisch über sie geäußert hatte. Poschardt verließ daraufhin die Sendung vorzeitig.[18]

Zur Zeit des Wahlkampfs für die Landtagswahlen in Hessen verfasste Şahin für die Seite Spiegel Online einen Beitrag zu der Kontroverse über Jugend-Kriminalität, welche im Januar 2008 von Ministerpräsident Roland Koch angestoßen worden war.[19]

Als Schauspielerin debütierte Şahin 2008 in dem deutschen Kinofilm Chiko. Der Film, in dem Şahin eine Prostituierte spielt, hatte in der Sektion Panorama auf der Berlinale 2008 Premiere.[20] Am 24. April 2008 bewarb sie den Film in der Unterhaltungssendung Schmidt & Pocher. Nach der Erstausstrahlung der Ausgabe verzichteten der MDR und der BR auf die sonst üblichen Wiederholungen der Sendung. Als Grund wurde die skandalträchtige Sprach- und Themenwahl der Künstlerin vermutet.[21]

Rezeption

Şahin wird sehr unterschiedlich in den Massenmedien rezipiert; die Turkish Daily News charakterisiert sie als „kontrovers“.[22]

Bei ihren tabuverletzenden Texten geht es der Rapperin laut eigener Aussage um türkisch-weibliche Emanzipation;[8] Şahin sieht sich als Gegenentwurf zu männlich-chauvinistischen Rappern wie Sido oder Bushido.[23] Ihren Unmut darüber, wie in Deutschland deutsch-türkische Frauen gesehen werden, drückte sie in einem Interview mit der tageszeitung aus.[8]

Şahins Werk wird kontrovers aufgenommen. Laut Süddeutscher Zeitung reichen die Gästebucheinträge ihrer Website von "Du bist eine Schande für jede türkische Frau" bis "Die ist voll powerful, sexy, ich hab' Schiss vor der. Respekt!!"[10] Das Bremer Stadtmagazin citybeat attestiert ihr, dass sie eine Frau sei, die „unter einem penetranten Selbstdarstellungsdrang [leide] und […] dringend Karriere machen [wolle], egal um welchen Preis.“[24] Das Hamburger Abendblatt kritisierte ihre Internetsendung als „geschmacklos“[16], und die tageszeitung wandte ein, dass ihr „derbes, freizügiges Auftreten […] kaum Diskussionen über Integration“, sondern „vielmehr über Emanzipation und Geschmack“ auslöse.[25] Das online-Magazin Europolitan spricht ihr sogar jeglichen weiblichen Emanzipationseffekt ab.[26]

Durch einen Auftritt bei Menschen bei Maischberger wurde Şahin Ende 2007 erstmals einer breiten deutschen Öffentlichkeit bekannt.[27] Şahin erklärte im Laufe der Sendung, sie propagiere in ihren Liedern die Emanzipation der Frauen und eine „vaginale Selbstbestimmung“ und sehe in ihrer selbstironischen Bezeichnung als Bitch einen Fortschritt im Hinblick auf die Emanzipation. Die Sendung stieß auf ein breites Medienecho. Peer Schader bezeichnete Şahin in Folge im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „armes Provokationswürstchen im goldenen Glitzerdarm“ mit „giftiger Engstirnigkeit“.[28] Der Tagesspiegel, der ihre Musik als „professionell“ lobte, stellte fest, dass es ihr nicht darum gehe, Mechanismen von Provokation und Vermarktung vorzuführen – sie bediene sie vielmehr ganz offen. Ihre Strategie, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, gehe daher auf.[29] Der Bundestagsabgeordnete Markus Löning konstatierte einen „Skandal“ ob des seiner Ansicht nach niedrigen Niveaus der Sendung.[30]

Mitte 2008 wurde Şahins Vorwurf, Charlotte Roche hätte freizügig ihren literarischen Stil in letztereres Debutnovelle Feuchtgebiete plagiarisiert, an prominenter Stelle in den deutschen Printmedien diskutiert.[31]

Diskografie

  • Ich hasse dich
  • Du bist krank
  • Suck It

Bisher erschienen drei EPs.

  • Vorhang auf! (30. März 2007, Vagina Style Records)
  • Mein Weg (6. Dezember 2007, Vagina Style Records)
  • Fick mich EP (2006)

Filmografie

  • 2007: Chiko
  • 2008: They Call Us Candy Girls (Serie, Folge 7)

Einzelnachweise

  1. N.N.: „Lady Bitch Ray“,<http://www.lifego.de/starvote/24/Lady-Bitch-Ray.html>, letzter Zugriff: 13. Dezember 2007.
  2. Ebensen, René: „Nackt-Rapperin macht ihren Doktor!“, Bild.de, 16. November 2007.
  3. a b Doğan, Kemal: „Hip hop'ta Reyhan rüzgarı“, Hürriyet, 12. Januar 2007.
  4. http://www.spex.de/2796/rezensionen.html
  5. N.N.: Kendine 'Bayan fahişe' diyor. In: Hürriyet. 30. April 2008 (com.tr [abgerufen am 15. Juni 2008]).
  6. Gernert, Johannes: „Mit den Waffen einer Frau: Als "Lady Ray" lehrt Rapperin Reyhan Sahin die Machos der HipHop-Branche das Fürchten“, Frankfurter Rundschau 13. November 2007, S. 48.
  7. a b Dominik D. & Stefan: „[Lady Bitch Ray - No.1 Bitch]“, Rap.de, <http://www.rap.de/features/727>, letzter Zugriff: 12. Dezember 2007.
  8. a b c Irler, Klaus: „Keine ist so krass wie ich“, die tageszeitung, 3. Juli 2006, S. 5. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag. Der Name „taz“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert.
  9. www.fb10.uni-bremen.de/lvv/lvv.aspx?sem=6&vak=10-79-5-5a-04, letzter Zugriff: 21. November 2007.
  10. a b Buettner, Julia: „Die Parallelgesellschaft von nebenan: Wie mit den Mitteln des Fernsehens versucht wird, die starren Migranten-Klischees der Deutschen aufzubrechen“, Süddeutsche Zeitung, 12. Februar 2007, S. 17.
  11. Kranes, Marsha: „Weird, but true“, New York Post, 27. Mai 2006, S. 19.
  12. N.N.: „Get 'er off“, The Sun, 27. Mai 2006.
  13. N.N.: „Now, wearing sexy outfits to work can get you fired!“, Hindustan Times, 29. Mai 2006.
    N.N.:"INTEGRATION "Meine Zeit wird kommen"", Spiegel Online, 22. März 2008.
  14. Kolja Reichert: Wege zum Ruhm. In: Der Tagesspiegel. 9. Dezember 2007 (tagesspiegel.de [abgerufen am 26. Juni 2008]).
  15. Ebensen,René: „Rüpel-Rapperin Lady Ray: Ich bin die weibliche Bushido ... und singe meine Skandal-Texte bald bei arte“, Bild.de, <http://www.bild.t-online.de/BTO/leute/2007/11/14/lady-ray-rapperin/bushido-weiblich,geo=2952096.html>, letzter Zugriff: 12. Dezember 2007.
  16. a b liv: „Aberwitziger Talk“, Hamburger Abendblatt, 9. November 2006, S. 4.
  17. dre: „«Ich bin für vaginale Selbstbestimmung»“, 20 Minuten, 6. Dezember 2007, <http://www.20min.ch/unterhaltung/sounds/story/28888966>, letzter Zugriff: 13. Dezember 2007.
  18. Video: Ulf Poschardt als Gast Video: Lady Bitch Ray kommt rein
  19. Spiegel-Online.de: JUGENDGEWALT-DEBATTE - Grummelnde Gartennazis
  20. Spiegel-Online: Scorsese-Szenen im Hamburger Ghetto
  21. Spiegel-Online: Intendant Reiter kritisiert "Schmidt & Pocher"
  22. Emrah Güler: A distinctive voice in Germany. In: Turkish Daily News. 7. Juni 2008 (com.tr [abgerufen am 26. Juni 2008]).
  23. N.N.: „Lady Ray: Die Doktorschlampe“, stern.de 7. Dezember 2007, <http://www.stern.de/unterhaltung/musik/:Lady-Ray-Die-Doktor-Schlampe/603207.html>, letzter Zugriff: 13. Dezember 2007.
  24. citybeat: „Lady Ray: Zielgruppengerechtes Internet-TV“, letzter Zugriff: 11. Juni 2007.
  25. N.N. „Lady Ray und die Wollust an der Provokation“, die tageszeitung, 3. Juli 2006, S. 5.
  26. Glöckner, Christian: „Porno-Rapper: Lady Bitch Ray & Co stürmen ARD und ZDF“, Europolitan 13. Dezember 2007, <http://www.europolitan.de/Kommentar_der_Woche/PORNO-RAPPER/304,25,0,0.html>, letzter Zugriff: 13. Dezember 2007.
  27. Buß, Christian: „Sex, die anstrengendste Sache der Welt“, Spiegel Online, <http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,521452,00.html>, 6. Dezember 2007, letzter Zugriff: 11. Dezember 2007.
  28. Schader, Peer: „Bitte nicht mehr über Sex reden, Frau Maischberger!“, FAZ.net 5. Dezember 2007, <http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~EEAFE63497B8A433CBD15F5542E314102~ATpl~Ecommon~Scontent.htm>, letzter Zugriff: 11. Dezember 2007.
  29. Reichert, Kolja: „Wege zum Ruhm“, Der Tagesspiegel 9. Dezember 2007, online: <http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/Lady-Bitch-Ray;art1117,2435631>, letzter Zugriff: 11. Dezember 2007.
  30. N.N.: „Sex-Talk in der ARD erregt die Nation: Schmuddel-Alarm bei Maischberger“, Berliner Kurier 6. Dezember 2007, S. 33, online-Version: <http://www.berlinonline.de/berliner-kurier/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/1206/tv/0095/index.html>, letzter Zugriff: 30. April 2008.
  31. Nicolas Kulish: Raunchy Novel Sparks National Conversation in Germany. In: Chicago Tribune. 7. Juni 2008 (chicagotribune.com [abgerufen am 26. Juni 2008]).

Bibliographie

  • Şahin, Reyhan (2006): „Jugendsprache anhand der Darstellung der Jugendkultur HipHop“, S. 143-242 in Possession, Quantitative Typologie und Semiotik: Georgisch, Irisch, Türkisch, herausgegeben von Thomas Stolz, Bochum: Brockmeyer. ISBN 3-8196-0674-2